Therapie bei Augenentzündung

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Tagungsbericht
BIS
Therapie bei Augenentzündung
Zum 14. Berliner Immunologie Seminar
Das Berliner Immunologie Seminar (BIS) wird jährlich von der Universitäts-Augenklinik Charité unter der Leitung
von Prof. Dr. Uwe Pleyer ausgerichtet und widmet sich aktuellen Aspekten von entzündlichen Augenerkankungen.
Das 14. Seminar fand Ende Mai unter dem Schwerpunktthema „Therapie bei Augenentzündung – Vom
Bewährten zum Neuen“ statt. Ein zusammenfassender Bericht von Priv.-Doz. Dr. Dieter E. Moeller.
T
raditionell versammelten sich mit rund vierhundert Ärzten
auch in diesem Jahr wieder zahlreiche Seminarteilnehmer,
denen namhafte Autoren im Auditorium des Kaiserin Friedrich
Hauses ein breites Spektrum interessanter Themen boten.
Zur Eröffnung des Seminars sprach Dr. Carsten Heinz, Münster,
zum Thema „Therapie bei intraokularer, nichtinfektiöser Entzündung“. Die Therapie nichtinfektiöser Uveitiden ist sehr vielschichtig, an erster Stelle stehen weiterhin die Glukokortikoide.
Unter den Calcineurininhibitoren hat derzeit nur das Cyclosporin
A eine Zulassung. Zur Gruppe der Antimetaboliten und alkylierenden Substanzen zählen Methotrexat, Azathriopin und Mycophenolat Mofetil. Vorrangig bei Kindern mit einer Uveitis wird
das Methotrexat häufig genutzt wegen der jahrzehntelangen positiven Erfahrungen. Die Biologika erbrachten eine deutliche Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten, nicht zuletzt wegen deren nun vereinfachter Herstellung. Allerdings liegen nur begrenzt
langfristige Aussagen zu Therapieerfolgen und Nebenwirkungen
vor. Die Vielzahl der verfügbaren neuen Therapeutika erfordert
eine sehr sorgfältig abgewogene Therapieentscheidung.
Zur „Therapie bei viraler Retinitis“ referierte Prof. Dr. H. O.
C. Gümbel vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm. Nur wenige Virustatika sind zur Therapie der Virusretinitiden zugelassen. Eine
Hauptgruppe stellen die Nukleosidanaloga (Aciclovir) dar. Es
hemmt die DNA-Replikation des Herpesvirus. Weiterentwicklungen, so genannte prodrugs, sind Valciclovir oder Famciclovir.
Das Ganciclovir hemmt die DNA-Polymerase des CMV, weiter
wichtig ist auch das Foscarnet. Der Wirkstoff Cidofovir hemmt
virusunabhängig die virale DNA-Polymerase. Spezialitäten in der
Retinitistherapie sind die intravitrealen Therapiedosen.
Einige Wirkprinzipien, zum Beispiel das Antisense-Oligonukleotid Fomivirsen, können nur intravitreal appliziert werden. Fast nur
im deutschsprachigen Raum ist das Brivudin (BVDU) mit vielfach
stärkerer Wirkung gegen Herpesviren bekannt. Zur Entwicklung
neuer Virustatika zählt das Robisidanalogon BCNA. Schlussendlich ist das Neue an der Therapie viraler Retinitiden, dass der
Off-Label-Use von Virustatika gebräuchlicher geworden ist. Die
Therapie soll in der Dauer und bezogen auf Nebenwirkungen
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patientenorientiert geführt und nicht vor Abklingen aller klinischen Zeichen beendet werden.
Dr. Necip Torun/Charité berichtete über die „Therapie bei okulärer Toxoplasmose“. Sowohl die Wirksamkeit einer Therapie
der okulären Toxoplasmose zu ermitteln als auch verschiedene
Therapien zu vergleichen, ist schwierig. Die Toxoplasmose-Retinitis bietet oft einen selbstlimitierenden Verlauf und der Schweregrad der Entzündung ist variabel. Akzeptierte Indikationen der
Behandlung sind Primärtoxoplasmose in der Schwangerschaft,
kongenitale Infektion des Neugeborenen, akute Retinochorioiditis, akut erworbene Toxoplasmose mit Organkomplikationen bei
immunkompetenten Patienten, durch Bluttransfusion erworbene
Infektion, seronegative Organempfänger nach Organerhalt von
seropositiven Spendern, Toxoplasmose bei immunsupprimierten
Patienten.
Für die Mehrzahl der derzeitigen Medikamente besteht keine gesicherte Wirksamkeit, Hauptziel der Therapie ist die Inhibition
der Parasitenreplikation während der akuten Infektionsphase.
Am weitesten verbreitet ist die Kombination aus Pyrimethamin,
Sulfadiazin und Folinsäure, führt aber in etwa 25 Prozent wegen
Nebenwirkungen zum Therapieabbruch. Andere angewendete
Medikamente sind Clindamycin, Spiramycin und Cotrimoxazol
sowie die Substanzen Atovaquon, Azithromycin und Clarithromycin. Auch unter Kennern der Erkrankung besteht kein Konsens
hinsichtlich der Therapie, da kaum prospektive, randomisierte,
placebokontrollierte Untersuchungen zur Wirksamkeit der verschiedenen Antibiotika existieren.
Über „Periorbitale Entzündung: therapeutischer Stufenplan“
sprach Priv.-Doz. Dr. Eckart Bertelmann/Charité. Diagnostisch
werden zur Therapie die präseptale von der Orbitalphlegmone
unterschieden. Erstere erfordert nur bei schweren Fällen eine Stationierung, zur systemischen oralen Therapie wird zum Beispiel
Elobact gegeben. Die Orbitalphlegmone erfordert immer eine stationäre Therapie, in der Regel muss auch operiert werden, gegebenenfalls interdisziplinär mit der HNO-Heilkunde.
Argyrios Chronopoulos/Charité referierte zum Thema „Virale
Infektionen des Auges“. Zu den wichtigen viralen okulären
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Infektionserregern zählen HSV, VZV und ADV. Die Therapie der
herpetischen Keratitis erfolgt lokal mit TFT und Aciclovir, systemisch mit Aciclovir, Valaciclovir und Famaciclovir. Bei Kindern
ist Aciclovir oral 12 bis 15 mg/Kg/Tag in mehreren Dosen aufgeteilt nach Rücksprache mit dem Kinderarzt zu geben. Die aktuelle
Therapie der herpetischen Stromakeratitis besteht in lokaler Gabe
von Steroiden, dazu die lokale antivirale Abdeckung mit Trifluridine und Aciclovir, die systemische antivirale Abdeckung mit
Aciclovir, Valaciclovir und Famaciclovir. Sprechen Patienten auf
die Therapie nicht an, ist entweder eine falsche Diagnose, Malcompliance oder (selten) eine Resistenz die Ursache. Als „take
home“ Botschaft wurden fünf Punkte genannt: Aciclovir p. o.
wirkt nicht additiv gegen stromale Herpes-Keratitis bei Standardtherapie mit Steroiden und antiviraler Abdeckung, lokale Steroide
(1 % Prednisolon) sind ungefährlich und wirksam gegen stromale
Herpes-Keratitis, Aciclovir ist wirksam gegen herpetische Iritis,
verhindert nicht die stromale Beteiligung oder Uveitis und kann
Herpes-Rezidive verhindern.
Infektionen mit dem Varizella-Zoster-Virus sind weltweit verbreitet und bieten klinisch zwei Formen: primär Varizellen/
Windpocken und rezidivierend Herpes zoster. Das klinische Bild
der VZV-Infektion tritt bei zweiter klinischer Manifestation der
Infektion auf und kann auch nach Impfung auftreten. Dabei sind
Bläschen an den Lidern, auch disziforme Keratitis mit Uveitis
möglich, selten Keratitis oder epitheliale Keratitis. Eine weitere
klinische Manifestation ist der Herpes zoster ophthalmicus. Differenzialdiagnostisch zur HSV-Keratitis ist die Zoster-Keratitis zu
nennen. Als aktuelle Therapie der VZV wird oral und systemisch
(i. v.) Aciclovir gegeben, wobei die Therapie möglichst innerhalb
der ersten 72 Stunden nach Auftreten der Hauteffloreszenzen beginnen soll.
Adenoviren verursachen 20 bis 90 Prozent aller Konjunktivitiden weltweit und sind als sehr virulente Erreger mit ausgeprägter
Kontagiosität auch Verursacher der Keratokonjunktivitis epidemica. Die KCE bietet eine Akut- und eine chronische Phase, in
letzterer treten die Nummuli auf. Die Therapie in der Akutphase
besteht in Gabe von Tränenersatzmitteln, auch Zykloplegie bei
starker Reizmiosis, kalten Kompressen und prophylaktisch lokaler Antibiotikasalbe, auch PVP-Jod Tropfen (0,8 bis 5% 4xd).
In der chronischen Phase werden 2% Cyclosporin-Augentropfen
gegeben, wobei die Nummuli langsamer als nach Steroiden verschwinden. Die Therapie muss über Monate langsam ausgeschlichen werden. Abschließend wurde ein Überblick zu Entwicklung
und Kosten neuer Virustatika gegeben.
Prof. Dr. Uwe Pleyer/Charité berichtete über „Neue Entwicklungen in der topischen antibakteriellen Therapie“. Auch für
die Therapie in der Augenheilkunde ist ein breites Spektrum von
Antibiotika relevant. Deren Entwicklung zeigt Tab. 1. Einsatzkriterien der Antibiotika sind einerseits Erregerspezifität, Infektionslokalisation, Applikationsform, Praktikabilität (Compliance) und
Kosten, andererseits Wirkspektrum, -typ, -intensität, -mechanismus, Pharmakokinetik und Nebenwirkungsprofil. Wichtige Strukturen des vorderen Augenabschnittes, an denen sich eine Infektion
manifestieren kann, sind Lider, Tränenorgane, Binde- und Hornhaut. Zu den relevanten Erregern am Auge zählen Staph. epidermidis, Staph. aureus, Streptococcus, Haemophilus, gram-negative
Darmmikroorganismen und Pseudomonas aeruginosa. Ursache
einer Resistenzentwicklung ist häufig eine systemische Therapie,
am häufigsten die Anwendung in der Landwirtschaft.
Die Therapie in der Ophthalmologie spielt eine geringere Rolle
hinsichtlich der Resistenzentwicklung, bedingt durch geringere
Keimzahl als bei anderen Infektionskrankheiten, sehr hohe Wirkstoffspiegel bei topischer Anwendung am Infektionsort und meist
nur kurzfristige Behandlung. Zu den Grundsätzen einer Antibiotikatherapie gehört, dass es wenig sinnvoll ist, ein bakteriostatisch wirksames mit einem bakterizid wirksamen Antibiotikum
Abb. 1: Typischer Irisbefund beim Varizella-/Zoster-Virus.
Abb. 2: Typischer Irisbefund beim Varizella-/Zoster-Virus.
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Oxytetracyclin
Erythromycin
Vancomycin
Kanamycin
Polymyxin
Sulfonamide
30er
40er
50er
Norfloxacin
Ofloxacin
Ciprofloxacin
Fusidinsäure
60er
90er
Levofloxacin
Moxi-Gatifloxacin
Azithromycin
Jahre
Penicillin
Gentamicin
Bacitracin
Tobramycin
Chloramphenicol
Neomycin
Linezolid
(systm.)
Tab. 1: Entwicklung von Antibiotika in der Augenheilkunde.
zu kombinieren. Ersteres hemmt die Wachstumsphase und stört
damit den Wirkansatz des bakterizid wirkenden Antibiotikums.
Weiterhin ist hochdosiert und eine Woche lang zu behandeln, da
in einer Erregerpopulation nie alle Keime gleichzeitig in der Vermehrungsphase sind. Hoffnungen und Wünsche hinsichtlich der
Entwicklung neuer Antibiotika sind die nach neuen Wirkstoffen,
einem breiten Erregerspektrum, einfacher Anwendung, kurzer
Behandlungsdauer (Compliance), keiner oder geringer Toxizität
sowie einem guten Preis- Leistungsverhältnis.
Im Beitrag „Immunsuppressiva“ sprach Dr. Lydia Naumann aus
der Medizinischen Klinik m. S. Rheumatologie und Klinische
Immunologie der Charité. Glukokortikoide sind nach wie vor bewährt hinsichtlich ihrer Wirkungen auf das Immunsystem. Zur
immunsuppressiven Basistherapie sind derzeit verfügbar Sulfasalazin, Methotrexat, Leflunomid, Goldsalze, Hydroxychloroquin,
Azathioprin, Ciclosporin, Cyclophosphamid und Mycophenolat
Mofetil. Die Wirkung immunsuppressiver Basistherapie besteht in
der Hemmung von Zellteilung und Zellaktivität immunsuppressiv
und immunmodulatorisch. Die Biologika haben eine neue Ära in
der Therapie chronisch entzündlicher Gelenkerkrankungen eingeleitet. Ihre Wirkung besteht in der Neutralisation von Botenstoffen
der Entzündung (Antizytokine) und Hemmung von Entzündungszellen (Zelldepletion). Biologische Medikamente sind hochspezifisch wirksam in Form von meist großen Eiweißmolekülen. Zu
ihnen zählen Etanercept, Adalimumab, Infliximab, Anakinra, Rituximab, Tocilizumab und Abatacept.
Dr. Kirsten Minden von der Klinik für Pädiatrie m. S. Pneumonologie und Immunologie der Charité berichtete über „Therapie
von juveniler Arthritis und Uveitis“. Die juvenile idiopathische
Arthritis (Oberbegriff der neuen Nomenklatur) ist die häufigste
chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung im Kindesalter.
Die Prävalenz beträgt 100/100.000 Kinder, etwa 15.000 Betroffene
bundesweit, davon etwa 2.000 Kinder mit JIA und Uveitis. Die
kumulative Uveitisinzidenz in den JIA-Subgruppen sinkt in der
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Reihenfolge Oligoarthritis, Enthesitis-assoziierte Arthritis (HLA
B 27+), Seronegative Polyarthritis, Psoriasisarthritis, Systemische
Form (M. Still), zur Seropositiven Polyarthritis.
Die medikamentöse Therapie der JIA mit Uveitis beruht auf den
zwei Säulen Symptommodifizierte (NSAR, Glukokortikoide) sowie
Krankheitsmodifizierte Therapie (Disease Modifying Antirheumatic Drugs, Basistherapeutika). Die meisten Erfahrungen bestehen mit der Zytokin-gerichteten Therapie (TNF-Blocker, Etanercept, Infliximab, Adalimumab). Die Zellgerichtete Therapie wird
mit Abatacept (T-Zellgerichtet) und Rituximab (B-Zellgerichtet)
geführt. Der antiproliferativen Therapie dienen Leflunomid und
Mycophenolat Mofetil. Die gegenwärtige Therapie beginnt mit
Glucocorticoiden topisch/systemisch. Bei Nichtbesserung werden
Immunmodulatoren eingesetzt (MTX, Azathioprin, Cyclosporin
A). Schließlich kommen TNF-Blocker zur Anwendung (Adalimumab/Infliximab + MTX, Mycophenolat Mofetil, Abatacept +
MTX). Die Anwendung letzterer bedeutet Off-Label-Use.
Den Abschluss bildete der Beitrag von Dr. Burghard Bratzke
von der KV Berlin zum Thema „Off-Label-Use – Grundlagen,
Rechtssprechung, Gefahren, Möglichkeiten“. Der Off-LabelUse von Arzneimitteln wird seit langer Zeit in den verschiedenen
Fachgebieten der Medizin praktiziert. Derzeit stellt er zunehmend
ein vielschichtiges Problem dar, sowohl hinsichtlich rechtlicher
Unsicherheit für Ärzte und Patienten, nicht eindeutig abzuwägender Risiken als auch erheblicher sozioökonomischer Auswirkungen. Off-Label-Use bedeutet die Anwendung von Arzneimitteln außerhalb der Zulassung, Prüfung und Genehmigung durch
die zuständigen Behörden.
Die Zulassung eines Arzneimittels durch das AMG und für die
GKV durch das Sozialgesetzbuch V gewährleistet dessen Qualität.
Der Einsatz eines AM außerhalb der offiziellen Zulassung kann
geschehen als geografische Zulassung, für eine Altersgruppe, als
Darreichungsform (falsch), nach Dosierung/Dauer, Therapiegebiet oder Indikation. Dabei gibt es keine Kostenübernahme durch
die KV. Ausnahmen und damit Voraussetzung für eine Leistungspflicht der KV können eintreten bei schwerer Erkrankung,
keiner Therapiealternative, begründeter Erfolgsaussicht und bei
notstandsähnlichen Situationen (Lebensgefahr). Die Vorgehensweise dabei ist keine Verordnung auf einem Kassen-, sondern Privatrezept, der Patient muss in Vorleistung gehen. Dabei kann der
behandelnde Arzt bestenfalls die Antragstellung abnehmen. Für
eine Therapie im Off-Label-Use braucht der behandelnde Arzt
den schriftlichen Bescheid der zuständigen Kasse, dass kein Regress gestellt wird.
Priv.-Doz. Dr. Dieter E. Moeller
E-Mail: [email protected]
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