Frühe kosmologische Entwicklung und großräumige Strukturen

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Frühe kosmologische Entwicklung
und großräumige Strukturen
Volker Müller
Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP)
11 April 2012
Planetarium am Insulaner
1
Frühe kosmische Entwicklung
•  Geburt des Sonnensystems vor 4.6 Milliarden Jahren
•  Junge Galaxien, geboren vor 13 Mrd. Jahren, oder 1 Mrd.
Jahre nach dem Urknall
•  Erste Sterne werden etwa 200 Millionen Jahre nach den
Urknall geboren, leiten die Reionisation des Universums
ein: der Kosmos wird durchsichtig für jetzt bei uns
sichtbares Licht.
•  Die ersten 10 Minuten nach dem Urknall bestimmen die
Helium-Häufigkeit des Kosmos (25% der normalen
Materie)
•  Kosmische Inflation vor 13.7 Mrd. Jahren, genauer 10-34
Sekunden nach dem Urknall, heute sichtbare Universum
nur etwa 1 Meter groß!
11 April 2012
Planetarium am Insulaner
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Das Fernrohr als Zeitmaschine
Je schwächere Objekte wir im Kosmos sehen,
desto weiter sehen wir in die Vergangenheit:
•  Der nächste Fixstern ist ca. 4 Lichtjahre weg.
•  Sterne der Milchstraßenebene gehen bis in 2
Tausend Lichtjahre Höhe: hier Beginn der
(christlichen) Zeitrechnung.
•  Das Licht vom Zentrum der Milchstraße braucht
bis zu uns etwa 30 Tausend Jahre: hier
Neanderthaler starben aus.
•  Bis zum Rand der Einflusssphäre der Milchstraße
braucht das Licht fast 1 Million Jahre: hier Homo
erectus.
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Blick in die Vorgeschichte
Je schwächere Objekte wir im Kosmos sehen,
desto weiter sehen wir in die Vergangenheit:
•  Bis zum Schwerezentrum Virgohaufen braucht das
Licht über 65 Millionen Jahre: hier Dinosaurier
sterben aus.
•  Bis zum benachbarten Coma-Galaxienhaufen
(etwa 5 Grad am Himmel!) braucht das Licht etwa
300 Mio. Jahre: hier Paleozoikum mit
dominierenden Meereslebewesen.
•  Bis zum weitesten bekannten Quasar braucht das
Licht über 13 Milliarden Jahre: Sonnensystem
existiert noch nicht!
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Blick
ins tiefe
Universum
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Blick in den großen Kosmos
Milchstraße enthält 100 Milliarden Sterne
•  im Zentrum ist ein riesiges Schwarzes Loch
•  die Milchstrasse besteht aus einer flachen
Scheibe und einem kugelförmigen ‚Halo‘
•  Die Sonne rotiert in 250 Millionen Jahren einmal
um das Zentrum der Milchstrasse
Jenseits der Milchstraße gibt es unzählige
Galaxien
•  vielleicht 400 Milliarden Galaxien im sichtbaren
Universum
•  Galaxien formen ein kosmisches Netz
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Planetarium am Insulaner
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Planetarium am Insulaner
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Cosmos Survey: 1 000 h HST ACS + Subaru +
VLT VIMOS + XMM Newton – im optischen 10 Mrd. Pixel
Quelle: HST – ESA – ESO (Kornmesser & Christensen, 2009)
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XMM-Newton:
Sicht auf
COSMOS Feld:
Zusammensetzung aus
50 Aufnahmen
mit vielen
Clustern und
Quasaren
Quelle: MPE
(Hasinger, 2009)
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Strukturen auf
der Sichtlinie, als
das Universum
2/3, 1/2 und 1/3
seiner heutigen
Größe hatte:
Z = 0.5, 1, 1.5
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Der Kosmos expandiert
Edward Hubble (1929): Vermessung der Geschwindigkeiten
und Entfernungen von 31 Galaxien:
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Rotverschiebung
ist direktes Maß für die
Vergrößerung der Welt:
Virgo-Haufen: 1 210 km/s
und 65 Mill. Lichtjahre
Entfernung
Hydra-Haufen: 61 200 km/s
und 3 Mrd. Lichtjahre
Entfernung
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Modernes Hubble-Diagramm
Hubble-Space
Telescope Key
Program von
Wendy Freeman
et al. (2001):
H0 =
75 ± 8 km/s/Mpc
= 230 km/s/
Mill.Lichtjahre
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Raum-ZeitDarstellung:
das Universum
expandiert
kein Zentrum
Expansion
früher
verzögert,
heute
beschleunigt
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Hubble-Diagramm mit Supernovae
Adam Riess und Mitarbeiter (2007):
Logarithmische Darstellung der Ordinate: Normierung geht
verloren, aber Beschleunigung des Kosmos gemessen: H(z)
steigt in der Vergangenheit und Beschleunigung der
Vergrößerung der Welt da/dt in den letzten 6 Milliarden Jahren
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Endliche Lichtgeschwindigkeit
Albert Einstein‘s Grenze bestimmt alle
Beobachtungen im Kosmos:
•  Wir können im Kosmos nur so ‚weit‘ sehen,
wie das Alter des Kosmos ist.
•  Bei der beschleunigten Expansion entweichen
Galaxien aus unserem Sichtbarkeitsbereich
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Raum
Raum
Der kosmische Wettlauf
Große Strukturen
Große Strukturen
Zeit
Partikelhorizont
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Zeit
Ereignishorizont
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Kosmische Inflation
10-34 Sekunden nach dem Urknall:
•  Kosmos dehnt sich beschleunigt aus!
•  Vergrößerung um mindestens 1026: ein Atom etwa auf ein
Lichtjahr!
•  Ursache der Inflation ist die Vakuumenergie eines
skalaren Inflationsfeld (Beziehung zum HiggsMechanismus?)
•  Zustandsgleichung der Vakuumenergie:
Druck = - Vakuumenergie
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Kosmische Inflation
10-34 Sekunden nach dem Urknall:
•  Kosmos dehnt sich beschleunigt aus!
•  Vergrößerung um mindestens 1026: ein Atom etwa auf ein
Lichtjahr!
•  Ursache der Inflation ist die Vakuumenergie eines
skalaren Inflationsfeld (Beziehung zum HiggsMechanismus?)
•  Zustandsgleichung der Vakuumenergie:
Druck = - Vakuumenergie
•  Vakuumenergie gemessen als Casimir-Effekt (Vakuum
des elektromagnetischen Feldes)
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Inflation als Phasenübergang
Potential des Inflaton-Feldes: falsches Vakuum einer
unifizierten Theorie aller Wechselwirkungen geht in Vakuum
des Standardmodells der Elementarteilchenphysik über!
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Ukrnall versteckt hinter der
Inflationsphase
Neue Urknalltheorie
Ergebnis der Inflation
•  Kosmos wird aus großen Skalen gleichförmig.
•  Kosmische Volumina von der Skala der großen Strukturen
entweichen aus dem Horizontbereich!
•  Mit dem endlichen Horizont sind minimale
Quantenschwankungen des Vakuums verbunden
(Hawking-Strahlung), die im beobachteten Universum
Dichteschwankungen verursachen.
•  Skalenunabhängigkeit der Dichteschwankungen ist
direktes Beobachtungsergebnis.
•  Weiteres Merkmal: Gravitationswellen von der Inflation
(vielleicht mit Planck messbar).
•  Immer noch Hypothese!
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Inflation im kosmischen Zeitablauf
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Veranschaulichung der Inflation
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•  COBE-Satellit
1989 – 1993
Empfindlichkeit
bis ca. 1 Grad
(Strukturmaxima)
•  WMAP-Satellit
2001 – 2010
Empfindlichkeit
bis 6 Minuten
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Simulation des Planck-Blickes
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WMAP
•  Flaches
Leistungsspektrum
spricht für Inflation
(n = 0.96)
•  Doppler-Maxima
aus Anregung in
Inflation
•  Kopplung an
stehende PlasmaSchallwellen
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Blick in den großen Kosmos
Galaxien formen ein kosmischen Netz
• 
• 
• 
• 
Galaxien, Gruppen, Cluster von Galaxien
Filamente
Kosmische Leerräume
Kosmische Wände
Strukturen von der kosmischen Inflation
•  Skalenabhängigkeit der Strukturen deutbar im Bild
des Horizontein- und Ausdritts mit kalter dunkler
Materie (CDM)
•  Baryonenoszillations-Maximum (BAO)
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Simuliertes Universum
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'Nahes Universum': rot < 250 Mill. Lj
grün < 500 Mill. Lj
gelb < 750 Mill. Lj
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'Nahes Universum': alle 1.6 Millionen 2MASS-Galaxien
in äquatorialen Koordinaten
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'Nahes Universum': alle 1.6 Millionen 2MASS galaxien
in supergalaktischen Koordinaten
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'2-Grad-Feld': Struktur bis 1 Mrd. Lj
Konus-Diagramm: Milchstraße sitzt zwischen Spitzen
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'SDSS-Katalog': Struktur bis 20 % des Horizontbereich
Filamente – Wände - Galaxienhaufen
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Gruppen von Galaxien im SDSS
markieren sog. Halos von dunkler Materie
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Leuchtdichtefeld vom SDSS: Galaxiencluster
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SDSS: Superhaufenstrukturen
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Rekonstruktion
der
Struktur
en der
dunklen
Materie
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Rekonstruktion der lokalen Gruppe
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Baryonenoszillationen
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Rotverschiebung
so groß, dass
keine
Entdeckung im
sichtbaren und
IR-Band, aber im
sub-mm
z > 6 teilweise
undurchsichtiges
Universum
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Aktuelle und
zukünftige
Beobachtungen:
Planck-Satellit für
kosmologische
Hintergrundstrahlung
Erste Sterne mit
Extreme Large
Telescope (ELT)
Reionisation im
21cm-Radiosignal
bei z ≈ 10
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Messung der Ionisationsblasen
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Messung der Ionisationsblasen
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Messung der Ionisationsblasen
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LOFAR: Messung der Reionisation
Station Bornim: rotverschobene 21 cm Linie
Kosmos bei z = 10
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Geschichte der Messungen
1929 Expansion der Universums
(Edwin Hubble)
1933 – 1934 Dunkle Materie
Massendichte in der Milchstrasse und im Virgo-Haufen
(Jan Oort, Fritz Zwicky)
1974 – 1978 Kosmische Netzstruktur
(Jan Einasto, Eric Tago, Enn Saar)
1989 - 1993 Cosmic Background Explorer
CMB hat Planck-Spektrum und 10 µK Fluktuationen
(John Mather und George Smoot)
1998 Cosmological Supernovae Projekt
Beschleunigte Expansion des Universums
(Saul Perlmutter, Brian Schmidt, Adam Riess)
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Anfänge
William de Sitter und
Albert Einstein,
Princeton 1931
Albert Einstein, Edwin Hubble und
Walter Adams, Mt. Palomar 1931
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Robert
Milikan,
Georges
Lemaitre und
Albert
Einstein,
Pasadena
1933
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Geschichte der Strukturen
1978 erste Theorie der Galaxienentstehung
Martin Rees, Joseph Silk, Simon White
1979 – 1982 Kosmische Inflation
Alexey Starobinsky, Alan Guth, Andrei Linde, Stephan Hawking,
Andreas Albrecht, Michael Turner u.a.
1982 – 1984 CDM Modell
Jim Peebles, George Blumenthal, Sandra Faber, Joel Primack
1985 erste CDM Simulationen
Mark Davis, George Efstathiou, Carlos Frenk, Simon White
1999: sechs Zahlen bestimmen unsere Welt
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6 Zahlen: H0, Ωm, ΩΛ, σm, τ, ns
Ωm = 0.25
ΩΛ = 0.75
σm = 0.75
τ = 0.9
ns = 0.95
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Hubble-Konstante: H0
H0 = 72 ± 3
km/s/Mpc
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Schlüsseljahre der Kosmologie
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Dekadenfragen 2010 - 2020 (AAS)
•  Wie begann das Universum?
•  Was waren die ersten Lichtquellen?
•  Wie haben sich die kosmischen Strukturen
gebildet?
•  Was ist die Verbindung von dunkler und
sichtbarer Materie?
•  Welche Fossilien können wir von der
Galaxienbildung nachweisen?
•  Wie bilden sich Sterne und schwarze
Löcher?
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