Dreidimensionale Abbildung magnetischer Domänen Magnetische Domänen bilden die Grundlage für das Verständnis vieler magnetischer Phänomene und der Eigenschaften magnetischer Materialien. Ihre Existenz wurde bereits 1907 von P.-E. Weiss vorhergesagt [1,2], weshalb sie auch als Weiss-Bezirke bezeichnet werden. Es dauerte jedoch noch lange Zeit bis geeignete experimentelle Möglichkeiten zur Verfügung standen, um sie abzubilden. Inzwischen wurden verschiedene Verfahren zur Visualisierung magnetischer Domänen entwickelt, wie zum Beispiel die klassische BitterMethode, magneto-optische Kerr-Mikroskopie oder spin-polarisierte Rastertunnelmikroskopie [2]. Zwar konnten diese Methoden vor allem hinsichtlich der Ortsauflösung immer weiter verbessert und optimiert werden. Sie sind jedoch alle auf die zweidimensionale Abbildung der Domänen, zumeist an Oberflächen oder in dünnen Schichten, beschränkt. Durch ein weiterentwickeltes Verfahren basierend auf Talbot-Lau-Neutronen-Tomographie ist es seit kurzem möglich, das gesamte Netzwerk magnetischer Domänen sowie auch einzelne individuelle Domänenformen im Inneren von magnetischen Materialien dreidimensional abzubilden [3]. Der Vorteil von Neutronen liegt zum einen in ihrer starken Wechselwirkung mit magnetischen Feldern und zum anderen in ihrer hohen Eindringtiefe in viele Materialien, wie zum Beispiel auch in Eisen (einige cm). Der Spin der Neutronen kann sich in einem Magnetfeld in zwei Vorzugsrichtungen einstellen, in Richtung des Magnetfeldes oder entgegengesetzt dazu [4,5]. Die beiden möglichen Ausrichtungen führen zu leicht unterschiedlichen Brechungsindizes und damit zur Brechung des Neutronenstrahls an der Grenze zwischen zwei Domänen, wo (per Definition) die Richtung des Magnetfeldes wechselt. Diese Ablenkung der Neutronen ist allerdings so klein, dass sie in einem einfachen Neutronen-Radiogramm praktisch nicht sichtbar ist. Durch ein spezielles Verfahren, der Talbot-Lau-Neutronen-Tomographie, konnte die nötige Nachweisempfindlichkeit realisiert werden. Die Methode stellt eine Weiterentwicklung eines Verfahrens dar, dass auf der Talbot-Lau-Interferometrie aus der Optik beruht und zuerst in der Röntgenradiographie am Paul-Scherrer-Institut (Villigen, Schweiz) eingesetzt wurde [6-8]. Hierfür wird zunächst über ein Quellgitter ein Satz mehrerer, in sich teilweise kohärenter Strahlen erzeugt. Mit einem Phasengitter wird dann von jedem einzelnen Strahl ein (sinusartiges) Interferenzmuster produziert, dessen Amplitude und Phasenlage mit einem Absorptionsgitter und einem 2D-Detektor ortsaufgelöst gemessen wird. Wird eine Probe in den Strahlengang gebracht, dann führen Streueffekte, wie etwa mehrfache Brechungen an Domänenwänden, zur Verkleinerung der Amplitude des Interferenzmusters, dem sogenannten Dunkelfeldsignal, welches dann ortsaufgelöst abgebildet wird [3, 8]. Die Domänenwände sind allerdings nur dann gut sichtbar, wenn sie annähernd parallel zum einfallenden Neutronenstrahl orientiert sind (s. Abb. 1). Durch Drehung der Probe um eine Achse senkrecht zum Strahl wird jede Domänengrenze einmal unter einem bestimmten Drehwinkel parallel zum Strahl ausgerichtet sein und ein stärkeres Messsignal erzeugen. Mit Hilfe eines darauf angepassten tomographischen Rekonstruktionsverfahrens lässt sich so eine vollständige dreidimensionale Abbildung sämtlicher Domänengrenzen in der Probe erzeugen (s. Abb. 2) [9]. Mit diesem Verfahren konnten magnetischen Domänen in FeSi-Kristallen untersucht und Modellvorstellungen von Forschern der Arbeitsgruppe von Dr. Rudolf Schäfer (IFW Dresden) bestätigt werden [2]. Diese besagen, dass die Größen der Domänen auf eine bestimmte Weise mit der Größe des Kristalls zunehmen. So erreichen magnetische Domänen im Inneren eines 1 mm dicken Kristalls Größen um die 0,3 mm, während es in einem 10 mm dicken Kristall bereits etwa 1 mm sind. Magnetische Domänen spielen eine große Rolle in der physikalischen Grundlagenforschung, wo sie für das Verständnis grundlegender Prinzipien von Materialeigenschaften sowie physikalischer Naturgesetze sehr wichtig sind. Im Alltag spielen sie in vielen technischen Produkten eine herausragende Rolle. Dazu gehören neben Speichermedien auch Transformatoren in stationären oder mobilen Applikationen. Zukünftig könnten Verbesserungen in der Ortsauflösung der Talbot-Lau-Neutronen-Tomographie das Feld potentieller Anwendungen noch weiter ausdehnen. Ingo Manke, Nikolay Kardjilov, Markus Strobl, John Banhart Helmholtz Zentrum für Materialien und Energie Berlin (HZB) [1] P. Weiss, J. de Phys. Rad. 6, 661-690 (1907) [2] A. Hubert, & R. Schäfer, Magnetic Domains, (Springer, Berlin ,1998). [3] I. Manke et al., Nat. Commun. 1, 125, DOI: 10.1038 /ncomms1125 (2010) [4] O. Schärpf et al., J. Appl. Cryst. 11, 626-630 (1978) [5] N. Kardjilov et al., Nat. Phys. 4, 399-403 (2008) [6] F. Pfeiffer et al., Nat. Phys. 2, 258-261 (2006). [7] C. Grünzweig et al, Phys. Rev. Lett. 101, 025504 (2008) [8] M. Strobl et al., Phys. Rev. Lett. 101, 123902 (2008) [9] A. Lange et al., MP Materials Testing 50, 272-277 (2008) Abb. 1: Radiogramm eine FeSi Einkristalls gemessen mittels Talbot-Lau-NeutronenTomographie. Die vertikalen Streifen in a) werden von magnetischen Domänen verursacht, die annähernd parallel zum Neutronenstrahl liegen. Daher ist nur ein kleiner Teil aller Domänenwände in einem Projektionsbild sichtbar. Im Bild b) wurde ein magnetisches Feld von ca. 200 mT an die Probe angelegt. Die Domänen richten sich zueinander aus, so dass die Domänengrenzen und damit die Streifen verschwinden. Abb. 2: Talbot-Lau-Neutronen-Tomogramm eines FeSi-Keils. Durch Messung zahlreicher Projektionsbilder (vgl. Abb. 1a)) lässt sich eine tomographische Rekonstruktion erstellen, die das gesamte Netzwerk der magnetischen Domänen im Inneren des Kristalls dreidimensional darstellt. In dem Bild wurden die magnetischen Domänen bunt eingefärbt. (Abbildung: R. Grothausmann, I. Manke, HZB)