Mineralien : Glitzernde Kostbarkeiten Allgemeines Ein Mineral ist ein homogener, meist fester, kristalliner und anorganischer Grundbaustein der natürlichen Materie. Eine Mineralart ist durch ihre chemischer Zusammensetzung und innere Struktur bestimmt. Abarten einer Mineralart (abweichende Farbe, leicht abweichender Chemismus, usw.) werden als Varietät bezeichnet (z.B. Amethyst = violetter Quarz; Sericit = feinstschuppiger Muskovit; etc.). Sie sind keine eigenständigen Minerale. Neue Minerale müssen von einer Kommission, der International Mineralogical Association (IMA) anerkannt werden. Der Entdecker muss das neue Mineral so genau wie möglich beschreiben, seine chemische Zusammensetzung, aber auch den inneren Aufbau (das Kristallgitter) bestimmen. Dann werden diese Daten von der IMA geprüft und mit den bereits bekannten Mineralen verglichen: Handelt es sich tatsächlich um einen Neufund, oder ist es "nur" eine neue Varietät eines schon bekannten Minerals? Erst wenn das Mineral von der IMA als neu anerkannt ist, darf es veröffentlicht werden. Mineralnamen Mit der Beschreibung des neuen Minerals wird der IMA auch eine Name vorgeschlagen. Er muss eindeutig sein und darf nicht zu Verwechslungen führen. Die meisten Mineralnamen enden auf -it. Als Namensgeber können dienen: Personen (Entdecker, berühmte Persönlichkeiten ...): z.B. Goethit, nach dem Schriftsteller und Mineraliensammler Johann Wolfgang von Goethe Fundorte (meist der Ort des Erstfundes): z.B. Weinebeneit, nach der Lokalität Weinebene auf der Koralpe, Steiermark Der Chemismus (natürliche und künstliche Namen): z.B. Berborit, ein Beryllium-Bor-Mineral Die physikalischen Eigenschaften: z.B. Coelestin, von lat. coelestis = himmelblau Neben den von der IMA anerkannten Namen gibt es noch eine Unzahl anderer Bezeichnungen. Einige sind historische Namen aus der Sprache der Bergleute (z.B. "Zinkblende" statt Sphalerit), andere Phantasiebezeichnungen findiger Mineralienhändler, die ihre Ware durch spektakuläre Namen noch interessanter machen wollen (z.B. "Fernsehstein" statt Ulexit). Glitzernde Kostbarkeiten - Kristallographie Kristalle sind aus Atomen oder Atomgruppen aufgebaut. Diese Bauteile bilden einen für jede Kristallart charakteristischen Bauplan. Dabei lagern sie sich in alle drei Raumrichtungen parallel aneinander. Der Feinbau, die Struktur der Kristalle, wird durch die Art und das Mengenverhältnis, durch das Grössenverhältnis und die gegenseitige Anziehungskraft der Bauteilchen bestimmt. Es entsteht ein Kristallgitter. Kristallsymmetrie Direkt aus dem Kristallgitter ist die Symmetrie eines Kristalles ableitbar. Die bekannteste Symmetrieart ist die Spiegelsymmetrie: Wenn man eine Hälfte des Kristalls an einer gedachten Ebene spiegelt, so bekommt man die andere Kristallhälfte. Ein Kristall kann mehrere Symmetrieebenen aufweisen (z.B. beim Würfel insgesamt 9 Stück!) Eine andere Form der Symmetrie erhält man durch Drehen des Kristalls um eine gedachte Achse. Bei vierzähliger Symmmetrie bekommen wir bei einer vollen Umdrehung viermal dasselbe Bild, bei dreizähliger Symmetrie dreimal, bei zweizähliger nur zweimal. Beim Symmetriezentrum = Inversionszentrum wird jeder Punkt des Kristalls an einem gedachten Mittelpunkt gespiegelt. Kristallsysteme und Kristallklassen Kristalle können nach ihren Symmetrie-Eigenschaften gruppiert werden. Man unterscheidet insgesamt 32 Kristallklassen, die wiederum in sieben Kristallsysteme zusammengefasst werden können. Diese sind über die Längenverhältnisse der Kristallachsen und deren Winkel definiert. Kristallformen Die Flächen eines Kristalles sind nicht willkürlich verteilt. Sie folgen dem Kristallgitter und den damit verbundenen Symmetriegesetzen. Mehrere Kristallflächen bilden eine Kristallform, wobei alle Flächen eine gleiche Stellung im Achsensystem haben. Z.B. Würfel: jede Fläche schneidet eine Achse senkrecht und liegt parallel zu den anderen beiden Achsen; Oktaeder: jede Fläche schneidet alle 3 Achsen im selben Abstand. Kristallformen können einen Raum umschliessen (geschlossene Formen), müssen dies aber nicht (offene Formen). Achtung: ein Kristall kann aus mehreren Kristallformen bestehen, z.B. Kombination aus Würfel und Oktaeder oder Prisma und (Di-)Pyramide! Tracht Die Tracht ist die Gesamtheit der an einem Kristall auftretenden Flächenarten (= Kristallformen). Habitus Das Gesamtbild eines Kristalls - unabhängig von den tatsächlich ausgebildeten Flächen, wird als Habitus bezeichnet. Ein Kristall kann langprismatisch, kurzprismatisch, isometrisch, nadelig, säulig, faserig usw. sein. Mineralzwillinge Zwillinge entstehen, wenn zwei Kristalle gleicher Art und Ausbildung miteinander verwachsen. Die beiden Zwillingsindividuen liegen entweder spiegelbildlich zur Zwillingsebene, oder können durch Drehung um 180° um eine Zwillingsachse miteinander zur Deckung gebracht werden. Man unterscheidet Berührungszwillinge und Durchwachsungszwillinge. Abnormale Kristalle Als Folge von besonderen Bildungsbedingungen können einzelne Flächen eines Kristalles schneller wachsen. Der Kristall erscheint verzerrt. Dennoch kann seine Symmetrie eindeutig ermittelt werden: Alle Flächen stehen zueinander immer im selben Winkel! Wachstums-Unregelmässigkeiten an einem Quarz-Kristall Fundort: Frutzschlucht bei Rankweil Manchmal wachsen die Kanten eines Kristalls schneller als die Flächen. Es entsteht ein "Rahmen" um eine vertieft liegende Kristallfläche. Man spricht von Fensterbildungen. Später versucht der Kristall, auch die Fläche auszufüllen. Um Material zu sparen, bildet sich eine "Fensterscheibe" zwischen den Kanten, wobei der darunter liegende Raum frei bleibt. Er wird (je nach Entstehungsort des Kristalls) mit Flüssigkeit oder Ton gefüllt. Der Fachmann nennt dies Skelettbildungen. Glitzernde Kostbarkeiten : Kristallphysik Härte Die Härte ist der Widerstand, den ein Mineral der mechanischen Beanspruchung entgegensetzt. Um sie zu bestimmen, hat der österreichische Mineraloge Friedrich MOHS (1773-1839) eine zehnteilige Härteskala erstellt: 1 Talk (Steatit) mit dem Fingernagel schabbar 2 Gips mit dem Fingernagel ritzbar 3 Calcit mit Kupfermünze ritzbar 4 Fluorit mit Taschenmesser leicht ritzbar 5 Apatit mit Taschenmesser noch ritzbar 6 Orthoklas mit Stahlfeile ritzbar 7 Quarz ritzt Glas 8 Topas 9 Korund 10 Diamant Minerale mit höherem Härtegrad ritzen Minerale mit niedrigerem Härtegrad. Die Ritzhärte kann richtungsabhängig sein! In vielen Fällen (speziell in der Gemmologie = Edelsteinkunde) ist diese Ritzhärte zu ungenau. Bei einer anderen Methode wird der Kristall unter einer belasteten Metall- oder Diamantspitze vorbeibewegt. Das Belastungsgewicht, das gerade noch eine Ritzung erzeugt, gilt als Maß für die Härte (Sklerometer; von gr. skleros = hart). Die Schleifhärte wird ermittelt, indem das Mineral unter kontrollierten Bedingungen geschliffen wird. Der Material- bzw. Gewichtsverlust innerhalb eines definierten Zeitintervalls dient als Maß für die Härte. Zur Ermittlung der Eindruckhärte wird eine Diamantpyramide mit einem Druck in den Kristall gedrückt. Die Grösse des entstandenen Hohlraumes gibt die Härte des Minerals an. Dichte Die Dichte gibt an, wie schwer eine bestimmte Volumsmenge eines Minerals ist. Sie wird in g/cm³ bzw. t/m³ angegeben. Die Dichte kann durch Verunreinigungen beträchtlich schwanken. Minerale mit einer Dichte über 2,95 werden als Schwerminerale bezeichnet. Sie geben wertvolle Hinweise auf die Entstehung eines Gesteins. Ihre Abtrennung aus Sand oder pulverisiertem Gestein erfolgt durch Schwereflüssigkeiten (Bromoform, Tetrabrom-methan, Natrium-Polywolframat in wässriger Lösung): leichte Minerale schwimmen auf der Trennflüssigkeit, schwerere sinken ab und können in einem Filter aufgefangen werden. Durchsichtigkeit (Lichtabsorption, Transparenz) Die Durchsichtigkeit gibt grob an, wieviel Licht ein Mineral durchlässt. Man unterscheidet: durchsichtig man kann eine Schrift lesen halbdurchsichtig man erkennt Gegenstände bzw. Schrift nur undeutlich durchscheinend durch dünne Kristalle oder an den Kanten kann Licht durchscheinen undurchsichtig = opak; das Mineral lässt auch in dünnsten Plättchen kein Licht durch Farbe Wird ein Mineral mit weissem Licht (z.B. Tageslicht) bestrahlt, so werden bestimmte Wellenlängen = Farben "verschluckt". Nur ein Teil des ursprünglichen Lichtes wird zurückgeworfen. Dadurch ergibt sich ein charakteristischer Farbeindruck. Wird alles Licht verschluckt, so erscheint der Kristall schwarz. Manche Minerale zeigen immer dieselbe Farbe. Sie sind eigenfarbig (idiochromatisch). Bei anderen hängt der Farbeindruck von Fremdstoffen, Einschlüssen, Fehlstellen im Kristallgitter ab. Sie werden als fremdfarbig (allochromatisch) bezeichnet. Ein Musterbeispiel wäre Fluorit (Flussspat). Bei diesem Mineral kann schon ein einzelner Kristall mehrere Farben aufweisen. Oft ist er zonar gebaut, d.h. "Schichten" oder Zonen unterschiedlicher Farbe wechseln miteinander ab (hell dunkel -hell - dunkel ...). Strichfarbe Nicht immer stimmt die Farbe von Mineralpulver mit der des ursprünglichen Kristalls überein. Speziell bei fremdfarbigen Mineralen kommen Farbabweichungen vor. Die Farbe des Pulvers kann leicht bestimmt werden. Man streicht mit dem Mineral über eine unglasierte Porzellantafel und zieht einen Strich - daher spricht der Mineraloge von Strichfarbe. Dies funktioniert natürlich nur bei Mineralen, die weicher als Porzellan sind. Bei einer Härte über 6 muss das Mineral im Mörser pulverisiert werden. Pleochroismus griech. pleon = mehr, chroma = Farbe. Manche Kristalle zeigen in verschiedenen Richtungen je nach Lichteinfallsrichtung unterschiedliche Farben. Mit Ausnahme der kubischen Kristalle sind alle Minerale doppelbrechend (siehe unter Kristalloptik). Die durch die Doppelbrechung aus einem Lichtstrahl entstehenden beiden Strahlen werden in unterschiedliche Richtungen unterschiedlich stark verschluckt. Ausgeprägten Pleochroismus zeigen manche Hornblenden und Turmalin. Dieses Phänomen ist besonders schön im polarisierten Durchlicht zu beobachten. Spaltbarkeit und Bruch Im Kristallgitter können die Atome Schichten bilden, die unterschiedlich stark miteinander verbunden sind. Sind in einer Ebene nur geringe Anziehungskräfte zwischen den Bauteilen des Kristallgitters vorhanden, so kann das Mineral in dieser Richtung bevorzugt gespalten werden. Glimmer ist ein Mineral, das im Kristallgitter einen ausgeprägten Lagenbau zeigt. Deswegen können grössere Glimmerkristalle mit dem Messer leicht in dünne Blättchen gespalten werden. Bei anderen Mineralen (Calcit, Feldspat) ist zum spalten eine stärkere Krafteinwirkung nötig (leichter Schlag mit dem Hammer). Quarz dagegen ist regelmässiger aufgebaut, die Anziehungskräfte zwischen den Atomgruppen sind in alle Richtungen gleich. Quarz zeigt keine Spaltbarkeit, sondern zerbricht unregelmässig. Man unterscheidet vollkommene, gute, undeutliche und fehlende Spaltbarkeit (je nach Lehrbuch können auch andere Bezeichnungen auftreten). Auch das Aussehen der Bruchfläche ist ein wichtiges Bestimmungsmerkmal. Bruchflächen können glatt, eben, uneben, muschelig, splittrig oder hakig sein. Kristalloptik Lichtbrechung Ein Lichtstrahl wird beim Übergang von Luft ins Wasser gebrochen: Stelle einen Löffel in ein Glas Wasser und blicke von oben hinen. Es schaut aus, als ob der Löffel einen Knick hätte! Dasselbe passiert mit einem Lichtstrahl am Übergang von Luft (oder einem anderen Medium) in den Kristall. Wie stark der Lichtstrahl abgelenkt wird, hängt vom Mineral, aber auch von der Farbes des Lichtes ab. Der Brechungsindex ist das Verhältnis zwischen Einfallswinkel und Ausfallswinkel (n = sin alpha / sin beta). Um ihn zu ermitteln, wird gelbes Licht von einer genau definierten Wellenlänge verwendet. Doppelbrechung Bei fast allen Mineralen wird der durchgehende Lichtstrahl nicht nur gebrochen, sondern auch noch in zwei Strahlen aufgespalten. Nur die kubischen Minerale sind einfachbrechend. Lege ein durchsichtiges Spaltstück von Calcit auf eine Zeitung. Du wirst die Schrift doppelt sehen! Bei anderen Kristallen ist die Doppelbrechung weniger stark und wird kaum wahrgenommen. Das Maß der Doppelbrechung ist ein wichtiges Bestimmungsmerkmal für Minerale unter dem Durchlicht-Mikroskop. Glitzernde Kostbarkeiten : Mineralchemie Ein Mineral besteht aus chemischen Elementen. Sie bilden den Grundbaustein des Kristallgitters, die Elementarzelle. In dieser Elementarzelle sind die einzelnen Elemente in einem ganz genau definierten Verhältnis vertreten. Dieses Verhältnis gilt natürlich auch für das gesamte Mineral und wird durch eine einfache chemische Mineralformel ausgedrückt. Im Idealfall stehen die chemischen Elemente in einem ganzzahligen Verhältnis. Die Minerale werden nach ihrer chemischen Zusammensetzung klassifiziert (Klassifikation nach H. STRUNZ) I Elemente II Sulfide III Halogenide IV Oxide und Hydroxide V Karbonate VI Sulfate, (Chromate, Molybdate, Wolframate) VII Phosphate, Arsenate, Vanadate VIII Silikate IX organische Minerale Minerale können Wasser enthalten. Konstitutionswasser ist eine (OH)--Gruppe, die erst beim Erhitzen auf einige 100°C entweicht. Kristallwasser ist als H2 O-Moleküle an ganz bestimmte Gitterplätze gebunden. Es wird beim Erhitzen leicht abgegeben, wobei das Kristallgitter zusammenbricht. Zeolithwasser befindet sich in Hohlräumen im Kristallgitter ohne eine fixen Platz. Lesen von chemischen Formeln Auch wenn Mineralformeln auf den ersten Blick verwirrend aussehen, so verraten sie dennoch viel über den Aufbau des Minerals. z.B. Co3[AsO4]2·8H2O (Erythrin = Kobaltblüte) ist eine Arsenat, wobei 1 Arsen-Atom mit 4 Sauerstoff-Atomen einen Tetraeder [AsO4] bildet. Zwei dieser Tetraeder sind durch 3 Cobalt-Atome verbunden: Co3[AsO4]2. Dazu kommen noch 8 Wassermoleküle als Kristallwasser. Flüssigkeits-Einschluss in einem Quarz-Kristall aus der Frutz-Schlucht bei Rankweil Verunreinigungen Idealformeln haben eine Nachteil: Sie sind in der Natur nur selten verwirklicht. Sehr oft sind Minerale durch fremde Elemente verunreinigt. Manchmal sind es gerade diese Verunreinigungen, die die Minerale interessant machen. So enthält Bleiglanz gewisser Lagerstätten (z.B. im Grazer Bergland) einen gewissen Anteil Silber, sodass er in früheren Jahrhunderten als Silbererz abgebaut wurde. Zinkblende ist fast immer mit Cadmium und Germanium verunreinigt. In Bleiberg (Kärnten) waren diese Verunreinigungen zwar willkommenes Nebenprodukt der Zinkgewinnung, sorgten aber für eine zusätzliche Umweltbelastung. In anderen Fällen haben die Verunreinigungen zwar keine wirtschaftliche Bedeutung, verleihen dem Stein aber seine Farbe. Smaragd wird erst durch verschwindend kleine Anteile an Chrom grün! Flüssigkeits-Einschluss in einem Quarz-Kristall aus der Frutz-Schlucht bei Rankweil