Ferien-Vorbereitungskurs für angehende

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Ferien-Vorbereitungskurs für
angehende Mathematikstudenten
Gebiet: Vollständige Induktion
(Sommer 2007)
Technische Universität München
Prof. Friedrich Roesler
Dr. Christian Kredler
Yuen Au Yeung
1 VOLLSTÄNDIGE INDUKTION
1
2
Vollständige Induktion
1.1
Motivation
Wie können wir die Gültigkeit einer Behauptung nachweisen? Wie können wir beispielsweise folgende Aussage nachweisen:
Für jede natürliche Zahl n ∈ N gilt: 12 +22 +. . .+n2 = 16 n(n+1)(2n+1).“
”
oder wie schaut es mit folgender Aussage aus:
Auf jeder Party gibt es immer zwei Personen, die gleich viele der An”
wesenden (persönlich) kennen.“
Die beiden Aussagen sind richtig. Man kann sie durch ein sehr bekanntes Beweisprinzip aus der Mathematik beweisen - das Prinzip der vollständigen Induktion. Das
letzte Beispiel ist etwas trickreicher, aber man kann es dennoch mit dem Prinzip der
vollständigen Induktion und dem Schubfachprinzip beweisen.
Wir bemerken, dass die zwei Behauptungen eines gemeinsam haben: Für jede natürliche Zahl stellen wir eine Behauptung auf. Wir behaupten, dass eine Eigenschaft für
jede natürliche Zahl gilt. Die Behauptung A(n) im ersten Beispiel kann auch so
formuliert werden:
A(n) = Für das genannte n gilt: 12 + 22 + . . . + n2 = 16 n(n + 1)(2n + 1).“
”
Wie funktioniert also das Prinzip der vollständigen Induktion? Dazu benutzen wir
das so genannte Induktions-Axiom für die natürlichen Zahlen:
Induktions-Axiom 1.1 Es sei M ⊆ N eine Teilmenge der natürlichen Zahlen N
mit den Eigenschaften:
1.) 1 ∈ M
2.) x ∈ M =⇒ x + 1 ∈ M .
Dann ist M = N.
Versuchen wir nun eine Aussage A(n) für alle natürlichen Zahlen n ∈ N zu zeigen.
1. In einem ersten Schritt zeigen wir also, dass die Aussage A(1) gilt. Das ist der
so genannte Induktionsanfang.
2. Im zweiten Schritt gehen wir folgendermaßen vor:
Wir nehmen an, die Aussage der Behauptung gilt für ein beliebiges n ∈ N. Dies
nennen wir die Induktionsvoraussetzung. Das gewählte n soll nun fest“
”
bleiben.
Wenn wir gezeigt haben, dass auch die Aussage A(n + 1) gilt, dann haben wir
gemäß dem Induktions-Axiom nachgewiesen, dass A(n) für alle natürlichen
Zahlen n ∈ N richtig ist. Den Schritt Zeige, dass A(n) die Richtigkeit von
”
A(n + 1) impliziert“ nennen wir Induktionsschritt.
1 VOLLSTÄNDIGE INDUKTION
1.2
3
Beispiele zur vollständigen Induktion
Wir illustrieren das Beweisprinzip der vollständigen Induktion anhand einiger Beispiele. Zugleich empfehlen wir Ihnen, die Beweise sich gut durchzulesen und nach
einer kurzen Zeit selbst durchzuführen. Nur durch aktives Mitarbeiten (dazu gehört
u.a. auch, eigenständig Beweise zu führen) werden Sie die Mathematik begreifen und
anwenden können.
Mit vorangegangener Überlegung erhalten wir folgendes Rezept“:
”
Rezept: Vollständige Induktion
Behauptung: Es gilt A(n) für alle n ∈ N.
Beweis durch Induktion nach n.
1. Induktionsanfang. Zeigen Sie, dass A(1) gilt.
2. Induktionsvoraussetzung.
Nehmen Sie an, dass A(n) für ein beliebiges n ∈ N gilt.
3. Induktionsschritt n 7→ n + 1.
Zeigen Sie: Aus A(n) folgt A(n + 1).
Beispiel 1.2 Zeigen Sie: Für jede natürliche Zahl n ∈ N gilt:
n
X
1
k := 1 + 2 + . . . + n = n(n + 1).
2
k=1
Beweis durch Induktion nach n.
Induktionsanfang: n = 1
Die Behauptung gilt für n = 1, denn es ist:
1
X
k=1
k = 1,
1
· 1 · (1 + 1) = 1.
2
Induktionsvoraussetzung (abgekürzt IV)
Es sei n ∈ N. Wir nehmen an, dass gilt:
n
X
1
k = 1 + 2 + . . . + n = n(n + 1).
2
k=1
Induktionsschritt: n 7→ n + 1
Unter der Annahme, dass die Induktionsvoraussetzung A(n) gilt, zeigen wir die
Gültigkeit der Behauptung A(n + 1), d.h.:
n+1
X
1
k = 1 + 2 + . . . + (n + 1) = (n + 1)(n + 2).
2
k=1
Es ist:
n+1
X
k=1
k = 1 + 2 + . . . + (n + 1) = (1 + 2 + . . . + n) + (n + 1) =
n
X
k=1
k + (n + 1).
1 VOLLSTÄNDIGE INDUKTION
4
Mit der Induktionsvoraussetzung erhalten wir sodann:
1
1
IV 1
= n(n + 1) + (n + 1) = (n + 1) ·
n + 1 = (n + 1)(n + 2).
2
2
2
Gemäß dem Induktions-Axiom 1.1 ist die Behauptung für jedes n ∈ N bewiesen. Zu guter Letzt beweisen wir noch eine wichtige Gleichung über die so genannte
endliche geometrische Summe. Sie werden diese Aussage im Laufe Ihrer Mathematikkarriere noch oft verwenden müssen.
Beispiel 1.3 (Endliche geometrische Summe)
Für jedes n ∈ N und für jedes x ∈ R\{1} gilt:
n
X
xk =
k=0
1 − xn+1
.
1−x
Beweis durch Induktion nach n. Es sei x ∈ R\{1}.
Induktionsanfang: n = 1
Für n = 1 ist:
1
X
xk = x0 + x1 = 1 + x =
k=0
(1 − x)(1 + x)
1 − x1+1
=
.
1−x
1−x
Wir erinnern an: x0 = 1 für alle x ∈ R.
Induktionsvoraussetzung (IV)
Wir nehmen an, dass für ein beliebiges n ∈ N die Behauptung gilt, d.h. es gilt:
n
X
k=0
xk =
1 − xn+1
,
1−x
x 6= 1.
Induktionsschritt: n 7→ n + 1
Es gilt:
n+1
X
xk = x0 + x1 + . . . + xn+1 = (x0 + x1 + . . . + xn ) + xn+1
k=0
=x
n+1
+
n
X
k=0
IV
xk = xn+1 +
1 − xn+1
(1 − x)xn+1 + 1 − xn+1
=
1−x
1−x
xn+1 − xn+2 + 1 − xn+1
1 − xn+2
=
.
1−x
1−x
Der Induktionsschritt ist gezeigt. Damit gilt die Behauptung.
=
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