Fortpflanzung von Pflanzen Von Bestäubern und Bestäubten Streifzüge zwischen bunt gesprenkelten Wiesen und entlang von blühenden Hecken gehören zu einem richtig ­guten Sommer dazu. Aber warum blühen Pflanzen eigentlich? Das tun sie nicht, um ums einen Gefallen zu tun – das ist quasi der schöne Nebeneffekt. Sondern das hat alles mit ihrer Vermehrung zu tun. Lioba Degenfelder von der ­Jugendorganisation Bund Naturschutz (JBN) berichtet diesmal vom Liebesleben der Pflanzen. aus: MUH 21 Sommer 2016 (c) MUH Verlag GmbH Narbe Griffel Staubbeutel Staubfaden Text und Bilder: Abdruck nur mit Genehmigung der MUH Verlag GmbH; Zitieren bitte mit Quellenangabe www.muh.by WIE F UNKTIONIERT­ DIE F ORTPF L ANZUNG ­ B EI PF L ANZ E N? GIBT ES B EI PF L ANZ E N M ÄNNCH E N UND W EIBCH E N? Fruchtknoten Wie bei Tieren und Menschen gibt es auch bei den Pflanzen männliche und weibliche Teile und Keimzellen, die für die Fortpflanzung zuständig sind. Bei den Pflanzen sitzen diese Keimzellen in den Blüten. Die Keimzellen enthalten quasi den genetischen Bauplan für die Pflanzen – aber nur den halben! Um Nachkommen zu erzeugen, müssen eine weibliche und eine männliche Keimzelle zusammenkommen und ihre beiden „Puzzleteile“ aneinanderlegen. Zweihäusige Pflanzen sind Pflanzen, bei denen es männliche und weibliche Exemplare gibt. Also Pflanzen mit nur männlichen und Pflanzen mit nur weiblichen Blüten. Die Blüten wachsen also in zwei verschiedenen „Häusern“. Das bekannteste und anschaulichste Beispiel für eine zweihäusige Pflanze bei uns ist die Große Brennnessel. Bei den männlichen Pflanzen stehen die Blütenstände ab, bei den weiblichen hängen sie herab. (siehe Fotos). Andere Beispiele für zweihäusige Pflanzen sind die Rote Lichtnelke und der Hanf. Zweihäusigkeit ist relativ selten. Die männlichen Keimzellen sind der Blütenstaub – Fachausdruck: Pollen – in den so genannten Staubbeuteln, die auf den Staubfäden der Blüte sitzen. Langt man mit dem Finger in eine Blüte, die gerade den Pollen freigibt, hat man diesen als Pulver auf der Fingerspitze, das sich wie Mehl anfühlt. Wer schon mal seine Nase in eine Löwenzahnblüte gesteckt hat und sich eine gelbe Nase geholt hat, hat schon Bekanntschaft mit Pollen gemacht. Die weiblichen Keimzellen, wie bei Tieren ebenfalls Eizellen genannt, befinden sich ganz unten in der Blüte. Ihre Verbindung nach oben ist meist ein länglicher Stiel, der sogenannte Griffel. An der Spitze des Griffels sitzt die Narbe. Diese Narbe, die man zum Beispiel bei Tulpen gut erkennen kann, ist oft klebrig, damit der Pollen gut daran hängenbleiben kann. Kommt nun der Pollen – entweder an den Haaren z.B. einer Biene oder Hummel oder mit dem Wind dahergeweht –, an die Narbe, findet die Bestäubung statt. Ein Pollenschlauch wächst den Griffel hinunter, und wenn er die Eizelle erreicht hat, kommt es zur Befruchtung: Die männliche und die weibliche Keimzelle verschmelzen. Das ist der große Moment, in dem neues Leben entsteht! Katz’ oder Kater, Henne oder Gockel, Kuh oder Stier – bei Tieren ist die Unterscheidung von weiblich und männlich meistens ganz einfach. Bei Pflanzen ist die Verteilung der Geschlechter schon ein bisschen komplizierter. Ganz grundsätzlich gibt es dafür drei verschiedene Möglichkeiten: oben: ein schematischer Querschnitt durch eine Zwitterblüte; darunter: männliche und weibliche Blüten von Brennnessel und Haselnuss; unten: bei der Apfelblüte kann man sehr schön Staubblätter und Narben erkennen Bei den Einhäusigen Pflanzen kommen die weiblichen und männlichen Blütenstände an ein und derselben Pflanze vor – also beide „in einem Haus“ –, sie unterscheiden sich aber voneinander. Beim Haselnussstrauch kann man die beiden Blüten gut unterscheiden: Die langen, hängenden Kätzchen sind die männlichen Blüten. Die weiblichen sind ganz unauffällig mit einem roten Griffel in der Mitte (siehe Fotos). Auch Kürbis und Zucchini sind einhäusige Pflanzen. Die Blüten der Pflanzen, aus denen sich keine Früchte entwickeln, sind die männlichen. Als dritte und mit Abstand häufigste Möglichkeit gibt es noch zwittrige Pflanzen. Bei ihnen sitzen die Staubblätter und die Narbe, männliche und weibliche Keimzellen in einer einzigen Blüte zusammen. Zum Beispiel bei Apfelblüten und Tulpen (siehe Fotos) kann man das gut sehen. Ab dann beginnt der Fruchtknoten unten an der Blüte immer dicker zu werden. Er wächst heran zur Frucht, in der sich der Samen befindet. Und aus diesem können dann neue Pflanzen wachsen. 86 Fotos: B.Mehls/pixelio; Ute Zimmermann/pixelio, Rolf Handke/pixelio; Astrid Götze-Happe/pixelio; Bernd Kasper/pixelio; Lichtkunst/pixelio; Erich Westendarp/pixelio; Margit Völtz/pixelio; Angelika Wolter/pixelio; Rosel Eckstein/pixelio; Peter Sommerfeld; Angelika Koch-Schmid/pixelio 9. Folg e­ UND WIE KOM M E N DIE INS EKT E N INS SPIEL ? Es gibt Blütenpflanzen, bei denen die Bestäubung durch den Wind geschieht, der die Pollen herumweht – zum Beispiel Gräser, unsere Getreidearten und den Mais. Den Wind muss man nicht anlocken, darum haben diese Pflanzen unauffällige Blüten ohne Farben und Gerüche. Viele Blütenpflanzen benötigen aber tierische Hilfe für ihre Fortpflanzung. Die tollen Farben, Formen und Gerüche ihrer Blüten sollen die bestäubenden Tiere anlocken – ungefähr so, wie wenn wir an einem Wirtshaus mit blinkender Leuchtschrift vorbeigehen, aus dem es nach Dampfnudeln duftet. Meistens sind es Insekten, die den Pollen von Blüte zu Blüte tragen und so die Bestäubung sichern. Am wichtigsten für viele Nutzpflanzen und Wildgewächse sind die verschiedenen Bienen- und Hummelarten. Aber auch Fliegen, Käfer, Ameisen und Schmetterling spielen eine wichtige Rolle bei der Bestäubung. oben: die Blüten von Gräsern und Mais sind schlicht; darunter: eine Biene und eine Schwebfliege beim Bestäuben; unten: die Hummelragwurz WIES E N­ G EH EIMNISS E UND ­BL ÜT E NTRICKS Die Insekten tragen den Pollen natürlich nicht mit Absicht und aus Nettigkeit durch die Gegend. Nein, die Insekten wollen etwas: Sie kriechen in die Blüten, um den Nektar – den die Blüten extra für sie gebildet haben – aus ihnen herauszuschlürfen. Dabei werden sie von der Blüte mit Pollen vollgebröselt oder betupft, der Pollen wird ihnen von der Blüte sozusagen untergejubelt (die Blüten haben dazu oft ziemlich komplizierte Mechanismen entwickelt – zum Beispiel der Trick der Salbeiblüte hier rechts auf der Seite). Der Pollen bleibt an den Tieren kleben, und sie tragen ihn zur nächsten Blüte weiter, wo sie ihn dann im Vorbeidrängeln an die Narbe schmieren. Der Bund Naturschutz hat das Büchlein „Trickkiste Natur“ herausgegeben. Darin sind viele interessante, erstaunliche und auch lustige Naturphänomene beschrieben – zum Entdecken, Staunen und Ausprobieren. Zu jedem dieser Naturtricks und Experimente gibt es anschauliche Zeichnungen. So kann man sich zum Beispiel genau erklären lassen, wie die Blüte des Salbei die Insekten „austrickst“, um sich bestäuben zu lassen. Wer eine Salbeiblüte „betritt“, bekommt automatisch den Rücken mit Pollen bepudert! Manche Pflanzen haben den bestäubenden Insekten gar keinen Nektar anzubieten, sondern locken sie durch faule Tricks an! Die Hummelragwurz zum Beispiel, eine wilde Orchideenart, ist ein Meister der Täuschung. Ihr Trick: Ihre Blüten sehen wie Hummeln aus. Die kurzsichtigen Hummelmännchen lassen sich durch diese optische Täuschung und durch Duftstoffe, die hummelig riechen, anlocken. Sie setzen sich auf die Blüte, in der Meinung, sie besuchen ein Weibchen. Bei diesem Besuch bleibt der Pollen an der Hummel hängen, die weiterzieht und der nächsten „Schwindelblüte“ auf den Leim geht. Mit einem kleinen Stöckchen kannst du den Mechanismus der Salbeiblüte auslösen: Finde die „Trittplättchen“ am Grund der Blüte, so wie es die Abbildung 1 zeigt. Drücke sie vorsichtig nach unten (Abbildung 2). Sie sind über einen Hebel mit den darüber liegenden Staubblättern verbunden, die sofort herunterschnellen (Abbildung 3). Krabbelt eine Biene oder Hummel in die Blüte, um an den Nektar zu gelangen, drückt sie den Hebel herunter und es wird ihr eine Portion Pollen auf den Rücken getupft. DIE JBN L ÄDT EIN Die Jugendorganisation Bund Naturschutz (JBN) ist Bayerns größter Jugendumweltverband. Die JBN macht sich für den Natur- und Umweltschutz stark und kämpft für eine lebenswerte Zukunft für Kinder und Jugendliche. „Dreckig – aber glücklich“ ist das Motto der fast 200 Kinder- und Jugendgruppen der JBN in ganz Bayern. In den Kindergruppen werden Freundschaften geschlossen, wird gewandert, gekocht, die Natur entdeckt, Nistkästen werden gebaut, es wird gestritten und viel gelacht. Informationen, wie und wo man mitmachen kann gibt’s auf www.jbn.de 87 Kleiner BN-Taschenführer „Trickkiste Natur“; Herausgeber: BUND Naturschutz Service GmbH, Lauf (Oekom Verlag; 90 Seiten, 9,95 Euro) Grafik: Marco Fischer www.service.bund-naturschutz.de Das Buch kann bei der Service GmbH bestellt werden und ist im Buchhandel erhältlich. VI EL SPAS S