Vollständige Induktion Eine vollständige Induktion ist ein Beweisverfahren für eine Aussage A(n), deren Richtigkeit ( Wahrheit“) ” für alle natürlichen Zahlen n ≥ n0 nachzuweisen ist. (Zumeist hat man n0 = 1.) Ein Induktionsbeweis besteht aus zwei Teilen, dem Induktionsanfang und dem Induktionsschluss. Induktionsanfang: Es wird gezeigt, dass die Behauptung A(n) für n = n0 richtig ist. Gelingt dies, so fahre man mit Induktionsschluss fort. Induktionsschluss: a) Induktionsvoraussetzung: A(m) ist wahr. b) Induktionsbehauptung: Auch A(m + 1) ist wahr. c) Beweis der Induktionsbehauptung: Unter der Voraussetzung A(m) ist wahr“ ist die Behauptung A(m + 1) ” ” ist wahr“ zu zeigen. Gelingt der Nachweis der Induktionsbehauptung, so ist der Induktionsschluss erfolgreich durchgeführt. Zusammen mit dem Induktionsanfang ergibt sich, dass A(n) für alle n ∈ N mit n ≥ n0 richtig ist. Analysis 1 WiSe 2003/2004 – Vollständige Induktion 1 Beispiel 1. Man diskutiere folgenden Beweis“, dem zu” folge alle Pferde die gleiche Farbe haben. Der Beweis erfolge durch Induktion. A(n) sei die Aussage, dass je n Pferde die gleiche Farbe haben. Induktionsanfang: A(n) ist für n = 1 trivialerweise richtig. Induktionsschluss n → n + 1: Man nehme aus einer Herde von n + 1 Pferden ein beliebiges heraus. Nach Induktionsvoraussetzung haben die verbliebenen n Pferde die gleiche Farbe. Man tue das weggenommene Pferd wieder zur Herde und nehme ein anderes weg. Die nun verbliebenen n Pferde haben wieder nach Induktionsvoraussetzung die gleiche Farbe. Insgesamt haben also alle n + 1 Pferde die gleiche Farbe. Antwort: Der Induktionsanfang ist offensichtlich korrekt. Der Induktionsschritt von n = 1 auf n = 2 dagegen ist nicht möglich. Nimmt man nämlich aus einer Herde von 2 Pferden erst das eine und dann das andere heraus, so kann man NICHT schließen, dass die beiden die gleiche Farbe haben, da ein drittes Vergleichspferd fehlt. Zu beachten ist jedoch, dass für n ≥ 2 der angegebene Induktionsschritt von n auf n + 1 richtig ist. In diesen Fällen hat man nämlich mindestens ein weiteres Vergleichspferd zur Verfügung, das heißt unter der annahme der Gültigkeit der Behauptung für ein n ≥ 2 haben das zuerst und das als zweites herausgenommene Pferd auch wird die gleiche Farbe, folglich gilt die Behauptung auch für n + 1. Analysis 1 WiSe 2003/2004 – Vollständige Induktion 2 Beispiel 2. Behauptung: Für jedes n ∈ N gilt: n k=1 1 k 2 = n(n + 1)(2n + 1). 6 Die Aussage gilt für n = 1, Beweis: 1 Induktionsanfang: da k=1 k 2 = 12 = 1 = 16 1(1 + 1)(2 · 1 + 1) = 1. Induktionsschritt: Wir setzen voraus, dass die Behauptung für ein beliebiges aber festes n ∈ N gilt und zeigen, dass sie dann auch für n + 1 gilt. n+1 k2 = k=1 n k 2 + (n + 1)2 k=1 mit der Induktionsvoraussetzung folgt = = = = = 1 n(n + 1)(2n + 1) + (n + 1)2 6 1 (n + 1) n(2n + 1) + 6(n + 1) 6 2 1 (n + 1) 2n + 7n + 6 6 1 (n + 1) (n + 2)(2n + 3) 6 1 (n + 1)(n + 2)(2(n + 1) + 1) 6 qed. Analysis 1 WiSe 2003/2004 – Vollständige Induktion 3 Beispiel 3. Behauptung: Für jedes n ∈ N gilt: n k=1 1 k 3 = n2(n + 1)2. 4 Die Aussage gilt für n = 1, Beweis: 1 Induktionsanfang: da k=1 k 3 = 1 = 14 12(1 + 1)2 = 1. Induktionsschritt: Wir setzen voraus, dass die Behauptung für ein beliebiges aber festes n ∈ N gilt und zeigen, dass sie dann auch für n + 1 gilt. n+1 k=1 k3 = n k 3 + (n + 1)3 k=1 mit der Induktionsvoraussetzung folgt 1 = n2(n + 1)2 + (n + 1)3 4 2 1 2 = (n + 1) n + 4(n + 1) 4 2 1 2 = (n + 1) n + 4n + 4 4 1 = (n + 1)2(n + 2)2 4 qed. Analysis 1 WiSe 2003/2004 – Vollständige Induktion 4