Schweizerische Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) Altenbergstrasse 29 Postfach 686 3000 Bern 8 Nicht durch äußere Umstände erklärbare Stimmungsschwankungen abklären lassen Erleben Personen scheinbar unerklärliche Wechsel zwischen euphorischen und depressiven Gemütszuständen, sollten sie diese Schwankungen der Stimmung fachärztlich abklären lassen, denn sie können auf eine Bipolare Störung hinweisen. „Bei Menschen, die an Bipolaren Störungen leiden, kommt es zu Krankheitsepisoden mit völlig übersteigerten Stimmungsschwankungen. Diese werden zwar oft durch äussere Umstände wie Prüfungsstress oder ein Hochzeitsfest ausgelöst, doch erklären diese Umstände das Ausmass und vor allem die Dauer der Stimmungsveränderung nicht. Fast alle Betroffene, die eine Manie erleben, in der sie überaktiv, euphorisch oder gereizt sind, erleiden auch depressive Phasen mit Lustlosigkeit, gedrückter Stimmung und pessimistischen Gedanken. Zwischen diesen Phasen treten oft weniger stark ausgeprägte Stimmungsschwankungen auf“, berichtet Prof. Dr. med. Gregor Hasler von der Schweizer Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP), die ihren Sitz in Bern hat. Bipolare Erkrankungen können individuell recht unterschiedliche Formen und Verläufe haben. Besonders ausgeprägt und schwerwiegend sind Bipolare Erkrankungen, wenn psychotische Symptome auftreten. Dies bedeutet, dass die Realitätswahrnehmung und – verarbeitung gestört ist, was zu verzerrten Sinneseindrücken und Wahnvorstellungen führt. Psychotische Symptome kommen dabei häufiger bei Manien als bei Depressionen vor. Über zwei Drittel aller Patienten mit Manien zeigen einzelne psychotische Symptome, am häufigsten grenzenlose Selbstüberschätzung. Leichtsinnige Geldausgaben und der Verlust sozialer Hemmungen sind häufige Folgen der gestörten Realitätswahrnehmung. Erkrankung wird oft lange nicht erkannt Viele Patienten erleben ihre erste Krankheitsepisode um das 18. Lebensjahr herum, doch meist wird die Störung erst später erkannt. Betroffene nehmen oft über lange Zeit keine ärztliche Hilfe in Anspruch, weil sie die Notwendigkeit nicht sehen. „In depressiven Phasen halten viele Erkrankte ihre über längere Zeit anhaltende Stimmungsveränderung für schlechte Laune oder ein normales Stimmungstief und sehen keinen Behandlungsbedarf. In einer manischen Episode, in der sich die Betroffenen mitunter ausgesprochen gut und leistungsfähig fühlen, fehlt ihnen oft die Krankheitseinsicht, weil sie keinerlei Leidensdruck verspüren. Besonders, wenn jemand vorher unter einer depressiven Phase gelitten hat, kann die einsetzende Manie verständlicherweise wie eine Befreiung aufgenommen werden“, erklärt der Experte. Auch weil zwischen den einzelnen Krankheitsepisoden Intervalle von mehreren Monaten oder Jahren liegen können, in denen Betroffene völlig beschwerdefrei sind und über eine stabile Stimmungslage verfügen, wird professionelle Hilfe oft lange Zeit nicht in Anspruch genommen. Erhöhtes Suizidrisiko bei Bipolaren Erkrankungen Bipolare Störungen sind mit einem erhöhten Suizidrisiko verbunden. „Man muss davon ausgehen, dass das Risiko für einen Suizid gegenüber der Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht ist. Die Suizidhäufigkeit bei Erkrankten liegt bezogen auf das ganze Leben bei 15 bis 30 Prozent. Nicht zuletzt deswegen ist eine möglichst frühzeitige Behandlung von enormer Wichtigkeit“, betont der Experte. „Bei bipolaren Patienten sind es oft lange depressive Phasen oder Mischzustände, die das Suizidrisiko erhöhen. Mischzustände zeichnen sich durch gleichzeitige oder schnell abwechselnde depressive und manische Symptome aus. Besonders gefährlich ist es, wenn erhöhte Aktivität und Tatendrang auf Hoffnungslosigkeit und Niedergeschlagenheit treffen.“ Bemerken Betroffene oder Angehörige Symptome einer Bipolaren Störung, sollten sie nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Diagnose kann im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs zwischen einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und dem Erkrankten, manchmal auch der nächsten Angehörigen, eruiert werden. „In der Akutbehandlung geht es zunächst darum, den Patienten aus seiner aktuellen manischen, depressiven oder gemischten Krankheitsepisode «herauszuholen» und zu stabilisieren, den akuten Leidensdruck zu reduzieren und gegebenenfalls die Krankheitseinsicht des Patienten wiederherzustellen“, erklärt Prof. Dr. Hasler. „Ist eine deutliche Verbesserung der Krankheitssymptome eingetreten, schließen die Erhaltungstherapie und die Rückfallvorbeugung an. Sie haben zum Ziel, den Patienten dauerhaft zu stabilisieren und Rückfälle zu verhindern. In allen Krankheitsphasen ist oft der Einbezug von Angehörigen für den Therapieerfolg entscheidend. Ferner sind vor allem manische Phasen für Angehörige enorm belastend, so dass sie nicht selten selber an Stress‐Symptomen leiden.“ In der Behandlung Bipolarer Störungen werden verschiedene Behandlungsmethoden eingesetzt, die sowohl von der Schwere der Erkrankung als auch vom Verlauf abhängig sind. Neben der Psychoedukation und der medikamentösen Therapie, welche viele Patienten den Rest ihres Lebens begleitet, hat sich bei depressiven Phasen eine psychotherapeutische Zusatzbehandlung als wirksam erwiesen. Man schätzt, dass etwa 1 bis 3 Prozent der Bevölkerung von einer Bipolaren Erkrankung betroffen ist. Frauen und Männer erkranken jeweils gleich häufig. Als Ursache wird ein multifaktorielles Geschehen angenommen, bei dem biologische Faktoren wie Störungen im Neurotransmitterhaushalt oder hormonelle Störungen sowie auch psychosoziale Einflüsse eine Rolle spielen könnten. Mehr Informationen unter www.psychiater‐im‐netz.org