Pädagogik der Hoffnung: Paulo Freire und die Zukunft Sozialer Arbeit Die Ansätze einer Bewusstsein bildenden Sozialen Arbeit, die von Paulo Freire schon vor mehr als dreißig Jahren formuliert wurden, haben bis heute wenig an Aktualität verloren. Auch wenn Freire kaum Erwähnung findet, prägen seine Ansätze einer „Pädagogik der Unterdrückten“, einer „Pädagogik der Hoffnung“ und einer „Bildung als Praxis der Freiheit“ viele Diskussionen in der Sozialen Arbeit, von der Gemeinwesenarbeit bis hin zur Bildungsarbeit. Doch nicht nur dies! Aktualität gewinnen seine Gedanken und deren Rezeption vor allem in den Debatten einer „Ökonomisierung Sozialer Arbeit“, die dieser ihren ethischen Rahmen nimmt und zu einer Dienstleistung entwickelt, die wesentlich betriebswirtschaftlich orientiert ist. Darin gibt es immer mehr auch Tendenzen einer Zwei-Klassen-Sozialarbeit, die zum einen lukrative Bereiche bedient und die zum anderen weniger lukrative Bereiche mit Almosen (Suppenküche) und mit einer caritativen Notversorgung (Ehrenamt) etc. versorgt. Gegen diese Tendenzen können die Gedanken und Konzepte einer „Befreienden Sozialarbeit“ den Blick auf die Menschen und auf eine Ethik werfen, deren Soziale Arbeit bedarf um nicht ihre Eigenständigkeit als Profession zu verlieren, die an gerechten Lebensbedingungen arbeitet. Soziale Arbeit ist keine Profession ohne Eigenschaften, sie steht für den ständigen Kampf um Anerkennung und für das Streben nach Sozialer Gerechtigkeit. Sie steht auch für Werte wie Hoffnung, Befreiung, Selbstverwirklichung und sie steh vor allem immer auch für Soziale Entwicklung. Mit Freire können so neue Diskussionen darüber geführt werden, welche ethischen Rahmungen eine Sozialarbeit haben sollte, die von den Menschen und deren Lagen ausgeht. Dies würde zugleich Modelle reflektieren und auch neue entwickeln, wie Betroffene für ihre eigenen Interessen zu aktivieren sind wie diese sich zugleich organisieren können. Hier kann Soziale Arbeit auch einen Blick über den eigenen Tellerrand werfen und sich damit beschäftigen wie in Ländern des Südens, auf den Traditionen einer Befreiungsphilosophie und daraus resultierenden Konzepten ruhend, Soziale Arbeit als eine Arbeit mit den Menschen als Sozialer Entwicklung entworfen wird. Vom Süden lernen wäre insofern auch ein wichtiger Aspekt einer Auseinandersetzung mit einer an Freite ansetzenden Pädagogik der Hoffnung. Damit können zugleich die aktuellen Diskurse über Aktivierung und Eigenverantwortung vor einem anderen Hintergrund beleuchtet werden: nicht dem einer neuen staatlichen Logik der Verlagerung von Verantwortung und Kontrolle in die Subjekte und in die Gemeinwesen, sondern in der Betonung einer Bewusstsein bildenden Arbeit, einer Bildungsarbeit, die Soziale Arbeit ja in erster Linie sein sollte. Es ginge dann wieder stärker darum Menschen für sich und ihre eigenen Interessen sensibler zu machen und sie für deren Vertretung und Durchsetzung zu befähigen (zu aktivieren). Freire hat hierfür viele Ansätze und Modelle geliefert, von der Methode des Dialogs bis hin zu den kulturellen Aktionen, die vielfältig in Konzepten bereit stehen. Dabei hat Freire gerade für die Bildungsarbeit mit seinem Problem formulierenden Ansatz, den er allen Monologen und Wissenseinlagerungen (dem so genanten Bankier-Konzept der Bildung) gegenüber stellt, eine grundlegende Methodik zur Aktivierung geliefert: über das Erarbeiten der eigenen Problematik wird die eigene Verstricktheit, die eigene Abhängigkeit und ihre Bedeutsamkeit für das eigene Leben und Empfinden erst klar. Erst dadurch kann mit den Adressaten jene prinzipielle Fähigkeit, die aller Sozialen Arbeit als Ziel eigen sein sollte, das eigene Leben neu zu entwerfen entwickelt werden. Eine Beschäftigung mit der Rezeption und der Aktualität von Paulo Freire hat Bedeutung für viele Arbeitsfelder haben: für die Gemeinwesenarbeit und das Quartiermanagement, für neue Konzepte einer Sozialraumplanung, die Akteure in den Stadtteilen einbezieht, für Visionen und Ideen einer Straßenpädagogik, für eine kulturell verstehende Soziale Arbeit in Migrationskulturen, für eine Bewusstsein bildende Bildungsarbeit. SeminarBuHausFreire.doc Seite 1 Eine Auseinandersetzung mit der Aktualität von Freire muss aber an der Position der Sozialen Arbeit selbst ansetzen, in ihrer Eingebundenheit in ein ökonomisches und sozialstaatliches System, die es zu reflektieren gilt. So hat der befreiende Ansatz doppelte Bedeutung: für Soziale Arbeit als Profession, die sich in den Fallstricken der Ökonomie zu verlieren scheint, und für ihre konkrete Arbeit mit unterschiedlichen Gruppen. Auch Soziale Arbeit muss sich heute selber suchen und finden, um so ihre eigenen Probleme neu zu definieren, um sich selbst neu und anders zu entwerfen. Ein Seminar zur Aktualität von Paulo Freire muss sich dabei dessen Methodik bedienen: Freire betonte immer die Bedeutsamkeit der generativen Themen in einem thematischen Universum der Lebenslagen, die zuvor benannt werden müssen, bevor man an der eigenen Situation arbeiten kann. Ziele Rezeption von Paulo Freire und seiner Gedankenwelt; Bedeutsamkeit der Konzepte für die eigene Praxis; Diskussion von Modellen aus dem Kontext des Südens; generative Themen suchen und Antworten finden Seminar-Themen Problemfindung, die ganz im Sinne des Freireschen Bildungsansatzes die Verstricktheit der Teilnehmer in die aktuelle Praxis beleuchtet und in diesem thematischen Universum die generativen Themen dieser Praxis heraus arbeitet. Einführung in das Gedankenwerk von Paulo Freire, die sich an den generativen Themen der Teilnehmer orientiert. Dialog und kulturelle Aktion Befreiung, Bewusstsein, Hoffnung Community Development, Soziale Entwicklung, Verwirklichungschancen, Gutes Leben Reflektion von Ansätzen einer Sozialarbeit des Südens: Reflektion der Aktualität in unterschiedlichen Arbeitsfeldern Erarbeitung konzeptioneller Skizzen für die je konkrete Praxis Adressatenkreis Mitarbeitende in Feldern Sozialer Arbeit, z.B. mit sozialraumorientiertem Zuschnitt: Gemeinwesenarbeit, Quartiermanagement, Straßensozialarbeit, Straßenpädagogik, Aufsuchende Hilfen; im Bereich der Bildungsarbeit: Jugendbildung, Erwachsenenbildung, Schulsozialarbeit; im interkulturellen Tätigkeitsbereich. Termin: 7. bis 10.4.2008 in Bad Orb Leitung: Prof. Dr. Ronald Lutz Organisation: Stefan Gillich SeminarBuHausFreire.doc Seite 2