Konflikt in Bosnien-Herzegowina Master Thesis zum Lehrgang Universitären Charakters „Interkulturalität und Kommunikation“ von: Lidija Lukic Hirschengasse 21/20 1060 Wien Betreuer: a.o. Prof. Dr. Gero Fischer Datum der Einreichung: 16. August 2010 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 2. Geschichte von Bosnien-Herzegowina 2.1 Bosnien-Herzegowina vor dem Ersten Weltkrieg 2.2 Bosnien-Herzegowina nach dem Ersten Weltkrieg 2.3 Bosnien-Herzegowina innerhalb der SFR Jugoslawien von 1945 bis 1989 2.4 Zerfall der SFR Jugoslawien 2.5 Krieg in Bosnien-Herzegowina 2.6 Der Vertrag von Dayton 2.7 Die Nachkriegszeit in Bosnien-Herzegowina von 1995 bis heute 3. Der Konflikt in Bosnien-Herzegowina 3.1 Konflikte allgemein 3.1.1 Soziale Konflikte 3.1.2 Inhaltskonflikte 3.1.3 Konfliktformen 3.2 Konfliktursachen in Bosnien-Herzegowina 3.3 Nachkriegskonfliktsursachen 4. Lösungsansätze der Konflikte 4.1 Die bisherigen Versuche zur Konfliktlösung 4.2 Warum kommt es nicht zu einer Lösung der Konflikte? 4.3 Mögliche Konfliktlösungen 5. Zusammenfassung 6. Literaturverzeichnis Abbildungsnachweise Abb. 1: www.wieninternational.at/de/node/11972 Abb. 2: www.zeithistorische-forschungen.de/site/40208303/default.aspx Abb. 3: www.bosnien-herzegowina.info/poltik.htm 2 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina 1. EINLEITUNG Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel den Konflikt, die Konfliktursachen und mögliche Lösungsansätzen zwischen den Volksethnien in Bosnien - Herzegowina darzustellen. Der Zerfall der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (SFRJ) 1992 hatte nicht zu einer demokratischen Republik und einer friedvollen Lösung der Konflikte in Bosnien - Herzegowina geführt, sondern zu einem Burgerkrieg und einem immer noch existierenden Spannungsfeld im Land. Die Entwicklung von Bosnien - Herzegowina und seiner Staatlichkeit wurde und wird stark durch den Einfluss der Ethnopolitik, der Politik der Nahbarländer und der nationalistische Dynamik geprägt. Konflikte sind ein Bestandteil unseres Zusammenlebens. Aus einem Konflikt entwickelt sich eine Konfliktdynamik, die eine friedliche, konstruktive und gewaltfreie Lösung bringen kann. Aus Untersuchungen zum menschlichen Verhalten in Konfliktsituationen hat sich rausgestellt, dass jede involvierte Partei die Einstellung und das Ziel hat, den Verlust des Gegners zu erreichen. Jede Partei versucht daher die Schuld auf den anderen zu schieben (Braun et al., 2004, S.261-293). Die Geschichte von Bosnien und Herzegowina im 20. Jahrhundert ist ein Bespiel für Konflikte als Ergebnisse des Ethnonationalismus. Der Ethnonationalismus wurde als Instrument von den drei damals führenden politischen Parteien zur Erlangung und Festigung ihrer Macht zu Beginn der 90er Jahre im Namen der eigene Ethnien bzw. der Nation eingesetzt. Der starke Einfluss der Parteien erzeugte Fremdfeindlichkeit, Aggression und Hass gegenüber Menschen andere kulturelle Herkunft, Religion und Sprache (Dzihic, 2009, S.16). Die Streitgegenstände der beteiligten Parteien ermöglichten die Übertragung und Identifizierung des eigenen Interesses an einzelnen Menschen als Individuen. Jede Partei hat sich auf das historische und religiöse Erbe oder die Herrschaftsverhältnisse frühere Generationen berufen. Für die Steigerung der Selbstwertgefühle, zu eigenen Verwirklichung, als Statusaufwertung und als Legitimation identifizierte sich jeder ethnischer Gruppe mit einem territorialen Gebiet. Die politischen Führungen übernahmen die nationalistische Manipulation durch die Medien und verbreitete Massenangst. Eine Folge davon waren große Migrationbewegungen der einzelnen ethnischen Gruppen 3 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina um einen politisch-territoriale Zusammenhalt zu schaffen. Diese ethnische Homogenisierung erfolge nicht immer freiwillig, sondern wurde durch eine massive Verfolgungs- und Vertreibungspolitik erzwungen. Viele Menschen suchten daher verstärkt nach Sicherheit und Zugehörigkeit zu ihrer eigenen ethnischen Gruppe auf Basis ihrer nationalen Identität, Religion, Sprache und Land. Die Identifikation der Menschen mit den Interessen der Partei beschleunigte den gewaltsamen Beginn des ethnischen Konfliktes (Giersch, 1998, S.50). Im Namen der Nation und der Ethnopolitik haben die Interessen der nationalistischen Eliten in Bosnien und Herzegowina zur Erreichung und Absicherung eigene Machtposition, Herrschaft und Kapital zwischen 1991-1995 fast 300.000 Menschenleben gekostet (Holbrook, 1998, S.9). Heute, im Zeitalter der Globalisierung und 15 Jahre nach Beendigung des Krieges, ist Bosnien Herzegowina weiterhin ein Land in der Krise. Der Krieg produzierte, verlängerte und vertiefte neue Streitigkeiten und Konflikte zwischen den herrschenden Parteien. Die herrschenden Parteien haben noch kein Interesse gezeigt eine einheitliche Politik zu betreiben, die ethnische Zugehörigkeit hat weiterhin einen starken Einfluss und verhindert die Entstehung eines demokratischen, modernen und europäischen Staates und ein Wiederaufbau der Wirtschaft. Hintergründe der Arbeit Die Suche nach den Ursachen eines Konfliktes kann dazu beitragen, die entstandene Konflikt-Dynamik und das menschliche Verhalten besser zu verstehen und friedliche, konstruktive und gewaltfreie Lösungen zu finden. Weiters ist die Suche nach den wahren Gründen des Konfliktes in meiner ehemaligen Heimat Bosnien - Herzegowina gleichzeitig eine Auseinandersetzung mit mir selbst, mit meinen Wurzeln und meiner Verbindung zu Bosnien - Herzegowina und ermöglicht mir einen neuen Umgang mit meinen Gefühlen, Erinnerungen und dem Krieg. Forschungsfrage Was sind die Ursachen der Konflikte zwischen den Ethnien in Bosnien und Herzegowina in den letzten 20 Jahren und warum kommt es zu keine Lösung? 4 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit besteht aus drei Kapiteln. Das erste Kapitel stellt den geschichtliche Werdegang von Bosnien - Herzegowinas vor Ersten Weltkrieg bis heute dar, sowie den Ethnonationalismus, die Ethnopolitik und ihre Folgen. Das zweite Kapitel stellt systematisch die Problematik und theoretischen Ansätze von Konfliktursachen und Konflikten im Allgemeinen und für Bosnien - Herzegowina im speziellen dar. In diesem Teil wird versucht eine Annährung an die Komplexität der Konflikte zu erläutern. Der dritte Teil beschreibt die bisherigen Lösungsversuche und versucht Antwort zu finden, warum es bisher noch nicht zur Lösung der Konflikte gekommen ist. Methode Die Datengrundlage dieser Arbeit bildet eine Literaturrecherche der Fachliteratur und des Internets zu den Themen (Geschichte des Landes, Konflikt und Konfliktursachen und Lösungsansätze). Die Methode der Masther-Thesis wird unter dem Hermeneutischen Zirkel bearbeitet. 2. GESCHICHTE VON BOSNIEN-HERZEGOWINA Die Republik Bosnien-Herzegowina wurde im April 1992 gegründet und von den Staaten der Europäischen Gemeinschaft und den USA als unabhängiger Staat anerkannt. Der Prozess der Entstehung Bosnien - Herzegowinas auf der Balkanhalbinsel hatte jedoch schon viel früher begonnen. Es hat sich als ein Territorium herausgebildet, in dem sich die Einflüsse und Interesse aus dem Osten, Westen, Norden und Süden gekreuzt haben. Abb. 1: Landkarte vom Bosnien heutige. 5 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina 2.1 Bosnien–Herzegowina vor dem Ersten Weltkrieg Nach dem Ankommen von den Illyren, den frühesten Bewohnern des heutigen Bosniens, haben sich die Großreligionen und Großimperien der damaligen europäischen Herschafft hier überlappt und vermischt: die Herschafft der Römer, Karl der Große, die Banschaften im Mittelalter, die Herscher des Osmanischen Reiches und Österreich-Ungarn (Malcom, 1996, S.12). Die Geschichte Bosnien Herzegowinas ist daher sehr komplex und auch nicht genau erforscht. Im Zuge der Recherchen über die Geschichte von Bosnien – Herzegowina habe ich verschieden Interpretationen von verschiedenen Autoren gefunden, besonderes über die Entstehung der nationalen Identitäten und der Rolle der Religion. Je nach dem wurde die Geschichte aus primär kroatischer, serbischer oder bosnischer Sicht betrachtet. Es gibt nicht ein gemeinsames und einheitliches Wissen über die eigene Vergangenheit, so dass es nicht leicht ist zwischen den verschiedenen Interpretationen, historischen Tatsachen und Propaganda zu unterscheiden. Nach Malcom (1996) sind die westlichen Medien in den letzten Jahren stark geprägt von historischen Fehlinformationen und überfüllt von nationalen und politischen Mythen. Zum Beispiel ein Mythos (aus kroatischer Sicht) versucht zu beweisen, dass die Bosnier, genauer die Muslime, eigentlich Kroaten seien. Die Serben versucht hingegen zu beweisen, dass die bosnischen Muslime eigentlich Serben sind. Aus dem Zweiten Weltkrieg hat die kroatische Propaganda alle nationalistischen serbischen Führer als „Tschetniks“ bezeichnet, genannt nach dem Führer Tschetniks im Zweiten Weltkrieg und versucht alle anderen als Volksmörder darzustellen. Die serbische Propaganda hat die kroatischen Nationalisten als „Ustascha“ bezeichnet, genannt nach dem Führer Ustascha und auch als Mörder dargestellt. Die muslimische SS Divisionen im Zweiten Weltkrieg werden entweder als Nazis oder als Fundamentalisten bezeichnet. Der größte Mythos von einem ausländischen Führer, John Major, ist die Behauptung, dass der Krieg in Bosnien – Herzegowina ein Ausdruck einer „uralten ethnischen Feindschaft“ sei, die ganz von sich selber ausgebrochen ist. Es wurde so dargestellt, dass Hass und Feindlichkeit immer da gewesen sind, und dass der Balkan immer eine tickende Bombe war. 6 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Die Feindlichkeiten in der Vergangenheit hat es zwar gegeben, sie sind aber nicht Resultat der ethnischen oder religiösen Gegebenheiten gewesen, sondern wirtschaftlicher Natur. Die Benachteiligung und Abhängigkeit der hauptsächlich christlichen Bauern gegenüber muslimischen Heeren während der osmanischen Herschafft hat sich verändert, als sich die wirtschaftlichen Gegebenheiten änderten. Unter dem politischen Druck im 19. Jahrhundert hat sich durch die Haltung zum Landbesitzt geändert. Die großen Reformen und die administrative Einteilung des Landes wurden eingeführt um die Willkür der Lokalherrscher und Großgrundbesitzer zu unterbinden. Nach dem Bauernaufständen, die mit großer Brutalität niedergeschlagen wurden, erregte die großen Publizität die westliche Öffentlichkeit und diese veranlasste, dass beim Berliner Kongress 1878 die Österreich-Ungarische Diplomatie betonte, das die Zentrale im Istanbul nicht in der Lage sein, für Recht und Ordnung und der Durchführung von Reformen in Bosnien zu sorgen, so dass die Stabilität in Europa gefährdet ist. Unterstützt von anderen Großmächten in Europa wurde, obwohl das Land nominell bis zu Annexion 1908 unter der Oberhoheit des Osmanischen Herschafft blieb, die Österreich-Ungarische Monarchie ermächtigt Bosnien-Herzegowina zu besetzten und zu verwalten. Die Verwaltung unter der Doppelmonarchie geschah im Zeichen einer politischen äußeren und inneren Problemlage. 2.2 Bosnien-Herzegowina nach dem Ersten Weltkrieg Am Anfang des 19. Jahrhunderts war der Benjamin Kallay Finanzminister und Diplomat in der K. und K. Donaumonarchie in Bosnien tätig. Sein Projekt in Bosnien war das Land und die Bosnienpolitik vor den nationalistischen Bewegungen in Serbien und Kroatien zu bewahren und eine eigene bosnische Nationalität zu entwickeln. In dieser Zeit haben die Türken ganze Bevölkerungen als „Bosnaklar“, oder Bosnier, bezeichnet. Mit diesem Wort haben sie sich nur als bosnische Muslime identifiziert. Die Katholiken nannten sich „Krscani“, oder Christen, und die Orthodoxen als Vlasi „Hriscani“. Zu dieser Zeit hat sich in Kroatien und Serbien eine neue Vorstellung von Nationalität nach Bosnien ausgedehnt und verbreitet. Mit Kriterien wie Sprache, Geschichte und Religion, verbreitet durch Priester, Lehrer und gebildete Leute, hat sich der Begriff der „Nation“ in Kroatien und Serbien etabliert. 7 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Kallayas Projekt „Bosnjak“ ist gescheitert weil es ihm nicht gelungen ist, Bosnien völlig von den politischen, kulturellen und religiösen Einflüssen von den Nachbarnländern zu isolieren und den Begriff der Nationalität von den Religionen zu „unterscheiden“ (Malcom,1996, S.177). Nach der Annexion Bosniens 1908 durch die Österreich-Ungarische Monarchie gab es große Veränderungen in den politischen und Verwaltungsangelegenheiten zur Einbindung des Landes in die Doppelmonarchie. Bosnien wurde eingegliedert in die gemeinsame Zollunion der Monarchie und die türkische Währung wurde abgeschafft und eine neue Währung wurde eingeführt. Die gesamte Verwaltung wurde substantiell anders organisiert. Die neue Regierung brachte Maßnahmen ein, die in gesellschaftlicher und politischer Hinsicht wenig hilfreich waren. Der einzige Vorteil war nach der Konstituierung des bosnischen Landtags die fakultative Verabschiedung des feudalen Gesetzes über die Kmetenablösung (für die ärmste Schicht der Bevölkerung; 74 % der Kmeten waren Orthodoxen, 21,4 % Katholiken). Der schnelle und enorme Fortschritt war die technisch-industrielle Entwicklung der Infrastruktur durch das eigene Interesse an Rohstoffen. Die Bildungspolitik und der wissenschaftlich-kulturelle Bereich waren von wichtiger Bedeutung. Das öffentliche Schulsystem wurde gefördert. Die Kartographie der besetzten Gebiete war für die Suche nach Bodenschätzen mit geologischen Untersuchungen verknüpft. Die Religionspolitik, obwohl ursprünglich eine sehr tolerante, war stark durch das christliche Bild geprägt. Weil Serbien Interesse an Bosnien hatte und durch die Annexion angeregt, verbreitete sich der serbische Nationalismus unter der orthodoxen bosnischen Bevölkerung. Die politische Radikalisierung der Jugend (Studenten und Schüler) begünstigte die national revolutionäre Bewegung „Mlada Bosna“ (Jungbosnien) und das Attentat auf Franz Ferdinand durch Gavrilo Prinzip (ein Mitglied dieser Organisation). Der politische „Jugoslawismus“ beruhte auf der Idee der nationalen Einheit, bzw. dass Serben, Kroaten und Slowenen eine einzige jugoslawische Nation bilden. Der Anschlag im Sarajevo im Juli 1914 hatte daher mehr einen revolutionären Charakter im Kampf gegen die Fremdherrschaft (Imamovic, 2007, S.83-84). Dadurch, dass der Hauptattentäter Gavrilo Prinzip ein bosnischer Orthodoxe war, in Serbien studierte und sich dort die Waffen besorgt hatte, brachen antiserbische 8 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Demonstrationen in Bosnien aus. Die Theorie, dass die serbische Regierung das Attentat geplant hat, hat sich aber als unkorrekt gezeigt. Selbst die ÖsterreichischUngarische Monarchie gab Serbien nie direkte die Verantwortung für die Mordtat. Einen Monat nach dem Attentat gab Österreich-Ungarn Serbien ein Ultimatum, indem es von der Regierung verlangte, alle Maßnahmen zur Unterdrückung von verbrecherischem Treiben gegen die Monarchie zu unternehmen. Von zehn Forderungen akzeptierte Serbien alle bis auf eine und zwar die Anwesenheit von österreichisch-ungarischen Untersuchungsbeamten oder Polizisten zu Nachforschung des Attentates auf serbischem Territorium. Dieser Punkt war ausreichender für alle, die einen Krieg wollten. Das bezieht sich auf Regierungen von Österreich-Ungarn und auch vor allem von Berlin. Deutschland hatte großes Interesse der wachsenden Macht Russlands (als Schutzmacht Serbiens) entgegenzusetzen. Ohne das deutsche Drängen und die Unterstützung von Österreich-Ungarn wäre das Attentat alleine nicht genügender Anlass für den Ersten Weltkrieg gewesen (Malcom, 1996, S.185). Während des Krieges wuchs die Idee über die Vereinigung alle Länder in der Monarchie und einer Gleichstellung von Slowenen, Serben und Kroaten. 1918 proklamierte der Nationalrat die Einigung der jugoslawischen Völker in einem unabhängigen Staat und erklärte, dass ein neuer souveräner Staat aus Slowenen, Kroaten und Serben existierte. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie herrschte in Bosnien eine allgemeine Anarchie und es bildeten sich mehrere Partein. Die stärkste Partei war die Jugoslawisch-muslimische Organisation unter der Führung von Mehmed Spaho. Ihm ist es durch einen Kompromiss mit den zentralistischen serbischen Parteien bei der administrativ-territorialen Einteilung der neugegründeten Staaten der Serben, Kroaten und Slowenen in Verwaltungsgebiete gelungen, Bosnien-Herzegowina als eine Einheit mit seinen bisherigen Grenzen zu behalten. Damit befand er sich im langen Kampf zwischen dem serbischen Zentralismus und dem kroatischem Regionalismus. 1929 setzte König Alexander die Verfassung außer Kraft und schaffte ein zentralistisches System, indem er das bisherige Königreich von Serben, Kroaten und Slowenen durch den einheitlichen Name „Jugoslawien“ ersetzte. Die Kroaten und Muslimen hielten diesen Akt als Verwirklichung der serbischen Träume. Bosnien-Herzegowina wurde in vier Banate gegliedert, in denen die bosnische Muslime eine Minderheit waren. Nach dem Ermordung König 9 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Alexander 1934, bildete sich eine neue Regierung und Macek-Cvetkovic übernahm als Minderjähriger die Thronfolge. Die neue Regierung folgte ausschließlich den Interessen der kroatischen und serbischen Mehrheit in der Umorganisierung Jugoslawiens ohne Berücksichtigung der Muslime (Imamovic, 2007, S.86). 1939 begann der Zweite Weltkrieg und Jugoslawien kapitulierte am 6. April 1941. Die Regierung floh aus dem Land und etablierte sich im London (Banac, 2007, S.165). Am 10. April 1941, als die Deutschen in die Zagreb einmarschierten, proklamierte Slavko Kvaternik den neuen Staat „Unabhängiger Staat Kroatien“ (oder NDH) dem ganz Bosnien angehörte. Der neue Staat war eigentlich nicht unabhängig sondern verteilte sich auf die deutsche und italienische Zone. Unter der Führung von Ante Pavelic und seiner Usatscha-Bewegung, die mit den Deutschen und Italienern kooperierte, betrieb er eine Politik gegen die Juden und Serben. Sie proklamierten drei Gesetze zu Angehörigkeit des kroatischen Volkes, zum Schutz des arischen Blutes und der Ehre des kroatischen Volkes, über die Staatsangehörigkeit und über die Rassenzugehörigkeit. Danach verfolgten Terror und Massenmorde der Juden und Serben durch die Ustascha Fanatiker (Hory & Broszat, 1964, S.89-91). Zu gleichen Zeit bildeten sich zwei Hauptgruppen des Widerstandes in Jugoslawien die eine Kapitulation abgelehnten. Die eine war die Tschetnik-Bewegung unter der Führung von Draza Mihailovic. Den Kern diese Bewegung bildeten serbische Offiziere der zerschlagenen jugoslawischen Armee. Zurzeit des Königreichs Jugoslawien bewegte sich die Tschetniken in der radikalen nationalistischen Bewegung. Einige ihrer Ziele waren der Schutz der serbischen Bevölkerung vor einem Ustascha-Massaker, die Errichtung eines Großjugoslawiens und ein ethnisch reines Großserbien das auch Bosnien umfasste. Die Hauptschuld an der Niederlage von Jugoslawien und an der Ermordung des serbischen Volkes gaben sie den Kroaten, Muslimen und Volksdeutschen. Die zweite Gruppe waren die kommunistischen Partisanen unter der Führung von Josip Broz Tito. Sie waren gut organisiert, kampfbereit und auch für illegale Arbeit bereit. Die Kommunistische Partei Jugoslawien (KPJ) rief zum Aufstand und versprach eine bessere staatliche Ordnung, Demokratie und gerechte zwischennationale Beziehungen. Sie führten am Anfang ein Guerillakrieg und bis zum Ende des Krieges schlossen sich den Partisanen ein Großteil der Bevölkerung 10 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina alle Nationen an. Die Ustascha und Tschetniks Bewegungen hatten sich durch ihre eigene Politik des Genozids und des Terrors zu den Verlierern gestellt. Am 6. April 1945 befreiten die Partisanen Sarajevo und nach einigen Wochen ganzen Bosnien. Eine kommunistische Volksregierung wurde gegründet (Goldstein, 2007, S.176-184). 2.3 Bosnien-Herzegowina innerhalb der SFR Jugoslawien von 1945 bis 1989 Bei der Grundversammlung während des Zweiten Weltkrieges wurde das sozialistische Jugoslawien bei der zweiten Sitzung des „Antifaschistischen Rates der Volksbefreiung„ (AVNOJ) am 29. November 1943 konstituiert. Hier wurde die Wiederherstellung Jugoslawiens als Föderation beschlossen. Sie besteht aus sechs Republiken und zwei autonome Gebieten. Die meisten Grenzen waren historisch 1918 legitimiert. Bosnien-Herzegowina wurde als eine gleichberechtigte föderale Einheit konstituiert. Jeder Republik bildete eine Nation mit einem Territorium außer Bosnien-Herzegowina. Beim ersten Parteitag nach dem Kriegsende wurde erklärt, dass die Sozialistische Republik Bosnien-Herzegowina Bosnien nicht zwischen den Serbien und Kroatien aufgeteilt werden kann, weil auf dem gesamten Territorium auch Muslime leben, die sich national noch nicht entschieden haben. Obwohl Bosnien als Republik der gleichberechtigten Völker definiert wurde, konnten sich nur die Serben und Kroaten in Bosnien- Herzigivina auch als solche bezeichnen. Die Muslime hatten drei Möglichkeiten: Sie konnten sich als Muslimische-Serben, Muslimische-Kroaten oder als unentschieden Muslime bezeichnen. Erst in den sechziger Jahren sind die Muslime auch als eine eigene Nation in Jugoslawien anerkannt worden. Durch die Anerkennung der Muslime als Nation, hat die kommunistische Partei damit gerechnet, dass sich die muslimische Identität nicht zu einer religiösen Identität entwickelt (Höpken, 1993, S.194). Bis heute behaupten die serbischen und kroatischen Nationalisten, dass die Muslime eigentlich ethnische Kroaten oder Serben sind und glauben, dass Bosnien als Land nur aus der osmanischen Zeit oder der österreichisch-ungarischen Kolonialzeit stammt. Bis zur Miete der sechziger Jahre hat sich das sozialistische Gesellschaftsmodell konsolidiert. Nach 1945 kam es sehr schnell zur Verstaatlichung der Wirtschaft in ganz Jugoslawien. In der Agrarpolitik wurden kleine Parzellen an die Bevölkerung 11 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina verteilt. Bosnien gehörte in den sechziger und siebziger Jahre zu den niedrigsten entwickelten jugoslawischen Ländern. Erst in den achtziger Jahren, wegen den Olympischen Spielen in Sarajevo, wurden große Projekte für die Entwicklung umgesetzt (Steindorfer, 2007, S.197). Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kam es zu massiven Abrechnungen mit den politischen Gegnern und kommunistischen Nachkriegsverbrechen. In den siebziger und frühen achtziger Jahren hatte Jugoslawien viele Probleme mit Emigranten und Antikommunisten die versucht haben, die nationalistischen Gefühle wieder zu wecken. In Kroatien verurteilte man Franjo Tudjman, den späteren Präsident Kroatiens, zu einer Gefängnisstrafe. In Bosnien versuchten die Behörden weiter die offizielle kommunistische Politik zu folgen und unternahmen Maßnahmen gegen die nationalistischen Aktivisten. Der bekannteste Fall war ein Prozess 1983, indem 13 Männer wegen Feindseligkeit und kontra revolutionären Handlungen aus muslimisch nationalistischen Gründen verklagt wurden. Der Hauptangeklagte war Alija Izetbegovic, später Präsident BosnienHerzegowinas, der die islamische Deklaration geschrieben hatte. Der wurde beschuldigt, dass er die Schaffung eines ethnisch sauberen muslimischen Staates und die Gründung einer terroristischen Organisationen in Bosnien zum Ziel hatte (Zulfikarpasic, 2007, S.240-249). In den siebziger Jahren brach die Erdölkrise aus. Diese verursachte große wirtschaftliche Schwierigkeiten in Jugoslawien. Anstatt darauf zu reagieren und sich an die weltwirtschaftlichen Veränderungen anzupassen, wirtschaftete die jugoslawische Führung aus politischen Gründen weiter wie bisher. Das fehlende Geld in der eigenen Kasse wurde mit ausländischen Krediten gedeckt. Als Tito 1980 starb war Jugoslawien im Ausland mit 15 Mrd. Dollar verschuldet. Nach seinem Tod hatte die nachfolgende Führung die Möglichkeit wirtschaftliche Reformen zu unternehmen. Es herrschte aber eine reformfeindliche Tendenz. Der größte Gegner der Reformen war die Führung in der jugoslawischen Armee die dafür sorgte, dass die oberste jugoslawische Führung eine strenge Linie verfolgte. Die Armee war nicht nur militärisches, sondern auch politisch und wirtschaftlich ein entscheidender Faktor. In Bosnien ist es wegen Betrug und der schwachen Wirtschaft zum Zusammenbruch mehreren größten Untenehmen gekommen. Es kam zu Massendemonstrationen in ganzem Jugoslawien. Der Staat brauchte neue Kredite aber der internationale Währungsfonds wollte diese ohne marktwirtschaftliche Reformen nicht geben, 12 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Jugoslawien drohte ein Staatsbankrot. Als der reformorientierte Ante Markovic an die Macht kam war es bereits zu spät. Parallel hat sich eine Separierung der politischen Machtstrukturen zwischen den Republiken entwickelt und eine politische nationale Entwicklung war schon festgelegt (Meier, 2007, S.204-209). Die ökonomische Krise war eine von möglichen Gründen die zum Zerfall Jugoslawiens führten, sie hatte aber einen starken Einfluss der die nationalistische Propaganda begünstigt (Calic, 1996, S.84). 2.4 Zerfall der SFR Jugoslawien Abb. 2: Landkarte von Jugoslawien mit den einzelnen Republiken (Stand 1990). Die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien hat mit der internationalen Anerkennung Sloweniens und Kroatiens im Jänner 1992 formal aufgehört zum existieren. Als Ursachen für den Zerfall von Jugoslawien kann man verschiedene Ursachen nennen: 1. Die ökonomische Krise 2. Der sogenannte „uralte ethnische Hass“ zwischen den jugoslawischen Völkern 3. Die kulturellen Unterschiede zwischen den jugoslawischen Völkern 4. Veränderungen in der internationalen Politik 5. Die Rolle von verschiedene Personen bei der Zerstörung Jugoslawiens 13 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina 6. Strukturelle und institutionelle Gründe 7. Der Nationalismus Die ökonomische Krise in Jugoslawien hat den Zerfall Jugoslawiens sicher begünstigt, war aber nicht die entscheidende Ursache. Heute wird die ökonomische Stabilität stark mit der Entwicklung politischer System und der Staaten verbunden. Das ökonomische und politische System wird heute in einer untrennbaren Verbindung gesehen. Jugoslawien war in den achtziger Jahren ein hochverschuldete Land und konnte keine neuen Kredite mehr bekommen, was einige unzufrieden gemacht hat. Tito hat davor mit Fremdkrediten die soziale Stabilität gekauft, von der die politische Elite sowie die Bevölkerung profitierten. Nach seinem Tod musste die politische Elite einen neuen Weg finden um alle zufrieden zu stellen. In dem sozialistischen Jugoslawien war die Verteilung der Güter aber viel wichtiger. Der Sozialismus hat Egalität und Gleichheit für alle versprochen und war mit der Idee der ökonomischen Demokratie gegründet. Politische Gleichheit war nicht möglich, solange es Unterschiede in ökonomischen und sozialen Bereich gab. Nach dem Tod Titos hat jede Republik für sich begründete und unbegründete Argumente für eine neue Verteilung im Land gefunden, um sich vernachlässig zu fühlen (nur Slowenien hatte sein Wirtschaftswachstum von 1953 um 200% in 1989 erhöht). Die internationalen und amerikanischen Politiker haben gedacht, dass die große finanzielle Hilfe den Krieg verhindern kann und sie hatten diese auch Tudjman und Milosevic angeboten. Beide haben es jedoch abgelehnt. Milosevic wurde Präsident, im Moment als die Inflation einen Rekord erreicht hatte. Erst in den neunziger Jahren unter Prämier Ante Markovic war Jugoslawien auf dem Weg aus der Krise. Innerhalb von kurzer Zeit ist die Inflation von 56 % auf 17,3 % gesunken und das durchschnittliche Gehalt war so hoch, dass es bis heute nicht mehr erreicht wurde. Trotzdem entschieden sich die politische Elite und die Bürger für den Krieg (Jovic, 2003, S.23-25). Das einfachste Argument für den Zerfall ist die Existenz von „uralte ethnische Hass“. Dieses Argument hat in Kroatien Tudjman besonders verbreitet und es ist bis heute dort erhalten. Im Nachkriegsjugoslawien sind aber die größten Abrechnungen innerhalb die Politiker gleicher Nationen wie der kroatische Nationalismus oder der 14 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina serbische Liberalismus, gewesen. Innerhalb der politischen Fraktionen und der Bevölkerung war es nicht erlaubt, dass sie eine eigene Politik führten. Die Idee über den ethnischen Hass ist von der politischen Elite gekommen um die Verantwortung auf die Bevölkerung zu übertragen. Befürworter des kulturellen Aspektes für den Zerfall behaupten, dass die kulturelle und intellektuelle Elite eine wichtige Rolle im Zerfall von Jugoslawien gespielt hat. Kulturelle Argumente decken sich zum Teil mit dem nationalistischen Aspekt. Eine Nation beruht meistens auf der gemeinsamen Sprache oder/und Religion. Damit bekommt sie eine eigene Identität und unterscheidet sich von den anderen. Die Idee vom „Jugoslawismus“ ging davon aus, dass alle Südslawen ein Volk sind. Deswegen war es logisch, dass sie alle in einem Land leben. Nach dem das sozialistische Jugoslawien die Bildung einzelner Nation in Jugoslawen abgelehnt und die Idee von einen multikulturellen Staat eingeführt wurde, war die Frage nach der Dauer dieses Staates. Die kulturellen und intellektuellen Eliten, die diese Ideen von Jugoslawen unterstützt haben, haben auch später zum Zerfall beigetragen. Nach diesem Modell ist der von Samuel Huntington (1996) in seine Buch „Kampf der Kulturen“ beschriebene, wo er dargestellt, dass es nicht möglich ist den Volker mit unterschiedlichem kulturellen Abstammungen zusammenleben. Tudjman war sein Hauptbefürworter. Tudjman hat diese These über die Unmöglichkeit das Dasein von Jugoslawien als Hauptargument benutzt. Nach Jovic ist die logischste und verständliche These der Bildung einer Nation immer eine subjektive Sache des Herzens und des Glaubens. Nachdem die Leute aufgehört haben an die jugoslawische Idee zu glauben, ist die jugoslawische Nation verschwunden (Jovic, 2003, S.58-68). Autoren wie Djilas und der damalige Verteidigungsminister Jugoslawiens Kadijevic behaupteten, dass der Staat von außen durech die verschieden Interessen zerfallen ist. Die USA haben auf den Zerfall des Kommunismus lange gewartet. Westeuropa reagiert uneinig und zögernd. Die mächtigsten islamischen Länder hatten den Wunsch nach einem islamischen Staat in Europa. Für die USA ist durch den Zerfall Jugoslawiens und der Sowjetunion ein Feind des Westens und der NATO verschwunden (Djilas, 1992, S.81-84.). 15 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina In den Jahren wo der Sozialismus seine Stärke innerhalb politischen Elite verloren hat, hat sich der Nationalismus als eine Alternative zum Sozialismus gebildet. Die nationalistische Idee ist ein Erbe des 19. Jahrhunderts. Sie ist eine Fortsetzung in erster Linie des serbischen und kroatischen Nationalismus. Eine Ursache für den Zerfall Jugoslawiens liegt in der Ideologie die auf die Errichtung ethnischer, mehr noch „ethnisch reiner!“, Staaten beruht. Die Idee der nationalistischen Elite beruht auf einer chauvinistischer Ausschließlichkeit und einem großwahnsinnigen Rassismus. Nach der Verfassung von 1974 ist Jugoslawien als ein föderativer Staat mit sechs Republiken und zwei autonome Provinzen gegründet worden. Jeder Republik hatte ein Selbstverwaltung System. Jugoslawien hat einen unitaristisches Sozialismus abgelehnt. Die separatistischen Nationalisten wie Tudjman, Milosevic oder Kucan haben gewusst, dass ein unitaristisches Jugoslawien eine Bedrohung für den separatistischen Nationalismus ist. In einem unitaristischen Jugoslawien würde eine kleine Gruppe die jugoslawische politische Elite bilden und die Existenz mehrere politische Nationen nicht erlauben. Wäre Jugoslawien heute mit seiner Struktur als konföderative multiethnischer Staat in der Europäischen Union, hätten die Kroatien und Slowenien keine Chancen gehabt sich als unabhängige Staaten zu deklarieren. Sie haben rechtzeitig die separatistische nationalistische Idee umgesetzt um ihre Bestrebung “Warum sollen wir eine Minderheit in einer großen Staat sein, wenn wir die Mehrheit in den kleinen Staat sein können?“ umzusetzen (Gligorov, 1994). Der Zerfall des sozialistischen Jugoslawiens ist das Resultat mehrere Faktoren. Der Hauptfaktor ist der Zerfall der Ideologie der jugoslawischen politischen Elite. Besondere nach dem Tod von Tito, Edvard Kardelj und dem Zerfall von der zentralen kommunistischen Partei sind die ersten ideologischen, ökonomischen und politischen Krisen aufgetreten. Die Schwächung des zentralistischen Staates hat erst den Aufstieg der separatistischen nationalistischen Idee ermöglicht. Als der starke zentralisierte Staat schwach geworden ist, ist ein Krieg mit „jeder gegen jeden“ ausgebrochen. Die politische Elite hatte die Möglichkeit dem Krieg auszuweichen und die Politik in eine andere Richtung zu lenken, sie ist aber nur ihrer eigenen Ideologie gefolgt (Jovic, 2003, S.487-497). 16 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina 2.5 Krieg in Bosnien-Herzegowina Am Anfang der neunziger Jahre war in allen anderen Republiken die kommunistische Partei zerschlagen und noch vor dem Ausbruch des serbisch-kroatischen Krieges in Kroatien hatte die Einführung des Mehrparteisystems zu einer ethnischen Zersplitterung Bosnien-Herzegowinas geführt. Drei nationalistische Parteien wurden gegründet: Die Partei der Kroaten (Hrvatska Demokratska Zajednica, HDZ) die eigentlich ein Ableger ihre Mutterpartei war und in Kroatien unter der Führung von Franjo Tudjman stand. In Bosnien stand die HDZ unter der Führung von Mate Boban. Er propagierte 1992 den Anschluss der kroatischen Gebiete in Bosnien-Herzegowina an Kroatien und die Vereinigung aller Kroaten in einem kroatischen Nationalstaat. Die zweite Partei war die Partei der Serben (Srpska Demokratska Stranka, SDS) unter der Führung von Radovan Karadzic. Die Partei pflegte enge Kontakte mit Serbien und der dort von Milosevic regierender Partei „Sozialistische Partei Serbien“ (SPS). Sie hatte das Ziel alle serbischen Siedlungsgebiete in einem neuen Staat zu vereinigen. Die dritte Partei war die bosnisch muslimische Partei „Partei der Demokratische Aktion“ (SDA) unter die Führung von Alija Izetbegovic, der nach den ersten freien Wahlen Präsident von Bosnien-Herzegowina wurde. Die Partei stärkte den muslimischen Nationalismus (Calic, 1996, S.71). Die Parteien bildeten eine Regierungskoalition und alle politischen Positionen wurden unter den drei Nationen verteilt. 1992, bei der wichtigen Sitzung für die zukünftige Verfassungsordnung, hatten sich die politischen Führungen alle drei Parteien grundlegend zerstritten. Während die Muslime die bestehenden Grenzen Bosnien-Herzegowinas als multiethnischen Staat erhalten wollten, bestanden Serben und Kroaten auf eine Aufteilung Bosniens auf Kantonen oder einer Föderalisierung der Republik nach den ethnischen Zugehörigkeiten. Hinter diesem Verlangen versteckte sich die Option die serbischen und kroatischen Siedlungsgebiete in der Zukunft an ihre „Mutterländern“ Serbien und Kroatien anzuschließen (Vjesnik, 1992, S.7). Die Schaffung von homogenen ethnischen Gruppen in den räumlich getrennten Kantonen auf einem demokratischen Weg war unmöglich. Die bosnische Bevölkerung besteht aus einer durchaus durchmischten Siedlungsstruktur. Jedes fünftes Kind stammt aus einer gemischten Ehe, jeder zweite hatte nahe Verwandte mit den anderen Nationalitäten. Das hätte bedeutete, dass alle gemischten Familien 17 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina getrennt, assimiliert oder auswandern müssten. Die Möglichkeiten für die serbische und kroatische Führung war die Zerschlagung Bosnien-Herzegowina mit militärischen Mitteln, mit politischen Wegen oder der bloßen Drohung mit bewaffneter Gewalt. Im März 1991 haben sich die Präsidenten Milosevic und Tudjman getroffen, um die Aufteilung Jugoslawiens und Bosniens zu diskutieren (Malcom, 1996, S.87). Für die bosnische Regierung war diese Lage sehr schwer. Auf die Frage ob BosnienHerzegowina die jugoslawische Föderation verlassen sollte um einen unabhängigen und selbständigen Staat zu werden, zerbrach die Regierungskoalition, die für den Erhalt der territorialen Einheit Bosnien-Herzegowina gestanden hatte. Nachdem die kroatischen und muslimischen Fraktionen den Beschluss für eine Souveränität und Unabhängigkeit beschlossen hatten, hatten die serbischen Abgeordneten das Parlament mit Protest verlassen. Die serbischen Abgeordneten hatten Bosnien nur als föderaler Staat betrachtet. Sie gründeten im November 1991 mit einem selbstorganisierten Referendum ein eigenes Parlament. Am 7. Jänner 1992 proklamierten die Vertreter der Serben die „Serbische Republik BosnienHerzegowina“ und formierten eine eigene Verfassung. Am 7. April erklärten sie die Unabhängig von Bosnien. Auch die Kroaten erklärten ihrer unabhängiger Territorium „Kroatische Gemeinschaft Herceg-Bosna“ im Sommer 1992. 1993 erklärten die Muslimen die „Autonome Region Westbosnien“ für unabhängig. Jeder Fraktion gründeten eine eigene Regierung, Armee, Milizen und paramilitärische Verbände. Nach dem Zweiten Weltkrieg investierte Jugoslawien in militärische Ausrüstung und war bald eine der am best ausgerüsteten Staaten Europas. Der Großteil der Ausrüstung und Rüstungsbetriebe befand sich eher im Bosnien-Hezegowina. Am Anfang des Krieges in Bosnien-Herzegowina war die Armee der bosnischen Serben die älteste und am besten ausgerüstete Armee und hatte auch zusätzlich finanzielle, logistische und militärische Unterstützung aus Serbien. Die Kroaten wurden durch die regulären Einheiten der kroatischen Armee finanziell und logistisch betreut und unterstützt. Am schlechtesten organisiert und ausgerüstet waren die Muslimen. Trotz dem Waffenembargo an alle jugoslawischen Republiken ist es jeder Kriegspartei gelungen, große Mengen an Ausrüstung aus dem Ausland zu importieren. Nach dem Blitzkrieg von 1992 gelangten es den Serben ein Großteil von Bosnien zu besetzen. Diese Eroberungen waren von ethnischen Säuberungen und der Vertreibungen der nicht-serbisches Bevölkerung begleitet. In 18 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina dieser Zeit zerbrach die kroatisch-muslimischer Militärallianz gegen die Serben und die kroatischen Kräfte gingen offensiv gegen muslimische Einheiten vor (Calic, 1996, S.84-106). So wie jeder Krieg, war auch dieser Krieg intensiv von Feindbildern und Propagandatätigkeiten begleitet, besonderes auch durch die Medien. Das häufigste Muster der Feindbildkonstruktion ist dem Gegner die negativen Eigenschaften und Verhaltensweise zuzuschreiben, egal ob sie real oder erfunden sind. Diese psychologischen Muster hatten das Ziel, die eigenen Kriegsziele zu legitimieren, den Gegner zu demoralisieren, die Kampfmoral der Soldaten zu stärken und die Tötungshemmungen abzubauen (Mitchell, 1981, S.104). Das Feindbild beruhte auf einer projektiven Identifikation bei der persönliche Ängste und Aggressionen auf den Gegner übertragen wurden (Parin, 1993, S.80). Alle Kriegsparteien nützten die Medien um die kollektiven realen oder erfundenen Gefühle von Hass und Angst zu verstärken. Die Medien wurden von den nationalistischen Parteien streng kontrolliert. Jede Seite hat sich als Opfer dargestellt und die andere als Kriegsverbrecher und Täter beschuldigt. Die Serben haben sich als Opfer des seit Jahrhunderten andauernden Genozids dargestellt. Die Kroaten behaupteten, dass die Muslime eigentlich Kroaten sind und sahen sich als Repräsentanten einer mitteleuropäischen Zivilisation und Kulturen. Alle anderen sind barbarisch und wurden als ausbeuterisch beurteilt. Alija Izetbegovic beschrieb in der islamischen Deklaration den Prozess der Säkularisierung als neue Art von Versklavung von geistiger Freiheit und kulturelle Identität. Dazu nutzten sie Gestalten, Personen aus der Geschichte, symbolträchtige Orten, ideologische Symbolwelt und die Verbundenheit mit den Ahnen als Instrument zum Verwirklichung eigene Ziele (Calic, 1996, S.147). 1992 wurde öffentlich bekannt, dass die bosnischen Serben planmäßige ethnische Säuberungen durchführten und, dass es viele Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gab. Dadurch erhöhte sich der Handlungsdruck auf die westlichen Staaten. Im Juli 1992 begann die britische Ratpräsidentschaft in der Europäischen Gemeinschaft. Daraufhin setzte sich Großbritannien in Übereinstimmung mit anderen EG-Mitgliedern und den USA für eine internationale Friedenskonferenz über das ehemalige Jugoslawien ein. Diese Konferenz vermittelte die Bemühungen für eine politische Lösung in Bosnien-Herzegowina. Zu diesem Zweck trafen sich am 26. und 19 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina 27. August 1992 die wichtigsten militärischen und politischen Akteure der Konfliktparteien, der EG-Mitgliedsländer, Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, Vertreter der KSZE, der NATO, der Konferenz der Islamische Staaten und der G-7 in London. Der Verhandlungsführer waren der ehemalige britische Außenminister David Owen und der Sonderbeauftragter der UNO Cyrus Vance. Auf dieser Konferenz wurden sechs Gruppen organisiert die sich mit folgenden Problemen befassen sollten: Neuordnung Bosnien-Herzegowina und seiner Verfassung, humanitäre- und Flüchtlingsfragen, Wirtschaftsfragen, ethnische Minderheiten, vertrauensbildender Maßnahmen sowie die Abwicklung der jugoslawischen Nachfolgeprobleme wie die Verteilung der Vermögen. Das wichtigste Dokument der Konferenz war die Übereinstimmung aller Konfliktparteien zur Wahrung der völkerrechtlichen Normen und die Unterbindung weiteren Kriegsverbrechen. Bei den weiteren Verhandlungen 1993, legten Owen und Vance einen neuen Friedensplan vor. In dem neuen Entwurf wurde vorgeschlagen, dass Bosnien sich als ein „dezentralisierter Staat“ dreier Völker konstituiert, bzw. dass BosnienHerzegowina aus zehn autonomen Provinzen mit einer Zentraleregierung besteht, wobei die Hauptstadt Sarajevo ein Sonderstatus als „frei Staat“ einnehmen soll. Dieser Plan wurde stark kritisiert, weil er die territorialen Eroberungen und ethnischen Vertreibungen legitimierte. Selbst die Serben hatten diesen Plan abgelehnt weil die serbischen Siedlungsgebiete nicht an Serbien grenzten. Die Muslime waren mit diesem Plan auch unzufrieden und verknüpften die Unterzeichnung des Planes an mehrere Bedienungen. Die einzige zufriedene Partei war die der Kroaten, weil ihr Territorium direkt an Kroatien grenzte (Giersch, 1998, S.143-152). Nach Ablehnung des Vance/Owen Planes versuchte die internationale Gemeinschaft einen neuen Plan für Bosnien-Herzegowina auszuarbeiten. Der neue Plan, entworfen von Lord Owen und dem ehemaligen norwegischen Außenminister Thorwald Stoltenberg, sollte Bosnien-Herzegowina in einer „Konfödration“ zerlegen, die aus drei ethnischen Volksgruppen besteht. Die Grenzen der Republiken wurden aufgrund der militärischen Eroberungen der vergangene zwei Jahren legitimiert. Damit besaßen die Serben 53 %, die Muslime 30 % und die Kroaten 17 % des Territorium in Bosnien-Herzegowina. Nach einer Übergangszeit sollte jede Seite die Möglichkeit erhalten, über ihren Anschluss an die Nachbarrepubliken zu entscheiden. Dieser 20 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Konföderationsplan kam den Serben und Kroaten entgegen, während sich die Muslime als Verlierer betrachteten. Die Muslime lehnten daher diesen Plan ab, und entschlossen sich für ein einheitliches Bosnien zu kämpfen. 1994 endete der Krieg zwischen Kroaten und Muslimen in Bosnien-Herzegowina. Mit Unterstützung der US-amerikanischen Regierung unterzeichneten die bosnische Muslimen und Kroaten am 1. März 1994 in Washington ein Abkommen zur Bildung einer gemeinsamen Föderation. Nach weiteren Verhandlungen unterzeichnete Alija Izetbegovic und Franjo Tudjman am 18. März 1994 den Vertrag zur Bildung der „Föderation BosnienHerzegowina“. Nach den ethnischen Aufteilungen ist die Föderation in acht Kantone unterteilt. Die neue Verfassung der Föderation beruhte auf gemeinsame Verantwortung für Politik, Polizei, Wirtschaft, Bildung und Verwaltung. Der wichtigste Punkt war der gemeinsame Kampf gegen die Serben. Die internationale Kontaktgruppe stellte im Mai 1994 den neuen „Friedensplan“ mit der Richtung Teilung des bosnischen Territoriums. Der Plan beruhte auf der Teilung Bosniens-Herzegowina in zwei Hälfte. Er besagte, dass 49% des Territoriums an den muslimisch-kroatische Föderation geht und 51% an die „Serbische Republik“. Die Serben lehnten diesen Plan ab mit der Begründung, dass die „Serbische Republik“ in mehrere Teile zerstückelt wurde. Der wichtigste Punkt aller Konfliktspartei und wo auch am meistens gestritten wurde war die Landkarte, sowie die ökonomische Ressourcen und den Zugang zur Infrastruktur (Malcom, 1996, S.289). Nach der zweiten Hälfte 1994 brachen große Kämpfe in ganz Bosnien aus. Die bosnisch-kroatische Armee unternahm eine Offensive gegen die bosnisch-serbische Armee und umgekehrt. Alle vereinbarten Waffenstillstände hielten so lange, bis sich die eigene Armee wieder organisierte und erholten hatte für den nächsten Kampf. Im Mai 1995 ist dann eine Krise ausgebrochen die sich auf die Anwesenheit der UNTruppen auswirken sollte. Am 25. Mai hat die NATO die Erlaubnis der UNO bekommen, mit Luftangriffen auf die serbische Beschießung von Sarajevo mit schwerer Artillerie zu reagieren. Auf die Beschießung von serbischen Militärpunkten aus der Luft antwortete die serbische Armee mit der Nahmen von 71 Geiseln und der Bedrohung alle diese zu töten. Diese Geiselkrise wirkte sich negativ auf die westliche Politik. Die nächste Krise ist ausgebrochen, als die serbischen Truppen in die muslimische Enklave und Stadt Srebrenica einmarschierten. Diese stand unter dem 21 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Schutz holländischer UN-Blauenhelmen und die Serben nahmen die 32 Soldaten der Blauenhelme als Geiseln. Die NATO bombardierte daraufhin die serbischen Stützpunkten, aber nach dem die Serben mit dem Tod alle Blauhelme drohten, stellen sie die Angriffe ein. Der Fall von Srebrenica am 11. Juli ist der schwärzeste Tag in der Geschichte der UN-Einsatz in Bosnien (Malcom, 1996, S.301). Nach der Belagerung der Stadt und der Kapitulation der Blauhelme mussten sich die Niederländer dem serbischen Bedienungen für die Deportation der Zivilisten beugen: ca. 25.000 Frauen, Kinder und älteren Männer suchten Schutz im Lagern der UNBlauhelme. Innerhalb von weniger Tagen sind alle männlichen Bewohner der Staat (von Jugendlichen bis zum alten Männer) ausgesondert und weggeschafft worden. Die späteren Berichte sprechen von ca. 10.000 Männern, 7.000 davon gelten als vermisst. Die Frauen, Kinder, Alten und Kranken aus der Region wurden vertreiben. Die UN-Truppen, anstatt die Zivilbevölkerung zu schützen, unternahmen nichts gegen die Taten der Serben. Alles geschah unter die Augen von UN-Truppen. Der UN-Sicherheitsrat wurde daraufhin wegen seine Zögerlichkeit und Hilflosigkeit sehr kritisiert (Giersch, 1998, S. 258). Im Sommer und Herbst 1995 ist es zu großen militärischen Veränderungen gekommen. Der bosnisch-kroatischen Armee ist es gelungen wichtige strategische Ziele zurückzuerobern. Nach einem schweren serbischen Granatenangriff auf Sarajevo unternahm die NATO einen schweren Luftangriff auf die serbischen militärischen Punkte. Die serbische Armee erlitt einen großen Schaden und es kam zum Zusammenbruch der Kampfmoral und Auseinandersetzungen zwischen Radovan Karadzic und dem Hauptgeneral Ratko Mladic. Nach diesen Veränderungen unternahmen die westlichen Verhandlungsführer eine Initiative für eine diplomatische Lösung des Konfliktes. Zum ersten Mal nach dem Kriegsbeginn unternahm die amerikanische Regierung unter Bill Clinton die führende Rolle bei den Verhandlungen. Clinton hatte großes Interesse den Bosnienkrieg zu beenden, weil vor ihm die Vorwahlkampagne stand und der US-Kongress hatte dem Senator Bob Dole zugestimmt, das Waffenembargo gegen die bosnische Regierung aufzuheben. Die Amerikaner riefen zu einer überarbeiteten Neuauflage der alten „Kontaktgruppen“ Plan auf. 22 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Der Unterschied zu dem alten Plan war, dass dieses Mal 51% des Landes dem Muslimisch-kroatischen Föderation angehörte und 49% des Landes den Serben als „Serbischer Republik“. Am 8. September 1995 sind diese Punkte im Genf als Grundlage für weitere Verhandlungen von Vertretern Bosniens, Serbien und Kroatien akzeptiert worden. Bei weiteren intensiven Verhandlungen unter der Führung des Staatssekretär Richard Holbrook und bei der dreiwöchigen Konferenz in Dayton, im US- Staat Ohio, wurde am 21. November 1995 ein Abkommen getroffen. Mit diesem Abkommen ist die territoriale Teilung in zwei Entitäten im Verhältnis 51:49% geblieben. Eine neue Verfassung wurde gebracht, viele Vereinbarungen zum Schutz der Menschenrechte und Rückkehr der Flüchtlinge sowie der Wiederaufbau der Wirtschaft und die Stationierung von UN-Truppen wurden vereinbart. Dieses Abkommen, das später als Vertrag formuliert wurde, wurde am 14. November 1995 im Paris von dem Präsident Bosniens Izetbegovic, Kroatiens Tudjman und Serbiens Milosevic unterzeichnet. Mit diesem Datum wurde der Frieden in Bosnien unterzeichnet (Malcom, 1996, S.305). 2.6 Der Vertrag von Dayton Der Daytoner Vertrag besteht aus elf Hauptartikeln und noch weiteren wichtigeren Abkommen (Punkten). Sie beinhalteten die territoriale Teilung Bosniens sowie die militärischen, politischen und verfassungsrechtlichen Maßnahmen die für den Aufbau einer demokratischen Gesellschaftsstruktur nötig sind. Die wichtigste militärischer Punkte sind: die Vereinbarung über Waffenstillstand, ausgetauscht der Territorien, Freilassung alle Kriegsgefangene, Abzug der schweren Waffen und Aufheben des Waffenembargos. Die US-amerikanische Regierung war besonderes für die Aufhebung des Waffenembargos, da sie der Ansicht war, dass nach dem Abzug der IFOR Truppen die bosnische und kroatische Armee neue Ausrüstungsprogramm benötigt um neue Kriegseskalationen zu vermeiden. Die wichtigsten politischen und verfassungsrechtlichen Punkte sind: Dass Bosnien-Herzegowina eineinheitlicher Staat mit seinen international anerkannten Grenzen ist und aus zwei Entitäten besteht – der muslimisch-kroatischen Föderation mit 51 % des Territoriums und der Serbische Republik mit 49 % des Territoriums, Sarajevo bleibt als einheitliche Hauptstadt Bosnien. Jede Entität hat ein eigenes Parlament, Regierung, Armee und Polizei, gemeinsame Institutionen sind ein Parlament, ein Ministerrat, ein 23 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina dreiköpfiges Präsidium, ein Verfassungsgerichtshof und eine Zentralbank. Die Aufgaben gemeinsame Regierung umfassen die Bereiche Außenpolitik, Außenhandeln, Währungspolitik, Zoll und Immigrationspolitik. Jeder Entität könnten spezielle parallele Sonderbeziehungen zu ihren Nachbarn schließen. Alle Flüchtlinge haben das Recht in ihren Heimatsorten zurückzukehren. Alle von dem Kriegsverbrechertribunal angeklagter Personen sind von politischen und öffentlichen Ämtern ausgeschlossen und beide Entitäten sind verpflichtet mit dem Kriegsverbrechertribunal im Den Haag zu kooperieren. Eine Menschenrechtkommission sollte eingesetzt werden um über die Einhaltung der Menschenrechte zu berichten. Alle Nachfolgestaaten sollen sich gegenseitig anerkennen, dafür werden die Sanktionen gegen die Republik Jugoslawien aufgehoben. Am 9. und 10. Dezember 1995 fand in London die Implementierungskonferenz statt die das Ziel hatte, den Daytons Vertrag möglichst schnell umzusetzen. Abb. 3: Landkarte der zwei Entitäten, der Föderation Bosnien-Herzegowina und der Serbischen Republik (Stand 1995). 24 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina 2.6 Die Nachkriegszeit in Bosnien-Herzegowina von 1995 bis heute Die Staatsbildung ist ein komplexer Prozess der sich schlecht von der Bildung einer Nation unterscheiden lässt. Die zwei Prozesse geschehen oft parallel und beeinflussen sich gegenseitig, obwohl die Schaffung einer nationalen Identität nicht zwangsläufig zur Schaffung eines eigenen Staates führt und umgekehrt. Nicht alle Staaten basieren auf einer nationalen Identität sondern z.B. auf einer bürgerlichen Identität. Unter der Staatsbildung wird die Errichtung einer politischen, wirtschaftlichen und sozialen Struktur verstanden, vor allem die Stärkung einer Demokratie, Ökonomie und Sicherheitslage auf einem Territorium. In BosnienHerzegowina spielt die Idee der Staatsbildung als Nation und der nationalen Identität bzw. die ethnische Zugehörigkeit eine zentrale Rolle (Dzihic, 2004,S.2). Das Wort „ethnisch“ kommt aus dem griechischen Wort „ethnos“ und bedeutet Gesellschaft, Volk oder Stamm. Heute wird „ethnisch“ als die Abstammung oder aus gemeinsamen Traditionen entstandene Eigenschaften interpretiert, die eine gewisse Form der Abgrenzung von Anderen und damit eine Selbstzuschreibung einer eigenen ethnischen Unverwechselbarkeit, Besonderheit und Exklusivität ermöglichen (Dzihic, 2009, S.63). In der Post-Dayton-Zeit in Bosnien-Herzegowina enthält auch die Frage der Souveränität eine wichtige Präsenz bei der politischen Elite. Der Begriff Souveränität wird im klassischen Sinne als das „wichtigste Kennzeichen des inneren und äußeren Herrschaftsanspruchs im als modernen Nationalstaat organisierten Gesellschaft“ definiert, was im politischen Sinne die Unabhängigkeit des Staates bedeutet (Seidelman, 2005, S.398). Das Grundgebilde des Daytoner Vertrags ist eine neue Verfassung für Bosnien-Herzegowina. Die Struktur der Verfassung ist eine Ausnahme im internationalen Vergleich. Es wurde eine Föderation aus zwei Teilstaaten errichtet, der Serbischer Republik und der Bosnisch-kroatischer Föderation deren gemeinsamer Staatlicher Aufbau sehr schwach ist. Es ist eine Errichtung der dezentralisierten und ethnisch dominierten Entitäten. Das klassische Souveränitätsprinzip des zentralen Staates ist in Bosnien-Herzegowina auf Entitäten verteilt was bedeutet, dass jede Seite ein Vetorecht für die gemeinsamen Entscheidungen hat. Das hat sich als sehr hinderlich für die Entwicklung eines zentralen Staates gezeigt, denn die Macht- und Herrschaftsverhältnisse stehen unter 25 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina dem Einfluss des Ethnonationalismus und der Ethnopolitik in einem dynamischen Machtfeld (Dzihic, 2009, S.40).Schon nach der Unterzeichnung des Daytoner Friedensabkommens hatte die Phase der Implementierung angefangen. Diese Phase hat sich als eine schwierige Phase herausgestellt. Der erste Schritt waren die militärischer Stabilisierung, die Einhaltung des Waffenstillstands, die Einrichtung einer vier Kilometer breiten militärischen Entflechtungszone und die Freilassung alle Gefangenen. Diese Phase konnte man leicht durch die 60000 Mann starke IFORTruppe (Implementation Force) umzusetzen (Giersch, 1998, S.294).Sehr viel schwieriger als die militärische war der physische Wiederaufbau des Landes und psychisch-mentale Bewältigung des Konfliktes. Der Wiederaufbau des Landes war nur durch die internationale finanzielle Hilfe möglich. Die wirtschaftliche Lage Bosniens-Herzegowina war 1995 katastrophal. Die geschätzten Kosten für den Aufbau der Infrastruktur wurden mit 4,9 bis 8 Milliarden US-Dollar geschätzt. Schwierig war auch Bosnien zu einer einheitlichen funktionierenden Volkswirtschaft zu organisieren. Bis Ende 1998 erhielt Bosnien-Herzegowina 2,7 Milliarden US-Dollar von internationalen Geldgeber, davon erhielt 70% die Föderation und aufgrund viele Obstruktionen 30% die serbische Republik (Dzihic, 2004). Im September 1996 wurden die ersten Wahlen abgehalten. Diese Wahlen, von der OSZE vorbereitet, wurden begleitet von vielen organisatorischen Problemen. Es war nicht gelungen ein neutrales politisches Umfeld zu schaffen und eine Meinungs-, Medien-, Versammlungs- und Bewegungsfreiheit zwischen den Entitäten zu sichern. Diese Wahlen bestätitgen den Einfluss der nationalistischen Elite zur Festigung ihrer eigenen Macht und der ethnischen Teilung des Landes. Bei der Flüchtlingsrückkehr ist es nicht zu den erwartenden Ergebnissen gekommen. Die Sicherheit der Zurückkehrenden wurde nicht gewähr leistet und die Leute hatten Angst vor Verfolgungen und der Behandlung als Minderheit in den ethnischen Mehrheitsgebieten. Die Bewegungsfreiheit und Garantie der Freiheit standen nur auf dem Papier. Ein weiteres Problem war die vorgesehen strafrechtliche Verfolgung und Verhaftung der Kriegsverbrecher. Die serbische und kroatische Seite zeigten wenig Kooperation mutmaßliche Kriegsverbrecher zu verhaften und auszuliefern (Calic, 1996, S.254-263). 26 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina An der Konferenz der Friedenimplementierung 1997 im Bonn bekam der Hohe Repräsentant der OHR Carlos Westendorp die Ermächtigung die obstruktiven Politiker des Daytoner Vertrages per Dekret zu entlassen. Mit diesem Akt bestätigte sich, dass der Prozess der Nationbildung in Bosnien-Herzegowina in politischer Sicht sehr stark von Außen delegiert wurde. Westendorp brachte wesentliche Schritte für die Verbesserung die Bewegungsfreiheit für die Einwohner Bosniens: Einheitlichen Kennzechen, ein neues Staatsbürgerschaftsgesetzt, eine gemeinsame Währung, neue staatliche Symbole, eine neue Flagge und eine Hymne für das ganze Land wurden eingeführt. Die ersten großen bemerkbaren Veränderungen passierten Ende 1999 und im Jahr 2000. Nach Westendorp war Wolfgang Petritsch ins Amt ist getreten. Er setzte sich für die Überwindung des nationalistischen Diskurses ein, die nationalistische Elite war ein echtes Problem in Bosnien. Seine Primären Ziele waren die Stärkung der staatlichen Institutionen und die Sicherung der Rechtsstaatlichkeit, die Umgestaltung der Wirtschaft, Rückkehr der Flüchtlingen und Stärkung des Verantwortungsbewusstseins und der Selbstverantwortung der einheimischen Bevölkerung im politischen und wirtschaftlichen Sinne zur Überwindung des Abhängigkeitssyndroms. Gleichzeit, wegen des viele Korruptionsfälle und der schlechten wirtschaftlicher Lage, wurde die SDA (die muslimische führende Partei) abgewählt und es kam zu Stärkung nicht nationalistischer Parteien. 1999 ist der nationalistisch orientierte Präsident Kroatiens gestorben und bei den Wahlen 2000 verlor die HDZ ihre Regierungsmacht. In Serbien kam es zum Sturz des serbischen Präsidenten Milosevic. Damit sind die zwei Hauptverantwortlichen nationalistischen Akteure für das Schicksal BosnienHerzegowina aus der Politik verschwunden. Im Juli 2002 wurde ein Abkommen zwischen Serbien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina unterzeichnet für die Untastbarkeit der bestehenden Grenzen (Dzihic, 2004). Die Wahlen im Oktober 2002 brachten den Sieg der nationalistischen Parteien auf allen drei Seiten der SDS, SDA und HDZ und damit eine neue Aufteilungen der Macht und der Privilegien. Hauptursache für den Sieg der nationalistischen Parteien (bei der niedriger Wahlbeteiligung von 55%) war die schlechte wirtschaftliche und soziale Lage. Wesentliche Fortschritte gab es bei der Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen. Nach den offiziellen Zahlen des UNHCR kehrten von den geschätzten 27 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina 2,2 Millionen Personen etwa 900.000 der bis Ende 2002 zurück. Im Bereich des Eigentumsrückgaberechts kam es in vielen Fällen zum Verkauf oder Umtausch von Eigentum, meistens Immobilien, zwischen den eigenen und den anderen ethnischen Gebieten. Das hat auch zum ethnischen Säuberung und Reinheit beigetragen (Melcic, 2007, S.449). Anlässlich zum zehnten Jahrestag des Daytoner Abkommens kam es zu Vorschlägen zur Änderung des Daytoner Abkommens. Die Initiative über Verfassungsänderungen kam von den USA. In der Verfassungsreform ist es um die Stärkung der gesamt Staatlichkeit, die Funktionsfähigkeit des Staates und Reform der Polizei gegangen und war eine Voraussetzung im Prozess der EU-Integration. Die Parteien lehnten aber diese Vorschläge mit der Begründung ab, dass damit die ethnische Teilung des Landes noch vertiefen würde. Nach dem Scheitern der Verfassungsreformen waren die neuen Wahlen im Oktober 2006. Diese Wahlen wurden als die intensivsten, härtesten und schmutzigstem seit dem Kriegsende beschrieben. Im Mittelpunkt der Wahlen standen der jetzige Präsident der serbischen Republik Milorad Dodik und Präsident der SBIH Haris Silajdzic. Beide führten eine starke Kampagne um die eigene Wähler von der Bedrohung die durch andere ethnische Gruppen kommen zu überzeugen. Dodik setzte auf einen ethnonationalen Wahlkampf mit Versprechungen von Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage der Bevölkerung, die er nur mit großen Privatisierungen des damaligen sozialistischen bzw. staatlichen Eigentums erreichen konnte. Anlässlich der Abspaltung Montenegros von Serbien drohte er mit einem Referendum für die Abspaltung der serbischen Republik von Bosnien. Als Antwort auf diese Drohung reagierte Silajdzic auf die Forderungen von Dodik mit dem Hinweis auf die Stärkung des Zentralstaates und der Wiederherstellung des Vorkriegszustandes. Die kroatische Partei nutzte die Haltung von Dodik in ihrer Forderungen zur Errichtung einer dritten kroatischen Entität. Die Jahre 2008 und 2009 verliefen mit einer Verschlechterung des politischen Klimas und permanenten gegenseitigen Blockaden von Reformen. Dodik hatte eine Liste für „Nicht-Erwünschte in der serbischen Republik“ erstellt und setzte auf permanente Blockaden. Auf dieser Liste befanden sich Personen die diese nationalistische Richtung kritisieren, sowie der Direktor von Transparency 28 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina International für Bosnien, was zeigt, dass eine Gesellschaft, in der die eigene Meinung nicht frei geäußert werden kann, bereits sehr weit von einer Demokratie entfernt war. Die Bevölkerung von Bosnien-Herzegowina befand sich in einer schwierigen Lage mit einem niedrigeren Lebensstandard, hoher Armut und hohen Zahl von Arbeitslosen. Viele junge Leute warten auf die Gelegenheit auszuwandern. Ivan Lovrenovic (1994) hat diesen dauerhaften Zustand als die verlorene Jahre beschrieben: „Verloren waren jeweils auf ihre Art und Weise auch alle die anderen zuvor, waren sie doch Jahre der Stagnation, der Vertiefung der Teilung, der sukzessiven Enttäuschungen, der Fehltritte der internationale Verwalter, des Verlust der öffentlichen Moral, der Verfestigung der gesellschaftlicher Untaten als natürlicher und normale Phänomene, und vor allem auch der allumfassenden Korruption, in der Politik und die Staatsfunktionäre die Hauptrolle gespielt haben.“ Die Turbulenzen und ein Krieg mit allen Mitteln zwischen den politischen Vertretern der drei bosnischen Völker liefen weiter. Alle benutzten das Ethnische für das eigene Handeln und um die eigenen Interessen zu legitimieren (Dzihic, 2009, S.303-318). 3. DER KONFLIKT IN BOSNIEN–HERZEGOWINA 3.1 Konflikte allgemein Unter dem Begriff „Konflikt“ (lateinsch configere = zusammentreffen, kämpfen) versteht man den Zusammenstoß, Streit zwischen mindestens zwei starken Verhaltenstendenzen, Ziel oder Wertvorstellungen von Personen, Gruppen, Organisationen oder Staaten bestehen (Definition aus dem Lexikon der Psychologie, 1995, S.233). Nach Höher und Höher (2002) bestehen folgende Arten von Konflikte und Konfliktsformen: 3.1.1 Soziale Konflikte Interessenskonflikte: die Parteien haben unterschiedliche Ziele und Interessen Rollenkonflikte: verschiedene Personen haben unterschiedliche Erwartungen an eine Person. Die Erwartungen sind untereinander nicht vereinbar und auch nicht mit den Grundüberzeugungen und Werten der Person selbst. 29 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Beziehungskonflikte: entstehen, wenn das Bedürfnis der Parteien nach sozialen Beziehungen und Anerkennung nicht erfüllt werden Sachkonflikte: Konflikte und ihre Ursachen werden unterschiedlich wahrgenommen und eingeschätzt 3.1.2 Inhaltskonflikte Verteilungskonflikte: eine der Parteien wird als Sieger dastehen, die andere als Verlierer Persönliche Konflikte: Eigenschaften und Verhalten der einen Partei stehen im Mittelpunkt und werden von der anderen Partei kritisiert Zielkonflikte: eine Partei muss sich zwischen zwei Alternativen entscheiden Methodenkonflikte: die Parteien sind sich über das Ziel einig, aber nicht über die Wege und Methoden Wertekonflikte: die Aufgaben einer Partei stehen im Gegensatz zu ihren ethischen Werten 3.1.3 Konfliktformen heiße Konflikte: eskalieren in einem Gefühlsausbruch. Jede Seite meint im Recht zu sein, und will die andere überzeugen. Die Parteien streiten offen und sind überempfindlich. kalte Konflikte: die Parteien sind resigniert und recht still. Die Parteien sind nicht von ihrer Meinung überzeugt. Angriffe gegeneinander sind undurchschaubar. formlose Konflikte: die Parteien handeln nicht nach Regeln, oder verstoßen sogar dagegen formgebunden Konflikte: die Parteien nehmen Regeln zu Hilfe, um den Konflikt beizulegen. Das Problem, das dem Konflikt zugrunde liegt, wird meistens auch dadurch nicht gelöst. In Bosnien-Herzegowina handelt es sich um einen Interessens Konflikt von nationalen Interessen. 30 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina 3.2 Konfliktursachen in Bosnien-Herzegowina Nach dem Tod Titos im Jahr 1980 kam es zu Veränderung der bosnischen Politik und des Charakters der bosnischen Gesellschaft. Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten vertieften die strukturelle Krise und verstärkten die Delegitimierung der sozialistischen Ideologie. Die wirtschaftlich stärkeren Republiken wie Slowenien und Kroatien förderten eine Autonomie von Zentralstaat. Andere Republiken, die stärker von der wirtschaftlichen und sozialen Krise betroffen waren, verlangten eine Zentralisierung. Der Konflikt zwischen Zentralismus einerseits und den Forderung nach Autonomie anderseits verstärkte die kroatisch-serbischen Spannungen. Die Krise wurde begünstigt durch die Aktualisierung der nationalen Frage und die vorhandene nationalistischen Tendenzen. Die jugoslawische Regierung war nicht fähig mit den starken nationalistischen Bestrebungen mitzuhalten. Das war ein Zeichen für die zerfallenden Strukturen und Institutionen in Jugoslawien. Aufgrund fehlender institutioneller Kontrollmechanismen wurden bestimmten Personen oder Gruppen (meist die Elite) der Zugang zu Ressourcen und Macht ermöglicht (Koehler & Zürcher, 2003, S.12). Die nationale Frage wurde daraufhin als Instrument für politische Zwecke benützt und beschleunigte den Zerfall Jugoslawiens. Vor allem mit dem Amtsantritt von Milosevic 1987 in Serbien und von Tudjman in Kroatien wurde im großen Stil an der Wiederauferstehung der serbischen und kroatischen Nation gearbeitet. Auch in Bosnien verstärkten sich Ende der achtziger Jahre die nationalistischen Interessen. Der bekannteste Fall ist der Prozesse gegen Izetbegovic, dem Autor der islamischen Deklaration, der wegen den Forderung nach einem ethnisch reinen Bosnien, der Organisierung eines islamischen Staates und kontra-revolutionären Handlungen aus muslimisch nationalistischen Gründen angeklagt wurde. Der Zweite Prozess ist gegen den serbischen Nationalisten Vojislav Seselj, der nach dem Krieg vom Kriegstribunal im Den Haag angeklagt wurde. Er wurde auch wegen nationalistischen und kontra-revolutionären Aktivitäten zu einer Gefängnisstraffe verurteilt. Der Hauptankläger war der Vorsitzende des Präsidiums des bosnischen Zentralkomitees Hamdija Pozderac. Beide Prozesse sind ein Ausdruck vom Versuch der Erhaltung des ethnischen Gleichgewichts und der Absicherung der Macht der Kommunisten. Ein paar Jahre später trat der Großteil der kommunistischen Elite zurück. Unter ihnen 31 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina war auch Pozderac, nach dem entdeckt wurde, dass er in den Wirtschaftskandal und Kollaps des großen bosnischen Unternehmens Agrokomerc, wo ca.13.000 Menschen beschäftigt waren, verwickelt war. Diese Affäre führte zum Misstrauen der bosnischen sozialistischen Führung (Dzihic, 2009, S.137). Nach dem Milosevic die Macht in Serbien übernommen hat und nach seiner nationalistischen Rede 1989, erweckte er das Bedürfnis bei der Bevölkerung nach Sicherheit und Schutz vor anderen Völkern. Damit schaffte er die Basis für seine nationalistischen Ziele. Spannungen zwischen den Republiken folgten. Nach dem Slowenien und Kroatien 1991 sich als unabhängig erklärt haben und es in den beiden Republiken zu ersten Kämpfen zwischen den örtlichen Militärkräften und der jugoslawischen Armee kam, wurde auch Bosnien-Herzegowina von diesen Entwicklungen nicht verschont und kam unter dem Einfluss des Nationalismus aus Serbien und danach auch aus Kroatien. Im Jahr 1990 wurden die führenden nationalistischen Parteien gegründet: Die Serbische Demokratische Partei SDS die Anlehnung an Milosevic suchte, die Kroatische Demokratische Gemeinschaft HDZ, eine Ableger der Partei von Tudjman und die muslimische Partei der demokratischer Aktion SDA (Calic, 1996, S.43-73). Das Parlament von Bosnien-Herzegowina hatte Angst von der serbischen oder kroatischen Seite absorbiert zu werden. Der kroatische Präsident Tudjman berief sich aus politisch-strategischen Überlegungen auf die ethnische, territoriale, ökonomische und geschichtliche Vergangenheit und legitimierte so sein Interesse an BosnienHerzegowina. Milosevic und die serbische Führung in Bosnien sprachen offen über die Wiedervereinigung aller Serben in einem großen Serbien und die Vernichtung alle Muslime. Im 1991 trafen sich Tudjman und Milosevic, diskutierten über die serbisch-kroatischen Territorien und eine Aufteilung Bosnien-Herzegowina s als mögliche Lösung, um einen Krieg zu verhindern (Ivankovic & Melcic, 2007, S.416). Mit dem Territorium sind die grundlegenden ethnonationalistischen Gedanken verbunden. Mit der Schaffung des eigenen Territoriums nimmt man sich das Recht an nationalistischen Exklusivitätsgedanken. “Der Exklusivität mobilisiert und aktualisiert von dem als Politiker und Unternehmen getarnten „Gewaltunternehmen“ mit starken persönlichen und ökonomischen Interessen an der Perpetuierung des Krisenzustandes“ (Todorova, 1999). 32 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Die nationalistische Führung, insbesondere in Bosnien-Herzegowina, hatte die eigene Geschichte aus eigener Sicht interpretiert. Sie machten die Geschichte zu einem wichtigen Faktor der Existenz der Bevölkerung und ihrer eigenen nationalen Selbstverständlichkeit. Sie verknüpfte Politik und Geschichte um sie als Waffe zu instrumentalisieren, für Manipulation und zur Schaffung eines falschen historischen Bewusstseins, Missverständnissen, territoriale Ansprüche und auch als Maßstab zur Legitimierung ihrer Staatlichkeit. Die eigenen Interpretationen der Geschichte haben sie als Voraussetzung zur Gewinnung und zum Erhalt von Gruppenidentität geschafft. Churchill hat gesagt: “Der Balkan produziert mehr Geschichte, als er Verbrauchen kann“ (Okuka, 1999, S.59). In Bosnien hat sich heute eine Mischung aus historischen Fakten und ethnonationaler Geschichte gebildet. Je nach dem ob es die bosniakische, kroatische oder serbische Version der Geschichte ist, in Bosnien existieren drei Völker die gleichzeitig drei Täter und drei Opfer sind. Jeder sieht sich als Opfer und bezeichnet die anderen als Täter (Dzihic, 2009, S.107). Die nationalistischen Politiker nutzten diese Verunsicherung der Menschen in den Zeiten der politischen, ökonomischen und sozialen Krise, interpretierten die Geschichte zur ihrem eigenen Interessen, benützten die Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen auf die ethnischer Basis, erweckten nationale Gefühle und hetzte Bedrohungsgefühle gegenüber anderen. Damit haben sie ihre Macht verstärkt. Die ethnische Zugehörigkeit wurde als Instrument einer politischen Instrumentalisierung und zur Etablierung und Sicherung der eigenen Ziele, Macht und Herrschaftsverhältnissen genützt (Dzihic, 2009, S.401-407). 3.3 Nachkriegskonfliktsursachen Mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens von Dayton im Jahr 1995 wurde der Krieg in Bosnien durch den starken militärischen und politischen Druck von Außen beendet. Mit diesem Abkommen war aber keine Konfliktspartei völlig zufrieden und jeder versuchte in der Phase der Implementierung etwas an dem Plan zu verändern und noch mehr für sich zu gewinnen. Durch die Anerkennung der territorialen Teilung des Landes durch die EU wurde eine Rückkehr zum Stand der Vorkriegszeit unmöglich. Das Daytoner Abkommen bestätigte die gewaltsam erzielten territorialen und ethnischen Grenzen und bildete einen komplizierten 33 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Neubeginn von staatlichen Konstruktionen. Für die Bildung einer Staatlichkeit ist der Ethnonationalismus sehr stark präsent und in allen Sphären der Gesellschaft ausgeprägt. Das Abkommen und die Verfassung von Dayton stehen in einem Gegensatz zu einander. Ein Paradoxon ist sie Akzeptanz der Grenzen der ethnischen Territorien und die andere der Versuch alle drei Ethnien in eine Gesamtstaatlichkeit zu zwingen. Damit existiert im Daytonabkommen kein klares politisches Ziel für Bosnien-Herzegowina. Die starke Präsenz der ethnonationalistische Propaganda in politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereichen bremst den Transformationsprozess des Landes. BosnienHerzegowina befand sich in einem dreifacher Transformationsprozess: Aus dem Krieg in den Frieden, aus einer schlecht funktionierenden sozialistischen und staatlich geführten Wirtschaft zu einer Marktwirtschaft und aus einem Abhängigkeitszustand von den internationalen Gemeinschaft zu Selbstverantwortung (Papic, 2002, S.51-73). Das Daytonabkommen bildete komplizierte Verwaltungsstrukturen die sich gegenseitig blockierten und zeigte die mangelnde Kooperation- und Koordinierungsfähigkeit der drei Entitäten. Die gesamtstaatlichen Institutionen in Bosnien waren zu schwach und hatten keine Kompetenz eine einheitliche, zentrale Institution zu organisieren. Trotz der schlechte wirtschaftlichen und sozialen Lage und der Anwesenheit von Korruption und Kriminalität es sind nicht gelungen die nationalistischen Kräfte zu entmachten. Die Hauptursachen der heutigen Probleme in Bosnien liegen darin, dass alle drei Völker gezwungen wurden, im Rahmen eines gemeinsamen Staates und unter der Aufsicht der internationalen Gemeinschaft gemeinsam zu leben. Die territoriale Abgrenzung zu den anderen Völkern hat die Unterschiede weiter vertieft. Fünfzehn Jahre nach dem Friedensabkommen benutzt die politische Führung weiterhin die ethnonationalen Präsenz und instrumentalisiert die Unterschiede mit ethnonationalen Argumenten. Die ethnische Denk- und Handlungsform wurde von einem Großteil der Bevölkerung übernommen. Der Exklusivität der ethnischen Gedanken und die Identifizierung mit der eigenen Ethnie hat einen fruchtbaren Boden für die weitere Existenz des Ethnonationalismus und der Ethnopolitik in Bosnien geschaffen. 34 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Die exklusive ethnische Identifizierung der nationalistischen Führung in allen staatlichen Strukturen und der Mehrheit der Bevölkerung blockiert Bosnien weiterhin auf dem Weg zu einem demokratischen und modernen Staat (Dzihic, 2009, S.401407). 4. LÖSUNGSANSÄTZE DER KONFLIKTE 4.1 Die bisherigen Versuche zur Konfliktlösung Eine friedliche Konfliktlösung im Bosnien-Herzegowina war möglich durch die Einigung der Muslime, Kroaten und Serben über eine gemeinsame Führungspolitik. Die Voraussetzungen für die Errichtung eines gemeinsam herrschenden Systems sind ungünstig gewesen. Bei den ersten freien Wahlen in Bosnien-Herzegowina Enden 1990 gewannen die nationalistischen Parteien 86 % der Parlamentsitze. Alle Parteien hatten unterschiedliche Interessen und keiner war bereit einen Kompromiss einzugehen. Während die Muslime, die Bosnien als multiethnischer Staat erhalten wollten, mit den bestehenden Grenzen einverstanden waren, verlangten die Serben und Kroaten eine eigene Republik, oder Föderation der drei Teilstaaten. Die Serben proklamierten die Serbische Republik 1992 und erklärten, dass die Republik Bosnien-Herzegowina nicht mehr existiere. Die Kroaten folgten den Serben und gründeten die kroatische Gemeinschaft Herzeg-Bosna. Nach diesen Ereignissen übernahm die internationale Gemeinschaft die Rolle der Verhandlungsführer (Giersch, 1998, S.68). Die internationale Gemeinschaft übernahm die Pläne von Milosevic, Tudjman und der ethnischen Parteien in Bosnien für die Aufteilung des Landes. Der Vorsitzende der EG-Friedenskonferenz Carrington und der Sonderbeauftragter Cutilhero verfolgten das Konzept der Föderalisierung Bosnien-Herzegowinas auf Basis der ethnischen Kantone. Die Internationale Gemeinschaft reduzierte sich auf die Kantonisierung Bosnien-Herzegowinas und verkörperte die ethnopolitische Idee für die ethnische Teilung des Landes. Das Vorbild dieses Planes war die Schweizer Kantonverfassung. Zum Unterschied zu Bosnien-Herzegowina haben in der Schweiz die kantonalen Grenzen schon vorher existiert, in Bosnien-Herzegowina mussten sie 35 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina erst erkämpft werden. Dieser Plan wurde von allen Parteien abgelehnt, verstärkte aber weiterhin den Konflikt. Mit dem Plan wurde die „Schlacht um die Kantone“ weiter angeheizt (Novi Vjesnik, 1992, S.3A). Der zweite Plan vermittelte die Bemühungen der EG und UNO auf der Suche nach einer politischen Lösung des Konfliktes. 1993 legten im Genf die Verhandlungsführer Owen und Vance der Entwurf des Planes vor. In dem neuen Friedensplan und Verfassungsrahmen existierte Bosnien-Herzegowina als ein „dezentralisierter Staat“ dreier konstitutiver Völker und zehn autonomen Provinzen mit einer gemeinsamen Zentralregierung. Die Provinzen sollten keine internationale Rechtspersönlichkeit haben und dürfen keine internationalen Verträge schließen. Wichtig im Wance-Owen Plan war, dass die muslimischen, serbischen oder kroatischen Provinzen keine zusammenhängendes Gebiet bilden und, dass sich der Konflikt auf die Provinzebene verlagert. Die Rückkehr der Flüchtlinge sollte erleichtert werden und die Homogenisierung der Völker sollte rückgängig gemacht werden. BosnienHerzegowina sollte die bestehenden Grenzen bewahren. Dieser Plan wurde von dem serbischen Führer abgelehnt, der das Ziel hatten ein einheitliches serbisches Territorium zu schaffen. Auch die Muslime sahen sich als Verlier und verlangten viele Änderungen an dem Plan. Nur die Kroaten waren zufrieden mit diesem Plan weil mehrere Provinzen an Kroatien grenzten (Calic, 1996, S.190). Nach der Ablehnung des Wance-Owen Planes unterstützte Owen zusammen mit Thorwald Stoltenberg den Vorschlag von Milosevic und Tudjman für eine Konföderation. Dieses Konföderationsmodell präsentierte eine bosnische Union mit der Teilung Bosniens in drei ethnische Staaten. Nach dem Verfassungsrahmen sollte eine Konföderation aus einem serbischen, einem muslimischen und einem kroatischem Staat existieren. Im Vergleich zum Wance-Owen Plan erhielt jeder Staat das Recht internationalen Abkommen beizutreten und jeder Staat hat die Möglichkeit mit der Zustimmung von den anderen Teilstaaten den Nachbarnstaaten beizutreten. Dieses Mal scheiterte der Plan durch die Ablehnung der Muslime. Sie waren mit der territorialen Aufteilung unzufrieden und wollten weiter für den einheitlichen Staat kämpfen (Giersch, 1998, S.159). 36 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Unter dem Druck der Clinton-Administration wurde 1994 des Abkommen von Washington unterzeichnet. Mit dem Washingtoner Abkommen haben sich die bosnischen Muslime und Kroaten verpflichtet eine Föderation zu bilden und das Territorium auf Kantone zu verteilen. Aus der amerikanischen Sicht brachte dieses Abkommen die Beendigung des kroatisch-muslimischer Krieges, und ist weiters damit die Gründung eines muslimischen Staates in Bosnien verhindert worden. Weiters wurden die Probleme der territorialen Abgrenzung zwischen Kroaten und Muslimen gelöst. Dieses Abkommen brachte die muslimischen und kroatischen militärische Kräfte gegen die serbischen Truppen und das war eine entscheidende Voraussetzung für die Friedensverhandlungen in Dayton (Dzihic, 2009, S.159). 4.2 Warum kommt es nicht zu einer Lösung der Konflikte? Bosnien-Herzegowina befindet sich 15 Jahren nach dem Daytoner Vertrag noch immer in Konflikten und Widersprüche der Ethnopolitik und des Ethnonationalismus. Das Daytoner Abkommen hatte zwar den Krieg in Bosnien-Herzegowina beendet aber gleichzeitig auch den Einfluss der Ethnopolitik bestätigt und vertieft. Die starren politischen Strukturen beschränkten die Entwicklung einen funktionsfähigen Staates und produzierten ständig neuen Konflikte. Der Krieg auf der politischen Ebene wurde nie beendet. Die weitere Zerstörung der einheitlichen bosnischen Staatlichkeit und der Gesellschaft stellt ein weiteres großes Hindernis für die Stabilisierung und Normalisierung der demokratischen Staatlichkeit dar. In dem Daytoner Vertrag wurde die Dezentralisierung und Ethnisierung der Staatsstruktur formalisiert und ungünstige Voraussetzungen für einen lebensfähigen Staat wurden geschaffen. In der bosnischen Verfassung ist das ethnische System in allen Bereichen der Regierung und Verwaltung verankert und damit kommt es auch zur Radikalisierung der Gesellschaft. Aufgrund von der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise nutzt die nationalistische Führung weiter die Verunsicherung der Menschen. Die ethnische bzw. religiöse Zugehörigkeit wird weiterhin instrumentalisiert und ist ein wichtiger Mechanismus zur Sicherung der eigenen Macht und der eigenen Ziele. Mit Hilfe der Medien und religiösen Vertreter gelingt es das verlorene Gefühl von Sicherheit zu geben und das Vertrauen gegenüber den anderen ethnischen Gruppen als Bedrohung zu polarisieren. Die Konstituierung von der Bedrohung, Abgrenzung von 37 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina den Anderen, Vertiefung der Unterschiede auf der ethnischen Basis wird als wirksamstes Machtmittel zu Erlangung der politischen Kontrolle und zur Festigung der ethnonationalen Macht eingesetzt. Die politische Elite alle Konfliktsparteien zeigt die gleichen Muster: Alle benutzten das Ethnische zu Legitimierung des eigenen Handelns (Dzihic, 2009, S.401-418). Das Versagen der staatlichen Strukturen, der ausgeprägte Nationalismus und die starke Dezentralisierung der bosnischen Staatlichkeit stellen einen wichtigen Grund für die Stagnation der Staatsbildung dar. Die bosnisch-serbische Regierung hat noch immer starkes Interesse an der territorialen Vereinigung mit Serbien. Der Premier der serbische Republik Dodik droht, als Folge der Unabhängigkeitserklärung Kosovos von Serbien, mit einer Sezession der serbischen Republik von Bosnien und eine Angliederung an Serbien (Ivanji, 2010, S.5). Die internationale Gemeinschaft hat durch die Entsouveränisierung und Entmündigung der bosnischen Gesellschaft zur Entstehung eines trialen (duallen) Gesellschaftssystems beigetragen. Die Unkenntnise der internationalen Gemeinschaft über die historischen Rahmenbedienungen, die Bedürfnisse der Gesellschaft, die überstürzte Annerkennung der Territorien, das verspätete und undifferenzierte Eingreifen, sowie überstürzte Wahlen oder Privatisierung hat die Entwicklung zu der heutige Gesellschaft in Bosnien-Herzegowina ermöglicht. Durch die erzwungene Privatisierung und Marktwirtschaft und die damit verkoppelte Kreditvergabe für die Entwicklung ist es Bosnien-Herzegowina noch nicht gelungen, den Transformationsprozess aus der sozialistischen in die neoliberale Marktwirtschaft durchzuführen. Die steigende Armut und Perspektivlosigkeit der Bevölkerung sind ein wichtiges Zeichen für die wirtschaftliche Entwicklung und über die deformierte Staatsbildung im Land. Der internationalen Gesellschaft wird vorgeworfen, dass sie eine passive Politik in Fragen der Bekämpfung der Korruption und organisierten Kriminalität betreibt (Ehrke, 2002, S.5-16). Die herrschende politische Elite hat den Ethnonationalismus zur dominierenden Kraft entwickelt und sich damit an der Macht gehalten. Zur Erhaltung der Machtpositionen ist sie bereit eine gemeinsame Diskussion zur Entwicklung eines stabilen funktionsfähigen Staates einzugehen. Alle Konfliktsparteien haben ihre politische Verantwortung zum Schutz der nationale Rechte vor der Bedrohung eigener 38 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Volksgruppen reduziert. Nerzuk Curak hat für die herrschenden Eliten ein politisches System aufrechterhalten, dass sie den Staat führten. Aufgrund fehlender institutioneller Kontrollmechanismen hat die politische Elite den Zugang zu Ressourcen und Macht, die die Demokratie bremsen. Der Hauptgrund für den Misserfolg liegt in der Konstituierung des Staates. Alle Konfliktparteien haben Interesse an der Bildung eines stabilen, zentralisierten Staates. Der Daytoner Vertrag hat die Verlängerung der ethnischen Macht ermöglicht, indem die Politiker, anstatt dem Volk zu dienen, das Volk für die ihre eigenen Interessen nutzt. Eine Hyperproduktion der Bürokratie und der Verwaltung in Bosnien-Herzegowina blockiert jede Möglichkeit für Veränderungen des jetzigen Systems. Ohne strukturelle Reformen wird es schwierig werden, eine erfolgreiche Basis für die Bildung einer demokratischen Gesellschaft und funktionsfähiger Staatlichkeit zu schaffen (Curak, 2006, S.83-84). 4.3 Mögliche Konfliktlösung Die Zukunft Bosnien-Herzegowina hängt davon ab, wie sehr die politische Elite bereit ist, von dem jetzigen ethnonationalistischem Programm in eine demokratische Gesellschaft überzugehen. Der notwendige Machtwechsel in Bosnien-Herzegowina könnte die bosnische Staatlichkeit von der ethnischen Dominanz befreien und zu einem modernen sozialen und wirtschaftlichen Staat führen. Ein wichtiger Faktor für den Ausstieg aus der Krise ist die derzeitige Konstruktion der bosnischen Staatlichkeit, die trotz einiger Fortschritte noch immer nicht funktioniert. Es bedarf einer Reform der institutionellen Rahmen, die von innen kommen sollte und von der internationalen Staatengemeinschaft an die bosnischen Umstände angepasst werden müsste. Die Entwicklung eines stabilen, funktionsfähigen Staates bedarf auch Reformen des institutionellen und überfüllten Verwaltungssystems, das dann in der Lage ist, einen Ausstieg für den Ausgang aus der sozialen und wirtschaftlichen Krise anzubieten. Zwei wesentliche Faktoren sind die Reformen der Daytoner Verfassung und die Bildung einer zentralisierten Staatlichkeit für die Errichtung und Stärkung politischer, wirtschaftliche und soziale Strukturen, vor allem der Demokratie und Ökonomie, sowie die Stabilisierung der Sicherheit im Land. Im Oktober 2010 sind die nächsten Wahlen in Bosnien-Herzegowina, es ist dem die Verantwortung 39 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina und Möglichkeit der Wähler über ihre eigenen Zukunft weiter zu entscheiden (Dzihic, 2009, S.401-419). 5. Zusammenfassung Der Zerfall Jugoslawiens ist ein Zerfall der Ideologie innerhalb der politischen Elite. Der Prozess des Zerfalles ist nicht plötzlich gekommen sondern ist in einem relativ langfristigen Zeitraum aufgetreten und war durch der Schwächung und dem Zerfall von staatlichen Strukturen und Institutionen vorbedingt. Nach der Reform der Verfassung 1974, wurden selbst regulierende und verwaltende gesellschaftliche Systeme eingeführt. Jugoslawien hat hoch ideologisiert gelebt indem ihre Bürger selbst Teil der Verwalter gewesen sind. Dieses gemeinsame selbst verwaltende Konzept des Sozialismus und die Dezentralisierung von staatlichen Funktionen hat seine Attraktivität nach dem Tod von den Autoren der Verfassung Edvard Kardelj (1979) und Josip Broz Tito (1980) verloren. Mitte der achtziger Jahre sind neue politische Konzepte und Ideologie entstanden. Die neuen Ideologien waren eine Mischung aus sozialistische, demokratische, liberale und nationalistische Rhetorik. Der zerfallene, schwache und uneffiziente Staat war nicht in der Lage den neuen Ideologien zu bestehen und hat eine Rückkehr von nationalistischen Führern und den Aufstieg vom Nationalismus ermöglicht und bewirkt. Der Aufstieg vom Nationalismus kam zuerst in Serbien mit Milosevic und dann in Kroatien mit Tudjman. Beide nationalistischen Führer betrieben eine Politik, die zum dem Krieg führen sollte. Bosnien-Herzegowina war als Staatsrepublik nicht lange in der Lage einen stabilen und funktionierenden Rahmen für die Erhaltung der Stabilität und der Toleranz der eigenen Völker zu schaffen. Der Krieg und die Ethnopolitik zwischen Serbien und Kroatien verbreitete sich weiter in Bosnien. Die Menschen zeigten mangelnde Identifizierung mit dem Staat und suchten Sicherheit in der neuen Ideologie mit der Identifizierung mit führenden politischen Köpfen. Die führenden ethnonationalistische Parteien in Bosnien-herzegowina nützten diese Verunsicherung der Menschen, interpretierten die eigene Geschichte 40 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina aus ihrer Sicht, schafften Raum für gegenseitige Bedrohungsgefühlen und spielten manipulativ mit den Gefühlen zwischen den Ethnien. Die Etablierung der autoritären nationalistischen Strukturen mit dem Ethnonationalismus als dominantes Instrument für die eigene Macht und Manipulation der Gegenwart, führte bei allen Ethnien zur Entwicklung der Exklusivitätsgedanken und Trennung zwischen die „besseren wir“ und die „schlechteren anderen“. Die ständig reproduzierten Mythen zwischen „uns“ und „den anderen“ verbreitete Massenangst und diese führte zur Homogenisierung der Ethnien auf territorialer Basis. Die reine ethnische Homogenisierung von bestimmten Territorien war ein Ziel der nationalistischen Führung und Bestrebung zu Vereinigung mit Serbien und Kroatien. Bei der totalen Zerstörung der bosnischen Staatlichkeit und Erkämpfung der ethnonationalen politischen Macht haben in dem blutigen Krieg fast 300.000 Menschen ihr Leben verloren. Mit dem Daytoner Abkommen 1995 wurde der Krieg auf dem Feld beendet, aber noch nicht auf der politischen Ebene. Die Konfiguration des bosnischen Staates aus zwei Konföderationen, der serbische Republik und der kantonisierten bosnischkroatischen Föderation hat die Kriegslogik der nationalistischen Elite bestätigt. Das Daytoner Abkommen hat ungünstige Voraussetzungen für die Normalisierung des Landes geschaffen und den Aufbau der bosnischen Staatlichkeit verzögert und damit die Krise bis heute verlängert. Die Institutionalisierung des ethnischen Prinzips mit dem Daytoner Abkommen hat die bosnische Politik auf die Ethnopolitik reduziert. Die nationalistische Elite hat sich mit der Ethnopolitik tief an der Macht verwurzelt und in allen herrschenden Rechtskörper verbreitet. Die Lösungen für die ökonomischen und sozialen Probleme (hohe Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption und Kriminalität) bleiben weiter leere Versprechungen. Die gegenseitigen Blockaden der nationalistischen herrschenden Führung verbreiten separatistische Tendenzen und verhindern den Aufbau der bosnischen Staatlichkeit. Es herrscht eine Notwendigkeit der Befreiung der Staatlichkeit von der starken Dominanz der Ethnopolitik und der Schaffung einer wirtschaftlichen und sozialen Sicherheit. Es ist der Bedarf an einer Reform der institutionellen Rahmen und Verfassung des Daytoner Abkommen gegeben. Alle Reformen sollten von innen kommen und die politische Führung sollte eine gemeinsame Sprache für die Entwicklung einer demokratischen, modernen und wirtschaftlich funktionierenden 41 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Staates finden. Die wichtigsten Voraussetzungen für einen modernen, funktionierenden Staat sind: Aufbau eine stabile Demokratie, in der die Menschenrechte und das Prinzip der Rechtstaatlichkeit geachtet wird Es soll eine funktionsfähige liberalisierte Wettbewerbsfähige Marktwirtschaft eingeführt werden Der Staat muss die gemeinsame Rechtsvorschriften, Normen und Politik bilden Es bleibt die Hoffnung, dass das Bewusstsein der Menschen in BosnienHerzegowina sich verändern wird und durch eine andere Denk- und Handlungsweise die richtige Richtung findet, um zu einem modernen, demokratischen und stabilern Staat zu werden. Die Zukunft Bosnien-Herzegowinas liegt in den Händen der Bürger und den Führungspersönlichkeiten als Verantwortungselite zur Gestaltung einer humanen und wirtschaftlich erfolgreichen Zukunft. 6. Literaturverzeichnis Banac,I. (2007): Der Jugoslawienkrieg. Jugoslawien 1918-1941. Wiesbaden: GWV Fachverlage. S.165. Braun,R./ Gawlas,H./ Schmalz,A./ Dauz,E. (2004): Die Coaching Fibel. Wien: Linde. S.261-293. Calic,M-J. (1996): Krieg und Frieden in Bosnien-Herzegowina. Frankfurt am Main. S.71, 84-106, 147, 254-263. Curak,N. (2006): Obnova bosanskih utopija, Sarajevo/Zagreb. S.83-84. Djilas,M. (1992): Der Nationalismus spielt auf zum blutigem Reigen. In Buch :Europa im Krieg. Suhrkampf Verlag Frankfurt am Main. S.81-84. Dzihic,V. (2004): Zwischen Krieg ,Krisen ,Protektorat und Europäisierung: Eine Bilanz von Nation-Building in Bosnien-Herzegowina acht Jahre nach Dayton. Beitrag für die POWI 04 Graduiertenkonferenz ONLINE: http://www.ihs.ac.at/powi04/papers/AG%20tranformationprozesse/Dzihic_Vedran.pdf 42 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina (stand 1.8.2010) Dzihic,V. (2009): Ethnopolitik in Bosnien-Herzegowina: Staat und Gesellschaft in der Krise. Baden-Baden: Nomos. S.16, 63, 40, 107. Ehrke,M. (2002): Bosnien: Zur politischen Ökonomie erzwungenen Friedens. Bonn: Mskr.FES. S.5-16. Giersch,C. (1998): Konfliktregulierung in Jugoslawien 1991-1995. Baden-Baden: Nomos. S.50, 143-152, 294. Gligorov,V. (1994): Why do countries break up? The case of Yugoslavia. Uppsala: Göteburg. Goldstein,S. (2007): Der Jugoslawienkrieg. Der zweite Weltkrieg. Wiesbaden: GWV Fachverlage. S.176-184. Ivankovic,Z & Melcic,D. (2007): Der Jugoslawienkrieg. Der bosniakisch-kroatische“ Krieg im Kriege“. Wiesbaden: GWV Fachverlage. S.416. Höher,P. & Höher,F. (2002): Konfliktmanagement: Konflikte kompetent erkennen und lösen. 2. Ausgabe. Freiburg (Breisgau), Berlin, München: Haufe. Holbrook,R. (1998): Meine Mission. Vom Krieg zum Frieden in Bosnien. München: Piper. S.9. Hory, & Broszat, (1964): Der kroatische Ustascha-Staat. S.89-91. Höher,P. & Höher,F. (2002): Konfliktmanagement: Konflikte kompetent erkennen und lösen. 2. Ausgabe. Freiburg (Breisgau), Berlin, München: Haufe. Höpken,W. (1993): Geschichte und Gewalt. Geschichtsbewusstsein in jugoslawischen Konflikt, in: Internationale Schulbuchforschung 15. S.55-73, 194. Huntington, S.P. (1996): Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert. München, Wien, Europa-Verlag. Imamovic,M. (2007): Der Jugoslawienkrieg. Bosnien-Herzegowina bis 1918. Wiesbaden: GWV Fachverlage. S.86. Ivanji,A. (2010): USA und EU rufen Serbien und Kosovo zum Dialog auf. Der Standard - Osterreichs unabhängige Tageszeitung/Herausgegeben von Oscar Bronner, Sa/So, 24/25 Juli 2010. S.5. Jovic,D. (2003): Jugoslavija drzava koja je odumrla. Uspon i pad Kardeljeve Jugoslavije (1974-1990). Zagreb: Prometej. S.23-25, 487-497. Koehler,J. & Zürcher,C. (2003): Introduction: potential of disorder in the Caucasus and Yugoslavia. In: Koehler,J. & Zürcher,C.: New Approaches to Conflict Analysis. Manchester University Press. S.1-22. 43 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Vjesnik, (1992): Konferencija za novinstvo SDA: Karadzic und Boban krivi za podjelu. 26.3.1992 Lexikon der Psychologie. (1995): Herausgegeben vom Lexikon-Institut Bertelsmann Lexikon der Psychologie. Faktum Verlag. Lovrenovic,I. (1994): Istorija BiH: od predistorije do prve Jugoslavije, feljton po Monografiji BiH, Ero Bosna, 22. 29.07.1994 Malcom,N. (1996): Geschichte Bosniens. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag GMBH. S.12, 87, 289. Meier,V. (2007): Der Jugoslawienkrieg. Der Titostaat in der Krise. Wiesbaden: GWV Fachverlage. S.204-209. Melcic,D. (2007): Der Jugoslawienkrieg. Dayton und die Neugestaltung BosnienHerzegowina. Wiesbaden: GWV Fachverlag. S.449. Mitchell,C.R. (1981): The Structur of International Conflict. New York. S.104. Novi,V. (1992): Bitka za kantone, in: Novi Vjesnik 11.5.1992. S.3A Okuka,M. (1999): Wenn das Wort zum Schwert wird. NZZ Folio, 6.6.1999. S.59. Papic,Z. (2002): BiH 6 Godina poslije rata.Zavisnost ili odrzivost i odgovornost, in:Christophe Solioz/Svebor Dizdarevic:Bosna i Hercegovina: od ovisnosti do samoodrzivosti.Sarajevo. S.51-73. Parin,P. (1993): Das Bluten aufgerissene Wunden. Ethnopsychoanalytische Überlegungen, in: Alexandra,S. (Hg.), Massenvergewaltigung. Krieg gegen Frauen. Freiburg. S.80. Steindorfer,L. (2007): Der Jugoslawienkrieg. Zwischen Aufbruch und Repression: Jugoslawien 1945-1966 Wiesbaden: GWV Fachverlage S.197. Seidelman,R. (2005): Souverenität, in: Richard,W (Hg.): Handwörterbuch internationale Politik. Opladen. S.398. Todorova,M. (1999): Die Erfindung des Balkans. Europas bequemes Vorurteil. Darmstadt. Zulfikarpasic,A. (2007): Sarajevski proces: sudjenje muslimanskim intelektualcima 1983. godine. Zürich. S.240-249. 44 Lidija Lukic Konflikt in Bosnien-Herzegowina Ehrenwörtliche Erklärung zur Diplomarbeit Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich 1. meine Diplomarbeit eigenständig und ohne fremde Hilfe angefertigt habe; 2. die Übernahme wörtlicher Zitate aus der Literatur/dem Internet sowie die Verwendung der Gedanken anderer Autoren an den entsprechenden Stellen innerhalb der Arbeit gekennzeichnet habe; 3. meine Diplomarbeit bei keiner anderen Prüfung vorgelegen habe. Ich bin mir bewusst, dass eine falsche Erklärung die Aberkennung des Diploms/Titel zur Folge haben wird. (Ort, Datum) (Unterschrift) 45