SZ-Archiv: A58552194

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Innenansicht
Donnerstag, 13. November 2014
Bayern Region Seite 57DAH,EBE,ED,FS,FFB,München City,München Nord,München Süd,München West,STA,Wolfrhsn. Seite R1
INNENANSICHT
Furunkel im
Gesicht der Stadt
von wolfgang görl
E
s ist schon grotesk: Da prunkt die
frisch sanierte Fassade der Jesuitenkirche St. Michael mit allem
Glanz und aller Gloria der gegenreformatorischen Propaganda, während die benachbarte Alte Akademie, das im
16. Jahrhundert errichtete Jesuitenkolleg, vor sich hinbröckelt, als wäre der Renaissancebau ein Abrisshaus, das möglichst von selbst zusammenbrechen soll.
Immerhin, der Abbruch ist dem Eigentümer untersagt. Ansonsten hat der Investor René Benko erstaunliche Freiheiten,
seit er das denkmalgeschützte Gebäude
erworben hat – übrigens vom Freistaat,
der Kulturdenkmäler offenbar lieber verscherbelt, als sich um sie zu kümmern.
Was die Privatisierung dieses architektonischen Meisterwerks für das Stadtbild
bedeutet, dürfen die Münchner jetzt bewundern. Auf der Fassade, hinter der
einst theologische Studien betrieben
wurden, prangen die Namen des Schuhgeschäfts „Ecco“ und der mutmaßlich
hippen Modekette „Urban Outfitters“.
Zwar sind die Buchstaben dezent koloriert, gleichwohl aber wirken sie wie Furunkel in einem schönen Gesicht. Man
kann sie nicht ausblenden, man muss
hinsehen – und sie verschandeln alles.
Besonders erschreckend dabei ist:
Die Aufschrift hat den Segen der Denkmalschützer. Was denken die sich dabei?
Wie wollen sie Privatleute motivieren, ihre denkmalwürdigen Häuser mit hohen
Kosten zu erhalten, wenn sie gleichzeitig
die Verunstaltung erstrangiger Architektur zulassen? Doch so weit hätte es erst
gar nicht kommen dürfen. Bayern
schmückt sich gerne mit dem Begriff
„Kulturstaat“. Seine Regierung aber
schreckt nicht davor zurück, das kulturelle Erbe zu versilbern und es der kommerziellen Verwertung preiszugeben.
Womöglich hält man die Verwandlung
der Prachtbauten Münchens in Reklameflächen für besonders innovativ und urban. Tatsächlich ist sie eine Schande.
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