Antibiotika-Verbrauch und Antibiotika-Resistenzsituation in der Lebensmittelkette Annemarie Käsbohrer, Bernd-Alois Tenhagen, Beatriz Guerra-Román, Andreas Schroeter und Bernd Appel Bundesinstitut für Risikobewertung, Abteilung Biologische Sicherheit, Nationales Referenzlaboratorium für Antibiotikaresistenz, Berlin Problemstellung Infektionen mit Zoonoseerregern stellen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit dar. Sind diese Erreger zudem resistent und wird eine Therapie erforderlich, vergrößert sich das Gefährdungspotential für den Menschen. So kann die Krankheit länger andauern, es kann ein Krankenhausaufenthalt erforderlich werden und unter Umständen wird diese Infektion auch lebensbedrohlich. Neben Zoonoseerregern, wie z.B. Salmonellen und Campylobacter, können auch eigentlich harmlose Darmbakterien (z.B. E. coli) Resistenzen tragen oder aufnehmen und diese dann auch weitergeben. Kommen resistente Erreger in Tieren oder auf Lebensmitteln vor, können sie auch auf den Menschen übertragen werden und damit deren Gesundheit gefährden. Für die Bewertung der Resistenzentwicklung und Ausbreitung ist es erforderlich, die Resistenzdaten mit den eingesetzten Verbrauchsmengen zu vergleichen. Erfassung von Antibiotikaresistenzen Für die kontinuierliche Beobachtung und Bewertung der Resistenzsituation bei Zoonoseerregern und Kommensalen koordiniert das Nationale Referenzlabor für Antibiotikaresistenz (NRL-AR) am BfR das jährliche Resistenzmonitoring in Deutschland (1, 2). Dafür werden in repräsentativen Stichproben aus den wichtigsten Lebensmittelketten, also den Nutztierbeständen (Huhn, Pute, Schwein, Rind) und hieraus gewonnenen Lebensmitteln (z.B. Fleisch), nach den Vorgaben im Stichprobenplan und mit standardisierten Verfahren Proben entnommen, die jeweiligen Bakterien in den Untersuchungseinrichtungen der Länder isoliert und in den Referenzlaboratorien des BfR hinsichtlich ihrer Resistenzen untersucht. Die so ermittelten minimalen Hemmkonzentrationen (MHK-Werte) werden anhand international akzeptierter epidemiologischer Cut-Off-Werte (www.eucast.org) bewertet. Diese ermöglichen das frühzeitige Erkennen des Vorkommens von Resistenzen bzw. deren beginnende Entwicklung, häufig noch bevor die Erreger therapieresistent sind. Die bisher erzielten Ergebnisse zeigen, dass sich die Resistenzsituation bei E. coli aus Masthähnchenbeständen (85% resistent in 2009) und Hähnchenfleisch (89% resistent in 2009) ähnelt. Die Resistenzsituation bei Masthähnchen ist aber völlig verschieden von der Situation bei Legehennen, wo derzeit wesentlich weniger Resistenzen nachweisbar sind. Auch bei Puten- und Schweinefleisch ähnelt die Resistenzsituation der in den Mastbeständen. Isolate aus Tankmilch sind im Gegensatz zu Isolaten aus der Kälbermast aber eher seltener resistent. Die Ähnlichkeit der Resistenzmuster der Isolate aus der jeweiligen Lebensmittelkette unterstreicht die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung der Erreger vom Tier auf die Lebensmittel bei deren Gewinnung. Von besonderer Bedeutung sind die beobachteten Resistenzen gegenüber „Critically Important Antimicrobials“ wie z.B. Fluorochinolonen und Cephalosporinen der 3. Generation. Fluorochinolonresistenzen werden insbesondere bei E. coli Isolaten vom Geflügel, aber auch aus Kalb- und Schweinefleisch nachgewiesen. Resistenzen gegenüber Cephalosporinen der 3. Generation werden ebenfalls bei den verschiedenen Tiergruppen beobachtet. Erfassung von Verbrauchsmengen Während verschiedene Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) ein System zur Erfassung der Abgabe- oder Verbrauchsmengen von Antibiotika in der Veterinärmedizin etabliert haben, stehen in Deutschland hierzu bisher kaum belastbare Zahlen zur Verfügung. Um Daten zu den tierartspezifischen Verbrauchsmengen von Antibiotika in der Nutztierhaltung unter Berücksichtigung der Anwendungsgebiete und Applikationsformen für Deutschland zu sammeln, hat das BfR ein entsprechendes wissenschaftliches Projekt in Auftrag gegeben. Die Universität Leipzig und die Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover haben in der Studie zur Entwicklung eines Verfahrens zur repräsentativen Erfassung von Verbrauchsmengen für Antibiotika bei Lebensmittel liefernden Tieren (VetCAb) ein Konzept zur Datenerhebung in Tierarztpraxen und landwirtschaftlichen Betrieben erstellt und in einer Felderhebung erprobt. Basis der Datenerhebung sind die Arzneimittelanwendungs- und abgabebelege (AuA) in Tierarztpraxen sowie die Bestandsbücher der Tierhalter. Zur Datenerfassung und –verwaltung wurde ein Datenbanksystem an der Universität Leipzig entwickelt und dieses mit der Datenbank VETIDATA verknüpft. Dies ermöglicht die Validierung der Identität und Quantität der eingesetzten Antibiotika und die Ermittlung der jeweiligen Wirkstoffgehalte (3). In der Studie VetCAb konnte die Machbarkeit der Verbrauchsmengenerfassung in Deutschland eindrucksvoll belegt werden. In einem nächsten Schritt soll nun an einer typischen Stichprobe (Sentinel) die repräsentative Verbrauchsmengenerfassung auf freiwilliger Ebene mit Praxen und Betrieben durchgeführt werden. Ausblick Um eine weitere Zunahme der Resistenzen einzuschränken sollte der Antibiotika-Einsatz sowohl in der Human- als auch in der Veterinärmedizin auf das unbedingt notwendige Maß begrenzt werden. Hierfür sollten Maßnahmen in den Bereichen Tierhygiene, Betriebsmanagement und Impfungen ergriffen werden, die die Aufrechterhaltung der Tiergesundheit bestmöglich unterstützen. Das Monitoring des Antibiotikaeinsatzes ebenso wie der Resistenzentwicklung bei Krankheitserregern und bei Bakterien der normalen Darmflora ist Voraussetzung für die Bewertung der mit Antibiotikaresistenzen verbundenen Risiken für die Gesundheit des Menschen. Diese Monitoringprogramme, aber auch Maßnahmen zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes bei Tieren und in der Lebensmittelkette, sind Bestandteil der „Deutschen Antibiotikaresistenzstrategie“ (DART) der Bundesregierung. Literaturverzeichnis 1. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). 2010. Wissenschaftliche Bewertung der Ergebnisse des Resistenzmonitorings nach dem Zoonosen-Stichprobenplan 2009 (Stellungnahme Nr. 047/2010 vom 01.11.2010) http://www.bfr.bund.de/cm/208/wissenschaftliche_bewertung_der_ergebnisse_des_resistenzmonit orings_nach_dem_zoonosen_stichprobenplan_2009.pdf 2. Käsbohrer A, Schroeter A, Tenhagen B-A, Alt A, Guerra-Roman B, Appel B, 2011. Emerging antimicrobial resistance in commensal E. coli with public health relevance. Veröffentlichung im Druck: Zoonoses and Public Health. 3. Merle R, Hajek P, Käsbohrer A, Hegger-Gravenhorst Ch, Mollenhauer Y, Robanus M, Ungemach F-R, Kreienbrock L, 2011. Monitoring of antibiotic consumption in livestock: A German feasibility study. Veröffentlichung im Druck: Preventive Veterinary Medicine.