Als CI-Träger auf dem Arbeitsmarkt Herausforderungen und Lösungsansätze Carlo Picenoni / Rahel Lindegger CI-Forum 12. November 2016 Wir bauen Brücken zwischen der Welt der Hörenden und Schwerhörigen und Gehörlosen Über uns • für alle Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung (CITräger, Gehörlose, Schwerhörige, Spätertaubte, Mehrfachbehinderte) und deren Umfeld • 7 Standorten in der Deutschschweiz (Basel, Bern, Luzern, Olten, Schaffhausen, St. Gallen, Zürich) • freiwillig und kostenlos • Mitarbeitende sind Spezialisten mit breitem, vertieftem Wissen & grosser Erfahrung (z. T. selbst betroffen) • Beratung ist angepasst (Kommunikation, Zeit, nimmt Rücksicht auf hörbehindertenspezifische Eigenheiten) Beratung für Schwerhörige und Gehörlose - Tätigkeiten • Sozialberatung (16'000 Std., 700 Klienten von leichtgradig Schwerhörigen über CI-Träger und Gehörlose bis mehrfachbehinderte Hörbeeinträchtigte und normalbegabte Spätertaubte) • Öffentlichkeitsarbeit/Information • Zusammenarbeit mit Organisationen im Hörbehindertenwesen/Mitarbeit an Projekten • Mitarbeit in Gremien und Behindertenorganisationen • Bildungs- und Freizeitangebote Sozialberatung (Bereich Arbeit) • Information rund um Arbeit (Arbeitslosigkeit, Stellensuche, Arbeitsplatzerhaltung, Aus- und Weiterbildung, …) • beraten über Rechte, Pflichten, Abläufe, Institutionen, Formulare, Weiterbildungsangebote ... • unterstützen bei Stellensuche, Bewerben (Briefe schreiben, Unterlagen erstellen, …) • begleiten zu Ämtern, Arbeitgebern • Jobcoaching • vermitteln zu IV, RAV, Ausbildungsstätten • hinweisen auf Hilfsmittel, Unterstützungsmöglichkeiten, Rechte, Pflichten Aus unserer Sicht… • … läuft es bei 90 % der Schwerhörigen und Gehörlosen ohne schwerwiegende Probleme • … ist es für 100 % herausfordernd • … ist es entscheidend, wann CI erhalten, welche schulische Unterstützung, in welchem Umfeld daheim Themen in der Beratung mit CI-Trägern Wir beraten spätertaubte und geburtsgehörlose CITräger oder umgestiegene Hörgeräteträger • welche Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten sie haben. • Aus- und Weiterbildung: Informationen zu Abläufen (z. B. wie die IV, der AG tickt), Kostenübernahme, Nachteilsausgleich, Hilfsmittel, Anträge an IV, Abklärungen mit Ausbildungsstätten, … • Umschulung • Stellensuche IV-Stellen Arbeitsmarkt • grundsätzlich gute Zusammenarbeit (IV-Gesetz wird kantonal unterschiedlich umgesetzt) • unterschiedlich engagierte IV-Berater • benötigen genaue Erklärungen v. a. betreffs Hilfsmittel Arbeitgeber meinen, CI-Träger erhalten eine IV-Rente oder die IV bezahlt ihnen einen Teil des Lohnes des CI-Trägers das ist nicht so! Themen betreffend IV • Hilfsmittel, Tutoriat, Schrifties, Nachteilsausgleich bei Prüfungen, Dolmetscher am Arbeitsplatz, Jobcoaching, Massnahmen zur (Re-)Integration • Viele CI-Träger wissen nicht, welche Rechte und Unterstützungsmöglichkeiten Sie haben: Beispiele aus der Praxis: - Frau L., Ausbildung zur Hauswartin - Frau A., Studium - Herr A., Hochschule, Abschlussprüfungen Herausforderungen für CI-Träger • Abhängigkeiten von der Technik und Mitmenschen • Hohe Erwartungen vom hörenden Umfeld alles hören/verstehen sich den Hörenden anpassen • Entscheidungen für ein CI • Hören ist anstrengend • Hören ist nicht gleich Verstehen • Hören muss trainiert werden Herausforderungen für CI-Träger • Begleiterscheinungen (Kopfschmerzen) • Unsicherheit als ständige Begleiterin ("Habe ich alles (richtig) verstanden?") • Isolation als ständige Begleiterin • Hörende überschätzen das Ablesen • Umgang mit "Auffallen"/"Aufmerksamkeit erregen" • CI versus Gehörlosenkultur? Oder wo fühl ich mich daheim? Der heutige Arbeitsmarkt ist nicht hörbehindertengerecht • keine typischen Hörbehinderten-Arbeitsplätze mehr • schnelle Kommunikation (meist über Lautsprache), viele Informationen und Wissen um Zusammenhänge sind zentral • vermehrt Kundenkontakt (projektbezogen) • verlangt Weiterbildung • Karriere verlangt Kommunikations- und Kontaktfähigkeit • Globalisierung, Leistung, Profit, Konkurrenz Tiefere Toleranzschwelle Schulen sind nicht hörbehindertengerecht • kein/wenig Wissen zur Hörbehinderung Fehleinschätzung der Anforderungen und Auswirkungen • mangelhafte Infrastruktur • kennen die Hilfsmittel/Erleichterungen nicht • kritisch gegenüber Nachteilsausgleich • E-learning: Herausforderung Textverständnis, Schriftliches Herausforderungen am Arbeitsplatz/in der Schule als CI-Träger • Wie komme ich zu Informationen? • Wann, bei wem und wie meine Hörbehinderung erwähnen? • trügerisch: gute Lautsprache • Wie definiere ich mich? (Schwerhörig, gehörlos, hörbeeinträchtigt,…) • Gegenüber muss Kommunikationsregeln einhalten • Einsatz von Dolmetschern: ja/nein? wann/wo? • Störlärm • Was tun, wenn Batterien leer sind? • Doppelbelastung: Hörleistung bringen während des Arbeitens/Studium und in der Pause für den Aufbau des sozialen Netzwerks Lösungsansätze jeder CI-Träger hat seine Strategien… weitere individuelle Strategien • • • • • • • • • besser nur wenige Freunde im Betrieb/Schule, um dort die wichtigsten Infos zu holen Email statt Telefon. Zeigen, dass man Email bevorzugt. Am Telefon gleich vorweg über Hörbehinderung informieren, allenfalls über eine nachträgliche Zusammenfassung per Mail bitten wenn nicht verstanden, dann zusammenfassen, was man verstanden hat jemand ans Telefon holen, der für mich mithört, mir übersetzt, mir aufschreibt Pause alleine machen zur Erholung Gelassenheit erlauben, Grenzen annehmen, offener Umgang damit Informationsblatt über eigene Hörbehinderung verfassen und an Studienleitung/Dozenten verschicken, die Grenzen darlegen Hilfsmittel beantragen (Schrifties, FM-Anlage, ...) weitere Strategien • Wenn viele Teamsitzungen: mit Chef vor/nachbesprechen, Protokoll verlangen • Gruppenarbeiten: Kommunikationsregeln abmachen, mit Kollegin nachbesprechen, protokollieren • Vitab und Textvermittlung für Abklärungen, Unpersönliches benutzen • Batteriewechsel humorvoll ankündigen • meine Hilfsmittel erklären (Hörende sind technikinteressiert) • für Psychohygiene: mit anderen CI-Trägern austauschen • Eigene Stärken zeigen und vermitteln • Hörende in GS und Lippenlesen einbeziehen/ unterrichten Lösungsansätze • Mitarbeitende/Mitstudierende sensibilisieren: Was kann ich, was erschwert, was nicht. CI erklären. Persönliche Kommunikationsregeln bekannt geben (mit Vertrauensperson notieren und Gespräch üben) • selbstbewusst sein, um aufzuzeigen, was ich brauche • eigene Kompetenzen richtig einschätzen (bei Vertrauenspersonen nachfragen) • akzeptieren, was ich kann und was nicht • Strategien für verschiedene Situationen entwickeln, z. B. wenn die Batterien leer sind, wenn zu viel Störlärm ist oder das Umfeld kein Verständnis für mich hat Lösungsansätze • individuell entscheiden, wann Hörbehinderung erwähnen (mit bfsug besprechen) • Hörbehinderung nicht erwähnen Fokus auf die beruflichen und persönlichen Fähigkeiten • Positives der Hörbehinderung "verkaufen" (mehr Konzentration, weniger Ablenkung, visuell, gebärden) • Selbstwert steigern: erkennen, was man erreicht hat • Informationen erhalten: Mit Arbeitgeber/Schule abmachen, wie (z. B. SMS, Mail, Protokolle), wer (Bring- oder Holschuld), was Lösungsansätze • Hilfsmittel einsetzen (div. Apps, Dolmetscher, Textvermittlung, Videotelefon, Lichtsignal, Vibration...) • für genügend Erholungszeit sorgen, lernen aufzutanken (z. B. CI abstellen und dies kommunizieren) • sich selber Druck nehmen: Stille geniessen, weniger erwarten • Freizeit: Treffen/Austausch mit anderen Betroffenen, Kommunikation in Gebärdensprache Zusammenfassung • Die Beratungsstellen für Schwerhörige und Gehörlose sind für alle da! • Anlaufstellen bei Fragen zu Aus- und Weiterbildung: BSFH und bfsug • Hörbehinderte leisten unglaublich viel im (Berufs-) Alltag Dies dem Umfeld bewusst machen! • Beruflich erfolgreiche CI-Träger und CI-Trägerinnen benötigen: o Strategien o Hilfsmittel o Verständnis o Selbstvertrauen und Gelassenheit CI-Träger im Berufsalltag Herausforderungen meistern