Beim Jupiter! WAZ, 29.05.2008, Dirk Aschendorf , 0 Kommentare Dietrich Hilsdorf inszeniert am Aalto-Theater in Essen Händels OpernOratorium „Semele”. Es ist ein Barock-Spektakel von erlesener Optik und musikalischer Güte. Dass Händels Opern-Oratorium „Semele” 1744 in London floppte, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Mag sein, dass dem bürgerlichpuritanischen Publikum, das kurz zuvor noch den Messias oder den Saul des „caro sassone”, des geliebten Sachsen, wie Händel wegen seiner Herkunft genannt wurde, bejubelt hatte, bereits zu frivol schien. Immerhin geht es in der flotten Story um den liebestollen Gott Jupiter, der ein Mädchen (Semele) aus gutem Haus schwängert und – als diese dann Ansprüche auf göttliche Unsterblichkeit anmeldet – sie dann dem Feuertod überantwortet. Dass Semele den ihr zugedachten Gatten verschmäht (den greift sich bald ihre Schwester) und das ganze Drama von Jupiters Gattin Hera durch heimtückische Intrige angefeuert wird, mag bieder-empfindsame Kreise sicher verstört haben. Man bedenke: Das Libretto nach einem Stück des Komödiendichters William Congreve war bei der Uraufführung bereits rund 50 Jahre alt. Am Essener Aalto-Theater nahm sich nun das durch seine vielbeachtete Bonner Händel-Serie erprobte Duo Dietrich Hilsdorf (Regie) und Jos van Veldhoven (musikalische Leitung) dieses schillernden Werkes an. Heraus kam ein Barock-Spektakel von erlesener Optik und musikalischer Güte. Dass Hilsdorf, anders als in den meisten seiner früheren Essener Inszenierungen, keine eigene pointiert-deutende Geschichte um die Story erzählte, bewahrte vor Überfrachtung. Denn die Partitur ist äußerst dicht gebaut, mit unglaublich raschen Szenewechseln und einer Fülle illustrierender Musik, dass sich das Drama bereits beim Hören einstellt. Dieter Richter schuf dafür einen luxuriösen, variablen Bühnenaum. Mal repräsentativer Salon, mal Schlafgemach oder intimer Vorraum. Wie geschaffen für großes Gepränge (Kostüme: Renate Schmitzer) des hervorragenden Chors (Einstudierung: Alexander Eberle), aber auch für Intrigen oder Genre-Szenen wie bei Hogarth. Stilistisch: Englisch gebändigtes Rokoko auf der Schwelle zum Klassizismus. Das alles vor Riesengemälde: Der „Turmbau zu Babel”, Metapher auch für die Vermessenheit Semeles, Unsterblichkeit erlangen zu wollen. Am Ende der Saison prunkt das Aalto mit einem regelrechten vokalen Feuerwerk. Die Hauptpartien besetzt man mit Gästen, die sich auf das Barockfach spezialisiert haben. Olga Pasichnyk (Semele) mit wunderbar strömendem Sopran, makellosen Spitzentönen und Verzierungen. Athamas, ihr verschmähter Gatte, wird durch den Countertenor Franco Fagioli zum Ereignis. Ein wunderbares Legato, virtuose Geläufigkeit gepaart mit fabelhafter Stilistik. Uwe Stickert gibt seinem Jupiter-Tenor mal heldenhaften Anstrich, prunkt aber ebenso mit zarten Lyrismen und fantasievollen Auszierungen, so im DaCapo seines Hits „Where e'er you walk”. Jos van Veldhoven führt die Philharmoniker mit Gästen in der Continuo-Gruppe eloquent durch die Partitur. Am Ende einhelliger Jubel. Karten: 0201/81 22 200