Erklärung der Kommission Justitia et Pax der Bischofskonferenz für Bosnien und Herzegowina anlässlich der jüngsten Bürgerdemonstrationen in Bosnien-Herzegowina Bereits seit einigen Tagen sind wir Zeugen der unglücklichen, jedoch nicht unerwarteten Ereignisse, die viele Städte in Bosnien-Herzegowina erschüttert haben. Die Bürger protestieren vor allem gegen ihre ausgesprochen schlechte und schwierige soziale Lage, aber auch gegen die Misswirtschaft und die schlechte Führung der amtierenden Regierung. In den vergangenen Jahren hat die Kommission Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden) der Bischofskonferenz für Bosnien und Herzegowina im Rahmen ihrer Berichte über die Menschenrechte im Land, stets von der schlechter werdenden sozialen und wirtschaftlichen Lage berichtet, die immer mehr Menschen in Mitleidenschaft gezogen hat. Die Kommission wies auch darauf hin, dass diejenigen, die das Land regieren, keine Ahnung, keine konkreten Vorschläge oder keine angemessenen Sozialprogramme hatten, um die Probleme zu lösen, gegen die der Großteil der Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina seit mehreren Jahren kämpft. Die Gründe dieses Unbehagens gingen aus den jüngsten Protesten deutlich hervor: Es ist zunächst die tiefe Kluft zwischen denen, die aus sozialer Sicht gut situiert sind, und denen, die keine Rechte mehr haben in diesem Land. Ferner ist es die dramatische Soziallage eines Großteils der Bevölkerung sowie die anhaltende Gleichgültigkeit und Unfähigkeit der Politiker, die dieses Land regieren. Wir bedauern, dass die lokalen Vertreter der Macht, trotz ausreichender Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft, auf Auseinandersetzungen zurückgreifen mussten, um die schwierige soziale Lage in diesem Land zu lösen. Schmerzhaft und ausgesprochen unmenschlich ist auch die politische Instrumentalisierung dieser vorwiegend berechtigten Verbitterung der Bürger, insbesondere der Jugend, die einer hoffnungslosen Zukunft entgegenschaut. Die wirtschaftliche Armut in Bosnien-Herzegowina wird immer größer, doch die Proteste dieser Tage gegen die Macht haben auch eine weitere, sogar schlimmere Armut hervorgehoben: Es ist die Geistesarmut. Diese Armut hat zu unzumutbaren, vandalischen Taten geführt, die das öffentliche Eigentum dieses Landes zerstört und ein unverständliches Verhalten seitens derjenigen begründet haben, die das Land regieren und sowohl für die Achtung des Menschenlebens, sowie auch des Eigentums eines jeden Bürgers und der Bevölkerung zuständig sein sollten. Erneut zeigen wir uns solidarisch mit all unseren Mitbürgern, die gezwungen sind, in menschenunwürdigen Situationen zu leben, obwohl es durchweg nicht ihre Schuld ist. Gleichzeitig wehren wir uns gegen und verurteilen jede vandalische Tat, jede Art der Drohung, die Zerstörung des öffentlichen Eigentums und jede Form von Manipulation der unzufriedenen Massen, insbesondere an jungen Menschen. Wir laden alle Verantwortlichen, insbesondere lokale und internationale Politiker, die für die aktuelle Situation und für die Zukunft dieses Landes zuständig sind, dazu auf, sich endlich für das Gemeinwohl aller Bürger und für eine sichere und stabilere Zukunft in diesem Land zu kümmern. Die jüngsten Proteste unzufriedener Bürger zeigen zweifellos, wie dringend die Umsetzung von Strukturreformen in diesem Land ist. Radikale Reformen des sozialen und rechtlichen Kontextes in BosnienHerzegowina sind eine wesentliche Voraussetzung für die Errichtung eines Rechtstaates und eine Garantier für seine wirtschaftliche und soziale Stabilität und damit für die Achtung der Menschenwürde und der Grundrechte eines jeden Bürgers. Im Bewusstsein, dass ohne eine grundlegende Erneuerung des Geistes, die aktuelle angeblich hoffnungslose Situation nicht verbessert werden kann, laden wir all unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger dazu auf, das Wohl eines jeden Menschen in unserem Land mit all ihren Kräften zu verteidigen. Insbesondere laden wir diejenigen, die zu Recht verlangen, dass ihre Menschen- und Bürgerrechte geachtet werden, jede Form von Gewalt während der Proteste zu unterlassen und das private sowie soziale Eigentum beizubehalten. Andernfalls würde das Land in einen noch tieferen Abgrund fallen und auf noch unsicheren Beinen stehen. Die Erfahrung zeigt, dass sich der Funke der Gewalt sehr leicht zu einem Feuer von großem Ausmaße entwickeln könnte, das sich nur schwer beherrschen lässt. In unserem Land, das vom Krieg heimgesucht wurde und sich zu Teil noch nicht erholt hat, könnten diese Gegebenheiten zu sozialen Problemen auch zwischen den Völkergruppen führen. Wir laden diejenigen, die für das gute Funktionieren des Rechts- und Sozialstaates zuständig sind, dazu auf, das vorzunehmen, was notwendig ist – insbesondere eine gerechte Verteilung materieller Güter – um die derzeit große Kluft zwischen Armen und Reichen zu verringern oder zu überwinden. Wir laden alle dazu auf, sich solidarischer mit den Menschen zuzeigen, die die Grundvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben entbehren. Keiner sollte ein gutes Gewissen haben, wenn es in seiner Umgebung Menschen gibt, die am Rande der menschlichen Existenz leben. Auch in diesem Falle gilt das Motto der Soziallehre der katholischen Kirche, das sich auf die alte Botschaft der Heiligen Schriften stützt: Der Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein (vgl. Jes 32,17 ). Franjo Komarica, Bischof von Banja Luka Präsident der Kommission Justitia et Pax der CE BiH