Johannes von Damaskus Wort - Bibelpastoralen Arbeitsstelle

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Desselben heiligen Johannes von Damaskus Wort gegen diejenigen, die die ehrwürdigen
und heiligen Bilder verwerfen
[© Deutsche Übersetzung aus dem Griechischen von Michaela Hallermayer, Regensb. 2007 ]
1
Es ist die Art der üblen und urbösen Schlange, vom Teufel rede ich, auf vielerlei Weise Krieg
zu führen gegen den nach dem Bilde Gottes gestalteten Menschen und durch Feindseligkeiten
seinen Tod zu bewirken. Denn gleich am Anfang säte sie Hoffnung und die Begierde, wie
Gott zu sein, in ihn und durch sie führte sie ihn zum Tod der Tiere, nicht nur darin, sondern
auch durch schändliche und tierische Lüste köderte sie ihn oft. Wie groß ist doch der
Gegensatz zwischen dem Wunsch, wie Gott zu sein, und tierischer Begierde! Bald führte sie
in die Gottlosigkeit, wie der göttliche Vater David sagt: „Es hat gesprochen der Tor seinem
Herzen: Es gibt keinen Gott“ (Ps 14,1; 53,2), bald in die Vielgötterei; und bald hat sie (den
Menschen) dazu überredet, nicht einmal den, der von Natur aus Gott ist, anzubeten, bald dazu
angestiftet, die Dämonen, ferner Himmel und Erde, Sonne und Mond und Sterne und die
übrige Schöpfung bis hin zu Untieren und Kriechtieren anzubeten. Denn ähnlich schwierig ist
es, den Würdigen die geschuldete Ehrfurcht zu verweigern wie den Unwürdigen die (ihnen)
nicht zukommende Ehre zu erweisen. Wieder hat sie (die Schlange) die einen gelehrt, das
Böse ebenso wie Gott als anfangslos zu bezeichnen, die anderen hat sie verführt, den von
Natur aus guten Gott als Ursache des Bösen zugleich zu nennen. Und wieder andere hat sie
irregeführt, unvernünftig eine Natur und eine Hypostase der Gottheit zu behaupten, andere zu
der falschen Ansicht gebracht, widerrechtlich drei Naturen und drei Hypostasen zu verehren.
Und sie hat den einen eingegeben, eine Hypostase und eine Natur unseres Herrn Jesus
Christus, des Einen der heiligen Dreifaltigkeit, zu verherrlichen, anderen aber zwei Naturen
und zwei Hypostasen desselben zu verehren. Die Wahrheit aber beschreitet den Mittelweg
und verneint alles Verkehrte. Aber der Feind der Wahrheit und der Gegner des Heils der
Menschen, der einst nicht nur die Heiden, sondern sogar die Kinder Israels oft irregeführt hat,
von Dämonen, gottlosen Menschen, Vögeln, Gewürm und Schlangen Bilder zu machen und
sich vor diesen wie vor Göttern niederzuwerfen, bemüht sich nun, den Frieden, den die Kirche
Christi hat, gänzlich zu zerrütten; durch gottlose Lippe und tückische Zunge (Ps 120,2) rüstet
er mit heiligen Worte die Bosheit aus und versucht, sowohl deren hässliches und finsteres
Aussehen zu verbergen als auch die Herzen der Schwachen aus der wahren und von den
Vätern überlieferten Gewohnheit loszureißen.
2
Denn es haben sich einige erhoben, die sagen, es sei nicht notwendig, die heilbringenden
Wunder Christi, seine Leiden und die tapferen Taten der Heiligen gegen den Teufel
abzubilden und zum Anschauen, Verehren, Bewundern und Nachahmen auszustellen. Und
wer, der göttliches Wissen und geistlichen Verstand hat, erkennt nicht, dass es sich um eine
Eingebung des Teufels handelt? Denn er will nicht, dass seine Niederlage und Schande an die
Öffentlichkeit kommen und dass die Ehre Gottes und die seiner Heiligen aufgezeichnet wird.
Denn wenn wir ein Bild des unsichtbaren Gottes anfertigten, so sündigten wir in der Tat; denn
es ist umöglich, das Körperlose und Gestaltlose, das Unsichtbare und Unumgrenzte
abzubilden. Und wiederum: Wenn wir Bilder von Menschen machten und diese für Götter
hielten und wie Götter verehrten, dann wären wir in der Tat gottlos. Aber wir tun nichts
dergleichen. Denn wenn wir das Bild des fleischgewordenen und auf der Erde im Fleisch
erschienenen und mit Menschen Umgang pflegenden Gottes, der wegen seiner unsagbaren
Güte Natur, Dichte, Form und Farbe des Fleisches annahm, anfertigen, dann gehen wir nicht
fehl. Denn wir verlangen danach, sein Wesen zu sehen; denn wie sagt der göttliche Apostel:
„In einen Spiegel und in ein Rätsel blicken wir nun.“ (1 Kor 13,12) Und das Bild ist der
Spiegel und das Rätsel, das durch die Masse unseres Körpers zusammengefügt wird; denn der
Verstand, der sich mit vielem abmüht, kann das Körperhafte nicht übersteigen, sagt der
göttliche Gregor.
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Weg mit dir, neidischer Teufel, du neidest uns, dass wir das Abbild unseres Herrn sehen und
dadurch geheiligt zu werden, seine heilbringenden Leiden zu sehen, sein Hinabsteigen zu
bewundern,, seine Wunder zu betrachten und zu erkennen und die Kraft seiner Göttlichkeit zu
verherrlichen. Du neidest den Heiligen ihre ihnen von Gott verliehene Ehre. Du willst nicht,
dass wir ihre Ehre aufgezeichnet sehen und Nachahmer ihrer Mannhaftigkeit und ihres
Glaubens werden. Du erträgst nicht leiblichen und seelischen Nutzen, der uns aus dem
Vertrauen zu ihnen zuteil geworden ist. Wir gehorchen dir nicht, neidischer und
menschenverachtender Dämon. Hört, ihr Völker, Stämme, Sprachen, Männer, Frauen, Kinder,
Alte, Junge, Unmündige, das gesamte heilige Volk der Christen: Wenn einer euch das
Evangelium anders verkündet, als was die katholische Kirche empfangen hat durch die
heiligen Apostel, Väter und Synoden und bis zum heutigen Tag bewahrt hat, hört nicht auf ihn
und nehmt nicht den Rat der Schlange an, wie Eva ihn angenommen hat und den Tod geerntet
hat. Und auch wenn ein Engel, wenn ein König euch das Evangelium anders verkündet, als
ihr sie empfangen habt, verschließt die Ohren; ich scheue mich nämlich einstweilen zu
sprechen, wie der göttliche Apostel gesprochen hat: „Verflucht sei er“, Besserung erwartend.
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Aber es sagen diejenigen, die sich nicht um den Sinn der Schrift bemühen, dass Gott durch
den Gesetzgeber Moses gesprochen habe: „Du sollst dir kein Abbild machen von allem, was
im Himmel und was auf Erden ist“. Und durch den Propheten David: „Zuschanden werden
sollen alle,die ihre Knie den Geschnitzten beugen, die sich ihrer Götzenbilder rühmen“ (Ps
97,7); und dergestalt ist alles übrige. Denn alles, was sie aus den heiligen Schriften und aus
denen der heiligen Väter hervorbringen, entspringt demselben Geist/Nachdenken.
Was sagen wir nun zu dem? Etwas anderes als das vom Herrn den Juden gesagte:
„Durchforscht die Schriften?“ (Joh 5,39) Denn schön ist das Durchforschen der Schriften.
Aber verhaltet euch verständig dabei. Unmöglich, Geliebte, ist es, dass Gott lügt; denn einer
ist Gott, einer Gesetzgeber des alten und neuen Bundes, der seit alters her vielmals und auf
vielerlei Weise zu den Vätern gesprochen hat durch die Propheten und zuletzt in seinem
eingeborenen Sohn. Geht folglich mit Sorgfalt vor. Nicht mein ist das Wort. Der Heilige Geist
hat durch den heiligen Apostel Paulus gesprochen: „Vielmals und auf vielerlei Weise hat Gott
seit alters her gesprochen zu den Vätern durch die Propheten.“ (Heb 1,1) Sieh, dass vielmals
und auf vielerlei Weise Gott gesprochen hat. Denn wie ein verständiger Arzt nicht immer die
selbe Methode bei allen anwendet, sondern jedem das nötige und nützliche Heilmittel
darreicht, indem er Land, Krankheit und Stunde unterscheidet, d.h. Zeitpunkt, Zustand und
Alter; und dem Kleinkind das eine, dem Erwachsenen aber ein anderes Heilmittel gibt, dem
Alter entsprechend; die eine dem Kranken, eine andere dem Gesunden und jedem Kranken
nicht die selbe, sondern dem Zustand und der Krankheit entsprechend; eine andere im
Sommer und im Winter, im Herbst und Frühjahr, und an jedem Ort entsprechend der
Notwendigkeit des Ortes. So hat auch der beste Arzt der Seelen den noch Unmündigen und
denen, die zum Götzendienst hin kranken und die Götzen für Götter halten und wie Götter
verehren und die Verehrung Gottes für nichts achten und seinen Ruhm der Schöpfung
darbringen, verboten, Bilder zu machen. Denn von Gott, dem Körperlosen, Unsichtbaren und
Immateriellen, dem der weder Form noch Umriss hat, dem Nichtbegreifbaren, ist es
unmöglich, ein Bild zu machen; denn wie kann das nicht Sichtbare abgebildet werden? „Gott
hat niemand jemals gesehen; der eingeborene Sohn, der an der Brust des Vaters liegt, er hat
Kunde gebracht“ (Joh 1,8) Und: „Keiner wird mein Gesicht schauen und leben“, hat Gott
gesagt (Ex 33,20).
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Weil sie Götzenbilder wie Götter verehrten, höre was die Schrift sagt beim Auszug der Kinder
Israels, als Mose hinauf gegangen war auf den Berg Sinai und dort Zeit zubrachte und bei
Gott blieb, um das Gesetz in Empfang zu nehmen, da erhob sich das unverständige Volk
gegen Aaron, den Diener Gottes: „Mach uns Götter, die vor uns herziehen. Denn dieser
Mensch, Mose, wir wissen nicht, was aus ihm geworden ist“. (Ex 32,1) Dann, als sie den
Schmuck ihrer Frauen weggenommen und aufgetürmt hatten, aßen und tranken sie und
wurden trunken vom Wein und der Verwirrung und begannen, unverständig zu spotten: „Dies
sind deine Götter, Israel.“ (Ex 32,4) Du siehst, dass sie die Götzenbilder für Götter hielten;
denn sie machten kein Bild Jupiters oder dieses oder jenes, sondern sie gaben, wie es sich traf,
das Gold, um ein Götzenbild zu machen, wie es sich traf, und es kam der Kopf eines Rindes
dabei heraus. So hatten sie diese Gegossenen als Götter und verehrten diese wie Götter, die
alle Wohnstätten von Dämonen waren. Und weil sie dem Geschaffenen dienten gegen den
Schöpfer, sagt auch der göttliche Apostel: „Sie vertauschten die Herrlichkeit des
unvergänglichen Gottes mit dem Abbild des vergänglichen Menschen, Vögeln, Vierfüßlern
und Gewürm, und sie dienten dem Geschöpf anstelle des Schöpfers.“ (Röm 1,23.25) Deshalb
hat Gott geboten, keinerlei Abbild zu machen, wie Mose in Deuteronomium sagt.
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Ich kenne den, der ohne Lüge gesprochen hat: „Der Herr, dein Gott, ist einer“, und „den
Herrn, deinen Gott, sollst du verehren und ihn allein sollst du anbeten“, und „nicht sollst du
andere Götter haben“, und „nicht sollst du dir machen ein geschnitztes Abbild, von dem was
im Himmel und auf der Erde ist“, und „zuschanden werden alle, die Bilder verehren“, und
„die Götter, die den Himmel und die Erde nicht gemacht haben, werden vernichtet werden“,
und dazu „Von alters her hat Gott gesprochen zu den Vätern durch die Propheten, in der
Endzeit dieser Tage hat er zu uns gesprochen in seinem eingeborenen Sohn, durch den er die
Welten geschaffen hat.“ Ich kenne den, der gesprochen hat: „Das aber ist das ewige Leben,
dass sie dich erkennen, den allein wahren Gott, und den, den du gesandt hast, Jesus Christus.“
Ich glaube an den einen Gott, den einen Anfang von allem, den ursprungslosen,
ungeschaffenen, unvergänglichen und unsterblichen, ewigen und immer währenden,
unbegreiflichen, körperlosen, unsichtbaren, unbegrenzten, gestaltlosen, das eine Wesen
jenseits aller Dinge, die Gottheit in drei Hypostasen, Vater, Sohn und Heiliger Geist, ihm
allein diene ich und ihm allein bringe ich Verehrung durch Anbetung dar. Dem einen Gott
diene ich, der einzigen Gottheit, aber auch die Dreizahl der Hypostasen verehre ich, Gottvater,
den Fleisch gewordenen Gottsohn und Gott, den Heiligen Geist, nicht drei Göttern, sondern
einem, nicht getrennten Hypostasen, sondern geeinten. Nicht drei Verehrungen vollziehe ich,
sondern eine, nicht einer jeden der Hypostasen getrennt, sondern vereint den drei Hypostasen
als einem Gott bringe ich Verehrung dar. Nicht verehre ich das Geschöpf anstelle des
Schöpfers (vgl. Röm 1,25), sondern ich verehre den Schöpfer, weil er meinetwegen Geschöpf
wurde und ohne Erniedrigung und Zerstörung zum Geschöpf herabgestiegen ist, um meine
Natur zu verherrlichen und sie zur Gefährtin der göttlichen Natur zu machen (vgl. 2 Petr 1,4).
Zusammen mit dem König und mit Gott verehre ich das Purpurkleid des Leibes nicht als ein
Gewand oder als eine vierte Person (das sei ferne!), sondern als etwas Gottgleiches
geoffenbart und geworden, unveränderlich wie z.B. das Chrisam. Denn die Natur des
Fleisches ist keine Gottheit geworden, sondern wie das Wort Fleisch geworden ist, indem es
unerschütterbar das geblieben ist, was es war, so ist auch das Fleisch Wort geworden, wobei
es nicht das verliert, was es ist, sondern mehr noch: hinsichtlich des Wortes gemäß der Person
zu ein und derselben gemacht. Darum bin ich mutig und bilde den unsichtbaren Gott nicht als
einen unsichtbaren ab, sondern als einen, der um wegen uns sichtbar geworden ist durch die
Teilhabe an Fleisch und Blut. Nicht die unsichtbare Gottheit bilde ich ab, sondern das sichtbar
gewordene Fleisch Gottes. Denn wenn es unmöglich ist, eine Seele abzubilden, um wieviel
weniger Gott, der auch der Seele das Nichtstoffliche gegeben hat.
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Aber man sagt: Gesprochen hat Gott durch Mose, den Gesetzgeber: „Den Herrn, deinen Gott,
sollst du verehren, und ihm allein sollst du dienen“ (vgl. Dtn 6,13). Und: „Du sollst dir kein
Abbild machen von allem, was im Himmel und auf der Erde ist“ (vgl. Dtn 5,8). Brüder, es
irren sich diejenigen wirklich, die die Schrift nicht kennen, die nicht wissen, dass „der
Buchstabe tötet, der Geist aber lebendig macht“ (2 Kor 3,6), die nicht den unter dem
Buchstaben verborgenen Geist aufspüren. Zu ihnen möchte ich zurecht sagen: Wer euch dies
gelehrt hat, der soll auch das Folgende lehren. Erfahre, dass der Gesetzgeber es hier deutlich
macht, indem er im Deuteronomium sagt: „Und Jahwe redete zu euch mitten aus dem Feuer
heraus; den Donner der Worte hörtet ihr, eine Gestalt habt ihr nicht gesehen, nur eine
Stimme“ (Dtn 4,12), und kurz danach: „Nun nehmt euch um eures Lebens willen sehr in acht,
da ihr ja damals, als Jahwe am Horeb mitten aus dem Feuer heraus zu euch redete, keinerlei
Gestalt wahrgenommen habt, dass ihr euch nicht gegen das Gesetz handelt und euch
irgendeine Figur anfertigt, überhaupt ein Bild, sei es die Darstellung irgendeines Tieres auf
der Erde, die Darstellung irgendeines gefiederten Vogels“ (Dtn 4,15-17), und folgendes kurz
darauf „Und dass du ferner deine Augen nicht zum Himmel erhebst und dich beim Anblick
der Sonne, des Monds und der Sterne verleiten lässt, dich vor ihnen niederzuwerfen und sie zu
verehren“ (Dtn 4,19). Du siehst, dass eines das Ziel ist: nicht das Geschöpf zu verehren
anstelle des Schöpfers (vgl. Röm 1,25) und ihm (= dem Geschöpf) die Verehrung durch
Anbetung zu erweisen, sondern allein dem Schöpfer. Deshalb verknüpft er überall die
Anbetung mit der Verehrung. Er sagt nämlich wiederum: „Du sollst keine anderen Götter
haben neben mir. Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen und kein Abbild; du sollst dich
nicht vor ihnen niederwerfen und sie nicht anbeten, denn ich bin der Herr, euer Gott“ (vgl.
Dtn 5,7-9); ferner: „Ihr sollt ihre Altäre niederreißen, ihre Stelen zertrümmern und die
geschnitzten Bilder ihrer Götter im Feuer verbrennen; denn ihr dürft keinen anderen Gott
anbeten“ (vgl. Ex 34,13-14), und kurz darauf. „Du sollst dir kein gegossenes Götterbild
machen“ (Ex 34,17). Du siehst, dass er die bildliche Darstellung wegen des Götzendienstes
verbietet und dass es unmöglich ist, den unermesslichen, unbegrenzten und unsichtbaren Gott
abzubilden. „Denn sein Angesicht habt ihr nicht gesehen“ (vgl. Joh 5,37), spricht er, wie auch
Paulus es ausdrückt, als er mitten auf dem Areopag steht: „Da wir also von Gottes Art sind,
dürfen wir nicht meinen, das Göttliche sei wie ein goldenes oder silbernes oder steinernes
Gebilde menschlicher Kunst und Erfindung“ (Apg 17,29).
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Den Juden nun war dies wegen ihrer Geneigtheit zum Götzendienst gesetzlich verordnet. Wir
aber, um theologisch zu sprechen, denen es gegeben wurde, rein bei Gott zu sein, weil wir den
Irrtum der Furcht vor Götzen entflohen sind und die Wahrheit erkannt haben, Gott allein zu
dienen, die Vollkommenheit der Gotteserkenntnis in Fülle zu besitzen und der Unmündigkeit
zu entgehen, um zum vollkommenen Menschen zu werden (vgl. Eph 4,13), nicht mehr sind
wir unter dieser Zucht (vgl. Gal 3,25), und wir wissen, da wir von Gott die Fähigkeit zur
Unterscheidung erhalten haben, was das Abbildbare und was dasjenige ist, das mit einem Bild
nicht umschrieben werden kann. „Das Gesetz hat uns in Zucht gehalten auf Christus hin,
damit wir aus dem Glauben gerecht gemacht werden“ (Gal 3,24). „Den Elementen waren wir
als Sklaven unterworfen, solange wir unmündig waren“ (vgl. Gal 4,3). „Nachdem aber der
Glaube gekommen ist, stehen wir nicht mehr unter dieser Zucht“ (Gal 3,25). „Denn seine
Gestalt habt ihr nicht gesehen“, so spricht er (vgl. Joh 5,37). Welche Weisheit des
Gesetzgebers! Wie kann das Unsichtbare abgebildet werden? Wie kann man das, was nicht
abbildbar ist, zu einem Bilde machen? Wie kann man beschreiben, was ohne Maß, Größe,
Grenze und Gestalt ist? Wie kann man etwas Körperloses in Farbe wiedergeben? Wie kann
das Gestaltlose gestaltet werden? Was also ist das geheimnisvoll Angedeutete? Offenbar ist es
jetzt, dass du Gott als den Unsichtbaren nicht abbilden kannst. Wenn Du aber den
Körperlosen siehst, der um Deinetwillen Mensch geworden ist, dann wirst Du das Abbild der
menschlichen Gestalt schaffen; wenn der Unsichtbare im Fleisch sichtbar geworden ist, dann
wirst Du das Abbild des Sichtbargewordenen abbilden; wenn derjenige, der ohne Maß, Alter
und Größe ist, durch den Vorzug seiner Natur aber Gott gleich war, der wie ein Skalve wurde
(vgl. Phil 2,6-7), durch eine solche Umhüllung Maß, Alter und Körpergepräge erhält, dann
präge ihn auf einer Platte ein und stelle ihn, der es auf sich genommen hat, gesehen zu
werden, zum Anschauen aus! Präge in Metall sein unaussprechbares Herabsteigen, die Geburt
aus der Jungfrau, die Taufe im Jordan, die Verklärung auf dem Berg Tabor, die Leiden als
Vermittler der Gelassenheit, die Wunder, die Merkmale seiner göttlichen Natur und seines
göttlichen Wirkens, die durch Mitwirkung des Fleisches geschaffen werden, das
heilbringende Grab des Heilands, die Auferstehung und das Aufsteigen in den Himmel! All
das magst Du in Wort und Farbe, in Büchern und auf Tafeln darstellen!
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Und weil sich dies so verhält, höre: „Du sollst dir kein geschnitztes Bild machen und kein
Abbild“, spricht er (vgl. Dtn 5,8). Nachdem Gott dies angeordnet hatte, sagte er: „Dann
fertigten sie den Vorhang des Zeltes des Zeugnisses aus blauem und rotem Purpur und
gezwirntem Byssus an. In Kunstweberarbeit stellten sie Kerubfiguren her (vgl. Ex 36,35) und:
„Sie fertigten weiter die Versöhnungsplatte aus reinem Gold an und die beiden Kerubim“
(vgl. Ex 37,6-7). Was tust du, Mose? Du sagst: „Du sollst dir kein geschnitzes Bild machen
und kein Abbild (vgl. Dtn 5,8), und du fertigst einen Vorhang an, ein kunstvoll gewebtes
Werk mit Kerubim (vgl. Ex 26,31) und zwei Kerubim aus reinem Gold (vgl. Ex 25,18)? Höre
aber, was zu Dir der Diener Gottes Mose sagt und so deinem Tun widerspricht. Ihr Blinden
und Törichten, versteht die Macht der Worte und nehmt euch um eures Lebens willen sehr in
Acht (vgl. Dtn 4,15)! Ich habe gesagt: „Da ihr an dem Tag, als der Herr am Horeb mitten aus
dem Feuer heraus zu euch redete, keinerlei Gestalt wahrgenommen habt, macht euch nicht in
verwerflichem Tun ein Gottesbild in Gestalt einer beliebigen Figur“ (vgl. Dtn 4,15-16) und:
„Du sollst dir kein Götterbild aus Metall machen!“ (Ex 34,17). Nicht habe ich gesagt: Du
sollst kein Bild der Kerubim machen als von Dienern, die neben der Versöhnungsplatte
stehen, sondern: „Du sollst dir kein Götterbild aus Metall machen“ (Ex 34,17) und: Du sollst
dir kein Abbild von Gott machen, und Du sollst nicht dem Geschöpf dienen anstatt dem
Schöpfer. Ein Abbild Gottes nun habe ich nicht gemacht und gewiss auch nicht von
irgendeinem anderen, wäre er Gott oder Mensch - denn die Natur der Menschheit ist der
Sünde unterworfen - und ich habe auch nicht dem Geschöpf gedient anstatt dem Schöpfer. Als
Abbild der ganzen Schöpfung habe ich das Zelt geschaffen „nach dem Vorbild, das mir auf
dem Berg gezeigt wurde“ und einen Kerub, der die Versöhnungsplatte überschattet, als einen,
der neben Gott steht. Du siehst, wie sich die Absicht der Schrift denen, die sie erforschen,
enthüllt hat. Man muss nämlich erkennen, Geliebte, dass man in jedem Tun Wahrheit, Lüge
und Absicht des Handelnden untersuchen soll, ob sie gut oder schlecht ist. Denn im
Evangelium sind sowohl Gott als auch Engel und Mensch, Erde, Wasser, Feuer und Luft,
Sonne, Mond und Sterne, Licht und Schatten, Satan und die Dämonen, Schlangen und
Skorpione, Leben, Tod und Unterwelt, Tugenden und Bosheiten, alles Gute wie alles
Schlechte aufgeschrieben. Aber da das über sie Gesagte dennoch wahr ist und die Absicht in
der Ehre Gottes und in unserem Heil besteht, gibt es Ehre für die von ihm verherrlichten
Heiligen, Schande aber für den Teufel und seine Dämonen, verehren wir dies, umarmen und
küssen wir es und grüßen es mit Augen, Lippen und Herzen. Ähnlich verfahren wir mit der
gesamten Heiligen Schrift des Alten und Neuen Testaments, mit den Worten der heiligen und
vorzüglichen Väter. Die schimpfliche, abscheuliche und unreine Schrift der verfluchten
Manichäer, die die selben Namen enthält und zur Ehre des Teufels und seiner Dämonen und
zum Verderben der Seelen erfunden wurde, verwerfen wir und weisen sie von uns. So muss
man auch im Falle der Bilder die Wahrheit und die Absicht derer, die sie anfertigen,
erforschen und sie, wenn die Absicht wahrhaftig und aufrichtig ist, wenn sie zur Ehre Gottes
und seiner Heiligen, zum Ansporn der Tugend, zur Vertreibung der Bosheit und zum Heil der
Seelen dienen, anerkennen und sie als Bilder, Nachahmungen, Gleichnisse und Bücher für
Analphabeten und zum Gedenken verehren, küssen und mit Augen, Lippen und Herzen
grüßen, als seien sie ein Abbild des fleischgewordenen Gottes, seiner Mutter oder der
Heiligen, die Gefährten der Leiden und der Herrlichkeit Christi waren sowie Sieger und
Beseitiger des Teufels, seiner Dämonen und ihrer Verführung. Wenn es aber jemand wagen
sollte, ein Bild der Gottheit des Immateriellen und Körperlosen anzufertigen, so verwerfen
wir solches als Lüge. Sollte einer zur Herrlichkeit und Ehre sowie Verehrung des Teufels oder
der Dämonen so etwas anfertigen, dann verabscheuen wir es und lassen es vom Feuer
verzehren. Und wenn jemand ein Bild von Menschen, Vieh, Vögeln, Kriechtieren oder
irgendeinem anderen Geschöpf zum Gott erheben sollte, dann verfluchen wir ihn. Denn wie
die heiligen Väter die Heiligtümer und Tempel der Dämonen zerstört und an ihrer Stelle
Kirchen mit dem Namen Gottes und von Heiligen errichtet haben und wir diese verehren, so
haben sie auch die Bilder von Dämonen vernichtet und an ihre Stelle Bilder Christi, seiner
Mutter und von Heiligen aufgestellt, und diese verehren wir. Auch im Alten Bund errichtete
Israel weder Tempel auf den Namen von Menschen, noch feierte man das Andenken - denn
die menschliche Natur war noch unter dem Fluch, und der Tod bedeutete Verdammnis.
Deshalb trauerte man auch, und wer den Körper eines Toten berührte, wurde für unrein
gehalten. - jetzt aber, seitdem die Gottheit sich unvermischbar mit unserer Natur vermischt hat
wie eine lebendigmachende und heilsame Arznei, ist unsere Natur wahrhaftig verherrlicht und
zur Unsterblichkeit gewandelt worden. Deshalb errichtet man den Heiligen Tempel und fertigt
von ihnen Bilder.
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Es soll nun jeder Mensch erkennen, dass derjenige, der versucht, ein Bild zu vernichten, das
zur Ehre Christi und zum Gedenken an ihn, seine Mutter, die heilige Gottesgebärerin oder
einen seiner Heiligen und zur Beschämung des Teufels und dessen Dämonen aus göttlichem
Verlangen und Eifer entstanden ist, ebenso wer es nicht verehrt, achtet und aus Verlangen
nach dem Abgebildeten grüßt als ein würdiges Bild und nicht als Gott, ein Feind Christi, der
heiligen Gottesgebärerin und der Heiligen ist und dass er ein Verteidiger des Teufels und
dessen Dämonen ist, weil er in Wirklichkeit Trauer darüber zeigt, dass Gott und seine
Heiligen geehrt und verherrlicht, der Teufel dagegen entehrt wird. Denn das Bild ist Triumph,
Offenbarung und Säulenaufschrift zum Gedenken an den Sieg der Besten und Hervorragenden und die Schande der Unterlegenen und Verworfenen. Oft sah ich Begehrende, wenn
sie ein Gewand des Begehrten betrachteten; wie den Begehrten selbst grüßten sie dessen
Gewand mit Augen und Lippen. Es muss „allen gegeben werden, was man ihnen schuldig ist“
(vgl. Röm 13,7), nach dem heiligen Apostel Paulus, „Ehre, wem Ehre, dem Kaiser als dem
Oberherrn“, den Herrschenden wie den durch sie Abgesandten, jedem nach Maß seiner
Würdigkeit.
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Wo findest Du im Alten Testament oder im Evangelium deutlich den Begriff Dreifaltigkeit,
wesensgleich, eine Natur der Gottheit, drei Hypostasen, eine Hypostase Christi oder zwei
Naturen mit eben diesen Wörtern bezeichnet? Aber dennoch nehmen wir sie, da die heiligen
Väter dies auf Grund von gleichbedeutenden Wörtern, die in der Heiligen Schrift vorhanden
sind, definiert haben, und wir belegen diejenigen, welche diese Begriffe nicht übernehmen,
mit dem Anathema. Ich stelle dir durch das Alte Testament vor Augen, dass Gott angeordnet
hat, Bilder anzufertigen: zuerst das Zelt selbst und alles, was in ihm ist. Und in den
Evangelien hat der Herr selbst zu denen gesagt, die ihn um ihn zu prüfen fragten, ob es erlaubt
sei, dem Kaiser Steuern zu zahlen: Bringt mir eine Münze! Und sie zeigten ihm einen Denar.
Er fragte sie: Wessen Bild hat er? Sie antworteten: Das des Kaisers. Und er sprach: „So gebt
dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ Da die Münze das Bild des
Kaisers hat, gehört sie dem Kaiser, und ihr sollt sie dem Kaiser geben. Und sollte sie das Bild
Christi haben, dann gebt sie Christus; denn sie gehört Christus (vgl. Mt 22,17-21; Lk 20,2124).
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Der Herr sprach, als er die Jünger seligpries: „Viele Könige und Propheten haben sich danach
gesehnt zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen, und zu hören, was ihr hört, und
haben es nicht gehört. Selig aber sind eure Augen, weil sie sehen, und eure Ohren, weil sie
hören“ (nach Mt 13,16-17). Die Apostel nun sahen Christus leibhaftig, seine Leiden und
Wunder und hörten seine Worte; auch wir sehnen uns danach zu sehen, zu hören und selig
gepriesen zu werden. Jene sahen von Angesicht zu Angesicht (vgl. 1Kor 13,12), weil er
leibhaftig da war. Wir dagegen hören, da er leibhaftig nicht mehr da ist, seine Worte wie
durch Bücher und werden geheiligt im Hinblick auf das Hören und dadurch auch hinsichtlich
der Seele, wir werden glückselig gepriesen werden und ihn verehren, indem wir die Bücher
hochachten, durch die wir seine Worte hören, so sehen wir auch durch die Schrift der Bilder
das Abbild seiner leibhaftigen Ausprägung, seiner Wunder und Leiden, wir werden geheiligt,
gänzlich erfüllt, freuen uns, werden selig gepriesen, ehren, achten und verehren seine
leibhaftige Ausprägung. Wenn wir dieses leibhaftige Gepräge betrachten, sehen wir ein, wie
mächtig auch die Herrlichkeit seiner Gottheit ist; denn da wir Doppelwesen sind, aus Seele
und Leib bereitet, und unsere Seele nicht nackt ist, sondern wie von einer Decke verhüllt, ist
es unmöglich, dass wir außerhalb der Leibhaftigkeit zum geistig Wahrnehmbaren gelangen.
Wie wir nun durch wahrnehmbare Worte hören, als ob sie leibhaftig wären, und das
Geistliche wahrnehmen, so gelangen wir auch durch leibhaftiges Betrachten zur geistlichen
Betrachtung. Deshalb hat Christus Leib und Seele angenommen, weil der Mensch Leib und
Seele hat; deshalb ist auch die Taufe zweifach - aus Wasser und Geist -, Gemeinschaft, Gebet
und Gesang, alles ist zweifach: leibhaft und geistlich, ebenso Lichter und Räucherwerk.
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Aber all das beiseite lassend setzte sich der Teufel einzig gegen die Bilder in Bewegung; und
so groß ist sein Neid auf die Bilder, wie auch im „Florilegium“ des heiligen Sophronius, des
Patriarchen von Jerusalem, folgendermaßen geschrieben steht: „Es sagte der Abt Theodor von
Aelius, dass jemand am Ölberg als Asket eingeschlossen war, ein Kämpfer; sehr kämpfte der
Dämon der Unzucht mit ihm. Einmal nun, als er ihn heftig bedrängte, fing der Greis an,
Klagen auszustoßen und zum Dämon zu sagen: ‚Wie lange noch ergibst du dich mir nicht?
Lass in Zukunft von mir ab, der du mit mir alt geworden bist.’ Der Dämon erscheint ihm
augenscheinlich und spricht: ‚Schwöre mir, dass du niemandem sagst, was ich dir sagen will,
und ich bekriege dich nicht mehr .’ Und es schwor ihm der alte Mann: ‚Bei dem, der in den
höchsten Höhen wohnt, ich will keinem sagen, was du mit sagst!’ Da spricht zu ihm der
Dämon: ‚Du sollst dieses Bild nicht verehren, und nicht mehr werde ich Krieg mit dir führen.’
Das Bild zeigte ein Abbild unserer Herrin, der heiligen Maria, der Gottesgebärerin, wie sie
unseren Herrn Jesus Christus trug. Siehe, wen diejenigen nachahmen, die verhindern, dass
man die Bilder verehrt, und wessen Werkzeuge sie sind; denn der Dämon der Unzucht zog es
vor, das Bild nicht verehren zu lassen, als dass der Greis in den Schmutz der Unzucht
hineingeriete, weil er wusste, dass dies eine größere Sünde sei als Unzucht.“
14
Aber da die Rede von Bild und Verehrung handelt, wollen wir nun die Aussage darüber
sorgfältig prüfen und erörtern:
1. Was ist ein Bild?
2. Weswegen ist das Bild entstanden?
3. Wieviele Arten von Bildern gibt es?
4. Was ist abbildbar und was nicht abbildbar?
5. Wer hat als erster Bilder geschaffen?
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Ferner wollen wir auch von der Verehrung sprechen;
1. Was ist Verehrung?
2. Wieviel Arten von Verehrung gibt es?
3. Wieviel Verehrenswertes finden wir in der Heiligen Schrift?
4. Dass jede Verehrung wegen des von Natur aus verehrenswürdigen Gottes besteht.
5. Dass die Ehrfurcht vor dem Bild auf das Urbild zurückführt.
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Erstens: Was ist ein Bild?
Ein Bild ist Ähnlichkeit, Beispiel und Ausformung von etwas, indem es das Abgebildete in
sich selbst zeigt. Nicht in jeder Hinsicht gleicht das Bild dem Urbild, d.h. dem Abgebildeten denn das eine ist das Bild und das andere das Abgebildete -, und auf jeden Fall sieht man
einen Unterschied zwischen ihnen, da das eine nicht dieses und das andere nicht jenes ist.
Zum Beispiel sage ich: Das Bild des Menschen hat, auch wenn es die Gestalt des Leibes
wiedergibt, dennoch nicht die seelischen Kräfte; denn weder lebt, noch denkt es, weder erhebt
es seine Stimme, noch nimmt es wahr, noch bewegt es einen Körperteil. Auch der Sohn hat,
obwohl er das natürliche Bild des Vaters ist, etwas, das von ihm (= dem Vater) abweicht:
Denn Sohn ist er und nicht Vater.
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Zweitens: Weswegen ist das Bild entstanden?
Jedes Bild offenbart das Verborgene und zeigt es. Als Beispiel führe ich an: Da der Mensch
weder unverhüllte Erkenntnis vom Verborgenen besitzt - denn seine Seele ist mit dem Leib
bedeckt -, noch von dem, was nach ihm sein wird, oder von dem, was räumlich entfernt und
weit weg ist - denn er wird von Raum und Zeit eingegrenzt -, ist das Bild zur Wegbegleitung
der Erkenntnis, zur Offenbarung und Bekanntgabe des Verborgenen erdacht worden,
überhaupt zu Nutzen, Wohltat und Heil, damit wir dadurch, dass die Geschehnisse auf Säulen
geschrieben und zum Triumph geführt werden, das Verhüllte durchschauen, das Gute
begehren und ihm nacheifern, uns vom Gegenteil aber, d.h. vom Bösen, abwenden und es
hassen.
18
Drittens: Wieviele Arten von Bildern gibt es?
Es gibt verschiedene Arten von Bildern. Das erste Bild ist das natürliche. Bei jedem
Geschehen muss zuerst das sein, was seiner Natur entspricht, und dann erst das, was nach
Übereinkunft und Nachahmung ist, so muss auch der Mensch zuerst seiner Natur nach sein
und dann nach Übereinkunft der Nachahmung entsprechend. Das erste natürliche und
unveränderliche Bild des unsichtbaren Gottes ist der Sohn des Vaters, weil er durch sich den
Vater zeigt. „Niemand hat Gott je gesehen“ (Joh 1,18), ferner: „Niemand hat den Vater
gesehen“ (Joh 6,46). Denn Bild ist der Sohn vom Vater, sagt der Apostel (Kol 1,15), „der Bild
des unsichtbaren Gottes ist“, und an die Hebräer [schreibt er]: „Der Abglanz seiner
Herrlichkeit und Ausprägung seines Wesens ist“ (Hebr 1,3), und dass er in sich den Vater
zeigt, steht im Evangelium nach Johannes (14,8-9), als Philippus spricht: „Zeige uns den
Vater, und es genügt uns“, antwortet der Herr: „So lange Zeit bin ich schon bei euch, und du
hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Der Sohn
ist natürliches, unveränderliches Bild des Vaters, dem Vater in jeder Hinsicht gleich, außer
dass er nicht ungezeugt und nicht Vater ist; denn der Vater ist ungezeugter Erzeuger, der Sohn
aber gezeugt und nicht Vater. Auch der Heilige Geist ist ein Bild des Sohnes: „Denn keiner
kann sagen: Jesus ist der Herr! außer im Heiligen Geiste“ (vgl. 1Kor 12,3). Durch den
Heiligen Geist erkennen wir Christus als Sohn Gottes und Gott, und durch den Sohn nehmen
wir den Vater wahr; denn seiner Natur nach ist der Logos ein Bote des Verstandes, Anzeiger
des Logos aber ist der Geist. Ein gleiches und unveränderliches Bild des Sohnes ist der
Heilige Geist, der sich allein in Bezug auf seinen Ausgang unterscheidet; der Sohn nämlich ist
gezeugt, aber nicht hervorgegangen. Auch jedes Vaters Sohn ist ein natürliches Bild. Und dies
ist die erste Art des Bildes: die natürliche.
19
Eine zweite Art von Bild ist die Vorstellung in Gott von dem, was sein wird, das heißt sein
ewiger Ratschluss, der sich immer gleich verhält. Unwandelbar nämlich ist das Göttliche, und
sein Ratschluss ohne Anfang, durch den zu der von ihm vorherbestimmten Zeit das
Bestimmte so geschieht, wie er es von Ewigkeit her gewollt hat. Denn Bilder und Beispiele
dessen, was von ihm her sein wird, ist das Wesen der gedanklichen Vorstellung jedes
einzelnen davon, die beim heiligen Dionysius auch Vorherbestimmungen heißen. In seinem
Willen nämlich wurde, was von ihm vorherbestimmt und vor seiner Entstehung unwandelbar
ist, ausgeprägt und abgebildet.
20
Eine dritte Art von Bild ist dasjenige, das von Gott in Nachahmung geschaffen wurde, das ist
der Mensch.
Denn wie wird das Geschöpf dieselbe Natur besitzen können wie der Unerschaffene, wenn
nicht durch Nachahmung? Denn wie Verstand (der Vater), Logos (der Sohn) und der Heilige
Geist ein Gott sind, so sind auch Verstand, Logos und Geist ein Mensch, und zwar in Bezug
auf den freien Willen und die Fähigkeit zu herrschen. Denn Gott spricht: „Lasst uns
Menschen machen nach unserem Abbild, uns ähnlich.“ Und sogleich veranlasste er: „Sie
sollen herrschen über die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels“ (Gen 1,26). Und
weiter: „Herrscht über die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels und die ganze Erde
und macht sie euch untertan!“ (nach Gen 1,28).
21
Eine vierte Art von Bildern gibt es, wenn die Malerei Gestalten, Formen und Umrisse von
unsichtbaren und körperlosen Wesen wiedergibt, die zur undeutlichen Erkenntnis Gottes und
der Engel körperhaft gestaltet werden, da wir das Körperlose nicht ohne Gestalten, die uns
entsprechen, wahrnehmen können, wie Dionysius Areopagita sagt, der groß ist in bezug auf
das Göttliche. Denn weil die Umrisse von Umrisslosem und die Gestalten von Gestaltlosem
bildhaft hervorgebracht sind, könnte man sagen, dass die uns gemäße Entsprechung nicht
alleinige Ursache ist, weil die Entsprechung sich nicht unmitttelbar auf die geistig
wahrnehmbaren Betrachtungen ausrichten kann und weil sie eigene, von Natur gegebene
Antriebe braucht. Wenn also der göttliche Logos uns in Bezug auf unser Verhalten zum
Vorhergedachten von allen Seiten her von sich aus Mittel zum Aufstieg gewährt und den
einfachen, ungestalteten Wesen gewisse Gestalten verleiht, warum wird er das nicht abbilden,
was in Bezug auf seine eigene Natur gestalthaft geformt ist und begehrt wird, seines Nicht-
Daseins wegen aber nicht gesehen werden kann? Auch der göttliche Gregor von Nazianz sagt
nämlich, dass der Verstand nicht in der Lage ist, aus dem Körperhaften herauszutreten, mag er
sich auch noch soviel Mühe geben; „aber auch das unsichtbare Wesen Gottes ist seit der
Erschaffung der Welt in den Werken durch die Vernunft erkennbar“ (Röm 1,20). Wir sehen
auch in den Geschöpfen Bilder, die uns undeutlich die göttlichen Kräfte kundtun; wie wenn
wir sagen, die allerhöchste Dreifaltigkeit werde durch Sonne, Licht und Strahl abgebildet oder durch sprudelnde Quelle, Flüssigkeit und Herausströmen - oder durch unseren Verstand,
Sinn und Geist - oder im Gewächs der Rose, in ihrer Blüte und ihrem Duft.
22
Als fünfte Art von Bild wird dasjenige genannt, welches das Zukünftige im voraus abbildet
und beschreibt, wie der Dornbusch (vgl. Ex 3,2) und der Tau auf der Wolle (vgl. Ri 6,38-39)
auf die Jungfrau und Gottesgebärerin vorausdeuten, auch der Stab (vgl. Num 17,23) und der
Krug (vgl. Ex 16,33); wie die Schlange diejenigen symbolisch darstellt, die durch das Kreuz
den Biss der urbösen Schlange zunichte gemacht haben (vgl. Num 21,8ff), oder wie das Meer,
das Wasser und die Wolke (vgl. Ex 14, 19-29) den Geist der Taufe vorwegnehmen.
23
Die sechste Art von Bild ist diejenige, die zur Erinnerung an Geschehenes, ein Wunder oder
Tüchtigkeit zur Verherrlichung, Ehre und Säulenaufschrift der Besten und derer, die sich
durch Tüchtigkeit hervorgetan haben, oder zur Erinnerung an Bosheit zu „Triumph“ und
Schande der schlechtesten Menschen dient, zum späteren Nutzen der Betrachter, damit wir
das Böse fliehen, den Tugenden jedoch nacheifern. Zweifach ist dieses: durch das Wort, das
in Büchern aufgeschrieben ist - denn der Buchstabe bildet das Wort ab, wie Gott das Gesetz
auf die Tafeln hat meißeln lassen (vgl. Dtn 5,22) und geboten hat, dass das Leben
gottesfürchtiger Männer aufgeschrieben werde (vgl. Ex 17,14) – und durch sinnliche
Anschauung, wie er den Krug und den Stab in die Bundeslade hat legen lassen zum ewigen
Gedächtnis und geboten hat, dass man die Namen der Stämme in die Steine des
Schultergewandes einschneide (vgl. Ex 28,9-12), aber nicht nur dies, sondern auch dass man
die zwölf Steine aus dem Jordan als Musterbild der Priester, die die Bundeslade trugen, hebe
und des Staus des Wassers (vgl. Jos 4,3-8). Welches Geheimnis, wie groß ist es in Wahrheit
für die Gläubigen! So zeichnen wir auch jetzt mit Verlangen die Bilder vortrefflich gewesener
Männer, zum Nacheifern, zum Gedächtnis und zu unsrerem eifrigen Streben. Entweder
beseitige jedes Bild und erlasse Gesetze gegen den, der geboten hat, dass dies geschieht, oder
erkenne jedes an entsprechend dem Sinn und der Art, die einem jeden zukommt!
24
Viertes Kapitel: Was kann abgebildet werden und was kann nicht abgebildet werden, und wie
wird jedes abgebildet?
Die Körper werden naturgetreu abgebildet, weil sie Gestalt, körperhaften Umriß und Farbe
haben. Engel, Seele und Dämon aber bildet man leibhaft ab, auch wenn sie nicht leibhaft und
fleischlich, sondern ihrer eigenen Natur nach gestaltet und umrissen werden - denn als geistig
wahrnehmbare Wesen glaubt man, dass sie an greifbaren Orten auf greifbare Weise anwesend
und wirksam sind –, so hat Mose die Kerubim abgebildet, und so sind sie den Würdigen
erschienen, während das leibhaftige Bild eine gewisse unkörperliche und geistige Schau
bietet. Die göttliche Natur ist als einzige nicht umgrenzt und völlig ungeformt, gestaltlos und
unbegreifbar, auch wenn die Heilige Schrift Gott Umrisse verleiht, die körperhaft scheinen, so
dass man Formen sehen kann, und sie selbst aber unkörperlich sind; denn nicht mit den
Augen des Leibes, sondern mit denen des Geistes wurden sie von den Propheten geschaut und
von denen, welchen sie enthüllt wurden, denn nicht von allen wurden sie gesehen. Um mit
einem einfachen Wort zu sprechen: Wir können Bilder machen von allen Gestalten, die wir
gesehen haben; wir nehmen das geistig wahr, wie es erschienen ist. Denn wenn es auch vom
Verstand her geschieht, dass wir Gestalten wahrnehmen, so kommen wir doch auf Grund
dessen, was wir gesehen haben, zu deren Betrachtung. So gelangen wir auch mittels jeder
Wahrnehmung, aufgrund derer wir gerochen, gekostet oder getastet haben, durch Arbeit des
Verstandes zur Betrachtung dieser Gestalten.
25
Wir wissen nun, dass weder die Natur Gottes, noch die eines Engels, noch einer Seele oder
eines Dämons geschaut werden kann, sondern man schaut dies mittels einer gewissen
Umformung, indem die göttliche Vorsehung den körper- und formlosen und keine Gestalt
tragenden Wesen Form und Gestalt leibhaft zulegt, damit wir an der Hand geführt werden und
zu deren grober, stückhafter Erkenntnis gelangen, so dass wir nicht in völliger Unkenntnis
Gottes und der körperlosen Geschöpfe bleiben. Denn Gott ist von Natur aus völlig
unkörperlich; Engel, Seele und Dämon aber sind im Vergleich mit Gott, dem einzigen
Unkörperlichen, Körper, verglichen mit den stofflichen Körpern aber körperlos. Da Gott nun
nicht wollte, dass wir das Körperlose überhaupt nicht kennen, legte er ihnen Formen,
Gestalten und Bilder zu, in Entsprechung zu unserer Natur körperhafte Gestalten, die man mit
dem immateriellen Sehen des Verstandes sieht, und diese gestalten wir und bilden sie ab, da
die Kerubim irgendwie gestaltet und abgebildet waren. Aber auch von Gestalten und Bildern
Gottes spricht die Heilige Schrift.
26
Wer hat als erster ein Bild geschaffen?
Gott selbst hat als erster den einziggeborenen Sohn und seinen Logos gezeugt, ein lebendiges
Bild von sich, eine natürliche, unveränderliche Ausprägung seiner Ewigkeit, und er hat den
Menschen nach seinem Bild und seiner Ähnlichkeit geschaffen (vgl. Gen 1,27). Auch Adam
sah Gott und hörte das Geräusch seiner Füße am Abend umhergehen und er verbarg sich im
Paradies (vgl. Gen 3,8). Auch Jakob sah Gott und rang mit ihm - es ist selbstverständlich, dass
ihm Gott als ein Mensch erschien (vgl. Gen 32,25) -, Mose sah ihn als Rückseite eines
Menschen (vgl. Ex 33,18-23), Jesaja sah ihn als Menschen auf einem Thron sitzen (vgl. Jes
6,1), und Daniel sah das Ebenbild eines Menschen, und er sah ihn als Menschensohn kommen
am Ende der Tage (vgl. Dan 7,13). Und nicht die Natur Gottes sah irgendeiner, sondern die
Form und das Bild dessen, der im Begriff war zu sein; denn der Sohn und Logos Gottes, der
unsichtbare, war im Begriff, in Wahrheit Mensch zu werden, um mit unserer Natur vereinigt
zu werden und auf der Erde zu erscheinen. Es verehrten ihn nun alle, die die Form und das
Bild des Zukünftigen gesehen hatten, wie der Apostel Paulus im Brief an die Hebräer sagt:
„Voll Glauben sind diese alle gestorben, ohne das Verheißene erlangt zu haben, von fern
haben sie es gesehen und gegrüßt“ (Hebr 11,13). Ich aber soll nun kein Bild machen dürfen
von dem, der um meinetwillen in der Natur des Fleisches erschienen ist, soll ich ihn nicht
ehren und verehren mit der Ehre und Verehrung, die seinem Bilde zukommt? Abraham
schaute nicht die Natur Gottes – „Niemand hat Gott je gesehen“ (Joh 1,18) -, sondern ein Bild
Gottes, und er fiel nieder und verehrte ihn (vgl. Gen 17,13). Josua, der Sohn Nuns, sah nicht
die Natur eines Engels, sondern ein Bild - denn die Natur eines Engels schaut man nicht mit
den Augen des Leibes – und er fiel nieder und verehrte ihn (vgl. Jos 5,14), in ähnlicher Weise
auch Daniel – ein Engel ist aber kein Gott, sondern Geschöpf und Diener Gottes und Beistand
– er verehrte ihn nicht als Gott, sondern als Beistand und Diener Gottes (vgl. Dan 8,17). Und
ich soll kein Bild von den Freunden Christi machen und sie nicht verehren, nicht als Götter,
sondern als Bilder der Freunde Gottes? Denn weder Josua noch Daniel verehrten die
erschienenen Engel als Götter, noch verehre ich das Bild als einen Gott, sondern durch das
Bild und die Heiligen bringe ich Gott die Verehrung und die Ehrfurcht dar, um derentwillen
ich auch seine Freunde achte und in Ehrerbietung feiere. Nicht mit der Natur der Engel hat
Gott sich vereint, er hat sich mit der Natur der Menschen vereint. Nicht wurde Gott ein Engel,
Gott wurde in Natur und Wahrheit ein Mensch. „Denn er nimmt sich keineswegs der Engel
an, sondern des Samens Abrahams nimmt er sich an“ (Hebr 2,16). Nicht wurde der Sohn
Gottes zur Natur der Engel seiner Person nach, zur Natur des Menschen wurde der Sohn
Gottes seiner Person nach. Weder erhielten Engel Anteil, noch wurden sie Teilhaber an der
göttlichen Natur, sondern nur am Wirken und der Gnade, Menschen aber erhalten Anteil und
werden Teilhaber der göttlichen Natur, alle, die den heiligen Leib Christi empfangen und sein
kostbares Blut trinken; denn mit der Gottheit ist er [= Christus] der Person nach vereint, und
zwei Naturen sind in dem von uns empfangenen Leib Christi der Person nach ungeteilt
vereint, und so haben wir an den zwei Naturen Anteil: an der leiblichen auf leibliche Weise,
an der göttlichen auf geistliche Weise, vielmehr sogar an beiden zugleich nach der Weise
beider, indem wir nicht nach der Person als ein und dasselbe angesehen werden - denn
zunächst sind wir da, und dann werden wir vereint -, sondern nach der Vermischung von Leib
und Blut. Und wie sollten diejenigen, die infolge des Einhaltens der Gebote die Einheit
unverfälscht bewahren, nicht größer als Engel sein? Unsere Natur ist infolge des Todes und
der Masse des Fleisches etwas geringer als die der Engel (vgl. Ps 8,6), aber durch das
Wohlwollen Gottes und die Verwandtschaft mit ihm ist sie größer geworden als die der
Engel; denn die Engel stehen mit Furcht und Zagen neben unserer Natur, wenn sie in Christus
auf dem Thron der Herrlichkeit sitzt, und sie werden beim Gericht zitternd dastehen; nicht als
Beiwohner und Teilhaber der göttlichen Herrlichkeit wurden sie von der Heiligen Schrift
bezeichnet – „Es sind nicht alle dienenden Geister zum Dienst ausgesandt um derer willen,
die das Heil ererben sollen“ (nach Hebr 1,14); weder herrschen sie mit (vgl. 2 Tim 2,12), noch
werden sie mitverherrlicht werden, noch werden sie am Tisch des Vaters sitzen, die heiligen
Söhne Gottes aber sind Söhne der Königsherrschaft, Erben Gottes und Miterben Christi (vgl.
Röm 8,17). Ich ehre nun die Heiligen und verherrliche mit die Diener, Freunde und Miterben
Christi, - die Diener von Natur aus, die Freunde aus freiem Willen, die Söhne und Miterben
aufgrund göttlicher Gnade, wie der Herr zum Vater spricht.
Nachdem wir nun über das Bild gesprochen haben, wollen wir auch über die Verehrung
sprechen, und zwar zuerst, was Verehrung ist.
27
Über die Verehrung, Was ist Verehrung?
Verehrung ist ein Zeichen des Niederfallens, das heißt von Niedersinken und Demut. Arten
von Verehrung gibt es mehrere.
28
Wie viele Arten von Verehrung gibt es?
Die erste Art von Verehrung ist die dem Dienst entsprechende, den wir allein dem von Natur
aus verehrungswürdigen Gott erweisen, und dies geschieht auf verschiedene Weisen. Zuerst
nach Art der Knechtschaft: Denn alle Geschöpfe dienen ihm wie Knechte ihrem Herrn; „denn
dienen muss dir das All“, heißt es (Ps 119,91), und zwar die einen freiwillig, die anderen aber
unfreiwillig. Die ihn in Erkenntnis freiwillig verehren, wie die Frommen; die erkennen, aber
nicht wollen, verehren ihn unfreiwillig wie die Dämonen; andere verehren, die den von Natur
aus seienden Gott nicht kennen, verehren ihn unfreiwillig.
29
Die zweite Art ist diejenige, die Verwunderung und Verlangen entspricht, nach der wir Gott
aufgrund seiner natürlichen Herrlichkeit verehren. Denn er allein ist verherrlicht, indem er
nicht von irgendeinem her seine Herrlichkeit hat, sondern er selbst Verursacher jeder Herrlichkeit ist, ebenso unbegreifliches Licht jedes Guten, unvergleichliche Süße, unbeschreib-
liche Schönheit, Abgrund der Güte, unergründliche Weisheit, unendliche Macht, allein
würdig, dass man ihn um seinetwillen bewundert, verehrt, verherrlicht und begehrt.
30
Die dritte Art ist diejenige, die im Dank für die uns bestimmten Güter besteht. Denn alles, was
ist, schuldet Gott zu danken und ihm immerwährende Verehrung darzubringen, denn aus ihm
hat alles das Sein (vgl. Röm 11,36), und in ihm hat alles seinen Bestand (vgl. Kol 1,17), da er
ohne Neid und ohne Bitte allen von seinen Gaben mitteilt (vgl. Weish 7,13), da er will, dass
alle gerettet werden und an seiner Güte teilhaben (vgl. 1 Tim 2,4), weil er langmütig ist mit
uns Sündern (vgl. 2 Petr 3,9), weil er die Sonne über Gerechte und Ungerechte aufgehen und
es über Gute und Böse regnen läßt (vgl. Mt 5,45), weil der Sohn Gottes unseretwegen uns
gemäß geworden ist und uns zu Teilhabern an der göttlichen Natur gemacht hat (vgl. 2 Petr
1,4) und weil „wir ihm ähnlich sein werden“ (1 Joh 3,2), wie der Theologe Johannes in
seinem katholischen Brief sagt.
31
Die vierte Art ist diejenige, die dem Bedürfnis und der Hoffnung auf gute Taten entspricht,
gemäß welcher wir erkennend, dass wir ohne ihn nichts tun oder gut sein können (vgl. Joh
15,5), ihn verehren und ein jeder von ihm erbittet, was ihm seiner Erkenntnis nach fehlt und
was er begehrt: gerettet zu werden vor dem Bösen und das Gute zu erlangen.
32
Die fünfte Art ist die der Umkehr und des Bekennens. Denn als Sünder verehren wir Gott und
fallen vor ihm nieder, indem wir wie kluge Knechte bitten, dass unsere Vergehen vergeben
werden. Und diese Art ist dreifach: Entweder trauert man der Liebe entsprechend, oder man
erlangt nicht die Wohltaten Gottes, oder man fürchtet die Strafen. Die erste Art kommt von
Einsicht, Verlangen nach Gott selbst und der Gesinnung eines Sohnes her, die zweite von der
Gesinnung eines Mietlings, die dritte von der eines Sklaven.
33
Wieviel Verehrenswertes finden wir in der Heiligen Schrift, und auf wieviel Arten bringen
wir den Geschöpfen Verehrung dar?
Zuerst denjenigen, in denen Gott ruht, der einzige Heilige und „unter Heiligen Ruhende“,
ebenso der heiligen Gottesgebärerin und allen Heiligen. Es sind diejenigen, die ihren Kräften
entsprechend aufgrund ihrer Erwählung, Gottes Einwohnen in ihnen und ihrer Mitarbeit Gott
ähnlich geworden sind, die man in Wahrheit auch Götter nennt (vgl. Ps 82,6), nicht von Natur
aus, sondern nach Übereinkunft, so wie man das glühende Eisen Feuer nennt, nicht von Natur
aus, sondern nach Übereinkunft und Teilhabe am Feuer. Denn ER spricht: „Seid heilig, denn
ich bin heilig“ (nach Lev 19,2; 1 Petr 1,16). Dies zuerst: die Erwählung. Dann hilft Gott
jedem, den er für das Gute erwählt hat, zum Guten hin, dann „ich will unter ihnen wohnen
und wandeln“ (2 Kor 6,16), und „wir sind Gottes Tempel, und der Geist Gottes wohnt in uns“
(nach 1 Kor 3,16), außerdem „er gab ihm Vollmacht über unreine Geister, sie auszutreiben
und jegliche Krankheit und jegliches Gebrechen zu heilen“ (nach Mt 10,1), und „alles, was
ich tue, werdet auch ihr tun; und ihr werdet noch größere als diese tun“ (nach Joh 14,12);
ferner spricht der Herr: „lch lebe; wer nämlich mich ehrt, den bringe ich zu Ehren“ (1 Sam
2,30). Und „wenn wir mitleiden, um auch mitverherrlicht zu werden...“ (Röm 8,17) und:
„Gott steht auf in der Versammlung der Götter, inmitten der Götter hält er Gericht“ (Ps 82,1).
Wie sie nun wahrhaftig Götter sind, nicht der Natur nach, sondern als Gefährten dessen, der
von Natur aus Gott ist, so sind sie verehrenswürdig, nicht von Natur aus, sondern als solche,
die den von Natur aus Verehrenswürdigen in sich haben, wie das im Feuer geglühte Eisen
nicht von Natur aus für das Anfassen unzugänglich und brennend heiß ist. Sie werden nun als
als solche verehrt, die von Gott verherrlicht sind, die von ihm für die Widersacher
furchterregend und für die im Glauben Nahenden Wohltäter geworden sind, nicht als seien sie
von Natur aus Götter und Wohltäter, sondern weil sie Gott hochachten, ihm dienen und der
Zuversicht aufgrund der Liebe zu ihm teilhaftig geworden sind. Wir verehren sie nun, weil ja
der König geachtet wird, wenn er sieht, dass sein geliebter Diener verehrt wird, nicht als ein
König, sondern als gehorsamer Diener und wohlgesonnener Freund. Und diejenigen, die mit
Vertrauen herantreten, erlangen das, worum sie bitten, sei es, dass der Diener dies vom König
erbittet, sei es, dass der König die Ehre und das Vertrauen dessen, der etwas von seinen
Dienern erbittet, entgegennimmt; denn um seinetwillen hat er gebeten. So erlangten die
Hinzutretenden durch die Apostel ihre Heilung. So ließen der Schatten (vgl. Apg 5,15), die
Schweißtücher und die Schürzen der Apostel (vgl. Apg 19,12) Heilungen hervorquellen. Alle
aber, die in aufrührerischer und zum Abfall führender Art als Götter verehrt werden wollen,
die sind nicht der Verehrung wert, sondern des ewigen Feuers würdig. Und alle, die
verächtlich und mit überheblichem Denken die Diener Gottes nicht verehren, wie z.B.
Schreihälse und Hochmütige, wie FrevIer gegen Gott werden sie verurteilt. Und als Zeuge
dienen die Kinder, die in verächtlicher Weise Elischa verspottet und den Bären zum Fraß
geworden waren (vgl. 2 Kön 2,23ff).
34
Die zweite Art, nach der wir Geschaffenes verehren, besteht in dem, wodurch und worin Gott
unser Heil gewirkt hat, sei es vor dem Hiersein des Herrn, sei es nach seinem Aufenthalt im
Fleisch, wie z.B. der Berg Sinai und Nazareth, die Krippe in Betlehem und die Grotte dort,
das heilige Golgota, das Holz des Kreuzes, die Nägel, der Schwamm, das Rohr, die heilige
und heilbringende Lanze, die Kleider, das Untergewand, die Grabtücher, die Windeln, das
heilige Grab - als Quelle unserer Auferstehung -, der Stein des Grabmals, der heilige Berg
Zion, der Ölberg ferner, das Schaftor in Jerusalem und der glückselige Garten Getsemani.
Dieses und derartiges achte und verehre ich, auch jeden heiligen Tempel Gottes und alles, bei
dem Gott genannt wird, nicht dessen Natur wegen, sondern weil es Orte göttlichen Wirkens
sind, durch die und an denen es Gott gefallen hat, unser Heil zu wirken. Denn Engel,
Menschen und jede Materie, die teilhat am göttlichen Wirken und die meinem Heil gedient
hat, achte und verehre ich um des göttlichen Wirkens willen. Nicht verehre ich Juden; denn
sie sind keine Teilhaber göttlichen Wirkens, und sie haben nicht mit dem Zweck meines Heils
den Herrn der Herrlichkeit, meinen Gott, gekreuzigt, vielmehr haben sie sich mit Haß und
Mißgunst gegen Gott und den Wohltäter geworfen. „Herr, ich hebe deines Hauses Stätte, das
Zelt, wo deine Herrlichkeit wohnt“, spricht David (Ps 26,8); „wallet zu seiner Wohnstatt, wo
seine Füße stehen“ (nach Ps 132,7); und „fallet nieder an seinem heiligen Berg“ (Ps 99,9).
Der heilige Berg, beseelt von Gott, das ist die heilige Gottesgebärerin, die mit Vernunft
begabten Berge Gottes, das sind die Apostel. „Die Berge hüpften den Widdern gleich, wie
junge Lämmer die Hügel“ (Ps 114,4).
35
Die dritte Art ist diejenige, nach der wir das Gott Zugeschriebene verehren; ich spreche von
den heiligen Evangelien und den übrigen Büchern. „Sie wurden nämlich zur Warnung für uns
geschrieben, zu denen das Ende der Weltzeiten gekommen ist“ (nach 1 Kor 10,11). Schalen
und Becher, Räucherwerk, Leuchter und Tische - es ist deutlich, daß all dies verehrenswürdige Dinge sind. Denn achte darauf, als Belschazzar das Volk mit priesterlichen Geräten
bedienen ließ, wie Gott ihm sein Königreich wegnahm (vgl. Dan 5,1 ff.)!
36
Die vierte Art ist diejenige, nach der die Bilder verehrt werden, die den Propheten erschienen
sind (denn in bildhaftem Gesicht sahen sie Gott), und die Bilder der zukünftigen Gescheh-
nisse, wie der Stab Aarons das Geheimnis der Jungfrau abbildet (vgl. Num 17,23), ebenso der
Krug (vgl. Ex 16,33) und der Tisch (vgl. Ex 25,23). Und Jakob beugte sich anbetend tief über
die Spitze des Stabes (vgl. Heb 11,21); so war er Vor-Bild des Erlösers. Es gibt aber auch
Bilder von Geschehenem für die Erinnerung: Denn selbst das Bundeszelt war ein Bild der
gesamten Welt – „Siehe auf das Vorbild, das dir auf dem Berg gezeigt worden ist“, spricht
Gott zu Mose (vgl. Hebr 8,5) -, und auch die goldenen Kerubim waren eine getriebene Arbeit
(vgl. Ex 25,18) und die Kerubim auf dem Vorhang eine Webarbeit (vgl. Ex 26,31). So
verehren wir das kostbare Vor-Bild des Kreuzes, das Ebenbild der leibhaftigen Ausprägung
meines Gottes und das derjenigen Frau, die ihn im Fleisch geboren hat, und das seiner Diener.
37
Die fünfte Art ist diejenige, nach der wir einander verehren, weil wir Anteil an Gott haben
und nach dem Bilde Gottes geschaffen sind, indem wir einander demütigen Sinnes begegnen
und das Gesetz der Liebe erfüllen (vgl. Röm 13,8).
38
Die sechste Art ist die derer, die Herrschaft und Vollmacht besitzen – „Gebt allen, was ihr
schuldig seid: Ehre, wem Ehre“ (vgl. Röm 13,7) - wie Jakob dem Esau als älterem Bruder
(vgl. Gen 33,3) und dem Pharao als von Gott erwähltem Herrscher (vgl. Gen 47,7.10)
Verehrung erwiesen hat.
39
Die siebte Art ist diejenige, nach der die Sklaven ihren Herren und die Bedürftigen den
Wohltätern, derer sie bedürfen, Verehrung zeigen, wie Abraham sie den Hetitern erwies, als
er die doppelte Höhle kaufte (vgl. Gen 23,7.9).
40
Und um es einfach zu sagen: Von Achtung, Verlangen und Ehrfurcht ist die Verehrung ein
Zeichen wie von Niederfallen und Demut, aber man darf keinen wie Gott verehren außer den
von Natur aus einzigen Gott, allen aber muss man die geschuldete Ehre des Herrn wegen
zukommen lassen.
41
Ihr seht, wieviel Kraft und welch göttliche Energie denen gegeben ist, die mit Glauben und
reinem Gewissen an die Bilder der Heiligen herantreten. Deshalb, Brüder, wollen wir auf dem
Felsen des Glaubens und der Überlieferung der Kirche stehen, indem wir die Grenzen, die
unsere heiligen Väter gesetzt haben, nicht aufbrechen, indem wir denen keinen Raum geben,
die den Bau der heiligen und apostolischen Kirche Gottes neu gestalten und zerstören wollen.
Denn gäbe man jedem, der dies wollte, Straflosigkeit, so würde in kurzer Zeit der gesamte
Leib der Kirche zerstört. Brüder, Kinder der Kirche, die ihr Christus liebt, beschämt nicht
eure Mutter, zerstört nicht deren Welt! Nehmt sie an, die durch mich bittet! Lernt, was Gott
über sie sagt: „Alles ist schön an dir, meine Freundin, und kein Makel haftet an dir“ (Hld 4,7).
Lasst uns verehren und dienen allein dem Schöpfer und Erhalter als dem von Natur aus
verehrenswürdigen Gott! Wir wollen auch die heilige Gottesgebärerin verehren, nicht als
Gott, sondern als Mutter Gottes dem Fleische nach! Außerdem wollen wir auch die Heiligen
verehren als auserwählte Freunde Gottes und als die, die den Zugang zu ihm erworben haben!
Denn wenn Menschen oftmals vergängliche Könige, die sowohl gottlos als auch sündhaft
sind, und die von ihnen erwählten Beamten und deren mit Lorbeer umwundene Fahnen
verehren nach dem göttlichen Ausspruch des Apostels: „Ordnet euch den Trägern der
obrigkeitlichen Gewalt unter“ (vgl. Tit 3,1), und „Gebt allen, was ihr schuldig seid: Ehre,
wem Ehre, Furcht, wem Furcht!“ (vgl. Röm 13,7) und „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers
ist“, wie der Herr sagt, „und Gott, was Gottes ist!“ (Mt 22,21), um wieviel mehr müsste man
den König der Könige (vgl. 1Tim 6,15) verehren als den Einzigen, der von Natur aus herrscht,
und auch seine Diener und Freunde, die die Leiden beherrscht haben und, dazu eingesetzt,
über die gesamte Erde herrschen – „Denn du wirst sie einsetzen als Fürsten über die ganze
Erde“, spricht David (Ps 45,17) -, die über Dämonen und Krankheiten Macht erhalten (vgl. Lk
9,1f), die mit Christus zusammen eine unvergängliche und unzerstörbare Königsherrschaft
ausüben und deren Schatten allein schon Krankheiten und Dämonen vertrieben hat (vgl. Apg
5,15)? Wir wollen doch das Bild nicht für schwächer und wertloser ansehen als einen
Schatten! Denn der Schattenriss gibt wirklich das Urbild wieder! Brüder, Christsein bedeutet
Glaube; wer nun im Glauben herantritt, wird vieles gewinnen; „wer aber zweifelt, gleicht
einer Meereswoge, die vom Wind gepeitscht und hin und her geschleudert wird“ (Jak 1,6), er
wird auf keinen Fall etwas erhalten; denn alle Heiligen sind durch Glauben Gott wohlgefällig
geworden. Lasst uns nun die Überlieferung der Kirche in der Geradheit des Herzens
annehmen und nicht mit vielen Zweifeln! Denn Gott hat den Menschen gerade erschaffen; sie
aber haben vielerlei Überlegungen gesucht (vgl. Koh 7,29). Wir wollen es nicht auf uns
nehmen, einen neuen Glauben zu lehren, als ob die Überlieferung der heiligen Väter verurteilt
wäre! Denn es sagt der göttliche Apostel: „Wenn euch jemand eine andere Heilsbotschaft
verkündet, als was ihr empfangen habt - verflucht sei er“ (Gal 1,9). Wir verehren nun die
Bilder, nicht indem wir der Materie Verehrung entgegen bringen, sondern durch die (= die
Bilder) denen, die auf ihnen abgebildet werden. „Die Ehrfurcht vor dem Bild geht nämlich auf
das Urbild über“, wie der göttliche Basilius sagt.
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Euch aber, heiligste Herde Christi, christlich genanntes, heiliges Volk, Leib der Kirche, möge
euch Christus mit der Freude seiner Auferstehung erfüllen und euch für würdig halten, den
Spuren der heiligen Hirten und Lehrer der Kirche zu folgen, die ihr voranschreitet, um seine
Herrlichkeit zu erlangen im Glanz der Heiligen. Möge es geschehen, dass wir alle diese
Herrlichkeit durch seine Gnade erlangen, indem wir ihn ewig verherrlichen zusammen mit
dem Vater, der keinen Anfang hat. Ihm sei die Ehre in alle Ewigkeit. Amen.
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