Kabelfehlerortung an Energiekabeln Vororten Transiente Verfahren Inhalt: 1. 2. 3. Einleitung DECAY (Spannungsauskopplung) ICE (Stromauskopplung einphasig) 1. Einleitung Bei den transienten Methoden wird an der Fehlerstelle ein Durchschlag erzeugt. Dieser brennt für einige Millisekunden, und stellt während dieser Zeit einen sehr niederohmigen Kurzschluss dar. Durch diesen abrupt stattfindenden Durchschlag entsteht bei der Zündung eine Wanderwelle die sich im Kabel ausbreitet. Die Ausbreitung findet vom Fehlerpunkt aus in Richtungen beider Enden statt und wird dort auch wieder zum Fehler reflektiert, wobei der immer noch anstehende brennende Lichtbogen dann verhindert, dass die Wanderwelle die Fehlerstelle passieren kann. Sie wird wie beim normalen Reflektometerimpuls an dieser Stelle wieder reflektiert, durch den immer noch brennenden Kurzschluss mit Umkehrung der Polarität. Man sieht vom Ende aus immer nur die Wanderwelle dieses speziellen Endes. Es gibt unterschiedliche Wege diese Transienten auszulösen und ebenfalls unterschiedliche Methoden sie auszukoppeln und nachfolgend auszuwerten. Die Transiente Welle Eine transiente Welle enthält immer einen Spannungsanteil und einen Stromanteil. Spannungs- und Stromanteil verhalten sich an abgeschlossenen Leitungsenden (Kurzschluss, offen) unterschiedlich. Bei der Stromimpuls-Methode wird nur der Stromanteil der transienten Welle (Stromwelle) ausgewertet. Die am Ende offene Leitung Kommt eine transiente Welle am offenen Leitungsende an, so entsteht hier wegen der unendlich hohen Fehlanpassung eine Totalreflexion der Strom- und Spannungswelle. Das Bild 1 zeigt, wie die hinlaufende Spannungswelle am offenen Leitungsende mit gleicher Amplitude und gleicher Polarität reflektiert wird. Die resultierende Spannungsamplitude der hin- und rücklaufenden Welle erreicht den doppelten Wert. 2 +Urück +2U +U +Uhin Kabelanfang Kabelende Bild 1: Die transiente Spannungswelle Die zunächst phasengleich mit der Spannungswelle am Leitungsende ankommende Stromwelle wird ebenfalls mit gleicher Amplitude, jedoch mit entgegengesetzter Polarität reflektiert, so dass sich beide Stromwellen-Anteile am Leitungsende auslöschen. +i +i i-hin i-rück Kabelanfang -i Kabelende Bild 2: Die transiente Stromwelle Die am Ende kurzgeschlossene Leitung Die Stromwelle wird in diesem Fall mit gleicher Amplitude und gleicher Polarität reflektiert, so dass die Stromamplitude auf den doppelten Wert der hinlaufenden Welle ansteigt. In diesem Fall tritt hingegen bei der Spannungswelle ein Polaritätswechsel auf, wodurch die Spannung am kurzgeschlossenen Leitungsende null wird. 2. DECAY (Spannungsauskopplung) Die einfachste und wahrscheinlich älteste Methode ist die Wanderwellenvorortung, kurz DECAY Methode genannt. Hierzu wird das Kabel mit einer Gleichspannung aufgeladen, bis die Spannung die Durchschlagsspannung des Fehlers überschreitet. Die in der Kabelkapazität gespeicherte Energie entlädt sich über den Fehler und erzeugt eine Wanderwelle, die als gedämpfte Oszillation messbar ist. Die Länge einer Oszillation enthält dabei die Entfernung zum Fehler, wobei die Länge der Oszillation auch das Vormesskabel beinhaltet. Das Signal wird dabei über einen kapazitiven Koppler aus dem heißen Teil der Hochspannung ausgekoppelt. 3 Beschreibung des Vorgangs. Gesamtlänge einer Oszillation Das Kabel ist im Moment des Durchschlags mit der Prüfspannung negativ geladen. Die entstehende Entladung durch den Fehler erzeugt daher eine Wanderwelle mit positiver Flanke. Die Front läuft mit einer Geschwindigkeit von ca. 160 m/µs vom Fehler zum Beginn der Kabels und findet dort den sehr hohen Ausgangswiderstand des HV Prüfgerät vor. Folglich findet eine in der Polarität unveränderte Reflexion statt. Die Wanderwelle läuft jetzt wieder vom Beginn in Richtung Fehler, wo immer noch der Durchschlagsfunke brennt. Dieser Kurzschluss reflektiert die Wanderwelle wieder, dabei wird diesmal die Polarität umgekehrt, d.h. die Wanderwelle hat jetzt eine negative Front. Dieser Vorgang wiederholt sich so lange, bis sich die Energie der Wanderwelle abgebaut hat, oder bis der Durchschlag erloschen ist. Auf Grund des Ausbreitungsverhaltens der Wanderwelle ist die Fehlerdistanz zweimal in jeder Oszillation enthalten. Zur Berechnung ist daher die Länge einer Oszillation durch 2 zu teilen, und dann noch die Länge des Vormesskabels zu subtrahieren. Fehlerentfernung = Gesamtlänge einer Oszillation − Vormessleitung 2 Zur Vorbereitung der Messung ist es sehr hilfreich, schon vor der Messung den Entfernungsbereich auf die fünf- bis zehnfache Länge des Kabels einzustellen und die Verstärkung im Verhältnis zur normalen Reflexionsmessung mindesten um den Faktor 2 zu reduzieren. So wird gewährleistet, dass schon der erste Schuss sitzt und ein Ergebnis erzielt, das nur noch minimaler Korrekturen bedarf. Der Vorteil dieser Technik ist die relativ unbegrenzte Spannung. Hier sind schon Vorortungen bis 400 kV und mehr realisiert worden. Als Nachteil sei anzumerken, dass gerade die Möglichkeit, sehr hohe Spannungen einzusetzen, dazu führen kann, dass stark betriebsgealterte Kabel durch die erzeugten, relativ hochfrequenten Wanderwellen zusätzlich weiter vorgeschädigt werden können. Hier ist eine sehr behutsame Vorgehensweise angebracht, um mögliche Folgeschäden zu vermeiden. 4 50m = G TDR Bild 3: Prinzipschaltbild für das Verfahren DECAY Die transiente Spannungswelle wird im Prüfgenerator mit gleicher Polarität reflektiert und bewegt sich zum Überschlagsfehler zurück. Am Lichtbogen wird diese Welle mit umgekehrter Polarität erneut reflektiert. Bild 4: Decay Wanderwellenauskopplung am 8 km Kabel mit Marker und Cursor 5 Bild 5: Reflektogramm einer Fehlerortungsmessung mit dem Verfahren DECAY Die Software bei einigen Reflektometern führt die Division durch 2 bereits durch. Reflexionen entstehen zusätzlich an jeder Impedanzänderung, z.B. Muffen, Übergang Vormesskabel zu fehlerhaften Kabel Bild 6: Decay Wanderwellenauskopplung am 8 km Kabel Verschiebetechnik 6 3. ICE Stromauskopplung einphasig Bei dieser HV-Methode wird nicht die Spannung, sondern der Strom induktiv ausgekoppelt. Statt eines Kondensators zur Auskopplung wird eine Spule oder Transformator eingesetzt. Typische verwendete Spulen sind Rogowski Spulen. Die Standardmethode findet unter Zuhilfenahme eines Stossgenerators statt. Die kapazitive Entladung des Stossgenerators über den Stossschalter zündet den Fehler und bringt ihn zum Durchschlag. Dabei wird dann die zweite große Reflektion als Referenz genommen. Vorher sichtbare Reflektionen werden durch die Ionisationszeit verzögert, und stellen den Vorgang dar, während dem der Fehler anfängt zu zünden. Auch läuft im Anschluss eine gedämpfte transiente Welle zwischen Fehler und Stossgenerator hin und her. Hier stellen der Kondensator des Stossgenerators wie auch der anstehende Lichtbogen der Fehlerstelle einen Kurzschluss für die hochfrequente Welle dar. Als Resultat erhalten wir eine Oszillation, deren Periodendauer der einfachen Fehlerentfernung entspricht. Das Vormesskabel muss subtrahiert werden, um die Fehlerentfernung zu erhalten. Fehlerentfernung = Gesamtlänge einer Oszillation - Vormessleitung Die sichersten Messergebnisse erzielt man, wenn die Messung der Oszillation im Nulldurchgang erfolgt. Eine Alternative hierzu ist die Verschiebetechnik, bei der eine identische Kopie der Kurve soweit seitlich verschoben wird, bis die nächste Oszillation sich völlig mit dem Original deckt. Zur Vorbereitung der Messung ist es sehr hilfreich, schon vor der Messung den Entfernungsbereich auf die fünf- bis zehnfache Länge des Kabels einzustellen. Allerdings sollte die Verstärkung im Verhältnis zur normalen Reflexionsmessung hier erhöht werden, da die von den Auskoppelspulen kommenden Signale deutlich schwächer sind. Vorteil dieser Messtechnik ist es, dass die Auskoppelspule bei dieser Anwendung im Erdpfad der Leitung liegt. Sie ist keiner Hochspannung ausgesetzt. Daher ist hier keine aufwändige isolierende Konstruktion erforderlich. Die Spule selbst ist sehr klein und kann in fast jedem Gerät integriert werden. Nachteil, wie bei allen transienten Methoden, ist die reine Information über die Fehlerentfernung ohne jedes andere Detail über das Kabel oder den Fehler selbst. Die Genauigkeit transienter Methoden ist teilweise limitiert und nicht mit echten Reflexionsverfahren vergleichbar. Stossstrommethode Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das Kabel mit dem Stossgenerator bei geschlossenem Stossschalter auf die erforderliche Durchschlagspannung aufzuladen und dann die Kabelkapazität selbst als Kondensator mit einzusetzen. Dadurch kann die verfügbare Stosskapazität deutlich erhöht werden, was gerade bei sehr langen Kabeln sehr hilfreich ist. Die Stossenergie muss nicht erst vom Stossgenerator zum Fehler laufen, sondern wird schon vom Kabel und dessen aufgeladener Kapazität selbst zur Verfügung gestellt. Auch eine Ionisationszeit, wie beim Stossen findet nicht statt. Der restliche Vorgang läuft dann völlig identisch mit dem normalen ICE Stromauskopplungsverfahren ab. 7 TDR tx Bild 7: Prinzipschaltbild für das Verfahren ICE – einphasig Fehler zündet nicht – transiente Stromwelle wird am offenen Kabelende mit gleicher Amplitude, jedoch mit entgegengesetzter Polarität reflektiert parasitäre Reflexionen tx tx Bild 8: Reflektogramm einer Fehlerortsmessung mit dem Verfahren ICE – einphasig Fehler zündet nicht – Reflexion am offenen Kabelende 8 TDR tx Bild 9: Prinzipschaltbild für das Verfahren ICE - Kurzschluss tx tx tx parasitär Reflexionen Bild 10: Reflektogramm einer Fehlerortsmessung mit dem Verfahren ICE – einphasig Kurzschluss – Reflexion der transienten Stromwelle an der Fehlerstelle ohne Zündverzögerung, Amplitude und Polarität bleiben gleich 9 TDR tx Bild 11: Prinzipschaltbild für das Verfahren ICE – einphasig - Überschlagsfehler tx+ t tx tx parasitäre Reflexionen Bild 12: Reflektogramm einer Fehlerortsmessung mit dem Verfahren ICE – einphasig Überschlag – Reflexion an der Fehlerstelle mit Zündverzögerung tx+ t t tx parasitäre Reflexionen t parasitäre Reflexionen Bild 13: Reflektogramm einer Fehlerortsmessung mit dem Verfahren ICE – einphasig Überschlag Zündverzögerung so groß, dass Reflexion zuerst am Kabelende erfolgt 10 Die ICE Stromauskopplungsverfahren haben sich besonders bei Fehlern im unteren kOhm-Bereich und bei sehr großen Fehlerentfernungen bewährt, wenn mit dem ARM Verfahren keine Ergebnisse erzielt werden können. Voraussetzung ist jedoch immer, dass der Lichtbogen einige ms steht. Die Kapazität des Stoßkondensators und die Impedanz des Kabels bestimmen die Impulsbreiten der Wanderwelle im µs-Bereich. Diese breiten Impulse sowie die durch die Dämpfung des Kabels hervorgerufenen flachen Flanken reduzieren die Genauigkeit des Messergebnisses. In der Regel werden dadurch bis zu fünf bis zehn % größere Entfernungen gemessen. Bei der punktgenauen Ortung sollte der Messtechniker vom vorgeorteten Ergebnis in Richtung Messwagen laufen. Das Vormesskabel ist bei allen transienten Messverfahren vom Ergebnis abzuziehen. Großer Messbereich Bild 14: ICE Automatische Einmessung 11 Fehlerentfernung Bild 15: ICE Automatische Einmessung und manuelle Korrektur Reflexionen entstehen zusätzlich an jeder Impedanzänderung, z.B. Muffen, Übergang Vormesskabel zu fehlerhaften Kabel Bild16: ICE Stromauskopplung an einem 8 km langen Kabel Die Zündverzögerung (Delay time) ist sehr gut zu erkennen. Die Messung sollte immer zwischen der 2. und 3. Welle oder deren Mehrfachen erfolgen. 12 4. Stromauskopplung dreiphasig Diese Messmethoden zur Messung an verzeigten Netzen, speziell an verzweigten Mittelspannungsnetzen, wird Bestandteil einer der nächsten Beiträge der Kabelfehlerortung an Energiekabeln sein. Weitere Hauptschwerpunkte der Beiträge werden Prüfung und Diagnose, sowie der Einsatz der Tools sein. 13