www.personalwirtschaft.de 30 1/2005 Personalwirtschaft Personalführung Die Akzeptanz von Mitarbeiterbefragungen ist gestiegen, so die Ergebnisse einer Studie zu Einsatz und Effektivität von Mitarbeiterbefragungen. Besonders bei den Faktoren Führungsqualität, interne Prozesse und Betriebsklima sehen die befragten Unternehmen deutliche Verbesserungen. Nutzen nicht voll ausgeschöpft Der Stellenwert des Humankapitals ist in wirtschaftlich schweren Zeiten ambivalent: Einerseits sind Unternehmen – wie gegenwärtig im Bankensektor – gezwungen, Personal abzubauen. Andererseits brauchen sie gerade für Dienstleistungsgeschäfte qualifizierte und engagierte Mitarbeiter, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu verbessern. Speziell diese Zweiteilung in Mitarbeiter als überflüssiger Kostenfaktor und wichtiger Leistungsträger, erhöht die Anforderungen an das HR-Management und erschwert die Koordination der beiden widerstreitenden Kräfte. Ausschlaggebend ist deshalb die Feinsteuerung. Hinzu kommt ein zweiter Faktor: Geschätzte Milliardenverluste in deutschen Unternehmen durch demotivierte Mitarbeiter und schlechte Zusammenarbeit haben die Bedeutung von Mitarbeiterbefragungen im Rahmen des HR-Managements deutlich steigen lassen. Immer mehr Unternehmen setzen dieses Instrument konsequent ein und bestätigen wesentliche Verbesserungen bei Führungsqualität, internen Prozessen, interner Zusammenarbeit und Betriebsklima. Kennzahlen zum Mitarbeiterwert sind selten Fünf Jahre nachdem die erste Feldstudie zum Einsatz von Mitarbeiterbefragungen in der Praxis durchgeführt worden war, wurde das Thema im September 2004 erneut untersucht (siehe »Die Studie«). Im Ergebnis spiegelt sich diese Entwicklung in der Antwort auf die Frage nach dem Einfluss von mitarbeiterbezogenen Faktoren auf den Unternehmenserfolg wider. Der größte Einfluss wird, wie bereits 1999, beim Engagement (93 Prozent) und bei der Motivation (91 Prozent) der Mitarbeiter gesehen (Mittelwerte auf einer Skala von 0 Prozent = sehr gering bis 100 Prozent = sehr hoch). Die Bedeutung von Loyalität und Mitarbeiterbindung für den Unternehmenserfolg wird heute deutlich höher eingeschätzt, 78 Prozent aktuell gegenüber 66 Prozent 1999. Allerdings weisen die im HR-Management vorzugsweise verwendeten Kennzahlen eine andere Ausrichtung auf: Die meisten Nennungen entfallen immer noch auf Indikatoren wie Fehlzeiten/Abwesenheitsquote (74 Prozent), den Erreichungsgrad formulierter Ziele (70 Prozent) und die Fluktuation (53 Prozent). Die Verbreitung von Mitarbeiterzufriedenheits- und -bindungsindizes ist zwar um zehn Prozent auf 47 Prozent gestiegen, repräsentiert aber nicht den auf den Unternehmenserfolg bezogenen hohen Stellenwert dieser Einflussgrößen. Noch sehr wenig verbreitet sind Kennzahlen zum Mitarbeiterwert (neun Prozent). Gesteuert wird also primär ergebnis- und wirkungsorientiert, jedoch deutlich weniger auf Potenziale und Erfolgsfaktoren ausgerichtet. Mehr Eigenverantwortung und Flexibilität gefordert Bei den Auswirkungen externer Faktoren auf die Anforderungen an das HR-Management sind sich die befragten Personalleiter weitgehend einig: Die Verschärfung des Wettbewerbs (84 Prozent) und die zunehmende Kunden- und Serviceorientierung (85 Prozent) werden zu stark zunehmenden Anforderungen an das HR-Management führen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die steigenden Anforderungen vor allem auf die Bereiche Empowerment/unternehmerisch denkende und handelnde Mitarbeiter (76 Prozent), Flexibilisierung der Arbeitszeit (76 Prozent), Qualifizierungsmanagement (73 Prozent) und Führungskultur/ Führungskräfteentwicklung (72 Prozent) konzentrieren. Alle Anforderungen, die darauf ausgerichtet sind, den Mitarbeitern mehr Eigenverantwortung und Flexibilität zu übertragen, werden zunehmen. Das Prinzip der partizipativen Führung wird somit immer stärker eingefordert. Mitarbeiterbefragungen leisten dabei einen positiven Beitrag zum Erkennen von Defiziten und zur Bestimmung der wesentlichen weichen Erfolgsfaktoren. Für 82 Prozent der Unternehmen liefern Mitarbeiterbefragungen notwendige Impulse, um die interne Zusam- Mehr zum Thema Im Rahmen eines Kooperationsprojekts der Forschungsgruppe Management + Marketing in Kassel und des Lehrstuhls für Marktorientierte Unternehmensführung an der TU Dresden wurde das Thema Mitarbeiterbefragungen in der Praxis erneut untersucht und zwar genau fünf Jahre nachdem die erste Feldstudie zu diesem Thema durchgeführt worden war (vergleiche auch Personalwirtschaft 04/00, Seite 51 ff.). 31 menarbeit zu verbessern. Für 78 Prozent sind sie ein gutes Instrument, um Meinungen, Einstellungen und Probleme der Mitarbeiter systematisch zu erfassen, und für 71 Prozent sind sie Bestandteil eines fortschrittlichen Führungskonzeptes. Gab vor fünf Jahren ein Drittel der Unternehmen an, regelmäßig Mitarbeiterbefragungen durchzuführen, so sind es heute 42 Prozent. 39 Prozent haben das Instrument bisher nur unregelmäßig oder erst einmal eingesetzt und 19 Prozent wenden es bisher nicht an. Die Hauptgründe der Ablehner sind der gering eingeschätzte Wert und Nutzen (64 Prozent), aber nicht zuletzt auch eine mangelnde Akzeptanz bei Führungskräften (33 Prozent) und ein zu hohes Konfliktpotenzial durch die erwarteten Befragungsergebnisse (30 Prozent). Bei der Frage nach der methodischen Vorgehensweise wird deutlich, dass eine reine Zufriedenheitsabfrage nicht mehr den Ansprüchen an dieses Instrument gerecht wird. Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung werden von fast allen Unternehmen (96 Prozent) sowohl die Zufriedenheit als auch die Mitarbeiteranforderungen erhoben. Etwa zwei Drittel der Befragten erheben und analysieren ebenfalls Daten zu Mitarbeitermotivation und -engagement, zwei Faktoren, die den höchsten mitarbeiterbezogenen Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Erfolgreich durch Kommunikation Ob eine Mitarbeiterbefragung erfolgreich in einem Unternehmen eingesetzt wird, ist vor allem von der Akzeptanz dieses Führungsinstrumentes abhängig. 57 Prozent der befragten Unternehmen verzeichneten bei ihrer letzten Mitarbeiterbefragung eine Rücklaufquote von über 70 Prozent – das ist ein guter Wert. Damit Mitarbeiterbefragungen als Führungsinstrument erfolgreich wirken können, ist die Kommunikation von zentraler Bedeutung. Die Mitarbeiter sind sowohl im Vorfeld einer Befragung umfassend und offen über die Rahmenbedingungen (zum Beispiel Anonymität) und Zielsetzungen zu informieren, als auch anschließend über die gewonnenen Erkenntnisse. Die meisten Unternehmen betreiben daher eine offene Informationspolitik. 72 Prozent informieren alle Mitarbeiter über die wesentlichen Ergebnisse und Erkenntnisse der Befragung, 52 Prozent die Führungskräfte und 33 Prozent den Betriebsrat. Als Kommunikationsform dient vor allem eine Präsentation anlässlich einer Mitarbeiterbesprechung oder Betriebsversammlung (70 Prozent), gefolgt von schriftlichen Ergebniskurzfassungen oder internen Publikationen (jeweils 52 Prozent). Das Aufarbeiten der Ergebnisse in Workshops wird jedoch, wohl wegen des damit verbundenen Aufwandes, eher nachrangig durchgeführt Die Studie Bundesweit wurden 470 Verantwortliche des Personalbereichs in Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen im Rahmen einer Onlineerhebung zum Einsatz und zur Effektivität von Mitarbeiterbefragungen befragt. Die für Onlinebefragungen gute Beteiligungsquote von zwölf Prozent bestätigt die zunehmende Bedeutung des Instruments. Die Langfassung der Studie »Einsatz und Effektivität von Mitarbeiterbefragungen« kann unter www.m-plus-m.de angefordert werden. (30 Prozent). Entscheidend ist aber nicht das Messen, sondern das Besserwerden. Nutzen aus den Ergebnissen ziehen Einen systematischen Prozess zum Ableiten von gezielten Maßnahmen aus den Ergebnissen führen 40 Prozent der Befragten durch; vier Prozent leiten nach eigener Angabe keine systematischen Verbesserungsmaßnahmen aus den Ergebnissen ab. Personalbereich und Geschäftsführung sind nicht nur bei der Durchführung der Mitarbeiterbefragung federführend, sie sind auch die Treiber im Verbesserungsprozess. Bemerkenswert ist, dass trotz des gestiegenen Stellenwertes des Humankapitals ein Erfolgscontrolling im Verbesserungsprozess nur von 43 Prozent der Befragten umfassend vorgenommen wird. www.personalwirtschaft.de 32 1/2005 Personalwirtschaft Personalführung Nutzen von Mitarbeiterbefragungen Verbesserung des Betriebsklimas Verbesserung der Ablauforganisation/ internen Prozesse 15 Erhöhung der Mitarbeitermotivation Konsequente Umsetzung kontinuierlicher Verbesserungen Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit Erhöhung des Mitarbeiterengagements 27 11 58 40 15 49 40 11 44 47 15 42 47 18 Erhöhung der Mitarbeiterloyalität/-bindung 24 Mehr Service-Qualität für unsere Kunden 37 44 37 42 29 Gezielte Mitarbeiterqualifikation 33 40 38 Erreichen von Gewinnsteigerungen 31 38 50 24 36 14 Erreichen von Kosteneinsparungen 58 33 9 Erreichen von Umsatzsteigerungen 57 34 9 Der Nutzen ist nach Meinung der Befragten: sehr gering/gering teils-teils hoch/sehr hoch Abbildung: Mitarbeiterbefragungen sind unter zwei Bedingungen ein fortschrittliches und zugleich wirkungsvolles Instrument des HRM: Wenn aussagefähig gemessen wird und wenn auf der Basis der Ergebnisse ein effizienter Verbesserungsprozess konsequent gesteuert und umgesetzt wird. Sonst erfüllen sie nur eine Alibi-Funktion zeitgemäßer Personalführung. (Quelle: Professor Dr. Armin Töpfer; Forschungsgruppe Management + Marketing, Kassel) In der Bewertung des Nutzens von Mitarbeiterbefragungen gehen die Meinungen auseinander. Von allen Anwenderunternehmen bewerten 35 Prozent den Nutzen als sehr hoch oder hoch und 55 Prozent als teilweise hoch; zwölf Prozent schätzen ihn gering oder sehr gering ein. Eine differenzierte Auswertung (t-Test) zeigt, dass Unternehmen, die den Nutzen mit hoch/sehr hoch bewerten, signifikant häufiger systematisch Verbesserungen aus den Ergebnissen ableiten und den Erfolg der Verbesserungsmaßnahmen bedeutend öfter umfassend messen und steuern als Unternehmen, die den Nutzen mit gering/sehr gering bewerten. Der größte Nutzen ergibt sich aus Sicht der Befragten bei der Verbesserung des Betriebsklimas sowie der Ablauforganisation und der internen Prozesse (vergleiche Abbildung), also bei weichen und harten Erfolgsfaktoren. Ein nur geringer oder sehr geringer Nutzen wird zum Erreichen von Kosteneinsparungen oder Umsatzund Gewinnsteigerungen gesehen. Anzeige Wenig genutzt: Kombination von Mitarbeiterund Kundenbefragung Die Integration der Mitarbeiterbefragungen in die bestehenden Management- und Führungsinstrumente hat im Vergleich zu 1999 zugenommen. Bei 72 Prozent der befragten Unternehmen sind die Ergebnisse der Mitarbeiterbefragungen in die bestehenden Führungs- und Steuerungsinstrumente eingebunden, 1999 waren es 66 Prozent. Synergien von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen im Verbesserungsmanagement werden allerdings immer noch selten genutzt. Lediglich neun Prozent der Befragten führen Mitarbeiterbefragungen in Verbindung mit Kundenbefragungen durch, wobei wiederum nur bei jedem Vierten die Ergebnisse beider Analysen auch inhaltlich miteinander in Beziehung gesetzt werden. Dabei erhöht gerade diese Verknüpfung den Wert der Befragungen und Ergebnisse und dann auch den Nutzen durch gezielte Verbesserungen. Autor Professor Dr. Armin Töpfer leitet den Lehrstuhl für Marktorientierte Unternehmensführung an der TU-Dresden, [email protected] Autor Frank Opitz ist Projektleiter der Forschungsgruppe Management + Marketing und Berater der M+M Consulting GmbH in Kassel, [email protected]