Interdisziplinäres Zentrum für Islamische Religionslehre Inhalt Harry Harun Behr Minarett............................................ Seite 1 Ayse Uygun-Altunbas Islamische Religionspädagogik Ansätze für ihre Konzeptualisierung .......................... Seite 2 Leila Djahani-Gürsoy Die pädagogische Tradition des Islams in ihren Anfängen..... Seite 14 Ramin Massarrat Die Frage nach der Existenz des Bösen im islamischen Religionsunterricht Lösungsansätze durch Texte aus dem Sufismus . ............................... Seite 28 Harry Harun Behr und andere „Nehmt mich ruhig ran!“ Bericht zu einem interreligiösen und fachdidaktischen Seminar an der Deutschen Evangelischen Oberschule in Kairo............................................. Seite 41 Zu den Autoren / Impressum..... Seite 51 Heft 6 • Dez. 2009 • 3. Jg. Zeitschrift für die Religionslehre des Islam ZRLI Harry Harun Behr Minarett, das, arabisch TnCËÆ (manāra, „Leuchte“, auch mi’dhana, „von wo der Ruf zum Gebet zu hören ist“), türkisch minare; erhöhter Teil einer Moschee (arabisch k`tÆ ; masdschid, „Ort des Gebets in Niederwerfung vor Gott“, vgl. im Koran 13:15). Muhammad bestimmt einen stimmgewaltigen Schwarzen, Bilal ibn Rabah al-Habaschi, den „Abbessinier“, als ersten Muezzin in Medina. Bilal gehört zu den sieben ersten Gefolgsleuten Muhammads aus der mekkanischen Frühzeit. Zum Gebetsruf besteigt er eine einfache Plattform auf der Mauer der Prophetenmoschee. Das Minarett als beleuchteter Turm neben der Moschee entsteht vermutlich zu Beginn des 8. Jh. n. Chr. in Damaskus (Umayyadenmoschee). Zum Aspekt der Kennzeichnung als Gotteshaus treten damit Funktionen hinzu, die mit erweiterten Dienstleistungen (Unterkunft, Verpflegung) einer Moschee zu tun haben. Fortan dient das Minarett auch als Leuchtturm zur Orientierung für Karawanen (bzw. bei Hafenmoscheen an der Küste für die Seefahrt). Im Laufe der Zeit verbinden sich mit dem Minarett unterschiedliche zeichenhafte Aufladungen, etwa als Sinnbild des Glaubenslichts (vgl. im Koran 24:35). Von besonderer Tragweite ist die Verbindung mit Halbmond und Stern als Symbol des Islams, das oft die Minarettspitze schmückt. Der Halbmond geht wohl auf das Monatssymbol antiker Mondkalender zurück, der Stern verweist auf Salomo, aber auch auf Maria. Der Legende nach steht auch ein Traumgesicht des Gründers der osmanischen Dynastie, Gazi Osman I., Pate (spätes 13. Jhdt. n. Chr.). Seitdem stellen Anzahl und Höhe der Minarette auch Machtzeichen des Potentaten dar (Mekka: 9 Minarette; Marokko und Algerien: Minarette mit über 200 Metern Höhe), können also Ausweis vor allem innerislamischen Hegemonialdenkens sein. Seit kurzem steht das Minarett zudem als Symbol für die Neurose eines europäischen Volkes, das schöne Uhren produziert, aber auch Käse. Seite 2 Ayse Uygun-Altunbas Islamische Religionspädagogik Ansätze für ihre Konzeptualisierung Einleitung Dieser Beitrag ist die Zusammenfassung einer umfangreicheren wissenschaftlichen Arbeit. Damit möchte ich, was mögliche Konzeptualisierungen von islamischer Religionspädagogik angeht, einen Diskussionsbeitrag leisten. Das Thema Bildung und Erziehung der muslimischen Kinder nach eigenen religiösen Normen beschäftigte längere Zeit die nach Deutschland eingewanderten Arbeitsmigranten. Zunächst behalfen sie sich, wie oben schon angedeutet, mit den Moscheegründungen einhergehend einen Islamunterricht anzubieten, um ihre Kinder nach ihren eigenen religiösen und kulturellen Grundsätzen zu erziehen. Angesichts der defizitären Lage in den Moscheen wurde seitens der Muslime ein entsprechendes Interesse an der Einführung eines islamischen Religionsunterrichts gegenüber den Kultusministerien der Bundesländer geäußert. Die ersten Forderungen begannen Ende der 70er Jahre. Doch die Einführung Ayse Uygun-Altunbas: Islamische Religionspädagogik eines islamischen Religionsunterrichts ließ auf sich warten, und die Debatten um dieses Thema werden zum Teil sehr kontrovers geführt. Trotz einiger Hürden, die einer Einführung im Rahmen des Regelunterrichts (im Sinne der Verfassung nach Art. 7.3 des GG) an deutschen Schulen auf dem Weg stehen, ist man sich mehr oder weniger über dessen Einführung einig. In den verschiedenen Bundesländern werden unterschiedliche Modelle von islamischem Religionsunterricht angeboten. Die unterschiedlichen Modelle (islamkundlich orientiert, am Bekenntnis orientiert) unterliegen den länderspezifischen Verordnungen der Kultusministerien und können sich voneinander unterscheiden. In diesem Zusammenhang stellt gerade die Ausbildung der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer für den islamischen Religionsunterricht eine besondere Herausforderung dar. Die Etablierung der vier Studiengänge in Deutschland, in denen „islamische Theologie“/„islamische Wissenschaften" angeboten werden, ist jüngeren Datums. Das Fach „Islamische Religionspädagogik“ ist in diesem Zusammenhang erst im Entstehen begriffen. Und genau an diesen Punkt knüpfte ich im Rahmen meiner Untersuchung an, deren zentrale Fragen lauten: Was macht das fachliche Profil einer islamischen Religionspädagogik aus? Was sind ihre Bildungs- und Erziehungsziele? Welche Fachdidaktik ist für uns erkennbar? Die Ergründung von islamischreligionspädagogischen Konzepten, die ich in den jeweiligen Instituten an Hand von Experteninterviews entwickelt habe, steht hierbei im Vordergrund. Es wurde mit dieser Untersuchung erläutert, welche Werthaltungen und Beobachtungen, typische Erfahrungen und Positionen die Experten vertreten und welche Interpretationen und Konstruktionen hinsichtlich einer islamischen Religionspädagogik erkennbar gemacht werden. Als Auswertungsgrundlage dienten die Interviewtexte. Ein Kernproblem der Untersuchung ist sowohl ihr theologisches als auch pädagogisches Interesse. Der Forschungsstand im Bereich der islamischen Religionspädagogik ist noch nicht weit entwickelt; folglich war es schwierig, theoretische Bezüge herzustellen. Gerade die Kategorienentwicklung, welche im weiteren Verlauf näher erläutert wird, stellte eine besondere Herausforderung dar. Die Interviews führte ich mit vier Experten an deutschlandweit vier verschiedenen Hochschulen durch. Hier ist nur von Experte A, Experte B und Experte C die Rede, ohne Erwähnung des Namens, des Hochschulstandortes oder der Berücksichtigung des Geschlechts. Das Interview mit Experten D wurde nicht berücksichtigt.