Grundlagen von Makromolekülen Dr.-Ing. Florian Dismer Institut für Bio- und Lebensmitteltechnik, Bereich IV: Molekulare Aufarbeitung von Bioprdukten Karlsruher Institut für Technologie KIT – die Kooperation von Forschungszentrum Karlsruhe GmbH und Universität Karlsruhe (TH) Gliederung Literatur allgemeine Einleitung Strukturbiologie Struktur von Proteinen: Primärstruktur Sekundärstruktur Tertiärstruktur Datenbanken und nützliche Tools 2 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Literatur Source: Textbook of Structural Biology ISBN: 978-981-277-208-4 3 Florian Dismer– Fakultät für Chemieingenieurwesen Molecular Modelling Source: Protein Structure and Function ISBN: 978-019-955-684-7 Definition von (biologischem) Leben z.B. Tricarbonsäure Zyklus z.B. Zytoskelett z.B. Protein Expression 8x “Living entities metabolize, grow, die, reproduce, respond, move, have complex organized functional structures, heritable variability, and […] produce new and emergent functional structures that provide increased adaptive fitness in changing environments.” Stanford Encyclopedia of Philosophy (http://plato.stanford.edu/entries/life/) 4 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Makromoleküle bilden die Grundlage allen terrestrischen Lebens 4 Klassen: 1. Peptide & Proteine Polymere aus 20+ Aminosäuren 2. Nukleinsäuren Polymere aus Nukleotiden DNA, mRNA, tRNA, … 3. Kohlenhydrate Polymere aus Zuckerresten 4. Membranen strukturierte Aggregate aus Lipiden 5 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Pictures taken from http://en.wikipedia.org/ Eukaryot Prokaryot Zentrale Rolle von Makromolekülen Entstehung der Bausteine • 1959: Stanley Miller & Harold Urey • Wasserstoff + Wasserdampf + Ammoniak + Methan • Energie in Form von Lichtblitzen 2. „Replikatoren“ • • • • Fähigkeit zur Vermehrung 1986: Kiedrowski Template basierte Autokatalyse der Bildung eines Hexanukleotids aus zwei Trinukleotiden rechts unten dargestellt 3. Bildung der ersten Zelle • • • 6 vor ca. 4 Milliarden Jahren hat sich über einen Zeitraum von ca. 2 Milliarden Jahren weiterentwickelt (kompliziertes metabolisches Netzwerk, optimierte Replikation und Translation) Photosynthese, Sauerstoff-basierte Zellatmung Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Angew. Chem. Inf. Ed. Engl. 25 (1986) No. 10 1. 31 July 1959, Volume 130, Number 3370, Science Entwicklung des Lebens Strukturbiologie „Unfortunately, we cannot accurately describe at the chemical level how a molecule functions unless we first know its structure.“ James Watson 1953: Aufklärung der Struktur von DNA durch Watson & Crick 2011 elementar wichtig zum Verständnis von molekularen Grundlagen der Replikation, Transkription und Translation 77.000 structures 18.000 human proteins Proteine: man ist lange davon ausgegangen, dass Proteine keine Struktur haben 1959: erfolgreiche Kristallisation & 3D Struktur von Myoglobin 1968: 3D Struktur von Hämoglobin mittlerweile ca. 77.000 Protein Strukturen 7 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Source: www.pdg.org 1989 385 structures Relevanz für die industriellen Biotechnologie Wirkstoffscreening Protein/Ligand Wechselwirkungen Stammentwicklung optimierte Stoffwechselwege Metabolomics Stoffflussanalysen Fermentation lösliche Expression, Modifikation Aufarbeitung Aufarbeitung Zellaufschluss mechanische Proteinstabilität enzymatische Proteinstabilität Aggregationsneigung von Proteinen unspezifische Adsorption an Filter Wechselwirkungen mit Oberflächen oder mit unterschiedlichen Lösungsmitteln Löslichkeit Fest/Flüssig Trennung Umpuffern Chromatographie wässrige Zweiphasensysteme Kristallisation Formulierung 8 Ausschalten bestimmter Stoffwechselwege Modifizieren von Enzymaktivitäten Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Aggregation & Denaturierung Grundlagen von Proteinstruktur die grundlegende Funktion eines Proteins besteht darin, andere Moleküle selektiv binden zu können (z.B. RNA, DNA, kleine Moleküle wie Zucker, …) Glucokinase Proteinasen Ribosom Protein tRNA Source: www.pdg.org dafür ist eine exakte räumliche Anordnung funktioneller Gruppen notwendig trotzdem sind Proteine keine starren Gebilde, ihre Beweglichkeit ist oft Teil der Funktion 9 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Proteinstruktur - Übersicht Primärstruktur Aminosäuren Peptidbindung Seitenketten-Konformationen Sekundärstruktur -Helix -Faltblatt Turns & Random Coil Kräfte und Bindungen Bindungsarten nicht-kovalente Wechselwirkungen Tertiärstruktur Faltung Topologie & Domänen 10 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Primärstruktur - Aminosäuresequenz Carboxyl-Gruppe N-Terminus C-Terminus Amino-Gruppe Selenocystein Proteine bestehen aus L-Aminosäuren (chirales Zentrum am C) 20 Aminosäuren gehören zum Basissatz 2 weitere Aminosäuren kommen selten vor: Selenocystein & Pyrrolysin 11 Eigenschaft Aminosäuren unpolar Alanin, Valin, Isoleucin, Leucin, Methionin, Prolin, Phenylalanin geladen Asparaginsäure, Glutaminsäure, Histidin, Lysin, Arginin ungeladen Serin, Threonin, Cystein, Asparagin, Glutamin, Tyrosin, Tryptophan keine Seitenkette Glycin Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Pyrrolysin Primärstruktur - Aminosäuresequenz ungeladene Aminosäuren geladene Aminosäuren unpolare Aminosäuren Imidazol = verantwortlich für die Absorption im UV Bereich = verantwortlich für die Bildung von Disulfidbrücken = His6-Tags für Bindung an Ni-Chelat Säulen (Affinitätschrom.) 12 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten UV Absorption: Protein Spektren Absorption intensity Tyrosine Tryptophane Phenylalanine 240 – 300 nm 13 Lysozyme Cytochrome C Ribonuclease A Tyr 3 4 4 Phe 3 4 3 Trp 6 1 1 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Exkurs: Darstellung von Proteinen -Trace Backbone Backbone + Seitenketten nur C Atome C, C, N Atome + Seitenketten Ribbon nur Sekundärstruktur Elemente 14 van-der-Waals Oberfläche Berücksichtigung der realen Atomradien Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Zugängliche Oberfläche Berücksichtigung der Größe der Lösungsmittelmoleküle Primärstruktur - Aminosäuresequenz Source: Textbook of Structural Biology ISBN: 978-981-277-208-4 - Winkel - Winkel -Winkel Bindung zwischen Carboxylgruppe und Aminogruppe wird als Peptidbindung bezeichnet (entsteht chemisch unter Abspaltung von Wasser) als sterischen Gründen meist in trans – Form Ausnahme: Prolin -C-N- Bindung hat Doppelbindungscharakter durch Resonanzstruktur dadurch liegen C - C - N - C auf einer Ebene aus diesem Grund lässt sich die Geometrie des Backbones über - und - Winkel beschreiben 15 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Prolin Ramachandran Plot -Helix -Helix Phi kann verwendet werden, um die Qualität von experimentell bestimmten Strukturen zu überprüfen aber: nicht alle Aminosäuren liegen nur in den erlaubten Bereichen oft sind genau diese Aminosäuren dann mit der biologischen Aktivität des Moleküls verknüpft rechts: beruht auf 1000 experimentell bestimmten Proteinstrukturen da Glycin keine Seitenkette hat, ist es deutlich beweglicher 16 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Source: Textbook of Structural Biology ISBN: 978-981-277-208-4 alle anderen -Faltblatt Psi Source: Protein Structure and Function ISBN: 978-019-955-684-7 Glycin Ramachandran Plot: Lactoferrin Lactoferrin -helix -sheet 17 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Seitenketten Konformationen chi3 C Source: Textbook of Structural Biology ISBN: 978-981-277-208-4 chi2 C C O N chi1 C t + = trans = gauche – = gauche + (180°) (-60°) (+60°) auch die Seitenketten nehmen bevorzugte Konformationen eine, sogenannte Rotamere chi1 solche Rotamere werden in Listen zusammengefasst können wichtige Anhaltspunkte sein für HomologieModellierung und für den Austausch von einzelnen Aminosäuren in Proteinen (rationales Proteindesign) 18 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Zusammenfassung Primärstruktur Proteine bestehen aus 20 natürlichen Aminosäuren diese kann man nach ihren Eigenschaften grob in Klassen einteilen die einzelnen Aminosäuren sind über Peptidbindungen verbunden der Grundgerüst von Proteinen hat eine eingeschränkte Variabilität die Konformation der Seitenketten unterliegt ebenfalls gewissen Einschränkungen 19 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Sekundärstruktur oft nehmen aufeinander folgende Aminosäuren eine ähnliche Konformation ein es bilden sich Sekundärstrukturen 3 Klassen: -Helix -Faltblatt Random coil Helices und Faltblattstrukturen entstehen unter Ausbildung von H-Brücken zwischen den Backbone Atomen von –NH und –CO Gruppen dafür müssen diese Gruppen räumlich nah genug beieinander liegen Coil Regionen liegen oft an der Oberfläche von Proteinen und sind manchmal aufgrund ihrer Flexibilität für Protein-Aktivität verantwortlich 20 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten 3 Arten von Helices sind weit verbreitet: -Helix Backbone - oder 3.613 -Helix häufigste Form 3.6 Aminosäuren (AS) pro Drehung eine H-Brücke umfasst einen Bereich von 13 Atomen d.h. dass sich ASn und ASn+4 in der Struktur räumlich nahe kommen Seitenketten sind immer 100° gegeneinander verdreht mit Seitenketten Source: Textbook of Structural Biology ISBN: 978-981-277-208-4 Sekundärstruktur: -Helix 310 -Helix weniger häufig 3 Aminosäuren pro Drehung ASn und ASn+3 bilden H-Brücken schmaler und weniger stabil 3.613 –Helix, Draufsicht - oder 4.416-Helix am seltensten richtiger: 4.116 –Helix Seitenketten liegen übereinander (180° gegeneinander verdreht) 21 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Source: Protein Structure and Function ISBN: 978-019-955-684-7 Sekundärstruktur: -Helix amphiphiler Charakter: hydrophob von vorne von hinten je nach Helix-Art liegt jede 3.-4. Aminosäure auf der gleichen Seite der Helix hydrophil so können Helices entstehen, die auf einer Seite polar und auf der anderen Seite unpolar sind solche amphiphilen Helices sind an der Ausbildung eines Grundgerüsts beteiligt wenn sie zur Proteinoberfläche beitragen, liegt ihr unpolarer Teil meist vom Lösungsmittel abgewandt mehrere solcher Helices können sich zu einer Superhelix zusammenlagern 22 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Proteinoberfläche Sekundärstruktur: -Helix - Polarisierung: jede Peptidebene weist ein Dipolmoment auf alle Peptidebenen innerhalb einer Helix haben eine ähnliche Ausrichtung dadurch bekommt die Helix ein Dipolmoment der N-Terminus ist partiell positiv geladen der C-Terminus partiell negativ + C-Terminus - N-Terminus + Effekte: negativ geladenen Seitenketten am N-Terminus stabilisieren Helices (GLU, ASP) Coenzym- und Substrat-Bindung kann stabilisiert werden antiparallel angeordnete Helices stabilisieren sich gegenseitig 23 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Sekundärstruktur: -Faltblatt parallel & anti-paralleles -Faltblatt mit Seitenketten -NH & -CO Gruppen bilden H-Brücken mit benachbarten Strängen aus diese Stränge können parallel, anti-parallel oder gemischt vorliegen Stränge am Rand eines Faltblattes haben eine hohe Affinität zu anderen Faltblattstrukturen Aggregation: Bildung von Proteinkomplexen (aus Untereinheiten) Bindung von Peptid-Substraten bei Proteasen Amyloid Aggregation von Proteinen 24 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Exkurs: Collagen Strukturprotein des Bindegewebes (Knochen, Zähne, Knorpel, Haut, …) ca. 30% des Gesamtproteins beim Menschen Größe: 600 – 3000 Aminosäuren hohe Zugfestigkeit, kaum dehnbar dominierende -Struktur: Polyprolin Helix (Helix aus 3 Peptidsträngen) besteht aus einer repetitiven Sequenz: - (Prolin – Hydroxyprolin – Glycin)x - diese Struktur gibt es auch selten in löslichen Proteinen Hydoxylysin sorgt für eine Quervernetzung von Collagenen um jeweils 67 nm verschobene Collagen Moleküle lagern sich zu Fibrillen zusammen Vitamin C ist an der Umwandlung von Prolin zu Hydroxyprolin beteiligt Mangel:Störung der Collagen Bildung (Skorbut) 25 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Typ I‘ Source: Textbook of Structural Biology ISBN: 978-981-277-208-4 Sekundärstruktur: Turns Typ II Turns verbinden häufig anti-parallele -Faltblattstränge es gibt insgesamt 7 verschiedene Typen (I‘ und II sind die Häufigsten) zwischen n und n+3 bildet sich meistens eine H-Brücke aufgrund des engen Knicks im Backbone sind meist Glycin und Prolin zentraler Bestandteil eines Turns Prolin 26 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Sekundärstruktur Vorhersage beruhend auf statistischer Analyse von Proteinstrukturen einige Aminosäuren werden bevorzugt in bestimmten Sekundärstrukturen gefunden ein Fenster von jeweils 5 zusammenhängende Aminosäuren der Primärsequenz wird analysiert Vorhersage ist allerdings nur grob bevorzugt in -Helix bevorzugt in -Helix bevorzugt Turns Source: Williams, R.W. et al.: Biochim. Biophys. Acta, 1987, 916:200-204 27 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Zusammenfassung: Sekundärstruktur 3 wichtige Klassen: -Helix -Faltblatt Random Coil & Turn zentrale Rolle in der Ausbildung von Tertiär- und Quartärstrukturen amphiphile Helices Aggregation von Faltblatt-Strukturen Dipolmoment von Helices Sonderstellung von Glycin und Prolin bei der Ausbildung von Sekundärstrukturen: Polyprolin-Helix Prolin und Glycin in gehäuft in Turn Regionen Sekundärstruktur Vorhersage 28 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Kräfte & Bindungsarten in Makromolekülen zwei Atome gehen dann eine Bindung ein, wenn die entstehende Struktur eine niedrigere Gesamtenergie hat, als die beiden einzelnen Atome die Art der Bindung hängt davon ab, welcher Zustand die niedrigste Energie hat kovalente Bindung ionische Bindung metallische Bindung kovalente Bindung in biologischen System die häufigste Bindungsart ionische Wechselwirkung in Form von Salzbrücken Wasserstoffbrücken spielen ebenfalls eine zentrale Rolle metallische Bindung hat für biologische Systeme keine Relevanz 29 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Bindungsarten: Kovalente Bindung zeichnen sich aus durch eine charakteristische Bindungsenergie (oder Dissoziationsenergie) und eine Standardbindungslänge typische Bindungsenergien: 160 -1100 kJ/mol Mehrfachbindungen sind stärker als Einfachbindungen es gibt generelle Trends: Bindungsenergie nimmt ab je weiter die Komponenten im Periodensystem unten stehen Bindungslängen & -energien sing relativ gut reproduzierbar innerhalb unterschiedlicher Substanzen (< 10% Abweichung) kovalente Bindungen können polar sein, wenn sich die Bindungspartner stark in ihrer Elektronegativität unterscheiden wichtige Beispiele: Disulfid-Brücke Peptidbindung Disulfid-Brücken zwischen Cysteinen Source: http://en.wikipedia.org 30 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Elektrostatische Wechselwirkungen geladenen Aminosäuren positive Ladung: negative Ladung: Lactoferrin zugängliche Aminosäuren Lysin, Arginin, Histidin Asparaginsäure Glutaminsäure andere Ladungsträger in biologischen Systemen: Phosphate (z.B. in Phospholipiden & DNA) Ethanolamin (Kopfgruppen in Phospholipiden) Aminosäuren im Innern Solvatisierung: Wechselwirkung zwischen Ionen/Ladungen und einem polaren Lösungsmittel, z.B. Wasser Solvatisierung stabilisiert Ionen in Lösung stabilisierender Effekt ist gekennzeichnet durch die Solvatisierungsenergie entropische Effekte spielen ebenfalls eine große Rolle Source: http://en.wikipedia.org 31 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Elektrostatische Wechselwirkungen Wechselwirkungen zwischen Ladungen Coulomb Gesetzt: F ∗ ∗ Qi r F = Elementarladung = Permittivität = Abstand = Kraft zwischen den Ladungen danach fällt die Abstoßung gleichartiger Ladungen mit 1/Abstand Permittivität hängt vom Medium ab: Wasser: Protein: = 80 = 2-20 gleichartige Ladungen im Innern eines Proteins würden sich stärker abstoßen gegensätzliche Ladungen im Innern ziehen sich stärker an Ausbildung von Salzbrücken 32 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Polare Wechselwirkungen: H-Brücken spielen eine zentrale Rolle in biologischen Systemen, z.B. bei der Bildung von Helices und Faltblatt-Strukturen bilden sich, wenn Wasserstoff von zwei elektronegativeren Atomen umgeben ist, die über ein freies Elektronenpaar verfügen alternierende Bindung zwischen Akzeptor und Donor Energie und Länge Akzeptor optimale Länge: 2.8 Å optimale Bindungsenergie: ~ 20 kJ/mol optimaler Winkel (Akzeptor – H – Donor) : ~180° optimaler Winkel (-COH): ~120° in biologischen Systemen oft Sauerstoff oder Stickstoff nicht ausgebildete H-Brücken im Inneren eines Proteins können dieses destabilisieren (z.B. beim Protein p53) 33 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten + + - H O Donor H polare Wechselwirkung von aromatischen Aminosäuren (Trp, Tyr, Phe, His) delokalisierte -Elektronen führen zu einer negative Partialladung oberhalb und unterhalb des Rings + - Source: http://en.wikipedia.org Polare Wechselwirkungen: dadurch entsteht eine positive Partialladung auf Eben des Rings dabei sind die Ringe zueinander versetz oder orthogonal zueinander 34 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Source: Textbook of Structural Biology ISBN: 978-981-277-208-4 aromatische Seitenketten benachbarter Aminosäuren können positiv miteinander wechselwirken Unpolar Wechselwirkungen Van-der-Waals Kräfte: Wechselwirkungen zwischen permanenten und induzierten Dipolen sehr geringe Reichweite: mittlerer Atomabstand ~ 3.6 Å Kraft nimmt mit 1/r6 ab tragen wesentlich zur Stabilisierung der Proteinstruktur im Innern des Proteins bei Lactoferrin zugängliche Aminosäuren Aminosäuren im Innern ist im Wesentlichen ein entropischer Effekt hydrophobe Seitenketten lagern Wassermoleküle an – es bilden sich relativ starre Wasserstrukturen dabei wird die Bildung von H-Brücken mit dem Lösungsmittel gestört wenn sich diese Seitenketten im Innern zusammenlagern, sind sie nicht mehr zugänglich für das Lösungsmittel - die Entropie nimmt zu 35 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Source: wikipedia.org Hydrophober Effekt: Zusammenfassung: Wechselwirkungen kovalente Bindung: Peptidbindung, Disulfid-Brücken elektrostatische Wechselwirkungen: geladenen Aminosäuren: Lysin, Arginin, Histidin, Glutamin- & Asparaginsäure befinden sich meistens an der Oberfläche Solvatisierung Polare Wechselwirkungen: deutlich schwächer dafür in großer Anzahl H-Brücken weit verbreitet in biologischen Systemen -Stacking Unpolare Wechselwirkungen van-der-Waals Kräfte zwischen Dipolen entropisch getriebener, hydrophober Effekt 36 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Tertiärstruktur: ‚Hydrophobic Collapse‘ a) Denatured b) Intermediate c) Major transition d) Native 37 Sekundärstrukturen existieren nur teilweise im entfalteten (denaturierten) Zustand polarer Backbone (-N-C-C-) bildet H-Brücken mit Lösungsmittel aus unpolare Seitenketten bilden starre Wasserstrukturen (energetisch ungünstig, hydrophober Effekt) hydrophobe Seitenketten lagern sich zusammen um Oberfläche zu minimieren dabei werden H-Brücken des Backbones mit dem Lösungsmittel zerstört energetisch ungünstig Backbone bildet H-Brücken mit benachbarten Aminosäuren aus das führt zur Ausbildung von zusätzlichen Sekundärstrukturen räumliche Nähe der hydrophoben Seitenketten führt außerdem zur Source: Protein Structure and Function Zunahme von Van-der-Waals Kräften ISBN: 978-019-955-684-7 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Tertiärstruktur: Topologie Topologie = räumliche Anordnung von Teilstrukturen (hier: Sekundärstrukturen) Analyse von Proteinstrukturen hat gezeigt, das es wiederkehrende Strukturmotive gibt: Porin aus Zellmembran von E.coli Seitenansicht Draufsicht Greek-Key -Untereinheit von Transducin Seitenansicht -Hairpin 38 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Draufsicht Tertiärstruktur: Topologie Hämgruppe Hüllprotein des Tabak-Mosaik Virus Myoglobin -helikale Bereiche ordnen sich oft zu Bündeln problematisch ist die Anordnung der Seitenketten oben links: 4-Helix-Bundle 2 Paare anti-paralleler -Helices, 20° zueinander gedreht oben rechts: Zusammenlagerung mehrere Helices Drehwinkel zueinander ~50° 39 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Tertiärstruktur: Domänen viele Proteine falten sich um einen hydrophoben Kern Lactoferrin zugängliche Aminosäuren die Mehrheit verfügt aber über mehrere strukturelle Untereinheiten, sogenannten Domänen diese Domänen weisen eigene, hydrophobe Kernbereiche auf Aminosäuren im Innern diese sind entweder: 1. Vervielfachte und anschließend fusionierte Gensequenzen Domäne 1 2. strukturell homologe Bereiche mit unterschiedlicher Sequenz (wie hier bei Lactoferrin) Domäne 2 Einteilung in Domänen nicht immer einfach manchmal sind sie in der Primärsequenz auch nicht klar geteilt (dann gibt es oft mehrere Verbindungsstellen) rotated by 180° 40 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Tertiärstruktur: Domänen eine Form der nicht-nativen Aggregation durch Austausch der Domänen entsteht ein kovalent verknüpftes Dimer dies kann auch zur Entstehung von Multimeren führen und damit zu langen unverzweigten oder verzweigten Polymerketten Tail Regionen: oft in Monomer Strukturen zu finden vor allem am C- oder N-Terminus übernehmen wichtige Funktion bei der Bildung von Komplexen 41 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Monomer nicht-native Form Lactat Dehydrogenase Tetramer Source: Textbook of Structural Biology ISBN: 978-981-277-208-4 native Form Domain-Swapping: Loop Regionen in Antikörpern Ketten: hypervariable Regionen (CDR) 2 schwere Ketten 2 leichte Ketten beide über Disulfidbrücken verknüpft variable Region Domänen: leichte Kette leichte Kette: 1 konstante und 1 variable schwere Kette: 3 konstante und 1 variable variable Domänen zuständig für Antigen Bindung FC Teil hypervariable Bereiche: schwere Kette Source: wikipedia.org 42 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten beeinflussen Spezifität unterschiedliche Aminosäure Zusammensetzung Tools & Datenbanken www.expasy.org Primärsequenz Informationen Stoffwechsel Informationen Proteomics Homologie Suche pI + MW Rechner Massenspektrometrie 43 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Tools & Datenbanken Resources for Education www.pdb.org Molecule of the Month 44 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten PDB Einträge 45 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Software: Strukturbetrachter UCSF Chimera Swiss PDB Viewer 46 (http://plato.cgl.ucsf.edu/chimera/) (http://spdbv.vital-it.ch/) Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten Entwicklung des Lebens • einzelliger Organismus als Ursprung allen Lebens • es haben sich 3 Domänen gebildet • Diversität an Organismen ist hoch dynamisch durch Anpassung an die jeweilige Umwelt • Archaea: • haben sich sehr früh abgespalten und besiedeln oft extreme Habitate (heiße oder saure Quellen, Tiefsee, etc.) • gleichen in ihrem Stoffwechsel den Bakterien und in ihrer Replikation, Transkription und Translation den Eukaryoten • Endosymbionten-Theorie Source: Textbook of Structural Biology, World Scientific Verlag http://www.amnh.org/exhibitions/darwin/idea/think.php 47 Dr.-Ing. Florian Dismer Lehrstuhl für Molekulare Aufarbeitung von Bioprodukten