Ethische Investitionskriterien

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MQ FOKUS
Ethische Investitionskriterien:
Wo liegt der
(Mehr-)Wert?
Ethische Gesichtspunkte sind nicht konträr zur ökonomischen
Vernunft. Im Gegenteil, beide lassen sich zum Wohle weitsichtiger
Investoren verbinden. Wer seine Anlagetätigkeit mit menschlich,
ökologisch und gesellschaftlich positiven Zielsetzungen verbindet,
erzielt nicht nur einen guten Gewinn, sondern leistet zugleich einen
positiven Beitrag zur gesellschaftlichen Qualität und Sinnstiftung.
Von Rolf Wägli
E
thisch investieren heisst grundsätzlich zu klären, ob ein Unternehmen, in welches wir investieren möchten, seine Verantwortung gegenüber den Stakeholdern
wahrnimmt. Welches sind denn
aber die Stakeholder oder An-
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spruchsgruppen, gegenüber denen
ein Unternehmen Rechenschaft abzulegen hat?
Umfassende Sicht
Während der boomenden Börsenjahre der Neunziger meinten einige
besonders aktive Bankiers, den Begriff Stakeholder alleine auf die Gruppe der Shareholder, der Aktionäre also, ausrichten zu können. Und sie
hatten während einiger Zeit sogar
grossen Erfolg damit! Einen langfristigen, nachhaltigen Erfolg kann
ein Unternehmen aber nur haben,
wenn es seine Verantwortung auf alle
betroffenen Anspruchsgruppen ausdehnt. Diese lassen sich in 6 Gruppen
aufteilen:
– die Umwelt
– das Personal
– die Gesellschaft
– die Investoren
– die Kunden
– die Lieferanten oder Subcontractors
Die Verantwortung gegenüber der
Umwelt zum Beispiel lässt sich unter
dem Leitsatz «die Umwelt erhalten»
zusammenfassen und sie zeigt sich
unter anderem in der Produktionsweise eines Unternehmens. Hier hat
sich heute die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Einhaltung geschlossener Stoffkreisläufe gewährleistet sein
muss. Zur Erhaltung der Umwelt
gehören zudem die Erhaltung der Artenvielfalt und der Schutz der Bodenqualität. Nur dadurch sind unsere Lebensgrundlagen langfristig gewährleistet. Ein solches Verhalten kann
auch als Fairness gegenüber zukünfAusgabe 01/2002
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Messbare Kriterien
Bei der ethischen Prüfung von Investitionen geht es darum, möglichst
viele Informationen zu beschaffen,
welche die ethisch relevante Bedeutung von Produkten und Dienstleistungen, von technischen Herstellungsprozessen und von Unternehmenskulturen schlechthin aufzeigen
können. Am besten lässt sich die
ethische Relevanz von Investitionen
für die Stakeholder anhand einer
Ethikrelevanzmatrix veranschaulichen, welche die Anforderungen der
Anspruchsgruppen den ethischen
Grundsätzen gegenüberstellt. Daraus können wiederum messbare
Indikatoren abgeleitet werden, die
eine Bewertung (Rating) des entsprechenden Unternehmens ermöglichen.
Wer investiert ethisch?
Immer mehr weitsichtige Anleger
und Anlegerinnen verbinden ihre Anlagen mit der Zielvorstellung einer
sinnvollen und nützlichen Investition. Damit wird auch schon die ethische Dimension angesprochen. Der
Ethik geht es grundsätzlich um die
Förderung dessen, was für den Menschen gut und dienlich ist. Der Investor nimmt immer stärker wahr, dass
so genannte rein marktwirtschaftliche Investitionen menschliche, soziale und ökologische Risiken befördern, welche auf lange Sicht auch die
Situation der Investoren gefährden
können.
Weil immer mehr Anleger
höhere moralische Ansprüche an das
eigene Anlageverhalten richten, kann
man heute bei den ökologisch-ethischen Anlagen von einem Boom
sprechen. Weltweit setzt sich bei den
privaten und institutionellen Investorinnen und Investoren die Ansicht
durch, dass die Produktion von Gütern und Dienstleistungen auf lange
Sicht nur dann ökonomisch Sinn machen kann, wenn sie auch für die
Menschen Sinn macht.
Ausgabe 01/2002
Der Kreis der Investoren, die
sich für ethische Anlagen interessieren, umfasst alle Anlegertypen, vom
Kleinstsparer über den privaten
Grossinvestor bis hin zu institutionellen Anlegern wie den Pensionskassen, deren Anlagegremien sich
aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern zusammensetzen. Leider
nehmen die Arbeitnehmervertreter
noch viel zu wenig Einfluss auf die
Anlagepolitik ihrer Pensionskassen,
denn: «jeder Anlageentscheid trägt
die Möglichkeit in sich, etwas zu bewegen – in Richtung einer (endlich)
besseren Welt» (I.C. Tasan).
Wer bietet ethische
Investitionen an?
Anlagefondsgesellschaften und Banken bieten weltweit eine stark wachsende Anzahl von ethischen Produkten an. Diese decken die gesamte
Palette von Direktanlagen (Private
Equity) über Aktien- und Obligationenfonds bis hin zu Anlagestiftungen
und Sparkonten oder gar strukturierten Produkten. Noch in den letzten
20 Jahren konnten sich Anlagen mit
einigen wenigen Ausschlusskriterien
als ethische Anlagen verkaufen. Zu
den Bereichen, die heute sehr häufig
ausgeschlossen werden, gehören
zum Beispiel die Nukleartechnologie,
der Tabakhandel, aber auch der
Waffenhandel und das Spielgewerbe.
Während solche Ausschlusskriterien einen ersten Schritt in die
richtige Richtung darstellen, können
sie dem ethisch orientierten Anleger
jedoch kaum als Anleitung für einen
ethischen Anlageprozess genügen.
Der interessierte Anleger benötigt
ein umfassendes ethisches Anlagekonzept, das die folgenden Punkte
umfassen muss:
1. Der ethische Ansatz muss umfassend verstanden werden. Er geht also
über die inzwischen klassischen
Kriterien der Nachhaltigkeit und der
Sozialverträglichkeit hinaus.
2. Ethik soll nicht nur als Basis für
Ausschlusskriterien, sondern grundsätzlich als Ansatz für eine positive,
lebensdienliche Gestaltung der Welt
verstanden werden.
3. Die Definition von Indikatoren
muss es ermöglichen, die Anforderungen in ethischer Hinsicht nicht
nur zu formulieren, sondern auch
möglichst genau und objektiv zu
messen.
Allein in der Schweiz bieten rund ein
Dutzend Institutionen insgesamt
über 40 «verantwortungsvolle» Investment Produkte an. Dies macht es
für den Anleger unglaublich schwer,
das für ihn «richtige» Produkt zu finden. Noch sind unabhängige Berater
mit umfassenden Kenntnissen der
Branche schwer auszumachen. Eine
Ausnahme bildet hier die Lenzburger
5D Invest AG (www.5D-Invest.ch),
welche keine eigenen Produkte lanciert, sondern aus neutraler Sicht
und auf individuelles Bedürfnis bezogen die interessierte Anlegerschaft
berät.
KMU – der beste
Nährboden
Die meisten ökologisch oder ethisch
ausgerichteten Fonds legen ihr Kapital fast ausschliesslich in börsenkotierten Grossunternehmen an. Damit
aber leisten sie nur einen sehr begrenzten Beitrag zu einem ethischen
Umbau der Wirtschaft, tragen doch
die in der Schweiz an der Börse kotierten Unternehmen nur gerade etwa 15 Prozent zum Volkseinkommen
bei. Die kleinen und mittleren Betriebe, die den grössten Teil der Arbeitsplätze schaffen und einen gewichtigen Anteil an der wirtschaftlichen
Innovation haben, werden nur sehr
spärlich berücksichtigt.
▼
tigen Generationen bezeichnet werden.
Rolf Wägli ist Verwaltungsratspräsident der Schweizerischen Private
Equity Gesellschaft New Value AG,
Zürich (www.newvalue.ch). New
Value stützt sich beim Investitionsverfahren auf ein umfassendes
Ethik Investment Konzept.
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Gerade bei kleinen und mittleren Betrieben gestaltet sich die Umsetzung ethischer Anforderungen um
vieles einfacher als bei Grossbetrieben. Der Einfluss der Investoren auf
die Unternehmensführung über den
Ethikrelevanz-Matrix
Die ethisch relevanten Anforderungen seitens der Anspruchsgruppen werden als Maximen formuliert:
– Für die Anspruchgruppe «Umwelt» zum Beispiel ist die
Anforderung «Ehrfurcht vor dem Leben» ethisch relevant. Dies lässt sich mit der Maxime «Die Lebensgrundlagen sind zu erhalten» fassen.
– «Sozialverträglichkeit» andererseits ist für die Anspruchsgruppe «Gesellschaft» ethisch relevant. Produkte, Dienstleistungen und Unternehmenskulturen sollen
die wichtigen gesellschaftlichen Ziele nicht negativ beeinflussen, sondern diese im Gegenteil fördern (Gewaltfreiheit, Sicherheit, Stabilität usw.).
– Die ethisch relevante Anforderung «Menschenwürde»
der Anspruchsgruppe «Personal» wird durch die Maxime
«Gefordert ist der aufrechte Gang der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter im Betrieb. Diskriminierungen sind
nicht akzeptabel» formuliert.
Damit die Stakeholdermaximen und die Anforderungen,
die hinter ihnen stehen, messbar werden, müssen Indikatoren im Umfeld der Unternehmen, in deren Organisation,
Produkten und Dienstleistungen ermittelt werden.
Sie müssen auffindbar und objektiv identifizierbar sein.
Dabei wird für alle Anspruchsgruppen ein einheitliches
Frageset verwendet, das unter anderem die Punkte
Führung/Management, freiwillige Verpflichtungen und
Aktivitäten, Bewertungen durch Dritte und den Dialog
mit den Anspruchsgruppen umfasst. Aufgrund der so erarbeiteten Indikatoren kann ein Unternehmen schliesslich
in ethischer Hinsicht objektiv bewertet und mit anderen
Unternehmen verglichen werden.
Beispiel einer Ethikrelevanzmatrix
Oben die Anspruchsgruppen, links die jeweils ethisch relevanten Anforderungen.
In der Matrix wird erkennbar, für welche Anspruchsgruppen die ethischen
Anforderungen relevant sind.
1. Ehrfurcht vor dem
Leben
2. Kulturverträglichkeit/Sinn
3. Erhaltung der
Lebensgrundlagen/
Nachhaltigkeit
4. Sozialverträglichkeit
5. Verantwortung für
das Gesamtwohl
6. Menschenwürde
7. Partizipation
Umwelt Personal Gesellschaft
1.1
1.2
Anleger
Kunden
Lieferanten
2.1
2.2
2.3
2.4
4.1
5.1
4.2
5.2
5.3
4.3
5.4
4.4
5.5
6.1
7.1
6.2
7.2
7.3
6.3
7.4
6.4
7.5
3.1
Quelle: Ethik Research Konzept, EPS Finanz AG, Zürich
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Verwaltungsrat, die Hausbank, das
Personal und nicht zuletzt die Kunden geschieht umfassend und zeitnah. Zudem ist der direkte Kontakt
zwischen den Investoren und der
Unternehmensleitung gewährleistet.
Dies ist vor allem bei jungen Unternehmen der Fall, die gemeinsam mit
den Investoren die Kriterien für eine
ökologisch und sozial verantwortungsvolle Unternehmenspolitik erarbeiten und umsetzen.
Bei Grossunternehmen hingegen ist der Investor ausschliesslich
auf die öffentliche Berichterstattung
des Unternehmens angewiesen. Nur
in den wenigsten Fällen zeigt diese
die Absichten der Unternehmensleitung auf, sie stützt sich vielmehr
auf die Geschichte der Gesellschaft.
Zudem erreichen die Informationen
die Investoren oft nur mit einer zeitlichen Verzögerung. Das Risiko der
unvollständigen Berichterstattung ist
dabei sehr gross. Allerdings muss
auch gesagt sein, dass dieselben
Grossunternehmen
zunehmend
unter dem Druck der Öffentlichkeit
stehen. Unzulänglichkeiten werden
von Medien und Interessengruppen
schonungslos angeprangert.
Ökonomischer Mehrwert.
Aber mehr als das!
Früher, als die Wirtschaft noch aus
einfach strukturierten Basisindustrien bestand, war die Orientierung an
den im Rechnungswesen erfassbaren
Vermögenswerten eine ausreichend
genaue Abbildung der Wirklichkeit.
Seither hat sich jedoch ein einschneidender Wandel vollzogen. Die Bedeutung des Dienstleistungssektors ist
heute wesentlich grösser als jene der
klassischen Industrie, der Trend geht
hin zum Know-how-intensiven Hochtechnologieunternehmen.
Technologien werden entwickelt, die noch nie da gewesene
Chancen und Risiken für die
Menschheit bieten, wie etwa der
Computer, das Internet oder die Biotechnologie. Die problematischen
Folgen der Globalisierung werden
immer deutlicher. Die Gesellschaft
reagiert sensibler auf Risiken, gerade
auch im Zusammenhang mit der
Wissenschaft. Manager, Unternehmer, Kunden und Investoren stellen
höhere moralische Ansprüche an die
Tätigkeit von Unternehmen. Die
Öffentlichkeit wird zu einer Macht,
die gnadenlos alle negativen
Aspekte der Wirtschaft ans Licht
bringt.
Immenses Potenzial
Mit Blick auf die einschneidenden
gesellschaftlichen Veränderungen ist
die Erwartung eines ökonomischen
Nutzens durch die ethische Ausrichtung eines Unternehmens gut begründet. Dabei hat ethisches Handeln sowohl unternehmensintern
wie -extern positive Folgen. Hier nur
einige wenige Beispiele:
Interner Nutzen
– Haftungsvermeidung
– Steigerung der Mitarbeitermotivation
– Höhere Innovationsfähigkeit
– Erkennen von Schwachstellen
– Höhere Kompetenz im Umgang
mit Konflikten
Externer Nutzen
– Positives Image
– Erfüllung ethischer Anforderungen von Gesetzgeber und Kunde
– Verbesserung der Marktposition
durch Differenzierung
– Erleichterung im Umgang mit
Behörden
– Steigerung des Unternehmenswertes
– Pro aktive Antwort auf gesetzliche
Anfragen
Wie es der Wirtschaftsethiker Professor Hans Ruh ausdrückt: heute besteht der «wahre Wert» eines Betriebes zu einem bedeutenden Teil aus
den fachlichen und sozialen Fähigkeiten seiner Führungskräfte und
Mitarbeiter, aus dem Vertrauen seitens der Kunden, aus der Attraktivität
für die Kapitalgeber, also letztlich aus
der Qualität des gesamten Beziehungsnetzes zu den Anspruchsgruppen.
MQ
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