SE “Wissenschaftstheorie im 20. Jahrhundert: Wechselwirkung der Philosophie mit der Physik und Biologie” Prof. Dr. Skúli Sigurdsson, Institut für Philosophie, Universität Wien Zusammenfassung der ersten Einheit Julia Ehetreiber, 9911965, A-327, 2. Mai 2006 Zielsetzungen des Seminars Auf Seite 708/709 spricht Riezler von Spiegelbild: • Aufmerksamkeit auf Vielfalt der Bilder “Das Sein dieser absoluten Wirklichkeit kann uns noch nichts über ihr Sosein sagen, denn dieses Sosein ist ja durchaus abhängig von den Begriffssystemen, Ordnungsgefügen, Formgerüsten unseres Verstandes. Was wir fassen, ist ein Spiegelbild ; der Spiegel ist unser Verstand. Wir wissen nicht, inwieweit dieser Spiegel getreu und inwieweit er ungetreu ist. Er kann getreu sein, kann aber auch bis zur Unkenntlichkeit verzeichnen.” • Auswirkungen des Einbezugs dieser Vielfalt der Bilder auf die Philosophie • Zugang zu anderen Denkwelten Zusammenspiel von Philosophie und Naturwissenschaft Eine Wechselwirkung gibt es auf mehreren Ebenen, von Das Sprechen über Bilder hat in der abendländiden Seminarteilnehmern wurden folgende erwähnt: schen Philosophie große Bedeutung. Als Beispiele für Bilder wurde darauf hingewiesen, dass es nicht ein ein• Bereich der Bioethik, damit einher gehend auch ziges eindeutiges Bild der Welt gibt; Borges – argenDebatte um Moral (z.B. rund um Eugenik) tinischer Schriftsteller – beschäftigt sich mit der Ge• Debatte um den freien Willen allgemein im Be- nauigkeit der Wissenschaften und bringt das Beispiel einer 1:1-Landkarte, die sich über die Welt legen lässt; reich der Neurowissenschaften Eddington, ein Popularisierer der Naturwissenschaften, • Descartes: war von der neuen Naturwissenschaft zeigt auf, dass es zwar einen Gegenstand “Tisch” gibt, in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts begeistert; aber immer mehrere Bilder davon; Einstein (1921) verer bezieht physiologische Modellvorstellungen in weist auf den Zusammenhang zwischen Naturwissenseine Philosophie mit ein, versteht den Menschen schaft und Kunst. In der Bildgeschichte fällt auf, dass Geometrie im als Maschine und reduziert ihn somit auf seine MeSinne Euklids so verstanden wird, als ob sie ein Bild chanik der Außenwelt wäre (dies entspricht auch dem Bild von • Strukturalistische Positionen im Bereich der Kant). Im 19. Jahrhundert entwickelte sich dann ein Sprachwissenschaft, Diskussion des Einflusses der neuer Zugang: In der nicht-euklidischen Geometrie hält Evolutionstheorie von Darwin auf Sprachentwick- man naturwissenschaftliche oder mathematische Bilder lung zwar für legitime Konstruktionen, ist sich aber ihres • Kant: großes Interesse an Newtonischer Mechanik konstruierten Charakters bewusst. Zu betonen ist, dass die Bedeutung des jeweiligen Bildverständnisses auch immer Auswirkungen auf die • Debatte rund um Statistik und Kausalität reale Natur hat. Man ist sich heute bewusst, dass es unterschiedliche Bilder und nicht ein einziges Bild gibt, Diskussion der Pflichtlektüre man geht also von keiner eindeutigen Beziehung zwiDie Literatur ist großteils auf Deutsch, dies passt zum schen Bild und Abbild mehr aus. Eine zentrale FrageDiskurs jener Zeit. Es gilt, die begriffliche Dynamik stellung an Bilder ist, ob sie real (also wirklich), nützzu beachten, d.h. welcher Autor welche Begriffe wie lich (hinsichtlich ihres Zwecks) oder wahr sind. Entaufnimmt. Eine weitere zentrale Frage an die Texte sprechend dem Dewey-Ansatz, der dem amerikanischen ist, was es bedeutet bzw. welche Auswirkungen es mit Pragmatismus zuzuordnen ist, ist die Frage an das Bild sich bringt, über Wirklichkeit und Natur zu sprechen. nicht jene, ob dieses wahr ist, sondern ob es wahr für Wichtige Begriffe, die sich durch die Texte ziehen, sind welche Zwecke ist. Der Text von Fleck ist eher aus dieReduktionismus, Holismus, Emergenz, amerikanischer sem Verständnis heraus zu lesen. Pragmatismus. An der westlichen (Bilder-)Geschichte fällt auf, dass Die diskutierten Texte dieser Einheit waren “Die diese von einem Blicken auf die Welt geprägt ist. Zu Krise der ‘Wirklichkeit”’ von Kurt Riezler (1928) beachten ist hierbei, dass in den Naturwissenschaften und “Zur Krise der ‘Wirklichkeit”’ von Ludwig Fleck heute nicht nur eine Produktion von Bildern, sondern (1929), zwischen denen immer wieder Bezüge herge- zuerst ein Produzieren neuer Phänomene und dann ein stellt werden können. Riezlers Text wird von Sigurds- Herstellen entsprechender Bilder davon feststellbar ist. son als normal, jener von Fleck als radikal bezeichnet. 1