Hochmut kommt vor dem Fall

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Hochmut kommt vor dem Fall
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da
kommt, unserem Herrn Jesus Christus. Amen
Liebe Gemeinde,
Menschliches und Allzumenschliches - das könnte als Motto über unserer
Predigtreihe stehen. Denn es geht um menschliche Verhaltensweisen, die wir alle
kennen, in denen wir mehr oder weniger Experten sind: Sorgen, Ehrgeiz, Hochmut.
Heute soll es um den Hochmut gehen: Hochmut: ähnliche Begriffe sind Stolz,
Überheblichkeit, Arroganz, Einbildung. Unter Hochmut versteht man nach Wikipedia:
das Verhalten von Personen, die ihren eigenen Wert, ihren Rang oder ihre
Fähigkeiten unrealistisch hoch einschätzen. In der Bibel begleitet der Hochmut die
Geschichte der Menschheit: Schon Adam und Eva genügt es nicht im Paradies zu
leben – sie wollen mehr: sie wollen von den Früchten der Erkenntnis kosten, sie
wollen sein wie Gott. Kain, der aus verletztem Stolz seinen Bruder Abel tötet. Die
Menschen, die den Turm in Babel bauen, der bis in den Himmel reichen soll, um sich
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einen Namen zu machen. König David, der sich hochmütig die Frau eines anderen
nimmt, und ihren Mann umbringen lässt, weil er die Macht hat. Was ist es also mit
dem Menschen und dem Hochmut?
1. Hochmut kommt vor dem Fall
Das ist, glaube ich, das berühmteste Zitat zu diesem Thema aus der Bibel: es steht
in Sprüche 16, Vers 18: „Wer zugrunde gehen soll, der wird zuvor stolz; und
Hochmut kommt vor dem Fall.“ Und in Vers 5 heisst es: „Gott verabscheut die
Hochmütigen.Du kannst sicher sein: Keiner entkommt seiner gerechten Strafe!”
Warum verabscheut Gott die Hochmütigen? In Jesus Sirach, Kapitel 10 heisst es:
“Der Hochmut eines Menschen fängt damit an, dass er sich vom Herrn abwendet,
und gegen seinen Schöpfer rebelliert. Der Anfang des Hochmuts ist Auflehnung
gegen Gott...” Und gerade bei den Mächtigen findet sich diese Auflehnung: “ihr
Halsschmuck ist Hochmut” heisst es in Psalm 73, und “wie ein Gewand umhüllt sie
Gewalttat”. Deswegen heisst es dann auch: Der Herr stürzt stolze Herrscher und
setzt Arme und Geringe an ihre Stelle.” (Sir 10,14) Der Hochmütige fragt nicht nach
Gott und seinem Willen, er setzt sich selbst in letzter Konsequenz an Gottes Stelle.
Er ist sein eigener Massstab. Und weil er sich selbst hoch schätzt, höher schätzt als
seine Mitmenschen, begegnet er ihnen oft mit Verachtung und Geringschätzung.
Hochmut kommt vor dem Fall
Hochmut ist ein Beziehungs- und Gemeinschaftskiller. Der Hochmütige glaubt, dass
für ihn die Regeln der anderen nicht gelten, er überschreitet oft Grenzen. Er stellt
sich selbst neben oder über Gott: Deswegen heisst es vom Gottlosen in Psalm 10,
Vers 4: Überheblich sagt der Frevler: «Gott straft nicht. Es gibt keinen Gott.» So ist
sein ganzes Denken.
Im Neuen Testament ist es ähnlich: In Galater 6, Vers 3 heisst es: “Wer sich
einbildet, etwas zu sein, obwohl er nichts ist, der betrügt sich.” Für den Kirchenvater
Augustinus ist Hochmut oder Stolz der Ursprung aller Sünde: weil sich der Stolze
nicht dem Willen Gottes beugen will. Er sah das aber weniger als ein Aufbegehren
gegen Gott: vielmehr glaubt der Stolze sich aus eigener Kraft erlösen zu können. Er
braucht Jesus und das Kreuz nicht. Deswegen ist es der Ursprung aller Sünde.
2. Richtiger und falscher Stolz
Ganz anders sah das übrigens Aristoteles: Die Megalopsychia (μεγαλοψυχία;
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„Hochsinn“, „Großgesinntheit“, „Seelengröße“) wie der “Hochmut” im griechischen
heisst, bezeichnet das Selbstbewusstsein und den berechtigten Stolz. Aristoteles
hielt die Megalopsychia für eine bedeutende Tugend und glaubte, dass vor allem
Menschen, die grosses tun, Dichter, Staatsmänner, Philosophen, diese Tugend
hätten. Es gibt also durchaus positive Aspekte in Stolz und Hochmut. Im Mittelalter
war der hohe Muot die edle Gesinnung des Ritters, der für die Schwachen eintrat.
Und den Stolz kennen wir wahrscheinlich alle: Stolz auf die eigene Leistung, Stolz
auf die Leistung meiner Mannschaft oder meiner Kinder. Wer stolz ist, ist zufrieden
mit sich. Der Stolz ist die Freude, die der Gewissheit entspringt, etwas Besonderes
oder Anerkennenswertes geleistet zu haben. Der Soziologe Simon Laham hat ein
Buch geschrieben (2013) mit dem Titel: „Der Sinn der Sünde, die sieben Todsünden
und warum sie gut für uns sind“. Diese Art von Stolz, in dem ein Mensch stolz auf
erreichtes ist, nennt Laham den authentischen Stolz. Stolz ist eine elementare
Emotion, die angeboren und nicht anerzogen ist. Körperlich sichtbar wird dieses
Gefühl des Stolzes durch eindeutige, in allen menschlichen Kulturen gleichartige
Gesten und Gebärden ausgedrückt und erkannt: da ist die aufrechte Körperhaltung,
der zurückgelegte Kopf, Lippen geschlossen oder lächelnd, Arme in die Hüfte
gestemmt oder vom Körper in die Höhe gestreckt. Dann gibt es die zweite Art von
Stolz (schreibt Laham). Da erscheint ein Mensch als hochnäsig, eingebildet,
Hochmut kommt vor dem Fall
egoistisch und überheblich. Das ist der anmassende Stolz. Er kommt von einer
grossen Selbstüberschätzung und Arroganz. Da steht keine Leistung dahinter. Das
ist die Sünde „Stolz“ oder Hochmut, die sich in Arroganz und Überheblichkeit
ausdrückt: Wie begegnet uns dieser “Hochmut”: Hochmut, das ist die kalte
Schulter, die den anderen links liegen lässt, weil er mir gleichgültig ist. Hochmut:
setzt sich aufs hohe Ross. Der Gockel könnte sein Symbol sein. Er fühlt sich
anderen oft turmhoch überlegen. Darum baut er manchmal hohe Türme als Zeichen
seiner Überlegenheit. Hochmut ist die Sünde des Alltags. Wenn man meint schon
alles zu kennen und Neues ablehnt („Früher war sowieso alles besser.“); oder nur
das neue gelten lässt (“Früher war alles schlechter.”) wenn die eigene Meinung als
allein richtig vertreten wird und die anderen ja keine Ahnung haben; wenn die eigene
Lebensweise und die eigenen Werte als richtig und andere Arten zu leben
abgewertet, belächelt oder schlecht gemacht werden; wenn Vorrechte beansprucht
werden; wenn sich einer in den Mittelpunkt schiebt und das erste und letzte Wort
haben muss; wenn getratscht wird („Unmöglich, wie die sich wieder angezogen hat,
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wie die ihren Garten verwildern lassen, und hast du schon gehört, das ihr Sohn von
der Schule geflogen ist?“); wenn einer nicht klein beigeben kann; wenn die eigenen
Rasse oder die eigene Nation über andere gestellt wird (Deutschland, Deutschland
über alles); wenn Kritik als Kränkung empfunden wird; wenn einer alles selbst
machen will, weil andere es ihm nicht gut genug machen; wenn es schwer fällt um
Hilfe zu bitten oder Hilfe anzunehmen; wenn einer behauptet nie hochmütig zu sein –
dann zeigt der Hochmut ungeschminkt seine alltägliche Fratze.
Hochmut ist die „Sünde der Könner“ (Heiko Ernst). Sie ist so gefährlich, weil sie
eben nicht unsere Schwächen zeigt, sondern sich einschleicht, wenn wir wirklich gut,
begabt, fleißig oder tüchtig waren. Hochmut ist die Sünde der Dummheit. Denn
der Hochmütige weiß nicht oder vergisst, dass er andere Menschen braucht, dass es
über ihm etwas grösseres gibt: dass er nur ein Staubkorn im Weltall ist oder er will
nicht wahrhaben, dass all sein Leisten und Können und Sein nicht auf seinem Mist
wächst, sondern ein unverdientes Geschenk seines Schöpfers ist. Hochmut ist die
peinliche Sünde. Eigenlob stinkt wie eine volle Windel. Wenn einer immer alles
besser weiss, nervt es irgendwann. Wenn sich einer aufplustert, weil er sich so toll
findet, braucht es manchmal nur einen kleinen Stoss und schon schrumpft der
Angeber auf Normalmass. Hochmut ist die Sünde der Gottvergessenheit. Der
Hochmütige macht Pläne für Übermorgen und nächstes Jahr. Für alle, die grosse
Hochmut kommt vor dem Fall
Pläne haben schreibt Jakobus: “Ihr wisst doch nicht, was morgen mit eurem Leben
sein wird. Rauch seid ihr, den man eine Weile sieht; dann verschwindet er. Ihr solltet
lieber sagen: Wenn der Herr will, werden wir noch leben und dies oder jenes tun.”
(Jak 4,14) Der Hochmut vergisst bei allem Planen, dass Gott das letzte Wort spricht.
Ich glaube wir alle kennen dieses Verhalten, diese Sünde des Alltags: weil wir
anerkannt sein wollen, weil wir stolz sind auf unsere Leistung, weil wir manchmal
vergessen, dass es Gott gibt und dass andere auch Gottes Kinder sind.
Hinter Stolz, Hochmut, Überheblichkeit steckt die Angst verletzt zu werden, steckt
der Versuch sich selbst, vor allen Angriffen und Verletzungen zu schützen. Es ist der
Versuch sich selbst Anerkennung, Achtung und Respekt zu verschaffen. Es ist
letztlich der Versuch sich einen Ersatz für die Liebe zu verschaffen, nach der wir uns
alle sehnen
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3. Den Demütigen gibt er Gnade
Unsere Seele ist unruhig, bedürftig, sehnt sich. Was können wir tun, um gelassener
zu werden, um auf den Hochmut, der andere schlecht machen muss, verzichten zu
können? In Psalm 131 heisst es: Herr, mein Herz ist nicht stolz, nicht hochmütig
blicken meine Augen. Ich gehe nicht um mit Dingen, die mir zu wunderbar und zu
hoch sind. Ich liess meine Seele ruhig werden und still; wie ein kleines Kind bei der
Mutter ist meine Seele still in mir.
Ich erkenne meine Grenzen. Wenn ich vor Gott bin, erkenne ich meine Grenzen: das
heisst nicht nichts wagen, da darf ich ruhig auch einen Satelliten auf einem Kometen
landen lassen. Meine Grenzen ausreizen, aber letztlich realistisch sehen, was geht
und was von mir bleibt, wer ich vor Gott bin. Das lässt die Seele ruhig werden: vor
Gott bin ich wie ein Kind bei seiner Mutter: ich vertraue – ich weiss ich bin geliebt ich brauche keine Angst zu haben. Und “demütig” sein: Im 1. Petrusbrief ( 5,5.6)
schreibt Petrus: Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott
widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
Petrus schreibt nicht an die Heiden, er meint die Demütigen und Hochmütigen in den
Gemeinden. Er schreibt über die geistliche Fehlhaltung des Stolzes, die überall da
Hochmut kommt vor dem Fall
einzieht, wo mein Glaube zu einer Leistung wird. Demut, demütig – ist nicht gerade
ein Modewort: da stellen wir uns oft etwas verlogenes, kriecherisches vor, so ein
falsches sich klein machen. Unterwürfigkeit. Aber das geht an dem Begriff völlig
vorbei. Demut im Deutschen, ist ursprünglich der Dienst-muot. Die Dienst –
Gesinnung: den Mut den es braucht, um für andere da zu sein. Das griechische Wort
„demütigen“ meint wörtlich »umbinden«, nämlich den »Arbeitsschurz« eines
Sklaven. Demut ist also keine resignative, passive Haltung. Sondern sie krempelt die
Ärmel hoch und packt mit an. Sie entspringt der Gewissheit, dass Gott mich liebt und
reich beschenkt. Demut weiss sich abhängig von Gott, weiss das Leben nur gelingt in
der Bindung an Gott: "Die Furcht des Herrn ist Zucht zur Weisheit und der Ehre geht
Demut voran." – (Sprüche 15,33) Und Jesus sagt: "Nehmet auf euch mein Joch und
lernet von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig!" (Matthäus 11,29)
Demut ist selbstkritisch, nicht selbstzufrieden. Demut weiss um die Grenzen meiner
Macht und Kraft und bewahrt mich vor Selbstüberschätzung. Demut führt in die
Freiheit, die ihren Ursprung in Gottes Liebe hat. Der, der keine Demut kennt, ist im
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wahrsten Sinn des Wortes gnaden-los, weil ihm die geschenkte Gnade fehlt, die mich
frei macht von dem Zwang mich auf Kosten anderer behaupten zu müssen. Gott
widersteht den Hochmütigen: Der Hochmütige hält viel von sich, er ist
Leistungsbereit und Leistungsbewusst – er hat sein Leben im Griff. Aber der
Hochmut geht am Leben vorbei: indem ich meine Grenzen erkenne und akzeptiere,
indem ich bereit bin für andere da zu sein, anderen zu dienen (also demütig bin)
entdecke ich das wahre, gute Leben: kann meine Seele ruhig werden in mir. Und so
entdecke ich, dass ich so geliebt bin, dass ich den Hochmut, die Arroganz als
Schutzschild nicht brauche. “Ich liess meine Seele ruhig werden und still; wie ein
kleines Kind bei der Mutter ist meine Seele still in mir.” Dass wir Gott so vertrauen
können, dass ich Gott so vertrauen kann, darauf hoffe ich, darum bete ich.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft bewahre eure Herzen und
Sinne in Christus Jesus. Amen.
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