Predigt zu 1. Petrus 2, 9+10 in Neubulach am 27. Juli 2014 Liebe Gemeinde, ..das ist schon etwas Besonderes. so angeredet zu werden. Könnte Petrus das auch zu uns sagen, zu uns als Gottesdienstgemeinde? Wollten wir überhaupt so bezeichnet werden: das erwählte Volk, ein Volk von Königen, die Gott als Priester dienen; ein heiliges Volk, das Gott selbst gehört? Da wären wir ja etwas Besonderes, Besseres? Das ist klar: die Menschen, die hier angeredet werden, sind etwas Besonderes. Aber wenn einer etwas Besonderes sein will, reagieren die anderen sauer. Jetzt rennt der doch sonntags dauernd in die Kirche! Will der besser sein als wir? Man erntet komische Blicke, man wird der Überheblichkeit bezichtigt, oder sogar als angeblicher Heiliger lächerlich gemacht. Nun, hoffentlich erleben Sie es anders! Aber eines ist überall gleich: sich im Gegensatz zur Mehrheit verhalten, kann gefährlich sein. Oder so dumm, wie sich gegen einen fahrenden Traktor oder eine Lokomotive zu stemmen. Dagegen ist doch nicht anzukommen! So sinnlos erscheint es uns, wenn man sich gegen die Übermacht der Mehrheit stemmen will… Petrus sagt: Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht. Dieses „aber“ stellt uns in den Gegensatz zu den anderen. Das wird auch in den Worten davor ganz deutlich. Und jetzt geht dieser Brief ja an noch junge Christen, die noch nicht lange in der Nachfolge von Jesus stehen. Zu ihnen wird bereits das Ungeheure gesagt: sie sind ein Gegensatz zur Mehrheit. Offenbar hängt das nicht an der Dauer eines Christseins. Oder an den besonderen Fähigkeiten dieser Menschen. Auch nicht an der Charakterstärke des Einzelnen. Auch nicht weil wir das beabsichtigten, denn wir passen uns doch auch viel lieber an. Aber durch den Ruf von Jesus und unser Ja darauf kann es nicht ausbleiben: Unsere Besonderheiten setzen uns in Gegensatz zur Umwelt. Worin besteht dieser Gegensatz? Drei Aussagen möchte ich hervorheben. 1.Christen haben etwas erlebt. Ihr Grunderlebnis heißt: Der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Ein Bild, das oft im Neuen Testament vorkommt, der Kontrast zwischen Licht und Finsternis. Was heißt das für ein Leben – ich möchte das mal etwas gegenüberstellen. Finsternis – Menschen, die sind mit ihrem Leben ganz auf sich selbst gestellt. Sie sehen nicht, wo es herkommt, und nicht wo es hinführt. Gott – wenn etwas in ihrem Leben vorkommt, was sie nicht verstehen können, so ist er wie ein Stein, über den man im Dunkeln stolpert. Was macht man – grrrrrr . Licht – ich merke, da redet etwas zu mir, Gott aus seinem Wort heraus, durch Fügungen, durch unerklärliche Ereignisse. Das Absolute, das hinter allem Sichtbaren steht, will in Kontakt mit mir treten. Ich antworte, und darf in enger Absprache leben mit dem Urgrund meines Daseins. In der Finsternis wandeln – da haben sie keine klaren Erkenntnisse über ihre Lage. Sie sehen die Probleme oberflächlich, weil man ins Dunkel nicht hinein sehen kann. Sünde ist für sie ein leerer Begriff, oder Angstmache. Licht – jetzt geht mir auf: vor dem Gott der absoluten Liebe kann ich mit meiner Ichsucht nicht bestehen. Ich Ichmensch bin hoffnungslos verliebt in mich selber. Da rufe ich um Hilfe und Befreiung, und darf sie erfahren. Finsternis – sie wissen nicht, wohin ihr Leben gehen soll. Sie sehen kein Ziel, leben von Tag zu Tag, von Wochenende zu Wochenende, von Urlaub zu Urlaub. Was ist der Sinn ihrer harten Arbeit? Man hat sich daran gewöhnt; man kennt nichts anderes. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Licht, als Glaubende tun wir da schwerer, und leiden darunter: das kann doch nicht alles sein?! Finsternis schließlich: sie müssen Recht haben. Sie verteidigen und rechtfertigen sich, weil sie Angst haben, sich bloßzustellen. Das Leben kommt ihnen vor: man muss auf der Hut sein, weil jeder gegen jeden kämpft und gewinnen will. Und jetzt heißt es hier von den Christen: von Jesus berufen aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. Dieses Grunderlebnis kann man vergleichen mit Johannes 11, wo Jesus an einem Grab steht und ruft: Lazarus, komm heraus! Das ist die Erfahrung, die wir mit Jesus machen. Da können sicher auch viele von uns etwas erzählen. Bei mir war es einmal die Auseinandersetzung mit der christlichen Erziehung, die Fehlerlosigkeit und Bestrafung verlangte. Da wollte ich mit meinen Problemchen lieber in der Finsternis bleiben. Aber Jesus rief, Komm so wie du bist, ich nehme dich an samt den Fehlern und Problemen, und ohne Strafe. Da Danken sagen und kommen, das war groß für mich, und ist es bis heute. Leben ohne Gott steht immer in enger Verwandtschaft zur Dunkelheit, zum Tod. Aber seit Jesus auferstanden ist und lebt, gibt es keinen Grund mehr, vor den dunklen Mächten zu resignieren. Oft sind es unverständliche und dunkle Motive, die uns zurückhalten in der Finsternis, und uns hindern, unser Leben ganz Jesus anzuvertrauen. Aber er zeigt uns doch Gott als den Vater, der uns liebhat, der uns vergibt, der alle Probleme mit uns angehen will und lösen, und uns zu liebevollen Menschen machen will, von denen selber Licht ausgeht. Aber es ist eine Tatsache: wir sind manchmal in selbstmörderischer Weise in unsere Dunkelheiten verliebt. Das darf ein Ende haben, seit Jesus uns ruft. Wir dürfen mit ihm die Befreiung aus der Finsternis erleben, dürfen immer wieder werden, was wir schon sind, Kinder des Lichts. 2. Christen haben etwas anzupreisen. Es heißt hier: dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat. Wir kennen das Sprichwort: Wes Brot ich eß, des Lied ich sing. Das klingt zum einen anrüchig, als ob wir immer vor denen kuschen müssten, von denen wir unser Geld bekommen. Aber ich möchte das positiv sehen. Wenn ich vom Brot des Lebens esse, das Jesus gibt, dann singe ich auch sein Lied, und zwar mit Überzeugung. Ich bin sein Eigentum, und für Ihn hat mein Leben einen Sinn. – Vielleicht fällt mir das als Pfarrer leichter als anderen, weil mein Brötchengeber eine Ruhegehaltskasse in Darmstadt ist, anonym und weit weg. Viele müssen tatsächlich vor ihrem Brötchengeber kuschen. Aber wer den Brot‐Geber Jesus kennt, der soll ihn auch loben, und vor der Welt anpreisen. Wir werden nicht unsere Schokoladenseiten und Großtaten anpreisen, sondern die Großtaten Gottes. Wir preisen das Reden und Tun von Jesus, weil es für unser Tun den Maßstab abgibt. Seine Kreuzigung, weil er an unserer Stelle die Strafe trägt. Seine Auferstehung, weil die Macht des Todes gebrochen ist. Das Geschenk des Heiligen Geistes, weil wir uns nichts einbilden müssen, sondern er uns in alle Wahrheit leitet. Vom Schweizer Reformator stammt das Wort: Christus erkennen heißt seine Wohltaten erkennen. Das alles sind nicht nur Dinge, die vor langer Zeit geschehen sind, sondern wir dürfen sie in unserem Leben immer wieder erfahren. Welche konkreten Wohltaten könnten wir erzählen? Z.B. von unserem gesundheitlichen Ergehen. Wir jammern zwar immer gleich, wenn etwas vorkommt, aber haben wir gedankt, als es uns gut ging? Die Wohltat, gesunde Kinder zu haben und Enkel? Die Wohltat, mit 80 und darüber hinaus noch zufrieden zu sein mit dem Leben? Oder was könnten Sie von Ihrer Gemeinde hier in Neubulach erzählen? Neue Kirchengemeinderäte, die sich voll motiviert einsetzen? Kirchen‐ und Posaunenchor, die sich, was ich auch erlebe, nicht wegen den Musikstilen verstreiten, sondern sich freuen am Musizieren und Konzertieren. Die spendenfinanzierte Jugendreferentenstelle; bald ein weiterer guter Pfarrer – und viele ehrenamtliche Mitarbeiter, die sich ohne viel Aufhebens einbringen. Ich will da nicht lobhudeln, aber erzählen wir davon, und danken dafür. Gut wenn es dafür so Zusammenkünfte gibt, etwa einen Mitarbeiterkreis, wo dafür Raum ist und Gelegenheit. Komisch, dass wir Christen so schweigsam sind. Wir wissen manchmal selber nicht, ob es sich lohnt, über unsere Erfahrungen mit Jesus zu reden. Aber die Welt braucht solche Informationen, die nur wir geben können. Wir sollten einfach Größeres von uns halten, von Ihm halten! Manchmal muss man auch fragen: was ist mit den Mitchristen los, denen dieses Weitersagen so ganz egal ist? Da ist keine Unruhe zu verspüren darüber, dass Menschen in der Finsternis verderben könnten, und ohne dieses Licht den Weg nicht finden? Da wäre Liebe und Phantasie nötig, um Schritte auf bisher fernstehende Menschen zu tun. Das fängt ja gleich nachher an, wenn Sie nach dem Gottesdienst hinausgehen. Angenommen draußen sehen Sie links Ihren Vetter stehen, der freundlich lächelt. Rechts steht ein unbekannter Mensch, der zum ersten Mal da ist. Gut, den Vetter kurz begrüßen, aber dann doch tapfer auf diesen Menschen zu und fragen, wo er herkommt usw. So was müssten für uns Christen selbstverständlich sein… Freilich, da gibt es auch Leute, ja Mächte die uns im Schweigen halten wollen, die uns „besser vorkommen“ unterstellen. Manchmal müssen auch wir leben im Gegensatz zu den Einschüchterungsversuchen durch die Umwelt. Aber das war schon immer so. Die erste Gemeinde in Jerusalem betete in dieser Lage: Und nun Herr, sieh an ihr Drohen, und gib deinen Knechten, mit allem Freimut zu reden dein Wort. Strecke deine Hand aus! Wir brauchen uns vor den anderen nicht zu verstecken. Morgens beim Frühstück lese ich im SchwaBo, nach den Todesanzeigen, immer die Lokalseiten mit den Vereinsberichten. Das ist leichte Kost, oft ziemlich leichte. Man staunt, für was sich die Leute da alles einsetzen. Manchmal muss man lächeln, wie wichtig sich manche vorkommen, und fragt sich: haben wir Christen nicht mehr anzubieten? Doch mindestens was genauso wichtiges. Da brauchen wir uns doch vor keiner Konkurrenz verstecken. Es lohnt sich, das Wort von Jesus und seinen Wohltaten weiterzusagen. 3. Christen leben mit Christusbewusstsein. Ja das ist ungleich verteilt in dieser Welt: die einen leiden an Minderwertig‐ keitsgefühlen, Mutlosigkeit und Verzweiflung. Die anderen platzen schier vor Überheblichkeit und Selbstherrlichkeit, und drücken damit die anderen beiseite. Die Christen bekommen hier viele große Ehrennamen zugelegt: das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums. Ich bin froh, dass es heißt: Ihr seid, und nicht: Wir sind. Das wäre die Anmaßung des Besonderen, die andere sauer macht. Ihr seid’s – eine großartige Zusage. Auch eine gute Nachricht für eine Gemeinde, die getrieben wird vom „Wir müssten…noch das tun und das und das“ Nein, wir müssen gar nichts, sondern dürfen uns das zusagen lassen unabhängig von unserer Leistung die wir vielleicht bringen. Da ist manches erschöpft von den Versuchen, Gott oder dem Pfarrer oder den Gruppenmitgliedern zu gefallen. Da ist mancher aufgerieben von Fehlschlägen; mancher hat ein schlechtes Gewissen, weil er wegen Arbeitsüberlastung kaum mehr etwas für die Gemeinde tun kann. Wunderbar zu hören: das zählt gar nicht. Zählen tut unsere Würde, unser Adel in den Augen Gottes, den wir haben, weil wir zu Jesus gehören. Ohne ihn gibt es keine Ehre. Alles was an den Christen großartig ist, ist in Jesus begründet. Alle Ehre kommt ihm zu. Christen haben kein Selbstbewusstsein, sondern ein Christusbewusstsein. Wir sind wer durch Jesus, als seine Werkzeuge. Wir dürfen Priester sein, nicht nur der Pfarrer; alle dürfen wir direkten Umgang mit Gott haben. Heiliges Volk heißt: Beschlagnahmt für Gott, und völlig für ihn zur Verfügung. Eigentumsvolk bedeutet: Gott passt darauf schon auf. Wer kann uns da ernsthaft querkommen, wenn wir vor Gott so viel bedeuten? Ein Missverständnis sei aber zum Schluss noch genannt. Die Menschen, an die Petrus seinen Brief schreibt, sind durchaus nicht vollkommen. Wenige Zeilen vorher werden sie gewarnt vor Bosheit und allem Betrug, vor Heuchelei, Neid und aller üblen Nachrede. Und trotzdem bekommen sie diese Ehrentitel zugelegt! Das kann man nur verstehen mit dem Wort, das Paulus einmal von sich gesagt hat: Durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin! Was für eine Freude, wenn ich Jesus gehören darf, und seiner Liebe völlig gewiss bin! Ja, Christen leben im Gegensatz, sowohl zu Minderwertigkeitskomplexen, als auch zu stolzer Selbstherrlichkeit. Alle Ehre gebührt Jesus. Und er ist das einzig Große in unserem Leben. Amen. Pfr.i.R. Walter Hörmann, Breitenberg