Lärm und Tiere: Übersicht 1 Auswirkungen von Lärm auf Tiere Lärm wirkt sich je nach Form der Lärmquelle und der Art der betroffenen Tiere ganz unterschiedlich aus. In tabellarischer Übersicht wird hier aus der Literatur eine Reihe von Beobachtungen und Experimenten zusammengestellt, die das weite Spektrum von Reaktionen und Folgen von Lärmbelastungen im Tierreich aufzeigen. Lärmquelle Stärke Ort Tierart Folgen, Reaktion Colorado Mule Deer (Odocoileus hemionus), Elk (Rothirsch) Tiere meiden Strasse bis in 200 m Distanz im Winter. Grizzly meidet Nähe zu Strassen. Entlang Strasse dominieren Buchfinken. Gesang lauter, immer wieder unterbrochen. Andere Vogelarten erst in grösseren Distanzen zur Strasse. Keine Nester ab ca. 60 dB. Bruterfolg sinkt, auch Verpaarungsrate geringer und Verweilzeit der Weibchen in Strassennähe. 10% der Landesfläche signifikant durch Strassenlärm gestört (geringere Diversität, Gesamtdichte Vögel um mindestens 1/3 reduziert). Für gefährdete Arten: >17% der Landesfläche gestört. Beeinträchtigung nachweisbar Beeinträchtigung nachweisbar Fluchtdistanz ca. 100 m; Lautstärke spielt keine grosse Rolle, wohl aber Aufheulen oder Abschalten des Motors! Nistet an Highway in grosser Zahl. Tiere meiden Strasse nachweisbar bis auf mehrere Dutzend m Distanz. Hunderte von Toten in Glaswand. Später Streifen eingefräst: besser. Quelle Strassenlärm Strasse Strasse Rocky Mountains Grizzly (Ursus arctos) Strassenlärm 72 dB (20 m von Strassenrand) - 39 dB (400 m) Moscow Ring Road, Wald Singvögel Strasse ca. 60 dB Kalifornien Bell´s Vireo (Vireo bellii), ein gefährdeter Singvogel Fitis (Singvogel) Strasse Strassenlärm Niederlanden (Daten von 1986) Vögel Strassenlärm 30 - 60 dB Waldvögel Strassenlärm 40 - 60 dB Wiesenvögel Trabant, Dacia (PKWs) Eisenhüttenstadt Mäusebussard Strasse Mehlschwalbe (Hirundo rustica) Strassenlärm Feldheuschrecken Wiesengrashüpfer (Chorthippus dorsatus) und Weissrandiger Grashüpfer (C. albomarginatus) Vögel Strasse mit Lärmschutzwand Bayern Bennett Bennett Ill´ichev Anonymus Maczey Reijinen Maczey Maczey Grätz Bennett Reck Bajohr Maschinen und landwirtschaftliche Fahrzeuge Traktor Möwen, Krähen Fahrzeuglärm 115 dB Kühe Landwirtschaftsmaschinen bis 120 dB Feldhasen, Rebhühner permanenter Maschinenlärm Maschinenlärm 115 dB Sperling, Meisen Mücken, Maulwurfsgrillen Vögel werden angelockt (und sammeln Würmer und Insektenlarven hinter Traktor). Kühe werden neugierig, kommen gerannt. Während Setz-/Brutzeit: Angstreaktion nicht Flucht, sondern sich flach machen (was oft tödlich). Brut trotz Lärm in Fabrik Gewisse Insekten werden angelockt (Geräuschspektrum enthält den Paarungssignalen der Weibchen ähnliche Frequenz-Modulationen). Busnel Herzfrequenzerhöhung, Verhalten ändert sich (Sichern statt Liegen und Äsen). Im Vergleich zu optischen Störreizen (Reiter, Personen, Flugdrachen) jedoch geringere Reaktion! Herbold Busnel Busnel Busnel Busnel Schuss, Knall und Gebell Musik, Gebell, Motorsägenlärm, Gewehrschuss Wien Reh, Hirsch im Gehege Lärm und Tiere: Übersicht 2 Experiment: während 34 Tagen lauter Lärm 15 - 60 sec., zufallsartig Laramie, Wyoming Hausschaf Feuerwerk (Seenachtsfest) Thunersee Schwarzhalstaucher (Podiceps nigrocollis) Feuerwerk (Seenachtsfest) Thunersee Blässhuhn (Fulica atra) Feuerwerk (Seenachtsfest) Thunersee Tafelente (Aythya ferina) Schüsse alle 10 oder 20 min. (Vogelschreckanlage) Sprengung Krähen, Staren Antarktis Weddelrobben Great Barrier Riff, Australien Crested Tern Eilseeschwalbe (Sterna bergii) Deutlicher Anstieg an Lymphocyten (Immunsystem aktiviert); im Verlauf des Experiments gewisse Gewöhnung. Nach Seenachtsfest verschoben sich alle 3040 Tiere seeaufwärts. 400 Tiere für mehrere Wochen seeaufwärts gezogen. Keine Verschiebung der 170 Tiere. Nach Gewöhnung kein Effekt mehr. Massive Gehörschäden Belden Blaser Blaser Blaser Busnel Maczey Flugverkehr Flugzeuglärm (experimentelle Simulation) 65 dBA - 95 dBA Düsenjet-Lärm Eilseeschwalbe (Sterna bergii) Flugplatz Hasen, Gänse Bald Eagle Weisskopfadler (Haliaeetus leucocephalus) Hühnerkücken, Hausschweine Fluglärm Düsenlärm 110 - 130 dB Düsenlärm Düsenjets Concorde Kühe im Mittel 92 dBA 108 dBA Kennedy International Airport, New York Kennedy International Airport, New York Überschallknall Überschallknall USA Helikopter Helikopter Helikopter Helikopter Arktis Helikopter Arktis Arktis Flugzeug-Überflüge Silbermöwen Silbermöwen Kalifornischer Kondor (Gymnogyps californianus) Haustiere Wolf Reh Karibu verschiedene Gänse und andere Wasservögel Moschusochse verschiedene Vögel (Pinguine, Uferschnepfen, Austernfischer, Eiderente) und Dickhornschaf (Ovis canadensis) div. Tiere fast geräuschlose Fluggeräte Nestkolonie. Mit Zunehmendem Lärm: Umschauen/Sichern -> Allarm -> Wegfliegen. Ab 85 dB fliegen fast alle weg. Auffliegen vom Nest -> Gelege vermehrt von Weisskopflachmöwen (Larus noaehollandiae) geraubt. Leben in grosser Dichte auf Flugplatz. Abnahme der Eiproduktion. Kein Einfluss auf Wachstum. Kein Einfluss auf Milchleistung. Keine Reaktion auf Brut. Möwen fliegen teilweise auf (wegen Vibrationen oder weil Concorde selten). Kondor flieht von Nest -> Risiko für Brut. Panik -> Entschädigungszahlungen US-Airforce. Panische Flucht Pulsfrequenzzunahme Embryonalverlust Teilweise schon Reaktion, wenn Helikopter noch bis zu 20 km entfernt! Tiere bilden Verteidigungsring! Erhöhung Herzschlagrate Brown Kempf Busnel Busnel Kempf Kempf Kempf Kempf Kempf Kempf Busnel Broggi Broggi Kempf Kempf Kempf Oft ähnliche Reaktionen wie laute Flugmaschinen! Kempf Unterwasserlärm Eisbrecher Eisbrecher Arktis St. Lawrence-Golf Weisswale Weisswale Fluchtdistanz 35 - 40 km Fluchtdistanz wesentlich geringer, da Geräusch gewöhnt. Maczey Maczey England Wasserfledermaus (Myotis daubentonii) Verzögerung des Abflugs in der Dämmerung um bis 45 min., damit schlechtere Jagdbedingungen. Kein Effekt Vitalitätsänderungen bei grosser Zahl von Organen und Systemen (Hormone, Kreislauf, Verdauung, Immunsystem, Fortpflanzung, Verhalten...). Schlagartiger Gehörverlust, Regeneration kann Wochen dauern. Lebensbedrohlich, da Feinde (Schlangen und Eulen) nicht mehr gehört werden. Aborte Keine signifikante Änderung der räumlichen Verteilung gegenüber früher. Shirley verschiedene Lärmformen Musikfestival Tosen der Brandung div. Experimente bis 80 dB ab 85 - 89 dB Wirbeltiere und Wirbellose Haus- und Labortiere Motorenlärm 95 dB Wüsten Experiment 2 neue Gas-TurbinenKompressoren 100 dB 52.2 dBA -> 54.9 dBA Ölfeld Prudhoe Bay, Alaska USA Fransenfinger-Leguane (Uma soparia) und Känguruhratten (Dipodomys deserti) Ratten (Labor) Kanadagans (Branta canadensis) Ringelgans (Branta bernicla) Busnel Kempf Kempf Maczey Anderson Anmerkung: Die unter "Quelle" aufgeführte Literatur (s. Tabelle Literatur) enthält Angaben zu den aufgelisteten Effekten. Oft handelt es sich dabei nicht um die Originalliteratur, in der die AutorInnen die entsprechenden Resultate zum ersten Mal beschrieben haben. für Fachstelle Lärmschutz des Kantons Zürich Stefan Ineichen, Zürich 2003