Lösung 12 (OC IV) Aufgabe 1 Substitutionen O Cl + H2O Cl + H2O O OH + Cl OH + Cl 1) 2) Bei beiden Reaktionen handelt es sich um nucleophile Substitutionen (Cl wird durch OH bzw. H2O ersetzt). Deshalb ist für beide Substrate abzuklären, ob sie nach einem SN1- oder SN2-Mechanismus reagieren können. Cl SN 1 Eine SN1-Reaktion führt zum Propyl-Kation, einem primären Carbeniumion. Die Bildung primärer Carbeniumionen ist aber energetisch dermassen aufwändig, dass sie normalerweise nicht auftritt. Eine Ausnahme stellt die Friedel-Crafts Alkylierung insofern dar, als dort solche Carbeniumionen formuliert werden (vgl. im Skript elektrophile aromatische Substitution, S. 17-22). Die Reaktionsbedingungen sind in jener Reaktion aber drastisch (Umsatz mit konz. H2SO4 oder mit AlCl3, wasserfrei), im Gegensatz zu wässriger Lösung bei den Hydrolysen. Wir können deshalb davon ausgehen, dass in wässrigen Lösungen keine primären Carbeniumionen gebildet werden. Damit entfällt auch eine SN1-Reaktion für Propylchlorid. Es bleibt nur noch die SN2-Variante. Da es sich um ein primäres Chorid handelt, sollte die SN2-Reaktion sterisch gut möglich sein. Wir erwarten, dass Propylchlorid nach dem SN2Mechanismus reagiert. Ganz anders die zweite Verbindung. Wenn ein Chloridion abgespalten wird, so entsteht eines der gut stabilisierten Carbeniumionen: O Cl SN 1 O O In der Grenzstruktur rechts haben alle Atome ihre Valenzschale gefüllt. Daher ist Chlormethyl-methyl-ether (so heisst das Edukt für die Bildung dieses stabilisierten Carbeniumions) ein Paradesubstrat für eine SN1-Reaktion. Auf der Nucleophilieskala ist Wasser ein schwaches Nucleophil. Wir erwarten deshalb eine langsame SN2-Reaktion, da im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt dieses Nucleophil am halogentragenden C-Atom angreifen muss. Im Fall einer SN1-Reaktion ist der geschwindigkeitslimitierende Schritt die Abspaltung der Abgangsgruppe. Bei der Bildung eines gut stabilisierten Carbeniumions erwarten wir eine rasche Abspaltung der Abgangsgruppe (Hammond). Die Anlagerung des Nucleophils ist nicht mehr geschwindigkeitsbestimmend. Zudem ist ein Carbeniumion (volle positive Ladung) ein wesentlich besseres Elektrophil als ein halogentragendes neutrales C-Atom (bezeichnet mit +). Da die Reaktionen in Wasser ablaufen, ist die erste Reaktion pseudo-erster Ordnung; die zweite ist echt erster Ordnung; die beiden Konstanten haben aber die gleichen Einheiten. Die Umwandlung des entstandenen Halbacetals in Formaldehyd kann man sich so vorstellen: Die Protonierung am Sauerstoffatom der Hydroxygruppe findet zwar auch statt, führt aber nur zu den Reaktanten zurück. Aufgabe 2 Swain-Scott Die Bildung der Produkte B und C wird durch folgende kinetische Gleichungen beschrieben: dcB kBr cA cBr dt dcC kCN cA cCN dt c dc c k 1 Zu Beginn der Reaktion gilt: B B Br Br . dcC cC kCN cCN 19 Daraus folgt: 19 kBr c cCN . kCN Br Nach einigen Umformungen lässt sich die Cyanid-Konzentration als Funktion der Bromid-Konzentration ausdrücken, modifiziert mit den Nucleophilieparametern von Swain und Scott. Der Ausdruck wurde durch c° dividiert, was zu den normierten Konzentrationen führt. kBr k H 2O kBr cCN 19 cBr 19 c Br kCN kCN k H 2O 10 n Br n Br n CN 19 cBr 19 10 n CN 10 Nun ist aber die Cyanid-Konzentration vom pH der Lösung abhängig. Dazu betrachten wir die Dissoziationsfunktionen einer einprotonigen Säure (vgl. S. 11-30). Ka cCN cHCN,tot 1 cHCN,tot K a cH cCN c Br c Auflösen nach cH ergibt: cH K a HCN,tot 1 cCN c cHCN,tot 8.41 pK a log pH pK a log HCN,tot 1 1 ( n n ) Br Br cCN 19 cBr 10 Zu dieser Aufgabe gibt es auch eine graphische Lösung Aus der Gleichung kBr k H 2O k Br cCN 19 cBr 19 c Br kCN kCN k H 2O log cCN log c log Br kBr k log CN log19 log cBr n CN log19 2.83 n Br k H 2O k H 2O Die Graphik sieht dann so aus: folgt: Aufgabe 3 Substitution vs. Elimination a) Der stereochemische Verlauf einer E2-Reaktion ist antiplanar: Um im Cyclohexan 1 diese Anordnung zu erreichen, muss das Br-Atom axial stehen. Damit ist folgende Konformation nötig: Die Lage der Doppelbindung ist damit eindeutig bestimmt. Elimination auf die andere Seite ist nicht möglich. b) Auch beim Cyclohexan 2 muss die Br-Gruppe axial stehen für eine E2Reaktion. Wenn dies der Fall ist, steht kein H-Atom mehr antiplanar zur Verfügung. E2 ist daher nicht möglich. Als einzige weitere Möglichkeit bleibt eine SN2-Reaktion übrig. Aufgabe 4 Aldol-Kondensation O H H H H Die fett markierten Protonen lassen sich mit EtO entfernen (- H Stellung zur Carbonylgruppe) O A AB Das ist der Prototyp einer Aldol-Reaktion. BC HO ist keine Abgangsgruppe bei SN-Reaktionen, aber bei Eliminationen wird sie abgespalten (vgl. S. 17-19). Aufgabe 5 Stereochemie In welchem (stereochemischen) Verhältnis stehen die gezeichneten Moleküle a-e untereinander (gleich, enantiomer, diastereomer)? Geben Sie den Chiralitätssinn der Chiralitätszentren von a an! H 3C H Br (S) (R) a COOH H OH H3C (S) H Br COOH OH (S) H3C (R) Br H COOH OH (S) H H3C (R) Br H (R) H c b a/b a/c a/d a/e b/c b/d b/e c /d c /e d/e d COOH HOOC (R) H OH HO H (S) CH3 Br H e diastereomer enantiomer diastereomer gleich diastereomer enantiomer diastereomer diastereomer enantiomer diastereomer Aufgabe 6 Elektrophile aromatische Substitution Die Dimethylaminogruppe ist ein -Acceptor; gleichzeitig aber ein -Donor. Die beiden Effekte sind gegenläufig, aber in den allermeisten Fällen haben die -Effekte die grössere Wirkung (Ausnahme: die Halogene Cl, Br und I). Gemäss Tabelle dirigieren -Donoren einen weiteren Substituenten in die para- bzw. ortho-Stellung. Als Produkte können wir daher 2-Brom-N, Ndimethylanilin und 4-Brom-N, N-dimethylanilin erwarten. H3C N CH3 H3C N CH3 Br Br Die N,N-Dimethylaminogruppe aktiviert den Aromaten, d.h. eine weitere Substitution verläuft schneller als diejenige bei Benzen. Mechanismus: Aufgabe 7 Hydrolyse eines Lactons 1. Die Hydrolyse eines Lactons (= cyclischer Carbonsäureester) unterscheidet sich prinzipiell nicht von der eines normalen Carbonsäureesters (vgl. S. 17-42; die Hydrolyse ist die Rückreaktion der Veresterung!). Wir können daher die Hydrolyse wie folgt formulieren: H+ O H 2O O O O O H H OH OH O H H 2O = H218 O HO OH O HO OH O Die ersten zwei Reaktionsschritte sind reversibel. Beim dritten Schritt (Spaltung des Vierringes) wird die gesamte Ringspannung von ca. 110 kJmol-1 frei, was diesen Vorgang de facto irreversibel macht. Die Markierung ist bei dieser Reaktion in der Carboxylgruppe (ob einfach oder doppelt gebunden spielt keine Rolle). 2. Wenn als Reaktionsprodukt 3-Hydroxy-butansäure (2) entstehen soll, so ist dies mit dem unter 1. gezeigten Hydrolysemechanismus nicht zu schaffen (die normale Hydrolyse bringt die Markierung nie an das C-3!). Falls die 18OMarkierung ans C-3 gelangen soll, so ist das nur mit einer Substitution zu erreichen. Da eine Carboxylatgruppe keine gute Abgangsgruppe ist (vgl. S. 1719), wird sie auch nicht spontan abgespalten (zudem resultiert kein tertiäres Carbeniumion bei der Abspaltung). Daher ist eine SN1-Reaktion nicht in Betracht zu ziehen. Übrig bleibt noch eine SN2-Reaktion. Diese bringt die Markierung an das C-3. H H H H O O O H H + SN2 O O O O O O 1 H O 2 OH O Wenn es sich tatsächlich um eine SN2-Reaktion handeln sollte, dann müsste dies mit einer Inversion am C-3 der Butansäure gekoppelt sein, was sich experimentell nachprüfen lässt. Unter Annahme des SN2-Mechanismus findet am C-3 eine Inversion statt. Mit Cyanid-Ionen als Nucleophile kann die Reaktion so formuliert werden: N H CN– H3 C SN2 O O N C H H 3C H+ COO C H H 3C COOH Aufgabe 8 Elimination E2-Reaktionen verlaufen antiplanar. Die kann man am Besten mittels NewmanProjektionen darstellen. In Frage kommen die beiden Konformationen A und B. B ist die energetisch ungünstigere Konformation. Da die Aktivierungsenergien für die Elimination von HBr aus beiden Konformationen etwa gleich ist, findet die Elimination hauptsächlich aus der Konformation A statt, was (E)-1,2-Diphenyl-ethen (= trans-1,2-Diphenyl-ethen) ergibt.