Ökumene Ein langer Weg zur Einheit Was bedeutet der Begriff Ökumene? Das Wort Ökumene stammt von dem griechischen Wort für Haus (oikos) ab, das auch die Wurzel der Worte Ökologie und Ökonomie ist. In der Antike bezeichnet die oikoumene die gesamte Erde oder das gesamte römische Reich (vgl. Lk 2,1). Heute versteht man unter Ökumene das Streben der Christen nach Einheit. Gegenwärtig spricht man auch von einer „abrahamitischen Ökumene“, weil Abraham als Stammvater des Judentums, Christentums und des Islam betrachtet wird. Doch spricht man in diesem Zusammenhang besser vom „interreligiösen Dialog“, da sich Methoden und Ziel vom Dialog der christlichen Konfessionen unterscheiden. Heute leben auf der ganzen Welt rund 2 Mrd Christen (davon 1 Mrd Katholiken), die sich in hunderte verschiedene Kirchen und kirchliche Gemeinschaften aufgespaltet haben. Die Weltkarte der Christen auf Seite 7 gibt Aufschluss über die Zahlen der Christen in den einzelnen Regionen der Welt. ■ Von Stefan Lobnig Trennungen und Einheit in der Kirchengeschichte Die Geschichte des Christentums ist stets zwei Bewegungen ausgesetzt: Trennung und Einheit. Die erste schmerzliche Spaltung ist die Abspaltung der Christen von den Juden. Gleichzeitig wurden Judenchristen und Heidenchristen im Glauben an Jesus Christus vereint. Doch auch dazu brauchte es das Apostelkonzil von Jerusalem im Jahr 44, wo sich Paulus und Jakobus darauf einigten, dass Heiden nicht zuerst beschnitten werden müssen, um Christen zu werden (Apg 15). Im fünften Jahrhundert kommt es dann zur ersten großen Spaltung nach den Konzilien von Ephesus (431) und Chalcedon (451). Dabei spielten weniger die theologischen Differenzen eine Rolle, als vielmehr politische Gründe: Die Spaltung wurde endgültig deutlich, als Kaiser Justinian 537 einen zweiten Patriarchen von Alexandrien einsetzte. Das morgenländische Schisma ist die Spaltung zwischen der Ost- und Westkirche, die gemeinhin mit dem Jahr 1054 Begriffsterrine Zwei Begriffe gehören jeweils zusammen. Verbinde sie mit einem Pfeil. Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel Ökumenische Glaubensbekenntnisse ■ Bezeichnung für die drei Glaubensbekenntnisse, die für alle christlichen Kirchen gelten: Apostolisches, Nicäno-Konstantinopolitanisches und das Athanasianische Glaubensbekenntnis. ■ Eine Bewegung, die sich die Einheit der Christen zum Ziel setzt und Ende des 19. Jahrhunderts entstanden ist. 7 Ökumenische Konzile ■ Treffen der Bischöfe des „römischen Reiches“ in Nicäa (2 x), Konstantinopel (3 x), Ephesus und in Chalcedon in den ersten acht Jahrhunderten. Ökumenischer Rat der Kirchen ■ Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie mit Sitz in Phanar (Istanbul). 21. Ökumenisches Konzil Moderner Ökumenismus 4 ■ „World Council of Churches“ (WCC) mit Sitz in Genf. ■ Versammlung der katholischen Bischöfe zwischen 1962 und 1965. Missio • Werkmappe Weltkirche 146/2007 • Ökumene www.missio.at in Verbindung gebracht wird und an theologischen Lehren, wie dem „filioque“, festgemacht wird. Die Hintergründe liegen bereits im Jahr 330, als die Kaiserstadt von Rom nach Konstantinopel verlegt wurde und sich dadurch erste Trennungen abzeichneten. Aber am 16. Juli 1054 kam es im Streit zwischen Ost- und Westkirche zu einem Höhepunkt. Ein Gesandter von Papst Leo IX. exkommunizierte den Patriarchen von Konstantinopel. Dieser Trennung folgten zwar Unionsverhandlungen zur Wiederherstellung der Einheit in Lyon (1207) und Florenz (1439), die aber trotz der bevorstehenden Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen scheiterten. Teile einiger orthodoxer Kirchen haben sich später von der Orthodoxie getrennt und bilden heute die mit Rom unierten Ostkirchen. Die Reformatoren Martin Luther, Ulrich Zwingli und Jan Hus sahen im 16. Jahrhundert in der katholischen Kirche Missstände und drängten zu Reformen. Doch gerieten sich die Theologen mit der Zeit immer mehr in die Haare, sodass der Bruch nicht mehr zu verhindern war. Innerhalb der Kirchen der Reformation kam es bis heute zu einer starken Fragmentierung in unzählige Gemeinden. Erst Ende des 19. Jahrhunderts entstanden Einheitsbestrebungen, die z.B. in der „Evangelischen Allianz“ (1846) und dem „Reformierten Weltbund“ (1875) mündeten. Ökumene und Mission Da die Christen aus allen Konfessionen den Auftrag der Mission, Christus bis ans Ende der Welt zu verkünden (Mt 28,19), ernst nahmen, wurden die Spaltungen der Christen in Europa durch die Missionare in die ganze Welt exportiert und verursachten, wie in Europa, feindliche Auseinandersetzungen unter den Christen. Bereits im 19. Jahrhundert entstanden evangelische Missionsgesellschaften, um in der Mission nicht gegeneinander zu arbeiten. Denn sich gegenseitig den Glauben abzusprechen, verdunkelt das christliche Zeugnis. 1910 wurde nach Edinburgh zur ersten Weltmissionskonferenz, einem der ersten ökumenischen Zusammentreffen, eingeladen. Nachdem kirchliche Hilfs- und Missionswerke lange Zeit gut zusammengearbeitet haben, sehen sie sich heute mit evangelikal geprägten Christen konfrontiert, die ein anderes Missionsverständnis haben. So steht erneut ein „Dialog über Priorität und Verhaltensgrundsätze in der Mission“ auf dem Programm der nächsten Weltmissionskonferenz in Edinburgh 2010. Ökumenische Bewegung Nach dem Ersten Weltkrieg rief 1925 der schwedische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Nathan Söderblom zu einer ökumenischen Versammlung, aus der die Bewegung für ein praktisches Christentum („Life and Work“) entstand. Ziel war, dass durch die Zusammenarbeit von Christen aus allen Nationen ein Netz entsteht, das jeden Krieg verhindern sollte. Die Mission und die konkrete praktische Zusammenarbeit www.missio.at © KNA-Bild Ökumene Patriarch Athenagoras und Papst Paul VI. begegneten sich am 4. Jänner 1964 in Jerusalem. der Christen führten dazu, dass sich die Christen auch mit den grundsätzlichen Fragen der Trennung auseinandersetzen wollten: In Lausanne traf man sich daher 1927, um sich mit Glauben und Kirchenverfassung („Faith and Order“) zu beschäftigen. Wichtige Themen waren unter anderem das Verhältnis von Schrift und Tradition, das Verständnis von Taufe, Eucharistie und kirchlichem Amt und die gemeinsame Interpretation des Glaubensbekenntnisses. Angesichts der Erfahrung des Zweiten Weltkrieges drängte es die Christen, 1948 in Amsterdam den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) – World Council of Churches (WCC) zu gründen: „Der ÖRK ist eine Gemeinschaft von Kirchen, die den Herrn Jesus Christus gemäß der Heiligen Schrift als Gott und Heiland bekennen und darum gemeinsam zu erfüllen trachten, wozu sie berufen sind, zur Ehre Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Rolle der katholischen Kirche Der ökumenische Aufbruch blieb in der römisch-katholischen Kirche nicht unbemerkt. Während heute die Kirche die ökumenische Verpflichtung als einen Imperativ versteht, war die offizielle Haltung der Kirche und der Päpste im letzten Jahrhundert allerdings anfangs ein striktes ‚Nein’ zur ökumenischen Bewegung, weil diese nicht von ‚Einheit durch Rückkehr’ und ‚Eingliederung in die römisch-katholische Kirche’ geprägt war. Mit Papst Johannes XXIII. und dem Zweiten Vatikanischen Konzil öffnete sich die Kirche für die Anliegen der Ökumene und etablierte ein eigenes Büro zur Förderung der Einheit der Christen, um so an der „Wiederherstellung der Einheit unter allen Christen“ mitzuarbeiten. Von großer Symbolkraft war die Aussöhnung zwischen Ost- und Westkirche durch die Aufhebung des gegenseitigen Bannes von 1054 durch Papst Paul VI. und Patriarch Athenagoras von Konstantinopel. Missio • Werkmappe Weltkirche 146/2007 • Ökumene 5 Ökumene © Vanderlei Almeida/APA die in Form eines differenzierten Konsens, die Positionen der Reformation und der katholischen Kirche versöhnte, in dem sie die bestehenden Gegensätze als nicht widersprüchlich qualifizierte. Im ÖRK kam es nach der Vollversammlung 1998 in Harare zu Verstimmungen unter den orthodoxen Kirchen, die einen Rückzug aus dem ÖRK erwogen und dadurch zu grundlegenden Änderungen im ÖRK beigetragen haben: Waren bislang Entscheidungen nach der Mehrheit gefällt worden, muss nun ein Konsens gesucht werden, wodurch die Minderheiten aufgewertet wurden. Auch werden konfessionelle Gottesdienste gegenüber ökumenischen bevorzugt, und im Allgemeinen wird ein Schwerpunkt Tauben fliegen für den Frieden in der Welt bei einem ökumenischen Gebet in Rio de Janeiro. auf die Lehre über die Kirche gelegt, in der es wesentliche Differenzen gibt, die bislang wenig Beachtung gefunden hatten. Dem ÖRK ist die römisch-katholische Kirche bis heute nicht beigetreten. Sie hat allerdings Beobachterstatus, und ist Mitglied einiger Unterkommissionen und der ökumePrinzipien des ökumenischen Dialogs nischen Gremien auf nationaler Ebene. Der ökumenische Dialog sucht auch auf Ebene der Lehre und der Theologie zur Einheit der Christen zu gelangen unter Berücksichtigung folgender Prinzipien: Ökumene in Österreich ■ Das Gemeinsame ist stärker als das Trennende: Die Zehn Jahre nach der Gründung des ÖRK wurde 1958 der Taufe und der Glaube an den dreieinigen Gott. ÖRK in Österreich gegründet, dem die römisch-katholische ■ Zur Lösung bestehender Gegensätze verweist das Zweite Kirche 1994 beigetreten ist. Ziel ist „die gemeinsame Erfüllung ökumenischer Aufgaben.“ Dazu zählen die GebetsVatikanische Konzil zum einen auf eine Rangordnung oder woche für die Einheit der Christen und Erklärungen und ‚Hierarchie’ der Wahrheiten innerhalb der katholischen Stellungnahmen zu aktuellen politischen und gesellschaftLehre, je nach Art ihres Zusammenhangs mit dem Funlichen Themen. Von besonderer Bedeutung ist das Sozialdament des christlichen Glaubens. Zum anderen macht wort, das nach vierjähriger Vorbereitung 2003 der Öffentdas Konzil deutlich, dass die Gegensätze oft in unterschiedlichkeit vorgestellt wurde. In dem gemeinsamen Text der lichen Formulierungen des gleichen Inhalts liegen. Kirchen werden die Probleme unserer Gesellschaft ange■ Formulierung des Zieles: Das Ziel ist die Wiederhersprochen und die Perspektive der Kirchen dazu deutlich stellung der Einheit unter den Christen. Es ist eine zur Geltung gebracht. Die Weiterführung dieses Projektes Einheit, die durch die Bande des Glaubensbekenntniswird auch in den nächsten Jahren ein Schwerpunkt der ses, der Sakramente und der hierarchischen Leitung Arbeit des ÖRK in Österreich sein. und Gemeinschaft gebildet wird. ■ Bearbeitung der offenen Fragen: Verhältnis von Schrift und Tradition, Eucharistie, Weihe als Sakrament zum Freuden und Leiden Dienstamt, Lehramt der Kirche und Petrusamt und Für viele bleiben die Ergebnisse der ökumenischen BemüMaria als Ikone der Kirche und Fürsprecherin. hungen weit hinter den Erwartungen zurück. Dennoch sind Neben dem Dialog legen die Kirchen einen besonderen die Erfolge angesichts der Kirchengeschichte von hoher Schwerpunkt auf das Gebet, wie auch die Gebetswoche Bedeutung. Die Errungenschaften im deutschsprachigen für die Einheit der Christen zum Ausdruck bringt. Das Raum sind die Einheitsübersetzung der Bibel für die evangemeinsame Gebet ist der Ort, an dem Christus gegengelische und katholische Kirche sowie der positive Umgang wärtig wird und schafft so eine Einheit in ihm. Das Gebet mit konfessionsverschiedenen Ehen. Viele Jahre war es für sowie die Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Katholiken und Evangelische nicht möglich gewesen einLebens führen zu einer immer größer werdenden Einheit, ander zu heiraten. Auf theologischer Ebene erreichte man die man zu Recht Seele der Ökumene nennt. 1999 die Gemeinsame Erklärung über die Rechtfertigung, 6 Missio • Werkmappe Weltkirche 146/2007 • Ökumene www.missio.at