Personalbeurteilung Personalbeurteilung: Leistung, Verhalten, Eigenschaften Durch geeignete Verfahren werden Mitarbeiter regelmäßig über ihre Leistungsfähigkeit, ihre Eignung für die Stelle und die zukünftige Leistungsfähigkeit beurteilt. Eine personalwirtschaftliche Aufgabe In der Fach-Literatur sind unterschiedliche Ziele zur Personalbeurteilung zu finden. Aus Sicht der Organisation spielen, je nach Struktur, Organisationskultur und Verfügbarkeit von passenden Instrumenten, bis zu sieben Motive eine wesentliche Rolle (siehe Abb. 1). Durch die Vielzahl der unterschiedlichen und miteinander verzahnten Zielsetzungen wird die Bedeutung der Personalbeurteilung für nahezu alle personalistischen Aufgaben deutlich. Die Qualität der Personalarbeit hängt in hohem Maße von den Daten, die durch die Personalbeurteilung generiert werden, ab. Personalbeurteilungen dienen jedoch nicht nur ausschließlich den Zielen des Unternehmens, sondern auch die zu beurteilenden Mitarbeiter knüpfen Erwartungen daran. Diese „Mitarbeiterziele“ sind in ihrer Perspektive deutlich unterschiedlich (siehe Abb. 2). Ziele der Unternehmensleitung - Personalbeurteilung Ziel Personaleinsatzentscheidung Personalentwicklung Lohndifferenzierung Beratung und Förderung Unterstützung der Personalführung und Kontrolle Evaluierung der Effizienz der Personalarbeit 09/04 – kpr Nutzen Beurteilungen sollen die Grundlage für Versetzungen von Mitarbeitern sowie Beförderungen und Kündigungen liefern. Entscheidungen im Zusammenhang mit der Personalentwicklung erfordern Aussagen über das Leistungsverhalten der Mitarbeiter (Bildungsbedarf, Entscheidung über die Entwicklungsmaßnahmen,…). Die unterschiedliche Lohnhöhe ist neben anderen Entscheidungen (Qualifikation, Belastung, Verantwortung, Umgebungseinflüsse) von der Leistung der Mitarbeiter abhängig. Eine Führungsaufgabe stellt die Förderung der Mitarbeiter durch Rückmeldung der Stärken / Schwächen, Anregung von Lernprozessen des Mitarbeiters dar. Festlegung von Leistungserwartungen und Zielen für zukünftige Leistungsperioden, Motivation der Mitarbeiter, Verbesserung des Führungskraft/Mitarbeiter-Verhältnisses, Leistungskontrolle im Sinne von Soll-Ist-Vergleichen. Erfolgskontrolle von Maßnahmen der Personalbeschaffung (Erfüllung der Erwartungshaltungen), des Personaleinsatzes, der Personalentwicklung sowie Kontrolle der Wirkung von Anreizsystemen. (1/5) Personalbeurteilung Personalplanung Operative und strategische Entscheidungen des Personalmanagements erfordern eine systematische Personalplanung: Beschaffungs-, Personalentwicklungs-, Nachwuchs-, Freisetzungsplanung. Abb. 1: Ziele der Unternehmensleitung zur Personalbeurteilung, in Anlehnung an Lueger 1996 Ziele der Mitarbeiter - Personalbeurteilung Ziel Karriereziele Einkommensziele Leistungs- und Informationsziele Nutzen Einbringen der eigenen Karrierewünsche im Rahmen der Personalbeurteilung. Informationen über die eigenen Karrieremöglichkeiten und Teilnahme an spezifischen Förderprogramme Überprüfung der subjektiven Vorstellungen über den zustehenden Lohn (meist im Vergleich mit Kollegen). Einbringen der Vorstellungen über „gerechten“ Lohn. Rückmeldung über Erreichung von Leistungszielen, Stärken/Schwächen. Offenlegung der Leistungsziele bietet Mitarbeiter die Möglichkeit zur Orientierung. Abb. 2: Ziele der Mitarbeiter zur Personalbeurteilung, in Anlehnung an Lueger 1996 Zuckerbrot und Peitsche Von Bedeutung ist auch die Tatsache, dass es sich bei den Zielen um zwei grundsätzlich unterschiedliche, teils widersprüchliche Ziele, handelt. So können einerseits Selektionsziele (Beförderung, Lohndifferenzierung, Kündigung, etc.) als auch Förderziele (Beratung, Entwicklung, Motivation, etc.) in einem Beurteilungsverfahren verfolgt werden. Allgemein besteht bei Leistungsbeurteilungssystemen die Gefahr, die im Vordergrund bestehenden offensichtlichen („manifesten“) Zwecke nicht zu erreichen. Hingegen wirken versteckte („latente“) Funktionen, als nicht genannte oder nicht erkennbare Ziele, wesentlich stärker. Diese Wirkung kann sowohl negativ als auch positiv sein. Als Beispiele für latente Zwecke werden Einsatz als Diskriminierungsinstrument Kommunikationsverbesserung Erhöhung der Arbeitszufriedenheit Gerechtere Entscheidungsfindung genannt. Drei Kategorien von Beurteilungsmerkmalen Die zentrale Frage jeder Beurteilung ist die Festlegung der Beurteilungsmerkmale (Kriterien, Dimensionen, etc.). Sie sind der Maßstab zur Einstufung der Leistung, des Verhaltens und letztlich auch der Potenziale. Die Zahl der möglichen Beurteilungskriterien ist nahezu unbegrenzt und stellt das Spektrum der unterschiedlichen Arbeits- und Umwelten dar. Wesentlich bei der Auswahl der Berurteilungsmerkmale ist die Güte (Qualität der Eignung) für das Zustandekommen der Beurteilung. Einerseits die Validität von Kriterien (wird tatsächlich das gemessen, was vorgegeben wird zu messen?) und andererseits die Objektivität. Objektiv ist, wenn ein Kriterium von verschiedenen Beurteilern gleich zu beurteilen (Beispiel: Tippfehler pro Seite) ist. Qualitativ ist die Beurteilung dann, wenn eine Trennschärfe zwischen den Beurteilungskriterien besteht. Die 09/04 – kpr (2/5) Personalbeurteilung Beurteilung eines Kriteriums sollte nicht auf ein anderes Kriterium ausstrahlen (Beispiel: „Zuverlässigkeit“ und „Pünktlichkeit“). Die Zusammenfassung in drei Kategorien erleichtert das systematische Vorgehen bei der Erstellung, der für die Organisation entscheidenden und aussagefähigen, Beurteilungsmerkmale. Eigenschaften als überdauernde, einer Person zugeschriebenen Persönlichkeitsmerkmale werden häufig für die Beurteilung herangezogen. Diese Kriterienform hat einen relativ niedrigen Entwicklungsaufwand (Durchsetzungsfähigkeit, Kreativität, Initiative, Loyalität, etc.) ist generalisierbar und kann auch bei unterschiedlichen Arbeitsplätzen durchaus als Verhaltensvergleich herangezogen werden. Die Zuschreibung von (oftmals auch negativen) Eigenschaften führt jedoch zu heftigen Reaktionen der Beurteilten und meist auch zu Konflikten. Das Problem liegt in der Zuschreibung von Eigenschaften, die jedoch nur als theoretische Konstrukte vorhanden sind. Ein Ausweg aus diesem konstruktivistischen Dilemma ist die Beurteilung nach beobachtbarem (beschreibbarem) Verhalten. Leistungsergebnisse als Beurteilungskriterium beschreiben den Arbeitsoutput eines Mitarbeiters. Die Schwäche bei dieser Kategorie besteht in der Vernachlässigung des Zustandekommens einer Leistung. Die Ergebnisorientiertheit (z.B. Umsatz, Stück, Frequenzen, etc.) führen zu heftigen Anstrengungen der Mitarbeiter zur Erreichung des gewünschten Ergebnisses. Oftmals sind diese Kriterien (un-)mittelbar mit der Höhe des Gehaltes verbunden. Die Anstrengungen zur Maximierung der Leistung und zur Erreichung eines möglichst positiven Abschneidens im Leistungsergebnis führen zur Vernachlässigung anderer Tätigkeitsaspekte (z.B. Qualität, Kundenzufriedenheit, Zusammenarbeit, etc.). Dieses Problem kann jedoch durch die Aufnahme von verhaltensbezogenen Kriterien verringert werden. Verhaltensbezogene Beurteilungskriterien erfassen das Arbeitsverhalten eines Mitarbeiters. Die Herausforderung und der hohe Aufwand bei der Entwicklung stellt die ausreichende Konkretisierung dar. Damit werden Mehrdeutigkeiten verhindert und Interpretationsspielräume eingeschränkt. Durch eine möglichst exakte Beschreibung der Beurteilungsaspekte (z.B. woran erkenne ich „Kundenorientierung“?) wird ein direkter Bezug zu den speziellen Anforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes hergestellt. Bei der zielführenden Entwicklung muss auf die spezifischen Anforderungen des Arbeitsplatzes hinreichend Rücksicht genommen werden. Die objektive Beurteilung – ein Mythos In der Literatur ist man sich einig, dass jede Beurteilung mehr oder weniger objektiv ist. Vor diesem Hintergrund ist es von Bedeutung, wer Beurteilungen vornimmt. Die Akzeptanz durch den Beurteilten und die Aussagekraft der Beurteilung werden durch diese Tatsache relativiert. Trotzdem sollte allen Beteiligten dieses Faktum der „subjektiven Wahrnehmung“ und der damit verbundenen Wahrnehmungsverzerrung bewusst sein. Grundsätzlich können sechs „Beurteiler“ (siehe Abb.3) eingesetzt werden. Die Kombination mehrer Beurteiler wird im 360-Grad oder 270-Grad-Feedback verwendet. Der Nutzen dabei ist, unterschiedliche Wahrnehmungen der einzelnen Beurteiler zu „entzerren“ und als Summe der Einzelergebnisse ein scheinbar objektives Endergebnis zu erhalten. Die Qualität der Beurteilung ist nicht nur von der Nachvollziehbarkeit der unterschiedlichen Konstrukte und der Möglichkeit der Verhaltensbeobachtung abhängig. 09/04 – kpr (3/5) Personalbeurteilung Das Beurteilungsgespräch Im Beurteilungsgespräch liegt der Schlüssel zur Akzeptanz der Beurteilungsergebnisse und zur Sicherung und Umsetzung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse. Dabei sind die Anforderungen an die Führungskraft (diese führt i.d.R. das Beurteilungsgespräch) hoch. Besonders durch die allfällige Einbeziehung einer Selbstbeurteilung können unterschiedliche Sichtweisen in der Beurteilung der Kriterien auftreten. Hier tritt das Phänomen der Erfolgs- und Misserfolgszuschreibung besonders deutlich zu Tage. Bei Mitarbeitern besteht die Tendenz, bei Erfolgen stärker die eigene Person als Ursache zu sehen. Bei Misserfolgen wird überwiegend die Arbeitssituation/die Umwelt als entscheidender (Misserfolgs-)Faktor gesehen. Führungskräfte hingegen neigen dazu, generell die Person des Mitarbeiters als Ursache für ihr Leistungsverhalten zu sehen. Tatsächlich dürfte das Leistungsverhalten eine Frage der „Passung“ zwischen Person und Arbeitssituation sein. Die dabei entstehenden Unterschiede in der Beurteilung sollten in einer konstruktiven Diskussion der Unterschiede die Qualität der Einschätzung erhöhen. Professionelle Gesprächsführung Qualitativ hochwertige Beurteilungsgespräche zeichnen sich durch Gründliche Vorbereitung des Gespräches Schaffung einer vertrauensvollen Atmosphäre Klare Definition der Zielsetzung des Gespräches (Förder-/Selektionsziel) Umfassende Informationssammlung durch die Führungskraft Aktives Zuhören Diskussion konkreter Beobachtungen (Leistung und Verhalten) Einbeziehung des Beurteilten durch Selbstbeurteilung (erhöht die Akzeptanz) Positive als auch negative Rückmeldung Angemessener Umgangston (konstruktives Gesprächsklima, Verbindlichkeit der Aussagen) Ableitbare nächst Schritte (Entwicklungsplan, Maßnahmenplan,…) Abschließende Zusammenfassung aus. Beurteilen – eine schwierige Aufgabe Wesentlich ist die intensive und zielgerichtete Ausbildung für die Beurteiler. Das Investment in die Entwicklung eines komplexen und aussagekräftigen Beurteilungssytems kann durch Vernachlässigung der Schulung und der laufenden „Wartung“ nicht zum gewünschten Erfolg führen. Besonders bei Beurteilungen durch Kollegen oder durch Geführte können Überforderungen hinsichtlich der Verantwortung, der methodischen Zusammenhänge und der Zielsetzung der Beurteilung entstehen. Bei Führungskräften sollte die Integration des Beurteilungstrainings in umfassenden Führungskräftetrainings obligat sein. Nur dadurch, ist diese verantwortungsvolle Aufgabe sinnvoll zu erledigen. Wesentliche Bausteine des Trainings sollten sein: Erläuterung der Zielsetzung der Beurteilung (Selektions-/Förderziele) Information über Aufbau und Handhabung des eingesetzten Beurteilungssystems 09/04 – kpr (4/5) Personalbeurteilung Konkretes Üben von Beurteilungssituationen in fünf Schritten („Frame of reference“-Training) a)Die Teilnehmer erhalten eine Arbeitsplatzbeschreibung und werden aufgefordert, die dafür notwendigen Qualifikationsanforderungen abzuleiten. b)Die Teilnehmer erhalten drei konkrete Beschreibungen typischer Vorfälle von Leistungsverhalten. Dabei werden ausgezeichnete, durchschnittliche und unterdurchschnittliche Arbeitsleistungen beschrieben. c)Die Teilnehmer beurteilen die drei Beschreibungen auf vorgegebenen Skalen und begründen (!) ihr Urteil. d)Die Teilnehmer erhalten die „Auflösung“ durch vorher gewonnene „Expertenurteile“ mit entsprechenden Erklärungen und Begründungen. Sie können dadurch ihr eigenes Urteil reflektieren. e)Auseinandersetzung mit den Unterschieden der Teilnehmerurteile und den „richtigen“ Expertenurteilen. Sensibilisierung über die unterschiedlichen Wahrnehmungen und den Wert einer „objektiven“ Beurteilung. Diese Übungen könnten durchaus mit Videoaufnahmen veranschaulicht werden. Auseinandersetzung mit klassischen Beurteilungsfehlern. (Erster Eindruck, Stereotype, Halo-Effekt, etc.). Entscheidend dabei scheint die Selbsterfahrung der späteren Beurteiler zu sein. Neben den wissenschaftlich, theoretischen Erkenntnissen und der praktischen Anwendung am Modell, sollten die Beleitung in Form von Workshops, Erfahrungsaustausch und begleitendes Coaching vorgesehen werden. Literaturempfehlung: Personalbeurteilung (Lueger G.) in: Personalmanagement, Führung, Organisation/Kasper H., Mayrhofer W. (Hrsg.), Wien: Wirtschaftsverlag Ueberreuter, ISBN 3-7064-0248-3 Identifikation von Führungspotenzial und Entwicklungsmöglichkeiten (Bußmann J./Schiessl N.) in: Personalentwicklung in Praxisfällen/Biehal, Kailer, Schrems (Hrsg.), Wien: Linde Verlag, ISBN 3-85122-817-0 Personalentwicklung: Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis (Becker M.), Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag, ISBN 3-7910-1481-1 09/04 – kpr (5/5)