Von der Bedeutung der Weltreligionen: Ein Gespräch mit Werner Trutwin DieWeltreligionen Weltreligionen Die beeinflussen Handeln, Denken und Fühlen der Menschen weltweit. Sie bestimmen auch die politische Tagesordnung entscheidend mit: Ein Grundverständnis für die Vielfalt der Religionen wird daher immer wichtiger. Findet eine solche Auseinandersetzung in Deutschland bereits statt? Welche Rolle spielt die Schule – als erster Ort, an dem der Umgang mit Pluralität gelernt werden sollte? Und wie können wir uns überhaupt Glaubensüberzeugungen nähern, die uns fremd erscheinen mögen? Einige Fragen an Werner Trutwin, Religionswissenschaftler, ehemaliger Schulleiter und Herausgeber der Reihe „Weltreligionen“ im Oldenbourg Schulbuchverlag. Eine Begriffsklärung zu Beginn: Was macht eigentlich eine Weltreligion aus? Dr. Werner Trutwin: Jede Antwort auf die Frage, was eine „Weltreligion“ ist, wirft neue Fragen auf. Für meine Buchreihe gebrauche ich das Wort in dem pragmatischen Sinn von einer großen Gemeinschaft, die an Gott, Götter, Göttliches glaubt, ein eigenes Ethos lebt und/oder einen Transzendenzbezug hat. Sie sollte zugleich eine auch heute spürbare Wirkungsgeschichte haben. Konkret bedeutet das (nach der Größenordnung): 1. Das Christentum (ca. 2 Milliarden Anhänger), 2. Der Islam (ca. 1, 4 Milliarden), 3. Der Hinduismus (ca. 930 Millionen), 4. Der Buddhismus (ca. 400 Millionen). Zusätzlich wurde 5. das Judentum berücksichtigt, obwohl es eine „kleine“ Religion mit nur ca. 13 Millionen Mitgliedern ist, von denen sich auch noch viele zwar dem jüdischen Volk, nicht aber der jüdischen Religion verbunden fühlen. Das Judentum sollte aber wegen seiner religiösen, historischen und kulturellen Bedeutung für das Christentum und für die deutsche Geschichte sowie wegen seiner aktuellen Bedeutung im Staat Israel berücksichtigt werden. Ein 6. Band ist geplant, der das Thema „Religion“ behandeln wird. Unsere Gesellschaft ist geprägt von Wirtschaft, Wissenschaft und Technik – spielt religiöse Bildung denn überhaupt eine Rolle? Dr. Werner Trutwin: Es ist zwar richtig, dass Wirtschaft, Wissenschaft und Technik heute eine wichtige Rolle in unserem Leben spielen. Aber die Soziologen haben längst die alte These begraben, dass mit dem Fortschreiten der Säkularisierung die Religion absterbe. Sie ist ebenfalls ein wichtiger Faktor unserer Gesellschaft, wenn auch nicht in ihrer traditionellen kirchlichen Verfasstheit. So sind viele Zeitgenossen gerade wegen der Dominanz von Wirtschaft, Wissenschaft und Technik unzufrieden und auf der Suche nach Orientierung. Das zeigt sich bei einem Blick in die Buchläden, in denen z. B. esoterische Schriften gefragt sind, oder bei dem verbreiteten Interesse für ostasiatische Praktiken, von denen man sich mehr Lebenssinn erwartet. Erst recht zeigt sich der aktuelle Einfluss der Religion auf Weltebene, wenn man etwa an die Aktivitäten von Islam und Islamismus, an den Dalai Lama oder an die Bedeutung des traditionellen Christentums für amerikanische Politik denkt. © 2011 Oldenbourg Schulbuchverlag, München Dr. Werner Trutwin ist Religionswissenschaftler, ehemaliger Schulleiter sowie Herausgeber und Autor zahlreicher Bücher zu Religion und den Weltreligionen. In Ihrer Reihe „Weltreligionen“ liegt nun der neue Band zum Hinduismus vor. Wie erschließen Sie die Religionen in Ihren Büchern? Dr. Werner Trutwin: Die in Kürze vollständig vorliegende Reihe versucht, die Religionen in ihrem Selbstverständnis vorzustellen. Schwerpunkte sind dabei jeweils der Stifter, die Entstehung, Grundlinien der Geschichte, die religiösen Lehren, das Ethos, volkstümliche Elemente wie Feste und Bräuche, die Kunst, die Auseinandersetzung mit der modernen Welt, Zukunftsperspektiven, die Beziehungen zu anderen Religionen, insbesondere zum Christentum. Dabei sind fast ausschließlich Textauszüge aufgenommen, die aus den betreffenden Religionen selbst stammen („Quellen“; „O-Ton“). Dasselbe gilt von den vielen Abbildungen, die das religiöse Leben in seiner farbigen Vielfalt anschaulich nahe zu bringen versuchen. Die Arbeitsbücher gewinnen dadurch Authentizität. Zu diesen Materialien werden Einführungen und Erklärungen geboten, Vernetzungen aufgezeigt und Anregungen für eine vertiefte Beschäftigung gegeben. Jede Religion verfolgt einen Wahrheitsanspruch. Wie verhält sich dieses Streben nach dem Absoluten mit der Möglichkeit des Dialogs? Dr. Werner Trutwin: Jede Religion erhebt einen Wahrheitsanspruch, aber nicht zwangsläufig auch einen Absolutheitsanspruch dergestalt, dass der Wahrheitsanspruch anderer Religionen bestritten wird. Das tun weder das Judentum noch der Hinduismus noch der Buddhismus. Sie alle lassen mehrere Wege zur Wahrheit zu und sind davon überzeugt, dass auch Menschen mit anderer religiöser Überzeugung auf dem richtigen religiösen und ethischen Weg sein können. Dafür gibt es wunderbare Zeugnisse, die auch in den Arbeitsbüchern Aufnahme gefunden haben. Im Islam und Christentum begegnet der Absolutheitsanspruch am häufigsten. Daraus ergaben sich in der Vergangenheit gewaltsame Aktivitäten und vielfältige Formen der Intoleranz. Seit einiger Zeit werden diese Einstellungen in beiden Religionen modifiziert. So hat z. B. die katholische Kirche im 2. Vatikanischen Konzil (1962-65) die Religionsfreiheit als Menschenrecht anerkannt. Sie befindet sich ebenso wie die evangelischen Kirchen in einem ständigen Dialog mit anderen Religionen. Auch bei modernen Muslimen finden sich ähnliche Tendenzen. Wie sieht die Realität an deutschen Schulen aus - auf welchem Stand befindet sich die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Religionen? Dr. Werner Trutwin: In den Richtlinien der Bundesländer für den Religionsunterricht haben die großen Religionen ihren festen, wenn auch eher bescheidenen Platz. Vor allem in der Sekundarstufe I sollen sie in elementarer Form vorgestellt und erarbeitet werden. Erfahrungsgemäß kann der Unterricht dabei mit Interesse und Aufmerksamkeit rechnen. Die Schülerinnen und Schüler erwerben Kompetenzen wie diese: Grundkenntnisse, Perspektivenwechsel, Verständnis für fremde Lebensformen, Auseinandersetzung mit dem eigenen Glauben bzw. der eigenen Überzeugung, Bewertung und Beurteilung von Stärken und Schwächen der Religionen. Die Reihe „Weltreligionen“ greift diese Thematik auch für die Sekundarstufe II auf. Sie richtet sich in erster Linie an den Religionsunterricht, aber © 2011 Oldenbourg Schulbuchverlag, München auch an Fächer wie Philosophie, Ethik, Geschichte, Kunst oder politische Bildung. Die Weltreligionen, die das Tagesgeschehen der globalisierten Welt erheblich beeinflussen, müssen wegen ihrer kulturell und politisch prägenden Bedeutung zumal in einer Wirtschaftsnation größere Aufmerksamkeit als bisher finden. Weltreligionen Arbeitsbücher Religion – Ethik – Philosophie Sekundarstufe II Islam, 144 S., 978-3-7627-0420-1 Judentum, 144 S., 978-3-7627-0432-3 Hinduismus, 144 S., 978-3-7627-0434-8 Buddhismus, 144 S., 978-3-7627-0435-5 Christentum, ca. 192 S., 978-3-7627-0433-1 (erscheint Frühjahr 2012) Pressekontakt Judith Krieg Oldenbourg:bsv Cornelsen Schulverlage Mecklenburgische Str. 53 14197 Berlin Tel.: 030/89 78 51 86 Fax: 030/89 78 55 99 [email protected] www.oldenbourg-bsv.de/presse www.oldenbourg-bsv.de © 2011 Oldenbourg Schulbuchverlag, München