Ästhetische Chirurgie: Mehr Qualität durch Fortbildung und Leitlinien Einleitung Mehr Qualität in der ästhetischen Gesichtschirurgie durch Fortbildung und Leitlinien zum Nutzen der Patientinnen und Patienten - das ist ein wichtiges Ziel der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. Und so gehörte ein umfangreiches Fortbildungsangebot für ästhetische Eingriffe im Gesicht sowie die Diskussion von Leitlinien zum Programm des 53. Kongresses der Fachgesellschaft, der vom 18. bis 21. Juni in Krefeld stattfand. Wie viele Frauen und Männer sich hierzulande pro Jahr aus rein ästhetischen Gründen einer Gesichtsoperation unterziehen, weiß niemand genau. Sicher ist aber, dass in einer Zeit, in der Falten, krumme Nasen und Hängebacken als Karrierebremsen gelten, nicht nur Models und Promis die wachsenden Möglichkeiten der "Schönheitsmedizin" nutzen. Eine steigende Zahl von Menschen lassen sich entsprechend operieren. Experten schätzen, dass die Zahl der Eingriffe zwischen 300.000 und 500.000 liegt, allerdings gibt es keine genauen Statistiken. Ein wesentlicher Grund dafür: In Deutschland darf jeder Arzt Schönheitsoperationen vornehmen, selbst wenn er dafür keine spezielle Ausbildung absolviert hat. Darum weiß niemand, wie häufig solche Eingriffe in den verschiedensten Kliniken und Praxen tatsächlich stattfinden. Kein Standesrecht hindert einen Mediziner daran, sich mit Titeln wie "Kosmetische Operationen" oder "Schönheitschirurg" zu schmücken und so gegenüber den Patienten Sachkunde vorzutäuschen, die oft nicht vorhanden ist. Hinzu kommt der wachsende Markt der Faltenunterspritzung, den auch Kosmetikerinnen und Heilpraktiker für sich entdeckt haben. "Wir brauchen dringend qualitätssichernde Maßnahmen in der ästhetischen Gesichtsschirurgie, eine bessere Ausbildung sowie Leitlinien", fordert daher Prof. Heinz Gerhard Bull, Präsident des 53. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, der in diesem Jahr ganz im Zeichen der Ästhetik stand. Immerhin sei das Gesicht die persönlichste "Visitenkarte" des Menschen. "Seine individuelle Ausdruckskraft und Mimik entstehen durch das Zusammenspiel komplexer anatomischer Strukturen. Schon kleinste Änderungen können darum Aussehen und Ausdruck beeinflussen", betont Prof. Bull. Folgen unerfahrener Ärzte sind dann maskenhafte Gesichter, Norm-Nasen, hässliche Narben, schmerzhafte Nervenverletzungen oder entzündete Implantate. "Wir brauchen eine umfassende Fachausbildung für ästhetische Eingriffe, die sich an die Ausbildung zum Facharzt anschließt", fordert Prof. Bull. Vor allen Dingen müssen die jeweiligen Fachgebietsgrenzen eingehalten werden, schließlich könne kein Arzt in allen Körperregionen gleich kompetent operieren. Gerade für das Gesicht brauche der Arzt neben einer entsprechenden technischen Ausstattung vor allem eine fundierte Spezialausbildung. Schließlich muss die komplizierte Anatomie des Gesichtes, d. h. Mimik, Atmung, Kau-, Sprach- und Schluckfunktionen, bei ästhetischen Operationen berücksichtigt werden. Interessierte Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen können seit einiger Zeit durch eine zweijährige Weiterbildung die Zusatzbezeichnung "plastische Operationen" erwerben. Diese Facharzt- und Zusatzausbildung ist Voraussetzung für eine sachgerechte ästhetische Gesichtschirurgie. Doch auch diese muss danach noch erlernt und trainiert werden. Leitlinien geben Sicherheit 1 Die Spezialisten raten in ihren Leitlinien beispielsweise von der Injektion von Substanzen ab, die der Körper nicht abbauen kann. Solche nicht-resorbierbaren Füllmaterialien können selbst nach Jahren noch schmerzhafte Entzündungen verursachen und müssen dann entfernt werden. Dies ist oft nur durch eine aufwendige Operation möglich, die zudem Narben hinterlässt. Zu den resorbierbaren Materialien gehören körpereigene ("autologe") Materialien, etwa Eigenfett und "heterologe" Materialien, beispielsweise tierisches Kollagen. Auch Hyaluronsäure und Milchsäureprodukte kommen in Frage. "Allerdings muss bei heterologen Materialien ein Allergietest dem Eingriff voraus gehen", erklärt Dr. Christoph Lenzen, Klinik für MKG-Chirurgie/Plastische Operationen am St. Josefshospital Krefeld. Strategien gegen Falten auf dem Prüfstand Gegen Knitterfältchen, tiefe Mimikfalten und hohle Wangen setzen Spezialisten heute sehr unterschiedliche Methoden ein. "Prinzipiell lassen sich vier Strategien unterscheiden", erklärt Prof. Heinz Gerhard Bull. Da sind zum Einen die "ablativen Methoden", etwa die Laserbehandlung ("Skin Resurfacing"). Besonders beliebt sind die "augmentativen Verfahren", also die Aufpolsterung von Falten mit Füllmaterial. Hinzu kommen die "paralytischen Methoden", also die Injektion von Botulinumtoxin, das die Gesichtsmuskulatur entspannt und dadurch z. B. Krähenfüße und Zornesfalten mildert. Und als letzte Möglichkeit steht noch die operative Straffung mit dem Skalpell zur Verfügung. Nachdem die Laserbehandlung vor etwa zehn Jahren mit großer Euphorie eingeführt wurde, zogen Gesichtschirurgen um PD Dr. Dr. Siegfried Jänicke, Universitätsklinikum Aachen, auf dem Fachkongress eine erste Zwischenbilanz. Die Ärzte haben 30 Patienten nachuntersucht, die sich von 1997 bis 2001 einer solchen Therapie mit dem CO2-Laser unterzogen. Resultat: Bei Menschen mit heller Haut und mittlerer Faltenbildung konnten die Ärzte "befriedigende bis gute Ergebnisse" erzielen, die für drei bis fünf Jahre anhielten. Erwünschte Fettpolster schaffen Mit Eigenfett, das aus anderen Regionen, etwa dem Bauch entnommen wird, lassen sich nicht nur Falten aufpolstern, sondern auch größere Regionen im Gesicht konturieren. Allerdings wird das körpereigene Fettgewebe nach einer konventionellen Transplantation sehr schnell abgebaut. Inzwischen erproben die MKG-Chirurgen darum ein anderes Verfahren, bei dem das Fettgewebe zunächst in einer Zentrifuge aufbereitet und die Fettzellen dann in viele einzelne Kanälchen unter die Haut gepresst werden. Davon profitieren beispielsweise auch Patienten nach profilverbessernden Eingriffen oder Patienten mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Wie mehrere Wissenschaftlergruppen auf dem Kongress berichteten, lassen sich durch diese Methode Asymmetrien und Konturunregelmäßigkeiten des Gesichtes deutlich und ästhetisch zufriedenstellend mildern. Allerdings berichtet das Team um Prof. Konrad Wangerin vom Stuttgarter Marienhospital auch, dass bei extremen Defekten die Behandlung nach 12 Monaten wiederholt werden muss. Qualitätsmerkmal "biologisch abbaubar" Neben körpereigenem Fett empfehlen die Experten zur Faltenunterspritzung nur Substanzen, die vom Körper abgebaut werden können. Dazu gehören etwa Poly-Milch- und Hyaluronsäure-Präparate sowie Kollagen. Wenn die Substanzen nach einigen Monaten abgebaut sind, kann die Behandlung gefahrlos wiederholt werden. Oberflächliche Fältchen, etwa an der Oberlippe, lassen sich gut mit Hyaluronsäure oder Kollagen aufpolstern. Die Poly-Milchsäure ist auch zur Behandlung tieferer Falten, etwa den Nasolabialfalten zwischen Nase und Mundwinkel, geeignet. Ebenso lassen sich mit dieser Substanz eingefallene und magere 2 Wangen aufpolstern, wie Dr. Dr. Christiane Gutsche, Klinik für MKG-Chirurgie/Plastische Operationen des St. Josefshospital Krefeld berichtete. "Wir konnten durch eine drei- bis maximal siebenmalige Behandlung im Abstand von sechs bis acht Wochen ein ästhetisch befriedigendes und stabiles Langzeitergebnis für zwei bis drei Jahre erzielen", berichtete die Ärztin auf der Fachtagung. Faltenkorrektur: Analytische Methode identifiziert gefährliches Fremdmaterial Erstmals können Gesichtschirurgen mit der so genannten Infrarot-Spektroskopie gefährliche Fremdmaterialien identifizieren, die zur Faltenkorrektur eingesetzt wurden. Zur Aufpolsterung tiefer Falten stehen den Ärzten als injizierbare Füllmaterialien eine wachsende Zahl verschiedener Substanzen zur Verfügung. "Mindestens 50 verschiedene Materialien sind auf dem Markt, es ist ein unübersichtlicher Präparate-Dschungel", erklärte Dr. Christoph Lenzen, Klinik für MKG-Chriurgie/Plastische Operationen am St. Josefshospital Krefeld. Die Materialien werden jedoch nicht von den Gesundheitsbehörden zugelassen, sondern sind nur mit dem CE-Zeichen zertifiziert. Klinische Prüfungen sind nicht erforderlich, um dieses Signum zu erhalten. "Viele Substanzen, die zur Faltenunterspritzung verwendet werden, sind tickende Zeitbomben", erläuterte Dr. Lenzen. Viele können selbst nach Jahren noch Entzündungen oder Fremdkörperreaktionen verursachen. Dazu gehören beispielsweise flüssiges Silikonöl, Plexiglaskügelchen oder andere Kunststoffe. Selbst wenn das Füllmaterial bei einer Operation entfernt wurde, lässt es sich oft auch unter dem Mikroskop nicht identifizieren. Auch die Patienten wissen zumeist nicht (mehr), was der Behandler gespritzt hatte. In Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Spektrochemie in Dortmund hat Dr. Lenzen darum erstmals die so genannte Infrarotspektroskopie eingesetzt, um Fremdmaterialien zu identifizieren. Die Wissenschaftler bestimmten zunächst, in welchem Maß Infrarotlicht durch verschiedene Füllsubstanzen absorbiert wird - so entstand eine Referenzdatenbank. Danach verglichen sie die Spektren mit jenen von Gewebeproben von zehn Patienten, bei denen verschiedene nicht identifizierbare Substanzen herausoperiert worden waren. "Wir konnten in allen zehn Fällen die verwendete Substanz zweifelsfrei nachweisen", fasste Dr. Lenzen die Resultate zusammen. In zwei Fällen entdeckten die Gesichtschirurgen darüber hinaus, dass zwei unterschiedliche Materialien binnen kurzer Zeit gespritzt worden waren. Neue Technik für ein gutes Profil Seit einigen Jahren zählt auch in Deutschland die Korrektur von Fehlstellungen des Kiefers zur operativen Routine. Dabei spielt die Ästhetik des gesamten Gesichtes eine Rolle: "Der Patient will nicht nur gut kauen, er will auch gut aussehen", erklärte Prof. Gerhard Paulus, niedergelassener Gesichtschirurg aus München. Menschen, deren Ober- und Unterkieferknochen unterschiedlich stark gewachsen sind, haben nicht nur Probleme beim Kauen und Sprechen, sondern auch der psychische Leidensdruck eines "Überbisses" sei enorm. Aufgrund neuer Operationstechniken ist die Korrektur des Profils inzwischen zu einem Routine-Eingriff geworden, der auch immer häufiger gewünscht werde. Bis vor wenigen Jahren griffen die Chirurgen vor allem dann zum Skalpell, wenn das funktionelle Zusammenspiel beim Kauen, Sprechen oder Schlucken eingeschränkt war. Mittlerweile rückt auch die Ästhetik des Gesichtes immer mehr in den Blickpunkt. Der Eingriff hinterlässt keine Spuren 3 Bei einer Prognathie des Oberkiefers oder Unterkiefers suchen die meisten Patienten zunächst einen Kieferorthopäden auf, weil sie Probleme beim Kauen haben. Doch massive Fehlstellungen des Kiefers sind mit einer Zahnspange nicht zu beheben und der Orthopäde überweist zum MKG-Chirurgen, nachdem er die Zahnreihe begradigt hat. Die Operation erfolgt dann meist von der Mundhöhle aus, sodass der Eingriff keinerlei sichtbare Narben hinterlässt. Zunächst wird der Kieferknochen freigelegt, durchtrennt und nach vorne oder hinten verlagert. Wenn es die Gesichtsanatomie erfordert, bearbeiten sie auch beide Kiefer, um ein harmonisches Profil zu schaffen. Damit er in der neuen Position einwächst, wird der Knochen durch Platten festgeschraubt (Osteosynthese). Die Patienten können bereits unmittelbar nach dem Eingriff den Mund wieder öffnen, sprechen und kauen. Komplikationen sind selten Zu den seltenen Komplikationen gehören vor allem Sensibilitätsstörungen nach dem Eingriff. Forschergruppen aus Krefeld und Hamburg prüften eineinhalb Jahre nach einer operativen Umstellung des Oberkiefers bei 40 Patienten, ob diese an solchen Sensibilitätsstörungen litten. Sie fragten nach subjektiven Empfindungsstörungen und verglichen die Antworten mit den Ergebnissen neurologischer Tests an der Oberlippe, den Wangen und der Gaumenschleimhaut. An der Gesichtshaut trat nur bei einem Patienten eine Sensibilitätsstörung auf. Bei jedem vierten Patienten wurden Sensibilitätsstörungen im Mund gemessen, aber nur jeder Zehnte bemerkte sie. Betroffen waren Fähigkeiten wie etwa die Unterscheidung spitz-stumpf, nicht aber die Berührungsempfindung. "Im Bereich der Gesichtshaut fanden wir nach 18 Monaten nahezu keine Sensibilitätsstörungen", resümierte Dr. Lenzen, "wobei die normale Sensibilität der Gaumenschleimhaut später erreicht wird." Eine Ärztegruppe von der Universitätsklinik Würzburg hat über 500 Patienten nach Umstellungsoperationen am Unterkiefer nachuntersucht, bei denen der Eingriff mindestens vier Jahre zurück lag. Über Sensibilitätsstörungen berichteten 25 % der Patienten, insbesondere dann, wenn das knöcherne Bett des Unterkiefernervs (unterer Ast des Trigeminus-Nervs) bei dem Eingriff geöffnet wurde. "In der Tat", bestätigt auch Prof. Paulus, "ist das Risiko einer irreversiblen Sensibilitätsstörung bei Eingriffen am Unterkiefer höher als am Oberkiefer." Zweiter Eingriff wird überflüssig Bislang verwendeten die Chirurgen Platten und Schrauben aus Titan, die sie meist wieder herausnahmen, wenn der Knochen verheilt war. Inzwischen sind Osteosynthese-Systeme aus synthetischen Materialien verfügbar, die vom Körper selbst abgebaut werden und den Patienten einen weiteren Eingriff ersparen. Die modernen Operationsmethoden gestatten es den MKG-Chirurgen darüber hinaus, Kieferfehlstellungen und Schönheitsfehler der Nase bei einem einzigen Eingriff zu korrigieren. Dabei wird zunächst der oder die Kieferknochen verlagert, bevor die Nase in die gewünschte Form gebracht wird. Der große Vorteil dieses Vorgehens: Es kann auf eine 2. Operation verzichtet und zudem beide Korrekturen aufeinander abgestimmt werden. 4