Kapitel 21 Die schwache Wechselwirkung 21.1 Einleitung Die schwache Wechselwirkung wirkt zwischen allen elementaren Fermionen, d.h. allen Quarks (u,d,s,...) und allen Leptonen (e, m, ...). Es folgt, dass alle eine “schwache Ladung g” haben. Die schwache Wechselwirkung ist oft nicht beobachtbar, weil sie relativ zu starken oder elektromagnetischen Prozessen stark unterdrückt ist. Schwache Prozesse werden beobachtet, wenn die anderen Wechselwirkungen verboten sind, d.h. 1. 2. wenn Neutrinos an den Prozessen teilnehmen (Neutrinos besitzen keine starke oder elektromagnetische Wechselwirkung) wenn die Quarkflavors im Prozess geändert werden (d.h. DI, DS, usw...) Teilchenphysik 361 Die schwache Wechselwirkung Wir betrachten die Diagramme von verschiedenen Prozessen: Stark: p D++ Resonanz tª10 D++ u u u u p s –25 u u p d d + p u Elektromagnetisch: eq p0Æ gg g u p0 g u eq=Quarkladung eq tª10–16 s Die (geladene) schwache Wechselwirkung wird durch W±-Boson übermittelt: Muon-Zerfall: m– nm g W± g g=schwache Kopplung e– ne Die elektrische Ladung wird, wie erwartet, an den Vertices erhalten. Der schwache Vertex ändert die Natur der Teilchen: das einfallende Myon wird in ein auslaufendes Neutrino umgewandelt. Das W-Boson wird in ein Elektron-Neutrino-Paar zerfallen. 362 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Einleitung Wir betrachten den Zerfalls des L-Hyperons: L-Zerfall: L u d s - 1 3 W± u d p 2 u + 3 d – p u g Auch in diesem Fall wird die Natur der Teilchen geändert: ein sQuark wird in ein u-Quark umgewandelt (Flavor-Änderung) und das W-Boson wird in ein u-d-Quark-Paar zerfallen. Im Allgemeinen bemerken wir, dass die Struktur der schwachen (geladenen) Kopplung die folgende ist: das W-Boson koppelt an bestimmte Paare von elementaren Fermionen. W± g e– W± g ne m– nm W± g d,s u Wir werden im Kap. 22 die Kopplung zwischen W und Quarks nochmals diskutieren. Teilchenphysik 363 Die schwache Wechselwirkung In der W-Kopplung werden bestimmte Quantenzahlen erhalten. Im Fall der Leptonen z.B. werden nur die folgenden Prozesse beobachtet: W - Æ e -n e , W - Æ m -n m , aber nie W-Æ / e nm , W Æ / m ne W± e– g W± g m– nm ne Diese Prozesse sind wegen der Erhaltung des Lepton-Flavors verboten. Wir führen die additive Elektron-Zahl Le ein: Ï+1 für e - und n e Ô Le = Ì-1 für e + und n e Ô0 alle anderen Ó Elektron - Zahl und in ähnlicher Weise werden die Myon-Zahl Lm und die Tau-Zahl Lt eingeführt. Das Tau ist das schwerste Lepton, es wurde 1976 entdeckt (Perl et al., 1976). Die Elektron-, Myon- und Tau-Zahlen werden einzeln erhalten: Le Lm 364 m - Æ e- ne 0 Æ 1 1 Æ 0 –1 0 nm 0 1 Elektron - Zahl Myon - Zahl Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die schwache Kopplung Zusammenfassend schreiben wir, dass der geladene schwache Strom die folgenden drei Familien koppelt: Ên e ˆ Ên m ˆ Ênt ˆ Á -˜ ,Á -˜ ,Á -˜ Ë e ¯ Ë m ¯ Ët ¯ Die Erhaltung der Leptonen-Flavors (“LFC=Lepton Flavor Conservation”) erklärt auch die Abwesenheit des radiativen Zerfalls des Myons: Le Lm m- Æ / e g 0 Æ 1 0 1 Æ 0 0 Elektron - Zahl Myon - Zahl Experimentell gelten die Grenzwerte: Br(m - Æ e -g ) <ª 5 ¥ 10 -12 Br(m - Æ eee) <ª 10 -12 Die Lepton-Flavors sind erhalten ! 21.2 Die schwache Kopplung Wir vergleichen die zwei folgenden Zerfälle: S + (1189) Æ pp 0 S 0 (1192) Æ Lg Teilchenphysik t ª 10 -10 s schwach t ª 10 -19 s elektromagnetisch 365 Die schwache Wechselwirkung Aus diesen Lebensdauern kann das Verhältnis der elektromagnetischen und schwachen Kopplung bestimmt werden: g 10 -19 -5 ª !! -10 ª 10 e 10 Die schwache Kopplung ist viel kleiner als die elektromagnetische Kopplung. Woher kommen so unterschiedliche Kopplungen? Ist die schwache Kopplungskontante viel kleiner als die elektromagnetische Kopplungskonstante g<< e? Die Antwort ist nein. Der Grund für die schwache Kopplung ist die sehr grosse Masse des ausgetauschten Bosons! m– nm g g W± g=schwache Kopplung e– sehr massives ausgetausches Boson ne Der Propagator des massiven Spin-1 Bosons ist gleich (wir vernachlässigen die Breite des Bosons): Ê q m qn ˆ iÁ - g mn + 2 ˜ MW ¯ Ë iGVmn (q 2 ) ∫ 2 q - MW2 Vergleich mit dem Photon-Propagator: mg=0 -ig mn iG (q ) ∫ q2 mn g 366 2 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die schwache Kopplung Bei niedriger Energie können wir annehmen, dass die folgende Bedingung gilt: q 2 << MW2 und es folgt, iGVmn (q 2 << MW2 ) ª ig mn ª Konst. MW2 d.h. der Propagator ist unabhängig von q2. Die physikalische Bedeutung ist, dass bei niedriger Energie (q2<<M2W) die Existenz des Propagators des massiven Bosons nicht gespürt wird ! Die schwache Wechselwirkung kann in diesem Fall als ein 4-Fermion-Kontakt-Term ausgedrückt werden : nm m– e– GF GF=schwache Fermi-Kopplung ne neue Kopplungskonstante Der Propagator wird durch eine Konstante, die Fermi-Kopplungskonstante, ersetzt und es gilt, Ê g2 ˆ GF ª OÁ 2 ˜ Ë MW ¯ wobei g die schwache Kopplungskonstante ist. Teilchenphysik 367 Die schwache Wechselwirkung Glashow, Weinberg, Salam (1961-1968): Elektroschwache Theorie (“Elektroweak Unified Theorie”): die schwache und elektromagnetische Kopplungskonstante müssen ungefähr gleich sein! gªe Elektroschwache Vereinheitlichung Es folgt, MW ª g e ª ª GF GF 4pa GF wobei a die Feinstrukturkonstante ist. Aus der Myon-Lebensdauer tª2,2 µs können die Fermi-Konstante und die Masse des schwachen W-Bosons bestimmt werden: GF ª 117 , ¥ 10 -5 GeV -2 fi MW ª 90 GeV !! Wenn die elektromagnetische und schwache Kopplungskonstante ungefähr gleich sind, muss das schwache ausgetausche W-Boson sehr schwer (d.h. ª90-Mal die Ruhemasse des Protons) sein! Im Fall des Myonzerfalls finden wir: mm 0,105 ª ª 10 -3 ! 90 MW d.h., das W-Boson im Myonzerfall wird stark virtuell sein ! Dies erklärt die beobachtete lange Lebensdauer des Myons. Der Zerfall des Myons ist ein schwacher Prozess wegen der hohen Masse des ausgetauschten Bosons, und nicht wegen des Betrags der Kopplungskonstante. Unter der Annahme gªe werden die schwache und elektromagnetische Kopplung bei q2ªM2W gleich stark sein: 368 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die Fermi-Theorie (b-Zerfall) Die Stärke der schwachen und elektromagnetischen Wechselwirkungen wird in diesem Fall in der selben Grösseordnung sein: Elektroschwache Vereinheitlichung (d.h. dieselbe Kraft ist für elektromagnetische und schwache Prozesse verantwortlich). Die Vereinheitlichung der Kräfte wurde z.B. beim LEP-Beschleuniger mit ÷sª90 GeV beobachtet. 21.3 Die Fermi-Theorie (b-Zerfall) Historisch war der “Prototyp” der schwachen Wechselwirkung der bZerfall, wie z.B. 10 C Æ10 B*e +n e In b-Zerfällen sind die zugrundeliegenden Prozesse die Zerfälle des Protons und des Neutrons: b +: p Æ ne +n e M n - M p ª 1, 8 MeV ( kin . verboten) b - : n Æ pe -n e t ª 900 s Das Quark-Fluss-Diagramm des Neutronzerfalls ist n-Zerfall: n u d d - 1 3 W± g u d p 2 u + 3 e– ne Teilchenphysik 369 Die schwache Wechselwirkung Fermi (1932): Erste quantitative Theorie der schwachen Wechselwirkung. Inspiriert von der Form des elektromagnetischen Stroms: 4-Fermion Kontaktterm p n (kein Propagator) GF GF=schwache Fermi-Kopplung ne e– Die Amplitude dieses Prozesses wurde so postuliert: M schwach = G u ) (1u4g24 3 n m p Nukleon - Strom pÆn ( Ladungserniedrigung ) ¥ g u) (1u42 4 3 ne m e Lepton - Strom e - Æn e ( Ladungserhöhung ) Der Nukleon-Strom zwischen dem Proton und dem Neutron wird die elektrische Ladung um 1 erhöhen. Der Lepton-Strom zwischen dem Elektron und dem Neutrino wird die Ladung um 1 erniedrigen. Die anderen Konfigurationen werden durch einen Austausch der Form “einfallende Teilchen-auslaufende Antiteilchen” gewonnen. Lee/Yang (1956): Theoretische Analyse der existierenden Daten über die schwache Wechselwirkung: Problem der Parität Paritäts-Transformation P (Siehe Kap. 2.4): r r Ïx Æ - x r r P: Ì fi System y : y ¢ = Py ( x ) = y (- x ) Ót Æ t Verschiedene Quantensysteme werden eine bestimmte Parität besitzen. Die Paritätseigenwerte werden ±1 sein (Siehe Kap. 2.4) 370 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die Fermi-Theorie (b-Zerfall) Wir betrachten z.B. eine Lösung, die als Funktion der harmonischen Kugelfunktionen Ylm ausgedrückt werden kann: PYl ,m (q,f ) = (-1) Yl ,m (q,f ) l fi Parität Yl ,m = (-1) l Beispiel: Atomare Übergänge: wir betrachten die Auswahlregel des elektrischen Dipols E1: Dl=±1, d.h. die Parität des Atoms wird sich um ±1 ändern. a) Intrinsische Parität des Photons: Weil die E1-Dipol-Emission der Emission eines Photons.entspricht, wird die intrinsische Parität des Photons als –1 bezeichnet: Pg = -1 intrinsische Parität des Photons Die Parität ist ein multiplikativer Eigenwert: P (Atom + Photon) = P (Atom) P (Photon) Notation: JP = Drehimpuls + Parität Beispiel: Das Photon JP=1– (ein Vektorteilchen) (ein JP=1+ ist ein Axialvektorteilchen) b) Intrinsische Parität von Fermionen und Antifermionen: Fermionen und Antifermionen besitzten entgegengesetzte Paritäten. c) Intrinsische Parität von Mesonen: wir betrachten das Quark-Antiquark-Paar und nehmen den relativen Drehimpuls l=0 und den Singlett-Spin-Zustand an. Die Parität des Systems ist gleich P (qq , l = 0) = P (q) P (q ) P ( l = 0) = (-1)(-1) = -1 0 Teilchenphysik 371 Die schwache Wechselwirkung Solche Mesonen (Siehe Kap. 20.3.2, z.B. p±, p0) werden als JP=0– bezeichnet (Pseudoskalarteilchen) Wir betrachten noch einmal das Quark-Antiquark-Paar und nehmen den relativen Drehimpuls l=0 und den Triplett-Spin-Zustand an. Die Parität des Systems ist auch –1. Solche Mesonen (Siehe Kap. 20.3.4, z.B. r±, r0) werden als JP=1– bezeichnet (Vektorteilchen). Lee/Yang (1956): Studium der Parität des Kaonsystems Zerfälle mit 2-Pionen und 3-Pionen werden beobachtet: K + Æ p +p 0 21% u + p d u K+ s W± K + Æ p +p +p - 5,6% u K+ s W± d d p0 u + p d d – p u u + p d Daraus folgt, dass die Parität des Kaons nicht eindeutig definiert ist: K + Æ p +p 0 P (p +p 0 ) = (-1)(-1) = +1 K + Æ p +p +p - P (p +p +p - ) = (-1) = -1 3 372 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die Fermi-Theorie (b-Zerfall) Die Parität wird in elektromagnetischen und starken Wechselwirkungen erhalten. Im Fall des Kaonzerfalls (ein schwacher Zerfall) kann die Parität nicht erhalten sein und gleichzeitig beide Zerfälle in 2 und 3 Pionen geschehen ! Lee and Yang schlugen vor, dass die Parität in schwachen Wechselwirkungen nicht erhalten ist. Dieser theoretische Vorschlag kam als grosse Überraschung und wurde mit Skepsis aufgenommen, weil man fest glaubte, dass die Parität erhalten werden muss. Die Paritäts-Transformation wirkt als eine Raumspiegelung. Sie wirkt so, wie wenn wir das System in einem Spiegel anschauen: “rechts” wird “links” und umgekehrt. Es war nicht leicht zu verstehen, warum “rechts” und “links” in der Natur nicht gleichwertig sind. Wir betrachten ein Teilchen mit bestimmter Helizität. Der Impuls und der Spin seien gegeben, wie z.B. positive Helizität p Wenn die Paritäts-Transformation durchgeführt wird, wird der Impuls in entgegengesetzter Richtung zeigen und der Spin (er transformiert sich wie ein Drehimpuls) wird ungeändert bleiben: r r r P ( p) = P (v ) = P ( x ) = -1 r r r r r P ( J ) = P ( x ¥ p) = P ( x ) P ( p) = +1 Nach der Paritätstransformation: p Teilchenphysik negative Helizität 373 Die schwache Wechselwirkung Zusammenfassend kann man sagen, dass im Allgemeinen die Prozesse von der Helizität der Teilchen abhängen, wenn die Parität während dieser Prozesse nicht erhalten wird. Um die Skepsis noch einmal zu erwähnen: man konnte sich nicht erklären, warum die Natur eine bestimmte Richtung zwischen Impuls und Spin bevorzugt. Wu (1960): Direkter experimenteller Beweis der Brechung der Parität in schwachen Wechselwirkungen Beobachtung der b-Zerfälle von polarisierten Photonen werden emittiert nach dem b-Zerfall: 60Co 5+ e– 60 0,31MeV 4+ g 1,17MeV g 2+ 1,33MeV 0+ 60Co-Kernen. Co Æ J P = 5+ 60 Zwei Ni* + e - + n e 4+ Im Experiment wurde die 60Co-Quelle in ein starkes externes homogenes Magnetfeld gestellt und die ganze Anordnung wurde bis zu einer Temperatur von Tª0,01 K abgekühlt, so dass die thermische Bewegung der Kerne stark unterdrückt war. Mit dieser Anordnung wurden die Spins der 60Co-Kerne in die Richtung des B-Feldes ausgerichtet. Die Stärke der Polarisation wurde durch eine Messung der Asymmetrie der emittierten Photonen bestimmt. Im Wu-Experiment war die DJ=1 Änderung der Spins auch wichtig. Weil der 60Co-Kern den Spin J=5 und der Endzustandskern den Spin 374 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die V-A Theorie Richtung des Feldes J=4 besitzt, wurde das Elektron-Neutrino-Paar mit einem bestimmten Drehimpuls emittiert: L=1 des Elektron-Neutrino-Paars Æ J=5 = e - ≠ und n e ≠ J=4 Der Spin des emittierten Elektrons ist deshalb mit dem Kernspin korreliert. Er zeigt in die Richtung des Feldes. Wu beobachtete, dass die nachgewiesenen Elektronen nicht isotrop emittiert wurden. Weil die Asymmetrie der Photonen unabhängig von der Richtung des magnetischen Feldes ist (d.h. die Asymmetrie der Photonen misst den Polarisationsgrad), musste die Asymmetrie der Elektronen von der Richtung des Feldes abhängen: weniger Elektronen werden in die Richtung der Kernspins als in die entgegengesetzte Richtung emittiert. 21.4 Die V-A Theorie Die ursprüngliche Theorie von Fermi verletzte die Parität nicht. Um die Paritätsverletzung einzufügen, musste die Form des Vertex-Faktors geändert werden. Teilchenphysik 375 Die schwache Wechselwirkung Die Theorie muss kovariant sein, deshalb können wir nur die bilinearen Kovarianten (Siehe Kap. 7.4.4) betrachten: ug mu Æ u 123 Gm u ( 4 ¥ 4 Matrix ) wobei G m = 1,g m ,g 5g m ,g 5 S,V , A, P Experimentell findet man, dass die Vektor- und AxialvektorKovariante gegnügen, um die beobachtete Struktur der schwachen Wechselwirkung zu erklären. Der schwache (geladene) Vertexfaktor wird damit so ausgedrückt: W± g e– ne -ig m Ê 1 - g 5 ˆ g Á ˜ 2 Ë 2 ¯ Vertexfaktor der schwachen (geladenen) Wechselwirkung Vergleich mit QED (–iegm). Es folgt, dass der schwache geladene Strom Vektor- und Axialvektor-Komponenten besitzt. Die Addition von Vektor- und Axialvektor-Termen wird die Parität verletzen: ˆ -ig Ê m m 5 g 3u - u12 g g u2 u Á1 4 4 3˜ 2 2 Ë Vektor Axialvektor ¯ Das negative Vorzeichen kommt aus der Richtung der beobachteten Asymmetrie (Siehe z.B. Wu’s-Experiment). Die gm(1–g5)-Form (oder V-A-Form) zeigt, dass der schwache geladene Strom nur an den “linkshändigen chiralen” Teil des 376 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die V-A Theorie Teilchens koppelt ! Die schwache Wechselwirkung ist nicht links- rechts-symmetrisch. In nächstem Kapitel werden wir die Folgerungen aus dieser Tatsache für die beiden Helizitäten eines Teilchens anschauen. 21.4.1 Die Chiralitäts-Spinoren Wir definieren die Zustände der Chiralität eines Dirac-Teilchens: r Ï r 1 5 ÔÔuL ( p) ∫ 2 (1 - g ) u( p); Ì Ôu ( pr ) ∫ 1 (1 + g 5 ) u( pr ); ÔÓ R 2 r 1 r v L ( p) ∫ (1 + g 5 )v ( p) 2 r 1 r v R ( p) ∫ (1 - g 5 )v ( p) 2 wobei die L- und R-Indizes “links-chiral” und “rechts-chiral” bezeichnen. Die Operatoren (1/2)(1±g5) werden als die ChiralitätProjektions-Operatoren definiert. Um diese Zustände von den Eigenzuständen der Helizität zu unterscheiden, werden wir die Helizitätseigenzustände als u+ und u– bezeichnen (Siehe Kap. 13.2): r p h=+1 Rechtshändig: u+ r p h=–1 Linkshändig: u– Es gibt eine wichtige Beziehung zwischen den Eigenzuständen der Helizität u+ und u– und denjenigen der Chiralität uR und uL. Teilchenphysik 377 Die schwache Wechselwirkung Wir betrachten die Wirkung des g5-Operators auf einen Spinor in der Standard-Darstellung (Siehe Kap. 6.5.1): Ê 0 1ˆ g =Á ˜ Ë 1 0¯ 5 Ê ˆ us r rA r Á und u ( p) = N Ê s ◊ p ˆ s ˜ ˜u ˜ ÁÁ ËË E + m¯ A ¯ s Ê1 ˆ Ê 0ˆ u1A = Á ˜ , uA2 = Á ˜ Ë 0¯ Ë1 ¯ ( E > 0) N= E+m Es folgt, Ê ˆ uAs 0 1 r Ê ˆ r r 5 s Á g u ( p) = N Á ˜ Ê s ◊ p ˆ us ˜ ˜ ˜ Ë 1 0¯ Á Á ËË E + m¯ A ¯ r r ÊÊ s ◊ p ˆ s ˆ Á ˜u = N ÁË E + m¯ A ˜ Á ˜ uAs Ë ¯ r r Ê s◊p ˆ s Ê ˆ 0 r urA ÁE+m ˜ r r Á s ◊ p s˜ = NÁ s ◊ p ˜Á ˜ Á 0 ˜ Ë E + m uA ¯ Ë ¯ E-m weil r r 2 r r r r r s ◊ p s ◊ p (s ◊ p) 2 2 = = (s ◊ pˆ ) = ( ±1) = +1 2 E-m E+m p 378 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die V-A Theorie wenn wir Zustände mit bestimmten folgt, r r Ê s◊p r Á g 5 u s ( p) = Á E + m Á 0 Ë Helizitäten betrachten. Damit ˆ r r r ˜ u s ( p) s◊p ˜ ˜ E - m¯ 0 Wir nehmen nun ein masseloses Dirac-Teilchen an: mÆ0 r r Ês ◊ p ˆ 0 r ˜ r r r Á p r r ˜ u s ( p) fi E = p und g 5 u s ( p) = Á s ◊ p˜ ÁÁ 0 r p ˜¯ Ë und r r r r S ◊p g 5 u s ( p) = r u s ( p) p r r Ês 0 ˆ S=Á r˜ Ë 0 s¯ Ê S ◊ pˆ Ë ¯ wobei S der Spin-Matrix-Operator ist. Das Verhältnis ---------------- entp spricht dem Helizitätsoperator mit Eigenwerten ±1: r r g 5 u s ( p) = ± u s ( p) wenn wir Zustände mit bestimmten Helizitäten betrachten. Schliesslich haben wir gefunden, dass im Grenzfall mÆ0 gilt r 1 r Ï0 wenn h = +1 uL ( p) ∫ (1 - g 5 ) u( p) = Ì r 2 Óu( p) wenn h = -1 Teilchenphysik (m = 0) 379 Die schwache Wechselwirkung In ähnlicher Weise r r 1 r Ïu( p) wenn h = +1 5 uR ( p) ∫ (1 + g ) u( p) = Ì 2 Ó0 wenn h = -1 (m = 0) Zusammenfassend haben wir gefunden, dass für masselose Teilchen mÆ0 oder im ultrarelativistischen Grenzfall E>>m, die Chiralitäts- und die Helizitäts-Eigenzustände einander gleich sind. Chiralität Teilchen: Helizität Rechtshändig uR u+ r p Linkshändig uL u– r p Dass eine eindeutige Beziehung zwischen Chiralität und Helizität gilt, nur wenn mÆ0 oder E>>m, kann folgendermassen erklärt werden: Die Chiralität kann als eine interne Eigenschaft eines DiracZustands betrachtet werden. Im Gegensatz dazu hängt die Helizität eines Zustands vom Beobachter ab. Wir können einen Lorentz-Boost durchführen, der den Impuls umkehren wird. Weil im Boost der Spin nicht geändert wird, kann als Folge des Boosts die Helizität eines Teilchens geändert werden. Nur wenn ein Teilchen masselos ist, ist es unmöglich einen Boost durchzuführen, durch welchen sein Impuls umgekehrt wird. Kein Boost eines masselosen Teilchen wird die Helizität ändern. Als Folge gilt die einfache Beziehung zwischen Chiralität und Helizität nur für masselose Teilchen oder im ultrarelativistischen Grenzfall. 380 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Die V-A Theorie Im Fall von Antiteilchen, gilt (immer im Fall m=0 oder E>>m) r r r ◊p r S g 5v s ( p) = - r v s ( p) p wobei v(s) die Spinoren für ein Antiteilchen sind. Es folgt, dass linkshändige Chiralitäts-Zustände linkshändigen Helizitätszuständen entsprechen (Beachte die Definitionen der Chiralitäts-Zustände für Antiteilchen), weil: r 1 r Ï0 wenn h = +1 v L ( p) ∫ (1 + g 5 )v ( p) = Ì r 2 Óv ( p) wenn h = -1 (m = 0) r r 1 r Ïv ( p) wenn h = +1 5 v R ( p) ∫ (1 - g )v ( p) = Ì 2 Ó0 wenn h = -1 (m = 0) und Chiralität Rechtshändig vR r 1 1 - g 5 )v ( p) ( 2 Linkshändig vL r 1 1 + g 5 )v ( p) ( 2 Teilchenphysik Antiteilchen: Helizität r p r p 381 Die schwache Wechselwirkung 21.5 Der schwache geladene Strom Wir betrachten nun den geladenen schwachen Strom zwischen einem Elektron und einem Neutrino. Er ist von der Form: W± e g n Ê1- g 5 ˆ ng m Á ˜e Ë 2 ¯ wobei n und e die Spinoren des Neutrinos und Elektrons sind. Wir bemerken, dass (Siehe Kap. 13.2) 5 Ê1- g 5 ˆ 0 + 0Ê1 + g ˆ uL = uL +g 0 = u + Á g u g = ˜ Á ˜ Ë 2 ¯ Ë 2 ¯ weil g 5g 0 = -g 0g 5 Ê1 + g 5 ˆ = uÁ ˜ Ë 2 ¯ Damit erhalten wir, Ê1 + g 5 ˆ m Ê1- g 5 ˆ n L g m eL = n Á ˜g Á ˜e Ë 2 ¯ Ë 2 ¯ Ê 1 - 2g 5 + (g 5 ) 2 ˆ Ê1- g 5 ˆ Ê1- g 5 ˆ m = ng Á ˜˜ e = ˜Á ˜ e = ng ÁÁ 4 Ë 2 ¯Ë 2 ¯ Ë ¯ m Ê1- g 5 ˆ = ng Á ˜e Ë 2 ¯ m d.h. der geladene schwache Strom ist ein Vektor-Strom (wie die elektromagnetische Wechselwirkung), der nur die linkshändigen Chiralitätzustände koppelt. 382 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Der schwache geladene Strom Im Fall der elektromagnetischen Wechselwirkung wirkt der Strom in gleicher Weise auf linkshändige und rechtshändige Teile. Der elektromagnetische Strom ist ein Vektor-Strom der Form: e g m e = (eL + eR )g m (eL + eR ) weil 1 = [ 1 1- g 5 + 1 + g 5 2 ] und damit e g m e = eL g m eL + eR g m eL + eL g m eR + eR g m eR 123 123 =0 =0 oder e g m e = eL g m eL + eR g m eR elektromagnetischer Strom Im Gegensatz dazu ist der geladene schwache Strom gleich n L g m eL Teilchenphysik schwacher geladener Strom 383 Die schwache Wechselwirkung 21.6 Die Universalität Wir haben schon erwähnt, dass der schwache geladene Strom mit bestimmten Lepton-Flavor-Familien koppelt: Ên e ˆ Ên m ˆ Ênt ˆ Á -˜ ,Á -˜ ,Á -˜ Ë e ¯ Ë m ¯ Ët ¯ W± e– g W± m– g ne nm W± t– g nt Die Kopplung jeder Familie ist dieselbe, d.h. alle Leptonen tragen dieselbe schwache Ladung. Wir betrachten die Zerfälle des Myons und des Taus: m - Æ e -n en m m– t - Æ e -n ent nm g g e– t– ne 384 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia nt g g e– ne Die Universalität Wir nehmen wie gewöhnlich an, dass q2<<M2W. Die Amplitude des Zerfalls des Myons ist (und eine ähnliche Amplitude gilt für das Tau): 5 Ê g ˆ ˘Ê g Ê1- g 5 ˆ ˆ È 1 m Ê1- g ˆ M=Á n mg m Á m g e ˜ ˜Í 2 Á ˜ne˜ 2 ˙Á Ë 2 ¯ ¯ Î q - MW ˚Ë 2 Ë 2 ¯ ¯ Ë 2 G ª F n mg m (1 - g 5 )m e g m (1 - g 5 )n e 2 ( )( ) wobei der ÷2-Faktor historisch ist. Damit ist die Beziehung zwischen der Fermi-Konstante und der schwachen Kopplungskonstante gleich GF g2 ∫ 2 8 MW2 Beziehung zwischen GF und g Per Definition muss g2 dimensionslos sein (Vergleich mit e2=4pa). Die Einheit der Fermi-Konstante muss dann sein: GF = [ E ] -2 , d .h . GeV -2 Die Lebensdauer t eines Teilchens (gemessen in [E]–1 oder GeV–1) ist gleich der inversen Zerfallsbreite (gemessen in [E] oder GeV): t∫ 1 G G = Zerfallsbreite (in natürlichen Einheiten: 1 Sekunde = 1,52¥1024 GeV–1) Teilchenphysik 385 Die schwache Wechselwirkung Weil die Amplitude zu GF proportional ist, muss die Zerfallsrate zu G2F proportional sein. Mit einer Dimensions-Analyse erwarten wir eine Abhängigkeit der Form: 2 m5 G(m Æ enn ) µ G 14243 {F-4 {m GeV GeV und G(t Æ enn ) µ GF2 mt5 GeV 5 Überprüfung der Universalität: Wir betrachten den Tauzerfall in ein Elektron: t - Æ e -n ent Verzweigungsverhältnis 17, 60 ± 0, 06% Andere Zerfallsarten: t - Æ m -n mnt ; t - Æ p - np 0nt ; t - Æ p -p +p - np 0nt , ... Um die Universalität zu überprüfen, können wir unterschiedliche Kopplungskonstanten für Myon und Tau postulieren: Schwache Kopplung mit W±: gm, gt Das Verhältnis der Kopplungskonstanten ist eine Funktion des Verhältnisses der Masse und Lebensdauer, 4 Ê gt ˆ Ê mm ˆ Ê t m ˆ Á g ˜ = Br(t Æ enn )ÁË m ˜¯ ÁË t ˜¯ Ë m¯ t t 5 Die gemessenen Werte sind t m ª 2,197ms tt ª (291, 0 ± 1, 5) ¥ 10 -15 s mm ª 105, 658 MeV 386 mt ª 1777 MeV Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Der Myon-Zerfall Damit erhalten wir: gt = 0, 999 ± 0, 003 gm In ähnlicher Weise liefert der Vergleich der Zerfälle t Æ enn, t Æ mnn gm = 1, 001 ± 0, 004 ge Die Universalität ist gut erfüllt. 21.7 Der Myon-Zerfall Die Lebensdauer des Myons kann mit Hilfe der V–A Theorie berechnet werden als Funktion der Fermi-Konstante GF. Eine genaue Messung der Myonlebensdauer wird die Fermi-Konstante liefern. Die Form der Amplitude wird von der angenommenen V-A-Struktur vorausgesagt. Die Amplitude des Prozesses wird durch das Produkt zweier leptonischer Ströme (des Stroms des Myonneutrino-MyonPaars und des Stroms des Elektronneutrino-Elektron-Paars) gegeben. Im Fall (q2<<M2W.) und in erster Ordnung ist die Amplitude gleich M= Teilchenphysik (( ) )( ) GF u n m g m (1 - g 5 ) u(m - ) u (e - )g m (1 - g 5 )v (n e ) 2 387 Die schwache Wechselwirkung wobei der erste Term dem Myonstrom und der zweite Term dem Elektronstrom entspricht. Wie erwartet ist die Amplitude zu GF proportional. nm g m– g g=schwache Kopplung e– ne Das mittlere Betragsquadrat der Amplitude wird mit den Spur-Theoremen gewonnen. Mit den folgenden kinematischen Definitionen m - ( p1 ) Æ e - ( p4 )n e ( p2 )n m ( p3 ) erhalten wir M 2 = ( ( ) GF2 Tr g m (1 - g 5 ) p/ 1 + mm g n (1 - g 5 ) p/ 3 2 ( ) ) ¥ Tr g m (1 - g 5 ) p/ 2g n (1 - g 5 )( p/ 4 + me ) Die Matrizen werden multipliziert und wir erinnern uns, dass die Spur einer ungeraden Anzahl von g-Matrizen verschwindet. Schliesslich finden wir das folgende Matrixelement: M 2 = 64 GF2 ( p1 ◊ p2 )( p3 ◊ p4 ) Im Ruhesystem des Myons und bei Vernachlässigung der Elektronmasse gilt r p1m = mm , 0 fi ( p1 ◊ p2 ) = mm E 2 ( 388 ) Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Der Myon-Zerfall und me = 0 fi ( p3 + p4 )2 ª 2( p3 ◊ p4 ) Weil p1 = p2 + p3 + p4 fi 2( p3 ◊ p4 ) ª ( p3 + p4 ) = ( p1 - p2 ) = mm2 - 2 mm E 2 2 2 gilt (me=0) M 2 ( = 64 GF2 ( p1 ◊ p2 )( p3 ◊ p4 ) ª 32GF2 mm2 E 2 mm - 2 E 2 ) d.h. die Dynamik des Prozesses hängt nur von der Kinematik des Elektron-Antineutrinos ab. Natürlich könnten wir auch die Dynamik als Funktion des Elektrons analysieren und wir würden ähnliche Schlussfolgerungen finden. Wir bemerken, dass für den maximalen kinematischen Grenzwert das Matrixelement verschwindet (Beachte: me=0): M 2 =0 wenn E 2 = mm 2 höchste Energie des n e Man kann zeigen, dass diese Tatsache aus der V-A-Struktur der schwachen Wechselwirkung und der Erhaltung der Helizität folgt. Für masselose Teilchen wird tatsächlich die schwache Kopplung mit linkshändigen Chiralitäts-Zuständen linkshändige Helizitäten für Teilchen und rechtshändige Helizitäten für Antiteilchen erzwingen. Teilchenphysik 389 Die schwache Wechselwirkung Im Myonzerfall vernachlässigen wir die Elektron- und Neutrinoruhemasse und deshalb werden in diesem Grenzfall das Myon-Neutrino und auch das Elektron eine linkshändige Helizität besitzen. Das Elektron-Antineutrino wird eine rechtshändige Helizität haben. Wir betrachen den kinematischen Grenzfall E2=mm/2: E2 = mm mm fi E 3 = E 4 = 2 4 ne nm e– Im diesem Fall erzwingt die linkshändige Chiralität einen resultierenden Spinbetrag entlang der Impulse gleich 3/2. Diese Konfiguration ist verboten, weil das ursprüngliche Myon einen Spin-1/2 hat und der Drehimpuls im Zerfall erhalten werden muss. Als Folge kann das Elektron-Antineutrino nie die kinematische Grenze erreichen. Zusammenfassend: Rein kinematisch ist die gezeichnete Konfiguration zwar erlaubt, die V-A-Struktur der schwachen Wechselwirkung verlangt aber solche Helizitäten für die Teilchen (und Antiteilchen), dass diese Konfiguration wegen der Drehimpulserhaltung verboten ist. Die Zerfallsbreite des Myons wird gegeben durch dG = 1 2 M dPS 2 mm wobei dPS der invariante Dreiteilchen-Phasenraumfaktor ist: r r r d 3 p2 d 3 p3 d 3 p4 (2p ) 4 d 4 ( p1 - p2 - p3 - p4 ) dPS = 3 3 3 (2p ) 2 E 2 (2p ) 2 E 3 (2p ) 2 E 4 390 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Der Myon-Zerfall Eine lange Rechnung liefert die Integration über die zwei Neutrinos und das Elektron. Im Ruhesystem des Myons haben wir das Matrixelement als unabhängig vom 4-Impuls des Myon-Neutrinos (p3) ausgedrückt. Zuerst wird die Integration über dieses Neutrino (d3p3) durchgeführt. Man erhält, r r 1 d 3 p2 d 3 p4 2 q mm - E 2 - E 4 d ( p1 - p2 - p4 ) dPS = 5 (2p ) 2 E 2 2 E 4 )( ( ) wobei wir die folgende Beziehung verwendet haben: r d 3 p3 4 2 Ú 2 E 3 = Ú d p3q ( E 3 )d ( p3 ) Die differentielle Zerfallsbreite als Funktion des Elektron- und Elektron-Antineutrino-Impulses ist damit gleich r r d 3 p2 d 3 p4 32GF2 2 dG = ¥ 5 mm E 2 mm - 2 E 2 2 E2 2 E4 2 mm (2p ) ( ) ( ) d mm2 - 2 mm E 2 - 2 mm E 4 + 2 E 2 E 4 (1 - cosq ) wobei q der Öffnungswinkel zwischen dem Elektron und dem Elektron-Antineutrino ist. Um die Winkelintegration durchzuführen, bemerken wir: r r d 3 p2 d 3 p4 = E 22 dE 2 d cosq 2 df 2 E 42 dE 4 d cosq 4 df 4 = 4pE 22 dE 2 2pE 42 dE 4 d cosq = 8p 2 E 22 E 42 dE 2 dE 4 d cosq Teilchenphysik 391 Die schwache Wechselwirkung und dG = ( ) GF2 m 2 E m - 2 E 2 E 2 E 4 dE 2 dE 4 d cosq ¥ mmp 3 m 2 m ( ) d mm2 - 2 mm E 2 - 2 mm E 4 + 2 E 2 E 4 (1 - cosq ) Die Dirac-d-Funktion entspricht einer kinematischen Einschränkung. Wir betrachten die Bedingung mm2 - 2 mm E 2 - 2 mm E 4 + 2 E 2 E 4 (1 - cosq ) = 0 1 E E mm - E 2 - E 4 = 2 4 (cosq - 1) 2 mm Weil cos q £ 1 ist, gilt die folgende kinematische Einschränkung cosq £ 1: 1 m - E2 - E4 £ 0 2 m fi 1 m - E4 £ E2 2 m Zusätzlich gilt E2 £ 1 1 mm und 0 £ E 4 £ mm 2 2 Schliesslich kann die Winkelintegration über die Dirac-d-Funktion durch die folgende kinematische Einschränkung ersetzt werden: 1 1 1 mm - E 4 £ E 2 £ mm und 0 £ E 4 £ mm 2 2 2 In der Integration der Dirac-Funktion müssen wir noch den folgenden Faktor einfügen: ( ) d mm2 - 2 mm E 2 - 2 mm E 4 + 2 E 2 E 4 (1 - cosq ) d cosq Æ (2 E 2 E 4 ) 392 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia -1 Der Myon-Zerfall Damit ist die (winkelintegrierte) differentielle Zerfallsbreite gleich ( ) GF2 dG = 3 mm E 2 mm - 2 E 2 dE 2 dE 4 2p Wir leiten den Ausdruck für das Energiespektrum des Elektrons her: dG G mm = dE 4 2p 3 1 m 2 m 2 F Ú 1 m - E4 2 m ( ) E 2 mm - 2 E 2 dE 2 4 E4 ˆ GF2 2 2 Ê = 3 mm E 4 Á 3 mm ˜¯ 12p Ë Die totale Zerfallsbreite ist schliesslich gleich G= 2 F 1 m 2 2 m m 3 0 1 G m = t 12p Ú Ê 4 E4 ˆ dE E 42 Á 3 mm ˜¯ 4 Ë oder G= Teilchenphysik 2 5 1 GF mm = t 192p 3 ( Erster Ordnung und me = 0) 393 Die schwache Wechselwirkung 21.8 Der Pion-Zerfall Wir können auch die V–A-Theorie verwenden, um die Lebensdauer des geladenen Pions zu berechnen. Wir betrachten den ZweikörperZerfall p - (q m ) Æ m - ( p m ) + n m ( k m ) wobei qm ∫ pm + k m Hadronischer Strom d p– W– g qm u m–(pm) nm(km) Die Amplitude wird zwei Teile enthalten: den leptonischen Strom, der den Zerfall in Myon und Myon-Neutrino beschreibt, und den hadronischen Strom Jm, der den Pion-Strom darstellt: M= ( ) GF m J u ( p m )g m (1 - g 5 )v ( k m ) 2 Die Form des hadronischen Stroms Jm kennen wir a priori nicht. Wir wollen hier einen gebundenen Zustand (nicht freie Quarks) betrachten. Wegen unserer Unkenntnis der internen Struktur des Pions werden wir den Strom parametrisieren. Wir suchen eine Lorentzinvariante Amplitude. Der Strom kann nur eine Vektor oder eine Axi- 394 Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia Der Pion-Zerfall alvektor bilineare Kovariante sein. Das Pion ist zusätzlich ein spinloses Teilchen. Der einzige Freiheitsgrad ist der 4-Impuls qm: Ansatz: J m (q m ) ∫ q m f (q 2 ) ª q m f (q 2 ª 0) ª q m fp wobei f die Pion-Struktur-Funktion und fp (eine Konstante) die Zerfallskonstante des Pions ist. Die Amplitude ist damit gleich ( ) GF fp ( p m + k m ) u ( p m )g m (1 - g 5 )v ( k m ) 2 ÊG ˆ = Á F fp ˜ u ( p m ) p/ (1 - g 5 )v ( k m ) + u ( p m ) k/ (1 - g 5 )v ( k m ) Ë 2 ¯ M= [ ] Wir verwenden u ( p m ) p/ = mm u ( p m ) und / ( k m ) = mn v ( k m ) ª 0 kv wobei wir die Ruhemasse des Neutrinos vernachlässigen. Es gilt, M= [ ] GF fp mm u ( p m )(1 - g 5 )v ( k m ) 2 Mit den Spur-Methoden erhalten wir das gemittelte Matrixelement im Quadrat M Teilchenphysik 2 (( ) ) GF2 2 2 = fp mm Tr p/ + mm (1 - g 5 ) k/ (1 + g 5 ) 2 = 4 GF2 fp2 mm2 ( p ◊ k ) 395 Die schwache Wechselwirkung Um die Phasenraum-Integration durchzuführen, müssen wir ein Bezugssystem wählen. Im Ruhesystem des Pions gilt r r r r k + p = 0 wobei p m = ( E , p) und k m = w, k ( ) Nach der Integration erhalten wir die Zerfallsbreite des Pions: Ê mm2 ˆ 1 GF2 2 2 G(p Æ mn ) = = f m m 1t 8p p p m ÁË mp2 ˜¯ 2 Die Pion-Zerfallskonstante bleibt als ein unbekannter Parameter ! Die Lebensdauer des geladenen Pions kann nicht vorausgesagt werden. Aus der Beobachtung t ª 26 ns kann man schliessen, dass gilt fp ª mp Zerfall in ein Elektron vs Zerfall in ein Myon: die Theorie kann die Lebensdauer nicht absolut voraussagen. Das Verhältnis der Zerfallsbreiten der Zerfälle p Æ mn und p Æ en kann im Gegensatz dazu genau berechnet werden: G(p Æ en e ) ( G p Æ mn m ) 2 Ê me ˆ Ê mp2 - me2 ˆ =Á ˜ Á 2 2˜ Ë mm ¯ Ë mp - mm ¯ Wir bemerken, dass me << mm, und G(p Æ en e ) ( G p Æ mn m 396 ) ª 1, 2 ¥ 10 -4 ! Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia 2 Der Pion-Zerfall Der Zerfall in ein Elektron ist relativ zum Zerfall in ein Myon stark unterdrückt: ( G(p Æ en e ) << G p Æ mn m ) Dieses Ergebnis ist a priori überraschend. Der Phasenraumfaktor ist viel grösser für das Elektron als für das Myon: die Ruhemasse des Myons ist gleich mmª105 MeV und die Ruhemasses des Pions ist gleich mpª139 MeV. Der Phasenraum ist klein. Im Fall des Elektrons gilt meª0,511 MeV und der Phasenraum ist viel grösser: p– ne mpª139 MeV e– p– nm mmª105 MeV m– Der Grund kommt aus der Parität verletzenden Natur der schwachen Wechselwirkung. Der geladene schwache Strom ist von der Form n L g m eL Er koppelt Teilchen der linkshändigen Chiralität und Antiteilchen der rechtshändigen Chiralität. Es folgt daraus, dass im Pionzerfall das Lepton (Elektron oder Myon) und das Neutrino entgegengesetzte Chiralitäten besitzen werden. Im Fall, dass wir die Ruhemassen des Leptons und des Neutrinos vernachlässigen, werden die Zerfallsprodukte immer mit entgegengesetzten Helizitäten erzeugt. Eine solche Spinkonfiguration ist verboten, weil das Pion ein spinloses Teilchen ist!: ne Teilchenphysik p– e– JZ=1 !! 397 Die schwache Wechselwirkung Wenn wir die Ruhemasse des Leptons nicht vernachlässigen, wird die linkshändige Chiralität mit linkshändigen und rechtshändigen Helizitäts-Zuständen gemischt. Die rechtshändige Helizität ist zu einem Faktor me/Ee proportional. Bei Ee>>me (ultrarelativistisch) befinden wir uns wieder in einem analogen Fall wie me=0. Die Spins im erlaubten Zerfall werden folgendermassen zeigen: p– ne e– JZ=0 me>0 !! (weil mn << me, werden wir mn=0 annehmen). Der Zerfall ist zu einem Faktor me/Ee proportional. Im Fall des Zerfalls in ein Myon wird die erlaubte Spinkonfiguration zu einem Faktor mm/Ee proportional. Eine genaue Herleitung liefert das erwähnte Ergebnis: G(p Æ en e ) ( G p Æ mn m 398 ) 2 Ê m ˆ Ê m 2 - me2 ˆ = Á e ˜ Á p2 2˜ Ë mm ¯ Ë mp - mm ¯ Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia 2