SPAR Offener Brief zur Sortenvielfalt

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Hauptzentrale
Europastraße 3
5015 Salzburg
Offener Brief
Umwelt/Nahrungsmittelindustrie/Verbraucher/Politik/EU/Agrar
An alle österreichischen EU-Abgeordneten (MEP)
An den zuständigen EU-Kommissar für Regionalpolitik
An Landwirtschaftsminister DI Nikolaus Berlakovich
Offener Brief: Auch geänderte EUSaatgutverordnung gefährdet Vielfalt massiv!
Sehr geehrte Damen und Herren,
nach massiven Protesten von Konsumenten, UmweltschutzOrganisationen und Handel hat die EU-Kommission einen überarbeiteten Entwurf zur Saatgutverordnung vorgelegt. Die Vorschläge gehen
jedoch nicht weit genug, denn durch neue Auflagen dürfen die beliebten
Sortenraritäten nicht mehr über den Handel verkauft werden. VorzeigeLandwirte wie zum Beispiel Erich Stekovics dürften dann nur noch ab
Hof verkaufen und nur dann, wenn maximal zehn Mitarbeiter am Hof
arbeiten. Das heißt, derartige Landwirtschafts-Pioniere müssten zuerst
etliche Mitarbeiter kündigen, um ihre Produkte wenigstens ab Hof verkaufen zu können.
Laut dem aktuellen Entwurf der EU-Saatgutverordnung dürfen nur
Kleinbetriebe Obst- und Gemüsesorten ohne Sortenzulassung unter
Auflagen weitergeben. Erleichterungen beim Zulassungsverfahren wiederum gelten nur für „historische Sorten“, nicht jedoch für bunte Sortenraritäten. Aus dem Handel und damit aus dem Großteil der österreichischen Einkaufskörbe werden Hunderte Sorten, wie beispielsweise die
Tomate „Gelbe Johannisbeere“ oder die „Etsdorfer Buschbohne“, damit
verbannt! Wir bestehen darauf, unseren Konsumenten auch weiterhin
alt eingesessene Sortenraritäten zu einem vertretbaren Preis anzubieten.
Kommerzialisierung statt Konsumentenschutz
Auch der überarbeitete Entwurf der Saatgutverordnung schränkt unsere
Kundinnen und Kunden massiv ein anstatt ihre Wahlmöglichkeit zu
schützen. Wir fordern Bundesminister Berlakovich und alle EUParlamentarier auf, für die Interessen der Konsumenten einzutreten
anstatt Saatgut- und Chemie-Konzernen in die Hände zu spielen! Trotz
steigender Nachfrage das Angebot am Markt einzuschränken, darf man
den Konsumentinnen und Konsumenten nicht als Verbraucherschutz
verkaufen. Das Gegenteil ist der Fall: Hier wird zuerst das Angebot und
dann die Wahlfreiheit massiv eingeschränkt.
Übertriebene Zulassungstests für Kulturgut
Die Saatgutverordnung sieht vor, dass Vermehrungsmaterial aller wichtigen Obst-, Gemüse und Getreidesorten grundsätzlich nur nach einem
aufwändigen technischen Testverfahren weitergegeben werden dürfen.
Dieses soll feststellen, ob die Sorten über Generationen stabil, die
Pflanzen einheitlich und von allen anderen Sorten unterscheidbar sind.
„Für alte Sorten, die bereits tausende Jahre angebaut werden, ist das
völlig übertrieben und unmöglich. Natürlich gewachsene Sorten haben
beispielsweise unterschiedlich große Früchte, die nicht in die Normvorgaben der EU passen und so keine Zulassung bekommen würden“,
befürchtet Erich Stekovics. Auch ohne diese natürlichen Hürden würde
der Sorten-Bewahrer vor dem Ruin stehen: zusätzlich zum administrativen und zeitlichen Aufwand würde die Zulassung seiner über 3.000
alten Sorten über drei Millionen Euro kosten. Lediglich einen Ab-HofVerkauf gesteht die EU den Landwirten zu, die alte Sorten anbauen.
Verkaufen dürften sie ihre Pflanzen und Früchte aber nur noch, wenn
sie alle bis auf 10 Mitarbeiter entlassen und maximal zwei Mio. Euro
Jahresumsatz machen. Das ist doch reine Willkür!
Weitere Änderungen nötig
Auf den internationalen Druck der Zivilgesellschaft hat die EUKommission nur mit kosmetischen Veränderungen im Entwurf reagiert,
die eigentliche Kritik an dem Verordnungsentwurf wurde ignoriert. Im
Vorschlag vermissen wir eine eindeutige Einschränkung der Verordnung auf die Weitergabe von Saatgut und Pflanzgut zum Zweck der
kommerziellen Nutzung und ab bestimmten Mengen. Generell ist die
Frage zu stellen, ob die hohen Auflagen der verpflichtende Registrierung nicht eher den Interessen der Agro-Industrie dienen als dem
Schutz der Konsumentinnen und Konsumenten und dem Gemeinwohl.
Wir appellieren daher an EU-Parlament und -Rat, den Verordnungsentwurf grundlegend zu überarbeiten, um alte Sorten und wichtiges Kulturgut lebendig zu erhalten.
SPAR-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerhard Drexel
im Namen des gesamten SPAR-Vorstands
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