1. Die Theologie (und damit die Kirche) muss sich mit philosophischen Fragestellungen, Kritiken und Herausforderungen auseinandersetzen und darauf eine Antwort finden. 2. Die Projektionshypothese Feuerbachs besagt, daß "Gott" eine vom Menschen in den Himmel projizierte Vorstellung sei. Er spricht von Projektion menschlicher Sinnhaftigkeit. 3. L.F. starb 1872 – nicht lange danach kam der 1. Weltkrieg; und Feuerbachs Theorie ist im Ersten Weltkrieg, zusammen mit den Vorstellungen des Idealismus (in den Gräben vor Verdun) zerschlagen worden. Wo waren da Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit und Liebe? 4. Die Theologen (die frühe dialektische Theologie) nahmen mehr und mehr wahr, dass Gott der "ganz Andere" ist. Gleichnis: ein Mann kommt in den Himmel; und eine Verwandte will wissen, wie Gott dort im Himmel ist. Da kommt eine Antwort. Totaliter aliter. – Insofern hat die Theologie von Feuerbach durchaus profitiert, wenn auch nicht direkt. Das Gottesbild ist klarer geworden. War er ansonsten so hilfreich. Ihm steht der Psychiater Freud gedanklich nahe. Auch er hat mit dem Begriff „Projektion“ gearbeitet. Bei Freud kommt der des Unbewussten hinzu. 5. Nach Feuerbach projiziert der Mensch (besser die "Gattung" Mensch) sämtliche besseren und "göttlichen" Eigenschaften etc. in ein Gottesbild. Von dort, so Feuerbach, müssen sie wieder vermenschlicht werden, zurückgeholt werden, damit die Gattung Mensch sozusagen zu ihrer wahren Existenz kommt. Der philosophische Theologe Feuerbach treibt also AntiTheologie, er löst die Theologie vollkommen in Anthropologie auf. 6. Dieses Menschenbild der Gattung ist hochgradig idealistisch. Man kann auch sagen, dass die "Gattung" Mensch bei Feuerbach eine supranaturale Fiktion ist, ähnlich wie die "Vernunft" von Hegel, der sie auch idealisiert und so wie auf eine riesengroße Leinwand projiziert. 7. Er hat gesagt - ich zitiere: „Was bejahst du, was vergegenständlichst du also in Gott deinen eigenen Verstand?“ Oder, ein zweites Zitat: „Die Götter sind die als wirklich gedachten, die in wirkliche Wesen verwandelten Wünsche des Menschen“ Die Projektion muss – laut Feuerbach – als solche erkannt und eliminiert werden. D.h. der Mensch soll – seiner Gattung oder Art gemäss – zur Anthropologie zurückfinden und die Theologie völlig beiseite lassen. 8. die Folge: Gute Werte wie Liebe, Mitmenschlichkeit, Gerechtigkeit, Weisheit braucht er dann nicht auf Gott zu „schieben“, zu „übertragen“, sondern kann selbst damit umgehen lernen. 9. Das Gattungsbild Feuerbachs ist zerbrochen. Denn der einzelne Mensch, der "wirkliche" Mensch wird in der Gattung nicht gesehen. Er wird nicht gesehen mit seiner Schlechtigkeit, seiner Bosheit und Bösartigkeit und seinen negativen Eigenschaften. (Dies sieht die protestantische Theologie z.T. klarer. (Vgl. „Fünf Punkte des Calvinismus TULIP, an deren erster Stelle T steht =Totale Verderbtheit des Menschen; die, nimmt man sie nur wahr, in die Erkenntnis seiner Erlösungsbedürftigkeit mündet.) Der Erste Weltkrieg, man denke nur an Verdun, zeigt mit seiner Selbstzerfleischung der Völker den Zerbruch dieses an und für sich großartigen Gattungsbegriffs. Man denke auch an die Folgen (Zweiter Weltkrieg bis hin zum Mauerfall) bis zur Weltsicht heutiger Menschen. Man weiss heute, sogar durch Experimente, dass Menschen, wenn sie „der Teufel“ (oder eine Belohnung oder irgendein Stimulus reizt, bereit sind, andere Menschen zu quälen, zu foltern, und dabei noch Vergnügen empfinden! 10. Man denkt vom Menschen an sich weder hoch noch niedrig; alles ist möglich; viele Glauben an ein Jenseits, viele nicht, viele sehen nur die Materie, die sie lockt, viele nennen sich stolz „Agnostiker“ – mit welchem Stolz bitte? Vllt. mit eingebildeten – keine Position beziehen wollen, man könnte sich ja irren, und dann komme das „Große Erwachen“? Man kann also mit Fug und Recht sagen, dass Feuerbach überholt ist. Die Theologie hat, spätestens angesichts von "Verdun", angesichts von „Hiroshima“, erkannt, dass die "Vergöttlichung" der Gattung Mensch eine Illusion ist. Gott ist eben der "ganz Andere", der nicht in einer irgendwie gearteten Anthropologie aufgeht. Somit hat die Theologie ein bleibendes Recht, sie darf aber nicht nach den Vorgaben der NW beurteilt werden. Auch in ihr gibt es einen gewissen Methodenpluralismus. Sigmund Freuds Kritik an der Religion Sigmund Freud Religionskritik: Religion sei lediglich eine Illusion! Erkenntnisinteresse ist immer gut! Fragen, die mich bewegen, müssen gestellt werden und müssen eine Plattform finden, in der sie diskutiert werden! Für Sigmund Freud ist die Entstehung von Religion ein psychologisches Phänomen: Die Psychoanalyse lehrt, dass es einen uns durchaus nicht bewußten Zusammenhang gebe zwischen dem Vaterkomplex und der Gottesgläubigkeit. Die Psychoanalyse kann und will ja bloß psychologisch argumentieren! Sie will aufgrund dessen zeigen, dass der persönliche Gott psychologisch nichts anderes ist als überhöhter Vater sein soll. Hat sie hier völlig unrecht? Vordergründig hat sie Recht. Denn in der Psychologischen Therapiesitzung wird oftmals deutlich, wie jugendliche Personen den religiösen Glauben verlieren, sobald die Autorität des Vaters bei ihnen zusammenbricht. Erleben mit F. Bewz, oder aber einer jungen Frau, deren Vater sexuelle Aberrationen öffentlich bekannte – obschon im Kirchenvorstand sitzend. Ich zitiere Freud: „Im Elternkomplex erkennen wir also die Wurzel des religiösen Bedürfnisses“ aus dem Buch: Totem und Tabu). Das anhand von Träumen und Neurosen aufgespürte Modell der Wunscherfüllung wendet Freud auch auf die Entstehung und Ursache von Religion an. Religiöse Vorstellungen sind demnach „nicht Niederschläge der Erfahrung“, sondern eben „Illusionen, Erfüllungen der ältesten, stärksten, dringendsten Wunsche der Menschheit; das Geheimnis ihrer Stärke ist die Stärke dieser Wünsche“ (zu finden bei: S. Freud in seinem Werk Die Zukunft einer Illusion). Wohlgemerkt: er argumentiert psychologisch: Diese Wünsche verweisen zurück auf einen hilflosen, kindlichen, infantilen Menschen, der sich nach einem soliden, tragfähigen Schutz vor den Gefahren des Lebens sehnt. Es geht also wieder um Projektionen. Die unklare innere Wahrnehmung werde nach außen, auf etwas Jenseitiges hin, projiziert. Doch all diese Wunsche sind nach Freud infantile Wünsche, entstanden aus den nie ganz überwundenen Konflikten der Kindheit. Religiöse Handlungen seien (in etwa) neurotischen Zwangshandlungen vergleichen. Beispiel: Die Besänftigung ominöser bedrohlicher Mächte in primitiven Religionen oder des Vatergottes in monotheistischen Religionen bringt zwar keine reale Hilfe, wohl aber eine seelische Entlastung. So ist für Freud Religion eine „hilfreiche“ Illusion. Man kann natürlich – sozusagen vice versa – alle negativen, destruktiven Kräfte auf den Teufel projizieren: Er ist doch die perfekte Projektionsfigur für alle eigene Bosheit des Menschen. Wenn es die Vorstellung von ihm nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Das stimmt und das passiert auch – aber das bedeutet nicht, daß es den Satan nicht gibt. Dennoch bezweifelt Freud, dass die Religion über die Jahrtausende lange Zeit ihrer Existenz das Leben des Menschen glücklicher und erfüllter gemacht hätte. Ebenso sei sie nicht nur Maß der Sittlichkeit, sondern auch Stütze der Unsittlichkeit gewesen. Konsequenz: Religion und Glaube an einen personalen Gott könne abgeschafft werden, – Besser ist es doch, an die Stelle der Religion einen anderen moralischer Maßstab zu setzen! Dieser Maßstab ist die Rationalität. (Freud hat versucht, psychische Phänomene wie die Hysterie zu rationalisieren – hat er dadurch die Hysterie geheilt? Nicht religiöse Regeln und Verbote sollen die Triebwünsche des Menschen von oben herab bändigen, sondern die eigene Vernunft, die Intelligenz. Der Mensch soll seine Erwartungen vom Jenseits lösen und sich mit all seinen Fähigkeiten und Kräften auf seine diesseitige Existenz beziehen. Das könne und müsse der mündige, erwachsene, reife Mensch einfach leisten. Viele Handlungen, bei denen "wir" uns "edel hilfreich und gut" vorkommen, sind dies oft gar nicht. Menschen sind sehr viel weniger altruistisch als sie oft denken. Und es ist oftmals auch eine Sache der persönlichen Wertung, was gut und schlecht bzw. gut und böse ist. Aber natürlich gibt es Taten, die eindeutig böse sind. Aber was uns hier in diesem Zusammenhang auch nicht verborgen geblieben ist, dass es ein nahezu militantes Bestehen darauf ist, dass er nicht nur existiert sondern auch wirkt. Man kann so eine "Theologie" entwickeln, die besagt, dass der Satan hinter allem – was Mensch böse empfindet – stecke oder der Verursacher ist, wenn man "böse" handelt. Ich lehne solch eine "Theologie" ab, da sie den Menschen in der Tat aus der Verantwortung entlässt. Gott ruft die Menschen aber in die Verantwortung, bzw. mutet ihnen zu, dass sie Verantwortung übernehmen können und sollen. Wenn aber Teufel bzw. dessen Abwehr Kern des religiösen Denkens ist, wird es gefährlich. Genau diese Gefährlichkeit habe ich in dem Beispiel des gesehen, weil da völlig aus der Luft gegriffen gemutmaßt wurde, ob nicht ein kleines Mädchen aufgrund seiner Probleme dunklen Mächten unterliegt. Wir sprachen davon, dass die einzig nachvollziehbar vernünftige "Funktion" Satans die einer Projektionsfigur ist. Damit ist natürlich nicht nur gemeint, dass man dann im Zweifelsfall die Bosheit eines anderen besser verstehen kann. Es geht noch sehr viel mehr um die eigene Bosheit, die man sich ja niemals oder nur sehr selten eingesteht. Warum hat Jesus gesagt, schon jemand, der eine Frau mit lüsternen Blicken ansehe, habe die Ehe gebrochen? Gewiss nicht, um ein schon bestehendes Gebot noch zu verschärfen. Aber gewiss, um den religiösen Gutmenschen seiner Zeit zu sagen, dass sie mit ihrer ganzen Rechtschaffenheit nichts begriffen haben. Wer ohne Sünde ist, soll den ersten Stein werfen! Das zumindest haben sie dann doch begriffen. Es warf keiner auch nur einen Stein! Wir fassen zusammen: wirksamer und lehrreicher – und auch produktiver – wäre es, über das eigene Böse nachzudenken und sich zu fragen, wo hierzu die Wurzeln zu finden seien. Dann besteht zumindest eine kleine Chance, dieses Böse in den Griff zu kriegen. Wichtig ist es, zu sehen, dass solches Denken vor allem in einigen christlichen Kreisen „beheimatet“ ist. Was ich mit Besorgnis sehe: solches Denken ist auf dem Vormarsch ist. Es ist aber trotzdem nicht allgemeiner christlicher Konsens.