Umwelt _Nordlichter Stefanie Pfändler Daniel B. Peterlunger, NASA Spektakel am Nachthimmel Polarlichter vorherzusagen ist ein schwieriges Unter­ fangen und bis auf einige Tage im Voraus ist es kaum möglich, das farbenfrohe Spektakel am ­Nachthimmel zuverlässig zu prognostizieren. Die NASA bemüht sich dennoch darum und will für den aktuellen ­Winter ein eindrückliches Solarmax identifiziert haben. Das bedeutet: Beste Zeit für Nordlichter. Vielleicht ­sogar in Mitteleuropa. Die Sonne ist alles andere als ein statisches Wesen. Ihre Oberfläche wird ständig von wuchtigen Erupti­ onen erschüttert, die zyklisch stärker und ­schwächer werden. Eine Sonneneruption bezeichnet den Aus­ stoss von Plasma, das aus so genannten Sonnen­ flecken austritt und hauptsächlich aus Elektronen und Protonen besteht. Die ausgestossenen Teilchen strömen mit rund 300 bis 800 Stundenkilometern ins All hinaus. Durch diesen Sonnenwind verliert die Sonne pro Sekunde rund 1 Million Tonnen ihrer Masse. Interessant wird es nun, wenn der Sonnenwind auf die Erde auftrifft. Bereits 1859 wurde erstmals ein Zusammenhang zwischen den Sonneneruptionen und Polarlichter sollen dieses Jahr so intensiv zu sehen sein wie seit 50 Jahren nicht mehr. Der eindrückliche Lichtertanz könnte allerdings auch technische Probleme zur Folge haben. den Schwankungen im irdischen Magnetfeld vermu­ tet, das Phänomen konnte aber damals nicht erklärt werden. Anfang des 20. Jahrhunderts stellte der ­Physiker ­Kristian Birkeland erstmals die Vermutung auf, dass das Polarlicht durch Teilchenströme von der Sonne ausgelöst werden könnte. Der Norweger wurde jedoch nicht ernst genommen. Erst 1959 gelang der ­sowjetischen Raumsonde Lunik 1 der experimentelle Nachweis des Sonnenwindes. Und seither ist vieles klarer geworden. Birkeland irrte sich nämlich keineswegs. Das Magnet­ feld der Erde schirmt die Erdoberfläche von den ge­ ladenen Partikeln des Sonnenwindes ab, indem es sie entlang der Feldlinien ablenkt. Diese führen zu den Polen hin, womit auch die abgelenkten Teilchen zu den Polen geleitet werden. Dort verläuft das Magnet­feld immer steiler zur Erdoberfläche hin, was den geladenen Teilchen ermöglicht, in die Erdatmo­ sphäre einzutreten. In der obersten Schicht der ­Atmosphäre treffen sie auf Luftmoleküle und ­regen diese beim Aufprall zum Leuchten an. Dieses Leuch­ ten ist sowohl im Norden (Aurora borealis) als auch im Süden (Aurora australis) als Polarlicht sichtbar. Am besten sind die Lichter zwischen 60 und 80 Grad _01 Sauerstoffatome in rund 100 Kilometern Höhe fluoreszieren in Grün, auf 200 Kilometern in Rot. _02 Polarlichter aus der Sicht der inter­ nationalen Raumstation. _03-04 Im Norden Norwegens. _02 _01 96 marina.ch_Februar_2013 _03 _04 marina.ch_Februar_2013 97 Umwelt _Nordlichter Da der Sonnenwind rund zwei bis vier Tage von der Sonne bis zur Erde braucht, lassen sich Polarlichter durch die Beobachtung der Sonneneruptionen kurz­ fristig vorhersagen (siehe Kasten). Längerfristig las­ sen sich Polarlichterscheinungen nur sehr vage über Links zum Thema «» Polarlichter wurden schon in Rom, Havanna und Hawaii gesichtet. Dieses Jahr sind Sichtungen in Mitteleuropa möglich. _01 _02 _01 Polarlichter über Tromsø, Norwegen. _02 Vorhänge aus Licht über Kanada. Nord und Süd zu beobachten. In Europa reist man dafür also idealerweise nach Oslo oder weiter nörd­ licher, um die Sichtungschance zu erhöhen. Eine ungewöhnlich aktive Sonne Die Formen der Polarlichter reichen von ­dynamischen Bögen über ringförmige Strahlen bis zu diffusen ­Flächen, die sich ständig verändern: Es sind eindrück­ liche, tanzende Bewegungen am Nachthimmel. Die Farben ­s agen etwas ­darüber aus, welche Moleküle vom Sonnenwind ­angeregt wurden: Sauerstoffatome in rund 100 ­K ilometern Höhe verursachen ein fluo­ reszierendes Grün, auf 200 Kilometern Höhe bewir­ ken sie rote Polarlichter. Stickstoffatome wiederum führen zu vio­lett bis blauen Schwaden. Um diese anzuregen ist allerdings viel Energie nötig, weshalb diese Farbspektren nur bei sehr starker Sonnenak­ tivität sichtbar sind. 98 marina.ch_Februar_2013 eine Abschätzung der Sonnenaktivität prognostizie­ ren. Diese entwickelt sich zyklisch in einem Rhyth­ mus von rund zehn Jahren und wird meist anhand der Sonnenfleckenanzahl evaluiert. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts befindet sich die Sonne generell in einer ungewöhnlich aktiven Phase. Dieser günstige Umstand fällt diesen Winter nun mit einem Solar­ max zusammen, also dem Maximum des aktuellen Sonnenaktivitäts-Zyklus, der 2007 begonnen hat. Dies hat die NASA dazu veranlasst, Polarlichter vo­ rauszusagen, die so intensiv sein sollen wie seit 50 Jahren nicht mehr. Heute weiss man, dass der Sonnenwind das Magnet­ feld beeinflusst. Dessen Stärke wird üblicherweise in Tesla gemessen, einer Einheit für die magnetische Flussdichte. In Mitteleuropa beträgt sie rund 20 Mi­ krotesla oder 20 000 Millitesla. Schwankungen von 20 Millitesla sind normal, wenn aber die Störung 50 Millitesla übersteigt, wird von einem magnetischen Sturm gesprochen. Dieser baut sich durch den Ein­ fluss von Sonnenwinden phasenweise auf und führt bei intensiven Vorkommnissen zu Störungen von rund 250 Millitesla. Im Jahr 2000 wurde ein Supersturm gemessen, der die Dichte des Erdmagnetfeldes kurz­ zeitig um 301 Millitesla senkte. Eine solche Störung dauert normalerweise wenige Stunden und das ­Magnetfeld erreicht bald wieder seinen Normalwert. Die bekannteste Auswirkung solcher magnetischen Stürme sind Polarlichterscheinungen in mittleren Breiten, da die schützende Wirkung des Magnet­ feldes vermindert wird. So wurden bereits Polar­ lichter in Rom, Havanna und auf Hawaii gesichtet. Auch dieses Jahr sind Sichtungen in Mitteleuropa wahrscheinlich. Stromausfälle und GPS-Störungen Starke Magnetstürme führen allerdings auch zu tech­ nischen Störungen. 1989 verursachte ein Supersturm einen Transformatorenausfall und damit einen neun­ stündigen Stromausfall in Montreal. 2003 führte ein Magnetsturm zu einem mehrstündigen Stromaus­ fall in Schweden und der Störung eines europäischen Flugradars. In den USA wurden damals 60 Flüge ver­ schoben. 2011 löste ein Magnetsturm eine kurz­ zeitige Fehlfunktion der Sonde Venus Express aus www.nasa.gov Aktuelle Informationen, Bilder und Videos zu Polarlichtern und der Sonnenaktivität www.gi.alaska.edu/AuroraForecast Kurzfristige Vorhersage von Polarlicht-Aktivitäten für alle Weltregionen www.polarlichter.info/chronik.htm Chronik des Polarlichtvorkommens in Mitteleuropa www.asc-csa.gc.ca/eng/astronomy/auroramax Livebilder der Kanadischen Raumagentur youtu.be/lT3J6a9p_o8 Lehrvideo über Nordlichter der Universität Oslo und löste Warnungen für einen Ausfall des GPS-­ Systems aus, was sich allerdings als Fehlalarm her­ ausstellte. Welche technischen Auswirkungen solche Stürme genau haben können, ist nach wie vor unklar. Grundsätzlich wird es inzwischen für möglich gehal­ ten, dass ein sehr starker Sonnenwind die globale Stromversorgung zusammenbrechen lassen könnte. Derart apokalyptische Szenarien erinnern zwar eher an frühste Interpretationen von Polarlichtern, welche verschiedene Kulturen als Vorboten kommenden Un­ heils oder kriegerischer Zwiste zwischen Göttern inter­pretierten, aber die Erkenntnis hilft ohnehin recht wenig: Präventive Massnahmen sind kaum möglich und selbst eine zuverlässige Vorhersage solcher Er­ eignisse ist schwierig. Daher bleibt uns eigentlich nur eines übrig: Die spektakulären Lichtertänze am Nacht­ himmel zu geniessen und zu hoffen, dass sie uns nicht allzu oft den Strom abstellen. marina.ch Ralligweg 10 marina.ch 3012 Berne10 Ralligweg 3012 Bern Tél. 031 301 00 31 marina Tel. 031 301 00 31 @marina-online.ch www.marina-online.ch marina @marina-online.ch Service des abonnements: www.marina-online.ch Tél. Abodienst: 031 300 62 56 Tel. 031 300 62 56