hofladen gutes von daheim 9 Hart, aber herzlich Enzianwurzel ist von alters her ein wohlbekanntes Heilmittel. Im Salzburger Lungau stellt Konditor Walter Trausner daraus ein feines Gelee und Sirup her. Text: Elisabeth Ruckser Fotos: Alexander maria Lohmann 58 Servus Josef Holzer (oben) auf der Suche nach der heilkräftigen Enzianwurzel. Sie wird mit der Hacke freigelegt. Nach dem Ernten wird sie geputzt und von Walter Trausner zu Geleewürfeln verarbeitet (links unten). G elber Enzian ist nix für Anfänger. Zumindest was seine geschmacklichen Eigenschaften betrifft. Er ist kein schmeichelnder Langweiler, mehr eine Angelegenheit mit Ecken und Kanten. Wie schmeckt er? Vor allem einmal ziemlich bitter. Botanisch betrachtet ist er so etwas wie der große Bruder des berühmten kleinen blauen Enzians. Gut einen Meter hoch wird die streng geschützte Pflanze mit den langen, schlanken Blättern. Und einen kurzen alpinen Hochsommer lang zeigt sie ihre markante gelbe Blüte. Fast auf jeder Alm war der wilde Gelbe Enzian früher zu finden. Aber leider war er alles andere als gern gesehen auf den Weiden und Wiesen, und so wurde er im Laufe der Zeit bedrohlich dezimiert. „Alm- Unkraut haben s’ dazu g’sagt“, weiß auch Josef Holzer vom Krameterhof in Keusching im Salzburger Lungau. Er ist einer jener Landwirte, die sich wieder um die Erhaltung des selten gewordenen Krauts bemühen. Schon sein Vater hatte vor vielen Jahren damit begonnen. Sepp senior hat den Enzian einfach ausgesät – und zwar überall dort, wo er sich ganz von selbst auch ansiedeln würde, etwa an Hängen und Böschungen oder entlang der Forstwege. Getrocknet, destilliert oder angesetzt Heute, rund 30 Jahre später, setzt der Sohn diese Arbeit fort. Und er erntet die Wurzel behutsam und umsichtig. Als Heilpflanze ist die Enzianwurzel seit der Römerzeit bekannt. Den Kräuterkundi- gen des Mittelalters galt sie dank ihrer Bitterstoffe fast als eine Art Universalmedizin, die vor allem in die Rezepturen der Kloster­ elixie­re Eingang fand. Auch im alpinen Raum wird Gelber En­ zian seit Generationen als Naturheilmittel verwendet: getrocknet, destilliert oder in Alkohol angesetzt. „Ich kenn das von meiner Großmutter“, erzählt dazu Enzian-Experte Walter Trausner aus Mauterndorf im Lungau. „Mein Vater stammte aus der Hall­ stätter Gegend, und die Enzianwurzel, die hat schon die Oma immer daheim vorrätig gehabt.“ Gegen allerlei Probleme half die bittere Medizin, manchmal innerlich, manchmal ­äußerlich. Ein Stamperl vom Ansatz gab’s ­gegen Übelkeit genauso wie gegen Ap- ➻ Servus 59 Angesetzte ­Enzianwurzel Zutaten: 1 frische Enzianwurzel (15–20 cm lang) 1 l Obstler (40 %), vorzugsweise aus Äpfel und Birnen, 150 g Zucker 150 ml Wasser, 1 Zitrone Zubereitung Enzianwurzel mit einer Bürste sehr sauber reinigen und in Scheiben schneiden. Zucker mit Wasser ein bis zwei Minuten lang zu einem Sirup kochen und abkühlen lassen. Zitrone in Scheiben schneiden. Alle Zutaten in ein großes Glasgefäß geben, gut schütteln, damit sich der Zucker auflöst, verkorken und mindestens einen Monat kühl stehen lassen. Nicht aufs Fensterbrett in die Sonne stellen! Der Zuckersirup nimmt etwas Bitter­ geschmack weg, der Likör wird aber trotzdem bitter genug, um Bauchzwicken zu vertreiben. Enziansirup mit Bier Zutaten: 4 cl Enziansirup, 10 cl Pils-Bier 1 Orangenspalte 3–4 Eiswürfel, frische Kräuter oder Blüten (Minze, Melisse, Schafgarbe etc.) Zubereitung In ein großes Rotweinglas 3–4 Eiswürfel und den Enziansirup geben, mit herbem Pils aufgießen und mit einer Orangenspalte und eventuell frischen Kräutern garnieren. petitlosigkeit. Das Stamperl sollte gegen kalte Füße wirken, gegen Krampfadern oder bei Blutarmut. Und kämpfte man mit einer ­hartnäckigen Muskelentzündung, wurde ­Enziantinktur direkt aufgetragen. Heute gilt als erwiesen, dass die Bitterstoffe der Gelben-Enzian-Wurzel Magenbeschwerden lindern und bei Gallenproblemen helfen können. Sie regen die Geschmacksnerven an und bewirken, dass sich Speichel und Magensäure bilden. Dadurch wird das Verdauungshormon Gastrin verstärkt ausgeschüttet und regt die Produktion von Magen- und Gallensäften an. „Ich mag diesen speziellen bitteren Geschmack“, sagt Walter Trausner. Der gelernte Koch und Konditor hat sich auf die Herstellung ungewöhnlicher Marmeladen und Gelees spezialisiert. Dabei widmet er sich neben den Früchten besonders all den Kräu- 60 Servus Aus bitter wird bittersüß: Fruchtspezialist Walter Trausner verwandelt die frische E ­ nzianwurzel gemeinsam mit Zimt, Vanille und Zucker in Gelee und Sirup. Vorsichtig werden die Zutaten in einem Kupferkessel aufgekocht. tern, Wurzeln, Blüten oder Blättern, die die Region zu bieten hat: „In der Wachau gibt es Wein und Marillen – wir im Lungau haben die Almen mit ihrem wunderbaren Pflanzenreichtum.“ So gilt Walter Trausners Liebe auch dem eigenwilligen Enzian: „Es ist diese Kombination aus süß und bitter, herb und aromatisch, die ich sehr spannend finde.“ Überzeugungsarbeit braucht zeit Zusammen mit dem Agrarexperten Sepp Holzer wagte der Konditor vor einigen ­Jahren das Experiment und machte sich an die Herstellung eines süßen Produkts aus Enzianwurzel. Ein Gelee, für das die frische Wurzel zerkleinert, mit Vanille, Zimt und Zucker aufgekocht, anschließend in Form gegossen und getrocknet wird. Dieses sogenannte „Pocket Gelly“ aus ­Enzian gehört mittlerweile zum fixen Re- pertoire der Konditorei Trausner. Auch wenn die herben Geleewürferl nur langsam ihre Stammkunden finden. „Ich hab mir das in den Kopf gesetzt“, sagt Walter Trausner, „selbst wenn man die Leut erst davon überzeugen muss. Auch das gehört zu unserer Tradition!“ Seit heuer gibt es noch ein weiteres ­Enzianprodukt: einen Sirup aus der Wurzel vom Gelben Enzian. Hergestellt nach alter ­Tradition, eignet er sich besonders als ­alkoholfreies Getränk oder als Basis für ­einen Longdrink mit kühlem Bier. 3 Servus-Tipp: Walter Trausner, Steindorf 65, 5570 Mauterndorf, Tel.: +43/6472/200 65, www.genusswerkstatt.com Josef Holzer, Keusching 13, 5591 Ramingstein, Tel.: +43/6475/239, www.krameterhof.at