Über zwölf Millionen Deutsche leiden unter einer Angststörung

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Medizin | Spezial
Über zwölf Millionen Deutsche
leiden unter einer Angststörung
Die Angst taucht überraschend auf und äußert sich in Atemnot, Herzrasen, Hitzewallungen, Schwindel und
Todesangst. Über zwölf Millionen Menschen leiden allein in Deutschland an der so genannten Agoraphobie,
rechnet Experte und Therapeut Klaus Bernhardt die verfügbaren validen Daten hoch. Diese sind wohl auch
aufgrund der komplizierten und unspezifischen Diagnostik rar und stammen u.a. aus der Gesundheits-Berichterstattung des Bundes der Jahre 2004 und 2006. 15,3 Prozent der Bevölkerung sind den Zahlen nach
betroffen. Man darf also durchaus von einer Volkskrankheit sprechen. Demnach landet rund jeder sechste
Erwachsene hierzulande wegen krankhafter Angst beim Arzt.
Keine körperlichen Ursachen
D
ort lassen sich viele Erkrank­
te von Kopf bis Fuß untersu­
chen. In den meisten Fällen wer­
den jedoch keine körperlichen
Ursachen für die plötzlich auftre­
tenden Ängste gefunden.
Experten sprechen in diesem
Fall dann von einer psychoso­
matischen Störung, sogenannten
Panikattacken. Dass sie mit dieser
Diagnose nicht alleine dastehen,
merken Panikpatienten spätestens
„Ein Großteil der Menschen, die
unter Panikattacken leiden,
könnte nach nur fünf oder sechs
Sitzungen angstfrei sein, wenn
diese neuen Techniken weiter
verbreitet wären.“
Klaus Bernhardt
62 — der niedergelassene arzt 11/2015
dann, wenn sie auf einen Thera­
pieplatz warten müssen. Warte­
zeiten von bis zu sechs Monaten
sind keine Seltenheit.
Antidepressiva weit verbreitet
Und ist endlich ein Platz gefunden,
stellen sich die meisten der ange­
botenen Therapien als äußerst
langwierig heraus. Zudem werden
schon zu Beginn der Behandlung
vielfach Antidepressiva verschrie­
ben. Auch starke Beruhigungs­
FOTO: XXXX – FOTOLIA
Angst entsteht durch
bestimmte,
auto­matisierte
Denk- und
Wahrnehmungsprozesse.
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mittel mit hohem Suchtfaktor, die
Benzodiazepine, kommen zum
Einsatz. Viele Patienten stehen ei­
ner solchen Medikation aber skep­
tisch gegenüber, weiß u.a. Klaus
Bernhardt. Der Angstexperte setzt
sich seit Jahren für neue, effekti­
vere Behandlungsmethoden ein. In
seiner Praxis für Psychotherapie
in Berlin arbeitet er deshalb mit
verschiedenen neuen Methoden,
die allesamt auf den neusten Er­
kenntnissen der Gehirnforschung
basieren. Für viele Angstgeplagte,
bei denen herkömmliche Therapi­
en versagt haben, ist der Thera­
peut oft die letzte Hoffnung.
Angststörungen in der Bevölkerung
Agoraphobie – mit Panikattacken
(ca. 2 Mio. Menschen)
Agoraphobie – ohne Panikattacken
Jeder 6. Erwachsene in Deutschland leidet unter einer Angststörung
Graben in der Kindheit
Laut dem Fachmann wirken An­
tidepressiva ohnehin nur etwa bei
einem Viertel aller Betroffenen.
75 Prozent hingegen berichten
über keinerlei Verbesserung, sehr
wohl aber über viele unerwünsch­
te Nebenwirkungen. Auch die in
Deutschland gängigen Therapie­
verfahren geraten Bernhardts Aus­
sage nach in letzter Zeit mehr und
mehr in die Kritik.
Der Fachmann: „Ein Großteil
der Menschen, die unter Panik­
attacken leiden, könnte nach nur
fünf oder sechs Sitzungen angst­
frei sein, wenn diese neuen Tech­
niken weiter verbreitet wären.“
Denn auch ohne Medikation seien
weder das Graben in der Kindheit
noch Atemübungen und progres­
sive Muskelentspannung wirk­
lich dazu geeignet, Panikattacken
schnell zu stoppen.
Vielmehr entstünde Angst
durch bestimmte, automatisierte
Denk- und Wahrnehmungspro­
zesse. „Nur wer diese Prozesse
erkennt und sie mit entsprechen­
der Hilfe aktiv verändert, kann die
Angststörung schnell und nach­
haltig und meist medikamenten­
frei loswerden“, so der Experte.
FOTO: XXXX – FOTOLIA
Konfrontation hilft nicht
Von der ebenfalls häufig durchge­
führten Konfrontationstherapie –
auch Exposition genannt – rät der
Experte ebenfalls dringend ab. Es
gebe mittlerweile zahlreiche Hin­
weise aus der Gehirnforschung,
dass diese Techniken neurophy­
siologisch gesehen mehr Schaden
anrichteten, als dass sie wirklich
helfen würden. Denn jeder einzel­
ne Gedanke lasse im Gehirn neue
synaptische Verbindungen ent­
stehen, erklärt Klaus Bernhardt.
„Nur wer diese Prozesse
erkennt und sie mit entsprechender Hilfe aktiv verändert,
kann die Angststörung
schnell, nachhaltig und
meist medikamentenfrei
loswerden“
Klaus Bernhardt
„Patienten lernen während einer
Konfrontationstherapie zwar, dass
sie in bestimmten, angstbesetzten
Situationen nicht sterben, sie bil­
den aber zeitgleich auch tausende
neuer Synapsen, in denen Angstin­
formationen gespeichert sind.“
Kostenfreier Podcast
zum Thema
Der Berliner Therapeut ist sich
des Sprengstoffs in seiner Aussage
durchaus bewusst, denn nach wie
vor werden die oben beschriebenen
Behandlungen von den meisten
Kassen problemlos übernommen.
63 — der niedergelassene arzt 11/2015
Davon lässt sich der Therapeut, der
sich auf die Behandlung von Angst­
zuständen spezialisiert hat, jedoch
nicht beirren. Mit seinem kosten­
losen Podcast „Panikattacken los­
werden“ (zu finden unter http://
stoppanicattacks.libsyn.com) oder
auf iTunes in der Rubrik Gesund­
heit sowie auf Impulsveranstaltun­
gen schenkt er angeblichen Thera­
pie-Versagern wieder Hoffnung auf
ein Leben ohne Angst und Panik. Er
will aufrütteln und die Gesellschaft
für das Thema sowie für neue,
wirksame Behandlungsmethoden
sensibilisieren.
Peter Laaks
Klaus Bernhardt war 20 Jahre als
Fernsehjournalist für die Bereiche
Medizin und Wissenschaft tätig,
bevor er spätberufen seine eigene
Praxis für Psychotherapie in Berlin
eröffnete. Er ist Hypnosetherapeut,
Heilpraktiker für Psychotherapie und
Mitglied der Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB).
www.panikattacken-loswerden.de
Peter Laaks arbeitet seit 15 Jahren
als freier Journalist und Autor für
Redaktionen, Verlage und versch.
Kommunikationsabteilungen. Er hat
ein eigenes Pressebüro in Essen.
www.pressebuero-laaks.de
[email protected]
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Psychische Störungen und
chronischer Schmerz
Jeder vierte Jugendliche hat chronische Schmerzen und eine psychische Störung
hinter sich. Psychische Störungen gehen dabei den Schmerzen häufig voraus: Depressionen, Angststörungen und Verhaltensstörungen treten überdurchschnittlich
oft vor Kopf-, Rücken- und Nackenschmerzen auf.
D
ass psychische Störungen und chro­
nischer Schmerz häufig gemeinsam
auftreten, haben Studien an Erwachsenen
bereits gezeigt. Wie häufig und in welchen
Mustern solche Zusammenhänge bereits
bei Kindern und Jugendlichen vorkom­
men – und vor allem in welcher zeitlichen
Abfolge – hat nun eine Forschergruppe um
PD Dr. Marion Tegethoff von der Fakul­
tät für Psychologie der Universität Basel
im Rahmen eines Projekts untersucht, das
vom Schweizerischen Nationalfonds ge­
fördert wurde. Dafür wurden die Daten
einer repräsentativen Bevölkerungsstich­
probe aus den USA, bestehend aus 6.483
Jugendlichen zwischen 13 und 18 Jahren,
ausgewertet.
Die Forschenden stellten fest, dass
über ein Viertel (25,9 %) der Jugendlichen
im Laufe ihres Lebens unter chronischen
Schmerzen und mindestens einer psychi­
schen Störung gelitten hat.
Dabei fanden sie Zusammenhänge zwi­
schen allen untersuchten Arten von psychi­
schen Störungen (wie affektive Störungen,
Angststörungen, Verhaltensstörungen, sub­
stanzinduzierte Störungen und Essstörun­
gen) und chronischen Schmerzerkrankun­
gen (wie Rücken-/Nackenschmerzen und
Kopfschmerzen). Psychische Störungen
gingen den chronischen Schmerzen häu­
fig voraus. So traten vor allem affektive
Störungen wie Depressionen zeitlich vor
Kopfschmerzen auf. Weiter gingen Angst­
störungen oft Nacken- und Rückenschmer­
zen sowie Kopfschmerzen voran. Schliess­
lich sagten auch Verhaltensstörungen wie
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts­
störungen das Risiko für Kopfschmerzen
vorher.
Da die analysierten Daten aus einer
Querschnittstudie stammen, konnte nicht
untersucht werden, ob und wie psychische
Störungen und chronische Schmerzen ur­
sächlich miteinander zusammenhängen.
„Die gefundenen zeitlichen Zusammen­
hänge können nur erste Hinweise darauf
geben, dass psychische Störungen kausale
Risikofaktoren für chronische Schmerzen
sein könnten. Zukünftige Studien sollten
vor allem die zugrundeliegenden biologi­
schen und psychologischen Mechanismen
identifizieren, um interdisziplinäre Präven­
tions- und Behandlungsansätze zu entwi­
ckeln“, so Tegethoff.
Marion Tegethoff, Angelo Belardi, Esther Stalujanis, Gunther
Meinlschmidt. Comorbidity of Mental Disorders and Chronic
Pain: Chronology of Onset in Adolescents of a National
Representative Cohort, Journal of Pain (2015), doi: 10.1016/j.
jpain.2015.06.009.
Neue Tests zur Früherkennung
von Alzheimer
Die Alzheimer’s Association International Conference (AAIC) ist das weltweit
größte Zusammentreffen von Wissenschaftlern mit Fokus auf Alzheimer und
andere Demenzerkrankungen.
FOTO: XXXX – FOTOLIA
G
ehirn-Scans, Gedächtnis-Tests und
Körperflüssigkeiten, wie etwa Spei­
chel, sind möglicherweise der Schlüssel,
um die Wahrscheinlichkeit eines Menschen
an Alzheimer zu erkranken zu verstehen –
selbst wenn noch keine Gedächtnis- oder
Denkstörungen präsent sind. Darauf deu­
ten vier Studien hin, welche auf der Alz­
heimer’s Association International Confe­
rence® 2015 (AAIC® 2015) in Washington,
D.C. vorgestellt wurden.
Zwei der Studien suggerieren, dass
Überschüsse gewisser Proteine in der Cere­
brospinalflüssigkeit (CSF) starke Prädik­
toren für Alzheimer sind. Die Genauigkeit
64 — der niedergelassene arzt 11/2015
dieser Prädiktoren ist höher, wenn diese in
Verbindung mit weiteren diagnostischen
Tests – wie Gedächtnistests oder MRI Ge­
hirn-Scans – erwogen werden. Eine dritte
Arbeit behandelt eine neue Art der Bild­
gebung von Entzündungen im Gehirn mit
PET-Scans, welche in Zukunft benutzt wer­
den könnte, um Behandlungsmöglichkei­
ten zum Schutz des Gehirns zu entwickeln.
Die letzte Studie ist klein, aber verblüf­
fend: Es geht um die Möglichkeit, auf Alz­
heimer zurückzuführende Veränderungen
im Speichel zu untersuchen – eine einfache,
sichere und günstige Methode. Allerdings
steht die Forschung hier noch ganz am An­
fang. Weitere Informationen auf der AAIC
2015 Webseite: www.alz.org/aaic/
Quelle: Alzheimer’s Association International Conference®
2015.
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