4 Beweisen • Oft haben Äußerungen über (mathematische) Objekte noch Parameter und sind für gewisse Werte dieser Parameter wahr und für andere falsch, z.B. Aussage A = x > 0 mit Parameter x. So etwas nennt man eine Aussagenform und es kann z.B. interessieren, für welche Werte sich welcher Wahrheitswert einstellt. • Für zwei spezielle Situationen gibt es eigene Symbole, die Quantoren: der Allquantor ∀ wie in ∀x ∈ R : x2 ≥ 0, zu lesen als für alle“ (hier also: für alle x ∈ R ist x2 ≥ 0“) und den ” ” Existenzquantor ∃ wie in ∃x ∈ R : x2 = 5, zu lesen als es gibt (mindestens) ein“ (hier also es gibt (mindestens) ein ” ” x ∈ R mit x2 = 5“ — eine wahre Aussage; dass es zwei solche x gibt, stört nicht). • Wesentlicher Inhalt der Mathematik: Aussagen und ihre Beweise. Mit den vorgestellten Mitteln sind wir nun in der Lage, Behauptungen formal aufzuschreiben. Um diese formalen Behauptungen zu beweisen, bzw. die Aussagen auf Wahrheit zu prüfen, gibt es nun verschiedene Beweistechniken, die wir uns anschauen wollen. • Im direkten Beweis startet man mit Aussagen, deren Richtigkeit angenommen wird und leitet daraus neue Aussagen her, die – unter dieser Annahme – dann auch gelten. • Widerspruchsbeweis: man nimmt das Gegenteil der Behauptung an und leitet daraus einen Widerspruch her – und wenn das Gegenteil nicht sein kann, muss die Behauptung wahr sein. √ √ 2 • Beispiel: 2 ist irrational (kein Bruch). Annahme: 2 = pq ⇒ 2 = pq2 ⇒ 2q 2 = p2 , p und q teilerfremd. Dann muss p gerade sein, p = 2r → q 2 = 2r2 → q gerade. • Beispiel: “Ein Schachbrett, dem zwei diagonal gegenüberliegende Ecken fehlen, kann ich nicht mit 1 × 2-Dominosteinen lücken- und überschneidungslos ausfüllen“ – Wir nehmen das Gegenteil an, also dass es eine Anordnung von Dominosteinen gibt, die das Feld ausfüllen. – Jeder Dominostein belegt genau ein weißes und ein schwarzes Feld. – Dann belegt eine beliebige Menge von Dominosteinen genauso viele weiße wie schwarze Felder. – Das fragliche Gebiet hat aber nur 30 weiße (und 32 schwarze) Felder. Das ist der Widerspruch: wenn es eine Anordnung gäbe, würde sie einerseits genauso viele weiße wie schwarze Felder bedecken, andererseits aber zwei schwarze Felder mehr als weiße. • Eine andere Standardtechnik ist die vollständige Induktion: wenn eine Aussage A(n) für n = 1 wahr ist und für alle ganzen Zahlen n ≥ 1 die Implikation A(n) ⇒ A(n + 1) gilt, dann ist A(n) für alle n ∈ N wahr. • Beispiel: für jedes n ∈ N gilt n X i=1 (2i − 1) = n2 . – Induktionsanfang n = 1: 1 X i=1 (2i − 1) = 1 = 12 . – Induktionsschritt: sei n ≥ 1 und die Behauptung sei für n wahr. Dann gilt sie auch für n + 1: ! n+1 n X X (2i − 1) = (2i − 1) +2(n + 1) − 1 i=1 } | i=1 {z 2 n (Induktionsvoraussetzung) = n2 + 2n + 1 = (n + 1)2 Aufgaben 4.1 Formuliere folgende Aussagen mit Quantoren: a) Die Differenz von 1 und allen natürlichen Zahlen, die größer als 15 sind, ist kleiner als -14 b) Jede reelle Zahl x hat ein multiplikatives Inverses, also eine Zahl y mit x · y = 1. c) Es gibt eine gerade Primzahl. (Hierbei kann der Operator | verwendet werden: für zwei ganze Zahlen a und b gilt a|b genau dann, wenn a Teiler von b ist.) 4.2 Gib für die Aussage ¬(∃x ∈ Z : x2 = 5) eine äquivalente Aussage an, die keinen Existenzquantor enthält (Allquantoren sind erlaubt. . . ). 4.3 Sind die Aussagen und äquivalent? ∀x ∈ R : ∃y ∈ R : x − y = 0 ∃x ∈ R : ∀y ∈ R : x − y = 0 4.4 Folgende Aussagen gelten: a) Jeder Student will gute Noten haben. b) Kein Student lernt auf langweilige Prüfungen. c) Jede Prüfung, die ohne Mathe auskommt, ist langweilig. d) Jeder Student, der gute Noten haben will, aber nichts gelernt hat, muss sich nur auf sein Glück verlassen. Beweise: Wenn alle Prüfungen ohne Mathe auskommen, müssen sich alle Studenten nur auf Ihr Glück verlassen. 4.5 Wie lautet die Verneinung von Alle Kreter sind Lügner“? ” 4.6 Zeige mit vollständiger Induktion über n, dass n X k= k=1 n(n + 1) 2 und n X k=1 gilt. k3 = n X k=1 k !2 4.7 Beweise nochmal, diesmal mit vollständiger Induktion: für alle x 6= 1 und alle n ≥ 0 gilt n X xn+1 − 1 . xi = x − 1 i=0 4.8 Beweise durch vollständige Induktion: für n ≥ 4 ist n! > 2n . 4.9 Beweise durch vollständige Induktion: für alle n ∈ N0 ist 13 ein Teiler von s(n) := 42n+1 + 3n+2 . 4.10 Gegeben sei ein Parkett aus 1 × 4 und 2 × 2-Stücken (die Skizze zeigt ein Beispiel, in Wirklichkeit kann das Parkett aber eine beliebige andere Form haben). Nun geht ein 1×4-Stück kaputt und wir haben keins mehr im Lager. Daher ersetzen wir es durch ein 2×2-Stück und versuchen, die Ausgangsform wiederherzustellen (die Teile sind noch nicht festgeklebt, können also beliebig umgeordnet werden). Geht das — immer, also für beliebig geformte Flächen, oder nur für gewisse (welche?), oder vielleicht gar nie?