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Gehirn 6 Seiten, 10'343 Wörter, 74'923 Zeichen
?Gehirn (Hirn, Encephalon), die von der knöchernen Schädelkapsel und den Hirnhäuten umschlossene länglichrunde
Nervenmasse, bildet im Verein mit dem Rückenmark und den sympathischen Nerven das Centralorgan des Nervensystems und ist
der Sitz der Intelligenz und der psychischen Thätigkeiten, sowie das Centrum für die Sinnesempfindungen und alle willkürlichen
Bewegungen. Das Gehirn des Menschen stellt eine mehr ovale als kugelförmige, fast breiartig weiche, weißliche oder graue Masse
dar, die beim Manne im Durchschnitt zwischen 1300 und 1500 g, bei der Frau aber durchschnittlich 125 g weniger wiegt und im Mittel
eine Länge von 160 bis 170 mm, eine Breite von 140 mm, eine Höhe von 125 mm besitzt. Man unterscheidet am Gehirn, das schon
im siebenten bis achten Lebensjahre seine bleibende Größe und nahezu sein volles Gewicht erreicht, drei große, schon auf den
ersten Blick erkennbare Abschnitte, nämlich das Große Gehirn (cerebrum), das Kleine Gehirn (cerebellum) und die Verbindungsteile
oder das Mittelhirn (mesencephalon).
Das Große Gehirn (s. Tafel: Das Gehirn des Menschen, Fig. 1,4; 3, 5-7), fast sieben Achtel der ganzen Hirnmasse, nimmt den
ganzen obern und vordern Teil des Schädels ein und zerfällt in zwei symmetrische Seitenhälften, die sog. Hemisphären, die durch
einen tiefen Einschnitt (s. Fig. 2, 3) von vorn nach hinten zu getrennt sind, in welchen sich auch die harte Hirnhaut mit einsenkt. In der
Richtung von vorn nach hinten unterscheidet man an den Hemisphären den Vorderlappen (Lobus frontalis, Fig. 4, 1 u. 2) mit drei
Windungen, deren dritte auch Brocasche Windung heißt, da Broca in ihr das Sprachcentrum fand, den Mittellappen (gebildet aus dem
Scheitellappen, Lobus parietalis, und Schläfenlappen, Lobus temporalis, Fig. 4, 5). Auf der Oberfläche des Großhirns befinden sich
geschlängelte, unregelmäßig verlaufende Furchen (sulci) und zwischen denselben zahlreiche darmähnliche, abgerundete Windungen
(gyri) der grauen Hirnsubstanz.
Diese Hirnwindungen (s. Fig. 3,8) dienen hauptsächlich dazu, um die äußere Oberfläche des Gehirn, die für die psychischen
Funktionen so wichtige Hirnrinde, zu vergrößern, denn wenn man alle Windungen und Furchen des Gehirn ausgleichen und in der
Fläche ausbreiten könnte, so würde sich die Hirnoberfläche um mindestens zehnmal größer erweisen, als es bei ihrer eigentümlichen
Faltung den Anschein hat. Die Hirnsubstanz besteht aus zwei voneinander wesentlich verschiedenen Schichten, aus der sog. grauen
oder Rindensubstanz, auch als Hirnrinde bezeichnet (substantia cinerea oder corticalis, s. Fig. 2,1) und aus der sog. weißen oder
Marksubstanz (substantia medullaris, s. Fig. 2,2). Erstere bildet den äußern Teil des Gehirn, ist weicher und gefäßreicher und
zeichnet sich durch ihre graurote dunklere Färbung vor der übrigen Hirnmasse aus, findet sich aber auch an manchen Stellen im
Innern des Gehirn; die weiße oder Marksubstanz füllt hauptsächlich als sog. großes Marklager das Innere des Gehirn aus, ist fester
und ärmer an Gefäßen und kommt nur an wenigen Stellen der Oberfläche vor.
Die beiden Hemisphären des Großhirns werden äußerlich durch den Hirnbalken (trabs oder corpus callosum, s. Fig. 1, 6; 2,4)
miteinander verbunden, einen platten, aus weißer Substanz bestehenden Körper, der in der Tiefe der die beiden Hemisphären
trennenden Längsspalte sichtbar wird und dessen Seitenränder strahlenförmig in die Markmasse beider Hemisphären sich
ausbreiten, einen flachen nach aufwärts gekehrten Bogen beschreibt, dessen vorderes Ende sich als Knie (genu, s. Fig. 1,5)
hakenförmig nach hinten umlegt. An der Basis des Gehirn zeigt jede Hemisphäre des Großhirns eine tiefe, quer nach außen und
oben verlaufende Furche,die sog. Sylviussche Grube (fossa Sylvii, s. Fig. 4, 4), die jede Hemisphäre in einen kleinern Vorderlappen
und einen hintern größern Hinterlappen teilt. Ihr innerer an den Streifenhügel grenzender Abschnitt ist die Insel (insula, Fig. 2,9) oder
der Centrallappen (Lobus centralis).
Untersucht man das Große Gehirn von unten, so findet man in der Mittellinie vom Ende des Längseinschnittes nach dem
Mittelhirn zu folgende Gebilde: zunächst die vordere Siebplatte, eine mittlere und zwei seitliche durchbohrte Stellen, die dem
Durchtritt von Blutgefäßen dienen, weiterhin die Sehnervenkreuzung (chiasma nervorum opticorum, s. Fig. 4, 3), einen platten, einem
? 43*
griech. chi nicht unähnlichen Nervenknoten, aus dem nach vorn die beiden Sehnerven Wenn man durch die
Großhirnhemisphären in der Höhe des Balkens einen horizontalen Schnitt legt, so gelangt man in die Hirnhöhlen (ventriculi cerebri),
und zwar zunächst in die beiden symmetrisch angeordneten, mit einer geringen Menge wässeriger Flüssigkeit erfüllten
Seitenventrikel (s. Fig. 2,6), deren jeder wiederum drei bogenförmig gekrümmte, sich nach verschiedenen Richtungen in die
Markmasse des Großhirns einbohrende Fortsätze oder sog. Hörner aussendet.
Das vordere Horn eines jeden Seitenventrikels verläuft nach dem vordern, das hintere Horn nach dem hintern Lappen des
Großhirns, während das untere Horn sich nach dem mittlern Hirnlappen hinabzieht. Im Vorderhorn zeigt sich zunächst der
Streifenhügel (corpus striatum, s. Fig. 1, 8), ein birnförmiger Hügel von grauer Färbung, der im Innern aus abwechselnden Lagen von
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grauer und weißer Hirnsubstanz besteht und dessen äußere Teile noch besonders als Linsenkern, Vormauer und Haubenkern (s. Fig.
2, 10, 11) bezeichnet werden, ferner der Sehhügel (thalamus opticus, s. Fig. 1,7; 2,7), der die Wand der dritten Hirnhöhle bilden hilft
und sich nach unten zu in den Sehstreifen (tractus opticus) fortsetzt, aus welchem letztern die Sehnerven hervorgehen. Im Hinterhorn
der Seitenventrikel bemerkt man als wulstartigen Vorsprung den Vogelsporn oder kleinen Seepferdefuß, am Boden des untern Horns
einen ähnlichen gekrümmten Wulst, den großen Seepferdefuß oder das Ammonshorn (cornu Ammonis, s. Fig. 2,12). Der Balken und
das unter diesem gelegene Gewölbe (fornix, s. Fig. 1, 6 und Fig. 2, 5) bilden die Decke der dritten Hirnhöhle (s. Fig. 2, 8), die durch
eine kleine halbmondförmige Spalte, das Monrosche Loch, mit den beiden Seitenventrikeln und durch einen nach hinten verlaufenden
engen Kanal, die Sylvische Wasserleitung, mit der im Innern des Kleinhirns gelegenen vierten Hirnhöhle in offener Verbindung steht.
Alle vier Hirnhöhlen werden von einer zarten Haut, dem sog. Ependym, ausgekleidet und von der weichen Hirnhaut mit einem
besondern feinverzweigten Gefäßgeflecht (plexus choroideus) versehen. Zwischen der dritten und vierten Hirnhöhle befinden sich die
sog. Vierhügel (corpora quadrigemina), ein unpaarer, durch einen Kreuzschnitt in vier Hügel geteilter weißer Höcker, dessen vorderes
Hügelpaar größer und höher ist als das hintere; auf dem erstern ruht die sog. Zirbeldrüse (glandula pinealis, s. Fig. 1,9), ein ovaler,
rötlichgraner weicher Körper von der Größe eines Kirschkerns, in dem die Alten den Sitz der Seele suchten und der im Innern den
sog. Hirnsand, sandartige Konkremente aus phosphorsaurem und kohlensaurem Kalk, enthält.
Das Kleine Gehirn (cerebellum, s. Fig. 1,10; 4,19,20) liegt im Hinterkopfe unter dem Großen, mit dessen unterm Teile es durch
den Hirnknoten oder die Varolsbrücke zusammenhängt, während es von dem obern durch das Hirnzelt (tentorium cerebelli), eine
Falte der harten Hirnhaut, die den Hinterkopf quer durchschneidet, getrennt wird. Es besitzt die Form eines querliegenden Ellipsoids
und ist wie das Große in zwei seitlich symmetrisch gebaute Hälften oder Hemisphären geteilt, die in der Mitte durch einen schmälern
Teil, den sog. Wurm, miteinander verbunden sind.
Beide Kleinhirnhemisphären werden durch eine horizontale Querfurche (sulcus horizontalis Reilii) in eine obere und untere Hälfte
geteilt; ihre Oberfläche wird von grauer Hirnsubstanz gebildet und zeigt nicht, wie das Großhirn, darmähnliche Windungen, wohl aber
eine Menge tiefer Einschnitte, welche viele übereinander liegende Platten oder Lappen bilden. Schneidet man das Kleinhirn
senkrecht durch, so bietet die Schnittfläche infolge der eigentümlichen Verteilung der grauen und weißen Hirnsubstanz eine gewisse
Ähnlichkeit mit den zackigen Blättern eines Baumes dar, weshalb man diese baumförmige Anordnung der weißen Hirnsubstanz im
Kleinhirn von alters her Lebensbaum (arbor vitae, s. Fig. 1,10) nennt. Im Innern des Kleinhirns liegt die vierte Hirnhöhle, die mit den
übrigen Hirnhöhlen in direkter Verbindung steht.
? Das Mittelhirn (mesencephalon), das die Verbindung zwischen dem Großen und dem Kleinen Gehirn sowie zwischen dem
Gehirn und dem Rückenmark herstellt, setzt sich aus dem verlängerten Mark, der Brücke und den Vierhügeln zusammen. Das
verlängerte Mark (medulla oblongata, s. Fig. 1,12; 4, 18), der bei weitem wichtigste Teil des ganzen Centralnervensystems, ist ein
weißer unpaarer Markzapfen, der durch das große Hinterhauptsloch in das Rückenmark übergeht und durch seichte Längseinschnitte
beiderseits in drei Stränge eingeteilt wird, in die sog. Pyramiden, deren Nervenfasern nach oben durch die Brücke hindurch in die
Hirnschenkel übertreten, nach unten dagegen sich durchkreuzend (decussatio pyramidum) in das Rückenmark übergehen, ferner in
die sog. Oliven, die in ihrer weißen Substanz einen grauen gezackten Kern, den Olivenkern, enthalten, und in die sog. strangförmigen
Körper, deren Nervenfasern zu den Hemisphären des Kleinen Gehirn treten und den Boden der vierten Hirnhöhle bilden helfen. Das
verlängerte Mark ist das Centralorgan für die Atmungsbewegungen sowie für die Herzthätigkeit und die Gefäßmuskulatur, weshalb
seine Durchschneidung oder Verletzung sofortigen Tod zur Folge hat. Die Brücke des Varolius (Varolsbrücke) oder der Hirnknoten
(pons Varolii,
s. Fig. 1,11; 2, 13; 4,17) ist ein nahezu zollbreiter Nervenknoten, der auf dem Hinterhauptsbein sowie auf der Lehne des
Türkensattels aufruht und aus gekreuzten Quer-und Längsfasern besteht, von denen die erstern von einer Hemisphäre des Kleinhirns
zur andern verlaufen, während die letztern von den Oliven zu den Vierhügeln und von den Pyramiden in die Hirnschenkel übertreten.
Das Gehirn ist rundum von einer knöchernen Kapsel, der Hirnschale, umgeben, die von dem Stirnbein, Siebbein, Grundbein und
den beiden Scheitel- und Schläfenbeinen zusammengesetzt wird. (S. Schädel.) Dieselbe enthält an anderweit hinreichend
geschützten Stellen nur kleine Öffnungen für das sich herabsenkende Rückenmark, die hervorgehenden Nerven und die ein- und
austretenden Blutgefäße. Das Gehirn füllt die Schädelhöhle vollständig aus und ist mit sehnigen Häuten so umhüllt und befestigt, daß
es zum Teil auf der Basis des Schädels aufliegt, zum Teil von der Decke aus getragen wird, sodaß seine einzelnen Teile nicht unter
ihrem eigenen Drucke leiden und bei den verschiedenen Bewegungen des Kopfes wie des ganzen Körpers ihre gegenseitige Lage
nicht im mindesten verändern können.
Innerhalb des Schädels ist es noch von drei Häuten umgeben, von denen die innerste, die weiche Hirnhaut (pia mater), als zarte,
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dünne, gefäßreiche Zellgewebshaut die Hirnoberfläche unmittelbar umkleidet, in alle Vertiefungen und Höhlen derselben mit eingeht
und vorwiegend der Ernährung der Hirnsubstanz dient, während die mittlere, die Spinnwebenhaut (arachnoidea), brückenförmig über
die Vertiefungen und Hirnwindungen ausgespannt ist, der Hirnoberfläche knapp anliegt und zahlreiche mit Lymphe erfüllte Räume
(Subarachnoidealräume) einschließt. An einzelnen Stellen befinden sich auf der Spinnwebenhaut rundliche, weißliche, vereinzelt oder
in Gruppen stehende knötchenförmige Gebilde, die sog. Pacchionischen Granulationen (s. Fig. 3,9), deren Bedeutung nicht näher
bekannt ist.
Die äußerste Hirnhaut endlich, die sog. harte Hirnhaut (dura mater, s. Fig. 1,3; 3,4), bildet die äußere Hülle des Gehirn, eine
derbe sehnige Kapsel, welche der Innenfläche der Schädelknochen dicht anliegt, in alle Gefäße und Nerven führenden Öffnungen
des Schädels eindringt, deren Inhalt scheidenartig umschließt und durch mehrere zwischen die Hirnteile selbst eindringende
scheidewandähnliche Fortsätze das in seiner Lage befestigt und vor jedweder Verschiebung und Lageveränderung schützt.
Solcher Fortsätze der harten Hirnhaut giebt es drei:
1) die große Hirnsichel (falx cerebri), ein sichelförmiges sehniges Blatt, das in der Mittellinie des Schädelgewölbes von dem
Siebbein bis zum Hinterhauptsbein verläuft und senkrecht zwischen den beiden Großhirnhemisphären bis an den Balken eindringt;
2) das Hirnzelt (tentorium cerebelli), das sich als querliegende Scheidewand zwischen die Hinterlappen des Großhirns und die
beiden Hemisphären des Kleinhirns einschiebt;
3) die kleine Hirnsichel (falx cerebelli), die sich als niedrige senkrechte Scheidewand zwischen die beiden Hemisphären des
Kleinen Gehirn legt. An gewissen Stellen spaltet sich die harte Hirnhaut in zwei auseinander weichende Blätter und giebt so Anlaß zur
Bildung von Hohlräumen oder Kanälen, welche die Venen des Gehirn aufnehmen und deshalb Blutleiter (sinus durae matris, s. Fig. 1,
13-15) genannt werden. Man unterscheidet einen obern und einen untern Längsblutleiter (in der großen Hirnsichel), zwei quere und
einen sog. vierten Hirnblutleiter (im Hirnzelt), die schließlich die Schädelhöhle verlassen und ihr Blut in die innere Drosselvene
ergießen.
Das zur Ernährung des Gehirn dienende Blut wird demselben durch vier Arterien zugeführt, durch die beiden Gehirnschlagadern
(carotides internae), die aus der gemeinschaftlichen Halsschlagader entspringen und durch den canalis caroticus in der Gegend des
Türkensattels in die Schädelhöhle eintreten, und durch die beiden Wirbelschlagadern (artriae vertebrales), die aus der
Schlüsselbeinarterie entstammen, durch das große Hinterhauptsloch in die Schädelhöhle gelangen und sich am hintern Rande der
Brücke zur unpaaren arteria basilaris vereinigen. An der Gehirnbasis verbindet sich die letztere durch Seitenäste mit den beiden
Carotiden, wodurch ein für die gleichmäßige Blutverteilung im G. höchst wichtiger Arterienring entsteht, der als circulus arteriosus
Willisii bezeichnet wird und aus dem die Gehirnsubstanz mit zahlreichen kleinen Blutgefäßchen versorgt wird.
Von der Basis des Gehirn entspringen zwölf Paar Nerven, die sog. Gehirnnerven, die durch die Öffnungen am Boden der
Schädelkapsel die Schädelhöhle verlassen, um sich zum größten Teil am Kopfe und Halse zu verbreiten. Es sind, in der Richtung von
vorn nach hinten betrachtet, folgende: Das erste Paar, die Geruchsnerven (nervi olfactorii, s. Fig. 4,3), entspringen an der untern
Fläche der Vorderlappen, bilden zwei kolbenförmige Anschwellungen, die sog. Riechkolben, treten durch die Löcher der Siebplatte
des Siebbeins hindurch in die Nasenhöhle und verbreiten sich in der Schleimhaut der Nasenscheidewand, wo ihre Erregung durch
gewisse specifische Reize, die sog. Riechstoffe, die verschiedenen Geruchsempfindungen erzeugt.
Das zweite Paar, die Sehnerven (nervi optici, s. Fig. 4, 7), deren Fasern von dem Sehhügel und den Vierhügeln kommen, treten
durch das Sehloch des Keilbeins in die Augenhöhle und endigen in der Netzhaut des Augapfels, wo sie die Empfindung der
Lichteindrücke vermitteln. Das dritte Paar, die gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven (nervi oculomotorii, s. Fig. 4, 10), kommen
von der Varolsbrücke aus den Hirnschenkeln hervor, treten durch die obere Augenhöhlenspalte in die Augenhöhle und versorgen die
meisten Augenmuskeln.
? Das vierte Paar, die Rollmuskelnerven (nervi trochleares, s. Fig. 4,11), entstammen aus den Vierhügeln, treten durch die obere
Augenhöhlenspalte und verzweigen sich im schiefen obern Augenmuskel. Das fünfte Paar, das stärkste von allen, der dreigeteilte
Nerv (nervus trigeminus, s. Fig. 4,12), so genannt, weil er sich in drei Äste teilt, besteht aus einer vordern motorischen Wurzel, die
vom Boden der vierten Hirnhöhle entspringt, und einer hintern sensibeln Wurzel, die gleichfalls vom Boden der vierten Hirnhöhle
sowie aus der grauen Substanz des Hinterhorns des Rückenmarks entstammt. Durch Verschmelzung beider Fasern entsteht an der
obern Fläche der Felsenbeinpyramide ein großer halbmondförmiger Nervenknoten, das Ganglion Gasseri, aus dem drei abgeplattete,
für sich verlaufende Nervenäste hervorkommen. Der erste Ast (ramus ophthalmicus) besteht vorwiegend aus sensibeln
Nervenfasern, tritt durch die Augenhöhle aus dem Schädel und verbreitet sich in den Weichteilen der Augenhöhle und der Stirn; der
zweite Ast (ramus supramaxilliaris), mit gleichfalls wesentlich sensibeln Fasern, verläßt die Schädelhöhle durch das runde Loch
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des Keilbeins und verläuft zum Oberkiefer und Gesicht; der dritte Ast (ramus inframaxillaris) besteht aus motorischen und sensibeln
Fasern, tritt durch das ovale Loch des Keilbeins aus dem Schädel und verzweigt sich im Bereiche der Schläfengegend, der Zunge
und des Unterkiefers. Das sechste Gehirnnervenpaar, die äußern Augenmuskelnerven (nervi abducentes, s. Fig. 4,13), kommt aus
den Pyramiden des verlängerten Marks und verläuft zu dem äußern geraden Augenmuskel.
Das siebente Paar, die Gesichtsnerven (nervi faciales, s. Fig. 4,14), entspringen vom verlängerten Mark und dem Boden der
vierten Hirnhöhle, treten durch den Fallopischen Kanal des Felsenbeins hindurch und verbreiten sich von der Ohrgegend aus
strahlenförmig zu sämtlichen mimischen Gesichtsmuskeln, deren Bewegung sie vermitteln. Das achte Paar, die Gehörnerven (nervi
acustici, s. Fig. 4,14), entstammen gleichfalls vom Boden der vierten Hirnhöhle, treten in den innern Gehörgang ein und verzweigen
sich im Innern (dem Labyrinth) des Gehörorgans.
Das neunte Paar, die Zungenschlundkopfnerven (nervi glossopharyngei, s. Fig. 4,14), entspringen aus den strangförmigen
Körpern des verlängerten Marks, verlassen durch das Drosselloch die Schädelhöhle und verbreiten sich mit je einem Ast in der
Schleimhaut des Zungenrückens, mit einem andern im obersten Teile des Schlundkopfes. Das zehnte Paar, die herumschweifenden
oder Lungenmagennerven (nervii vagi, s. Fig. 4,14), entspringen gleichfalls aus dem verlängerten Mark, verlassen durch das
Drosselloch den Schädel und versorgen den Schlundkopf, den Kehlkopf, die Speiseröhre, den Magen, die Lungen und das Herz mit
sensibeln und motorischen Nervenfasern.
Das elfte Hirnnervenpaar, die Beinerven (nervi accessorii, s. Fig. 4,15), nehmen ihren Ursprung vom obern Teile des
Rückenmarks innerhalb der Wirbelsäule, steigen von hier erst in die Schädelhöhle hinauf, legen sich an die beiden vorigen an und
endigen im Kopfnicker und im Kappenmuskel an der Schulter. Das zwölfte Paar, die Zungenfleischnerven (nervi hypoglossi, s. Fig.
4,16), kommen aus dem verlängerten Mark, treten durch einen besondern Knochenkanal in der Nähe des großen Hinterhauptslochs
und verzweigen sich in den Muskeln des Zungenbeins und der Zunge.
Hinsichtlich des feinern Baues ergiebt die mikroskopische Untersuchung, daß auch das Gehirn wie die andern nervösen
Centralorgane im wesentlichen aus zahllosen, dicht aneinander gelagerten feinsten Nervenfasern, die sich nicht verzweigen und
keine sehnige Hülle besitzen, und aus den sog. Ganglienkugeln oder Nervellzellen besteht, die zwischen den Nervenfasern
eingelagert sind, die Verbindung der letztern untereinander vermitteln und die eigentlichen Centralpunkte darstellen, von denen der
Anstoß zu den verschiedenartigen Hirnfunktionen ausgeht.
Die graue Hirnsubstanz, welche die gesamte Oberfläche des Großen und Kleinen Gehirn als gleichmäßige, 4-5 mm dicke
Schicht überzieht und auch an gewissen Stellen im Innern des in größerer Anhäufung vorgefunden wird, besteht in der Hauptsache
aus solchen feinsten Ganglien- oder Nervenzellen, deren jede eine größere oder geringere Zahl von Fortsätzen aussendet, die sich
wiederum vielfach verästeln und schließlich in unmeßbar feine Nervenfäserchen auflösen. (S. Ganglien.) Die weiße Substanz
dagegen, welche die unter der Hirnrinde liegende Hauptmasse der Großhirnhemisphären ausmacht, setzt sich im wesentlichen aus
zahllosen unverzweigten feinen Nervenfasern zusammen und dient, analog den peripheren Nerven, nur zur Leitung und Übertragung
derjenigen Erregungszustände, welche in den peripheren Endapparaten oder in den Ganglienzellen zur Auslösung gelangten.
Die beiden ebenerwähnten elementaren Formbestandteile des Gehirn, die Ganglienzellen und Nervenfasern, sind durch eine
eigentümliche, sehr weiche Kitt- oder Bindesubstanz, den sog. Nervenkitt (Neuroglia), eng miteinander verbunden; dieselbe bildet im
Verein mit den zahlreichen feinen Blutgefäßchen, die der Ernährung der Hirnsubstanz dienen, ein sehr zierliches und zartes
Maschen- oder Fächerwerk, worin die Nervenfasern und Ganglienzellen eingebettet sind.
Wenn schon der Bau des Gehirn bei den höhern Tierklassen von dem des menschlichen besonders in dem Grade der
Ausbildung bedeutend abweicht, so ist dies noch mehr bei den niedern der Fall, bei denen sich zum Teil nur dem Gehirn analoge
Ganglien vorfinden. Im allgemeinen macht sich bei den Tieren ein Zurücktreten des Gehirn im Verhältnis zum Rückenmark
bemerklich, sowie überhaupt die oft gehörte Behauptung, daß der Mensch das größte Gehirn besitze, dahin zu berichtigen ist, daß
kein Tier im Verhältnis zu seiner Körpermasse ein so großes Gehirn besitzt als der Mensch. So ist z. B. das Gehirn des Elefanten 4,5
bis 5 kg schwer, während das des Menschen nur 1 bis 1,5 kg wiegt, aber jenes verhält sich zum Gewicht des gesamten Körpers wie
1:500, während sich beim Menschen das Hirngewicht zum Gesamtgewicht wie 1:37 verhält.
Auch ist die obere Wölbung des Gehirn bei allen Tieren, die ein solches besitzen, unbedeutender und der vordere Teil weiter
hervortretend als beim Menschen. Die embryonale Entwicklung des Gehirn geschieht bei allen Schädeltieren, einschließlich des
Menschen, in der Weise, daß sich von dem vordersten Teile des sog. Medullarrohrs, der ersten Anlage des Centralnervensystems,
erst drei, dann fünf aufeinander folgende Blasen, die sog. Gehirnblasen, abschnüren, die mit Flüssigkeit erfüllt sind und durch ihre
Höhlen miteinander in Verbindung stehen.
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? Die erste und wichtigste Blase, das Vorderhirn, entwickelt sich um so mehr auf Kosten der übrigen Hirnblasen, je höher das
betreffende Wirbeltier organisiert ist, und bildet durch Längsteilung die beiden für die psychischen Funktionen so bedeutungsvollen
Großhirnhemisphären; die zweite Gehirnblase, das Zwischenhirn, bildet sich im weitern Verlaufe der Entwicklung zur Umgebung der
dritten Hirnhöhle und den Sehhügeln um, wogegen aus der dritten Blase, dem Mittelhirn, die Vierhügel, aus der vierten Blase, dem
Hinterhirn, das Kleine Gehirn und aus der fünften Hirnblase, dem Nachhirn, das verlängerte Mark hervorgehen. In den frühesten
Entwicklungsstadien gleicht sich das Gehirn aller Wirbeltiere, sodaß auf gewissen Entwicklungsstufen bei den Embryonen der
verschiedenen Säugetiere, Vögel und Reptilien die Gehirn nicht voneinander zu unterscheiden sind. Unter allen Teilen des
menschlichen Körpers erlangt das Gehirn am frühesten, bereits im siebenten bis achten Lebensjahre, seine bleibende Größe und
sein nahezu volles Gewicht; vom 50. Jahre an nimmt es
dagegen wieder allmählich, mit Ausnahme der Brücke, an Umfang und Gewicht ab.
Bezüglich der Verrichtungen des Gehirn haben die Beobachtungen am Krankenbett, die Befunde bei den Leichenöffnungen und
die Experimente an Tieren übereinstimmend mit Sicherheit ergeben, daß das Gehirn ausschließlich als das Organ der Seele zu
betrachten ist und daß das normale Ablaufen aller seelischen Verrichtungen ganz und gar von der normalen Beschaffenheit der
Hirnsubstanz abhängt. Insbesondere wird das oberste Grundvermögen des Menschen, das Bewußtsein, nur durch das Gehirn
vermittelt, und die intellektuellen Fälligkeiten überhaupt: Vorstellen, Denken, Wollen, Empfinden, gelangen nur vermittelst der
Organisation des Gehirn zur Wirkung und Entfaltung.
Dabei haben zahlreicbe Beobachtungen am kranken Menschen wie am vivisezierten Tiere erwiesen, daß alle mit Bewußtsein
verbundenen Verrichtungen vom Großhirn, namentlich von der Hirnrinde desselben, ihren Ausgang nehmen, während das Kleinhirn
vorwiegend als Koordinationscentrum dient, d. h. die Ordnung und Gleichmäßigkeit in den willkürlichen wie unwillkürlichen
Bewegungen zu vermitteln hat. Von besonderer Wichtigkeit ist das paarweise Vorhandensein und die symmetrische Anordnung der
meisten Hirnabschnitte, wodurch ermöglicht wird, daß bei örtlich umschriebenen Krankheitsherden unter gewissen Umständen der
betreffende paarige Hirnteil der gefunden Seite vikariierend für den erkrankten eintreten kann. Ein wichtiger Umstand ist ferner die
Kreuzung der Nervenfasern innerhalb der Pyramiden des verlängerten Marks, wodurch es erklärlich wird, weshalb Verletzungen von
Hirnteilen oberhalb des Hirnknotens oder des letztern selbst immer Störungen in den Funktionen der der verletzten Seite
entgegengesetzten Teile des Körpers zur Folge haben; so wird bei Blutergüssen in der linken Großhirnhemisphäre die rechte
Körperhälfte gelähmt.
Die Funktionen der einzelnen Hirnteile sind in neuerer Zeit durch genaue anatom. und physiol. Untersuchungen sowie durch die
Verwertung der entwicklungsgeschichtlichen Vorgänge und der Sektionsbefunde im Verein mit klinischen Beobachtungen immer
mehr aufgeklärt worden. Jede bestimmte Funktion ist an eine bestimmte Stelle im Gehirn und Rückenmark gebunden. So bat sich
gezeigt, daß das Sprachvermögen seinen Sitz in einer ganz bestimmten Gegend des Vorderhirns hat, nämlich in der dritten
Stirnwindung im Bereich der vordern Ausbreitung der Sylviusschen Grube, und daß regelmäßig Aphasie oder Sprachlähmung eintritt,
wenn dieser Hirnteil durch Blutergüsse oder andere pathol.
Vorgänge zerstört wird. Weiterhin wird auf Grund zahlreicher Tierversuche angenommen, daß die graue Hirnrinde regionenweise
mit den einzelnen sensibeln und motorischen Nervenendigungen der Körperoberfläche zusammenhängt. So findet sich im
Hinterhauptslappen die Sehsphäre; das Centrum für das Muskel- und Hautgefühl liegt im Bereich der Interparietalfurche; mehr nach
vorn zu beiden Seiten der Centralfurche und in der obern Scheitelwindung liegt das motorische Rindenfeld für die Bewegung der
Arme und Beine, gleich hinter dem oben erwähnten Sprachcentrum der Ursprung der Gesichts- und Zungennerven u. s. w. Während
die mehr nach vorn liegenden Teile des Gehirn vorwiegend den psychischen Verrichtungen dienen, sind die dem Rückenmark näher
gelegenen Hirnabschnitte dem animalischen und organischen Leben gewidmet. So hängt der ungestörte Fortgang der
Atmungsbewegungen sowohl wie der Herzthätigkeit, ferner der Bewegungen der Unterleibsorgane und der Kontraktionszustand der
Gesäßmuskulatur wesentlich von dem verlängerten Mark ab, dessen Verletzung sofortiges Aufhören des Redens zur Folge hat.
Die psychische Thätigkeit des Gehirn, also das Bewußtwerden von Gefühlen, das Denken und Wollen, läßt sich auf drei
wesentlich voneinander verschiedene Vorgänge, auf eine centripetale, centrale und centrifugale Thätigkeit zurückführen. Die
centripetale Aktion, die lediglich das Gefühl vermittelt, besteht im Wahrnehmen der durch die Sinnes- und Empfindungsnerven
zugeleiteten Reizungen, sonach im Bewußtwerden alles dessen, was mit uns von außen und innen her vorgeht, was von der
Außenwelt in uns eindringt.
Die centrale Aktion bewirkt die Verarbeitung der empfangenen Sinnes- und Empfindungseindrücke zu Vorstellungen und die
Verwendung dieser letztern zur Bildung von Begriffen, Urteilen und Schlüssen, d. i. zum Denken. Die centrifugale Aktion endlich
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vermittelt das Begehren, Streben und Wollen und äußert sich vermöge ihres Einflusses auf die willkürlichen Bewegungsapparate im
Handeln. Von der centripetalen Aktion können Überstrahlungen entweder sofort auf die centrifugale Aktion stattfinden oder erst
mittels der centralen Aktion dahin geleitet werden, und umgekehrt. Überstrahlungen und Reflexe finden überhaupt sehr leicht im G.,
selbst bei bewußtlosem Zustand, statt, wie eine Reihe unwillkürlicher, aber zweckmäßiger Bewegungen bei schlafenden,
Chloroformierten und Hypnotisierten beweist.
Litteratur. Reichert, Der Bau des menschlichen Gehirn (2 Abteil., Lpz. 1859-61);
Bischoff, Die Großhirnwindungen bei den Menschen (Münch. 1868);
Luys, Das Gehirn, sein Bau und seine Verrichtungen (Lpz. 1877);
Bischoff, Das Hirngewicht des Menschen (Bonn 1880);
P. Flechsig, Die Leitungsbahnen im G. und Rückenmark (Lpz. 1876);
ders., Plan des menschlichen Gehirn (ebd. 1883);
Bastian, Das Gehirn als Organ des Geistes (2 Bde., ebd. 1882);
Meynert, Sammlung von populär-wissenschaftlichen Vorträgen über den Bau und die Leistungen des Gehirn (Wien 1892);
Edinger, Vorlesungen über den Bau der nervösen Centralorgane (3. Aufl., Lpz. 1892);
Sachs, Vorträge über Bau und Thätigkeit des Großhirns (Bresl. 1892);
Kronthal, Schnitte durch das centrale Nervensystem des Menschen, gefertigt, photographiert und erläutert (Berl. 1892).
? In der Tierreihe kann von einem eigentlichen Gehirn bloß bei den Wirbeltieren die Rede sein (für die entsprechend
funktionierenden Organe bei Wirbellosen s. Nervensystem). Das Gehirn der Säugetiere schließt sich in seinem Bau im allgemeinen
an dasjenige des Menschen an, jedoch finden sich in der Entwicklung der einzelnen Teile desselben beträchtliche quantitative
Unterschiede, die besonders die Hinterlappen der großen Hemisphären betreffen. Bei den Monotremen und einigen niedern
Beuteltieren bleibt der Vierhügel (Mittelhirn) noch unüberdeckt von ihnen, bei höhern Beuteltieren, Zahnarmen und Säugetieren ist die
Überdeckung schon weiter vorgeschritten und bei Insektenfressern und Fledermäusen ist bloß noch das Kleinhirn, aber im ganzen,
sichtbar. Diese Überdeckung schreitet nun in aufsteigender Linie in den Ordnungen fort, bis
sie bei den höchsten Affen (wie auch beim Menschen) so weit gelangt, daß das ganze kleine Gehirn von oben her nicht mehr
sichtbar ist. Ziemlich gleichen Schritt mit der Entwicklung der Hinterlappen hält die der Vorderlappen, die sich mehr und mehr nach
vorn ausbreiten über den Ursprung der Riechnerven weg, der bei einigen Nagetieren noch aus besondern Gehirnabschnitten, den
Riechkolben, stattfindet. Sehr verschieden gestalten sich auch die Windungen; sie sind einmal, auch in derselben Ordnung, um so
schwächer entwickelt, je kleiner die betreffende Tierart ist, dann aber richtet sich ihre Entwicklung unverkennbar auch nach der Stufe,
welche die Säugetiere in der Reihe einnehmen: so haben Monotremen und Beuteltiere, auch die größten, glatte Hemisphären.
Man hat nach dem Vorhandensein oder Fehlen der Windungen die Säugetiere in zwei große Gruppen: furchenhirnige
(gyrencephala) und glatthirnige (lyssencephala) zerlegen wollen. Das Hinterhirn der Seitenventrikel mit dem Vogelsporn verschwindet
bei den niedern Ordnungen, dafür vergrößern sich aber die Ammonshörner. Auch der Hinterbalken wird in absteigender Linie immer
kleiner, fehlt aber keinem Säugetier ganz; umgekehrt verhält sich die Entwicklung des Sehhügels.
Der Vierhügel der Monotremen hat bloß ein Paar von Höckern, erst bei den Beuteltieren erscheint nach und nach das hintere
Paar. Am Kleinhirn der niedern Säugetiere (Monotremen, Beuteltiere, Nager, Insektenfresser und Fledermäuse) überwiegt noch der
Wurm, der successive gegen die Seitenteile zurücktritt, bis sich bei den höchsten Affen die Sache ähnlich gestaltet wie beim
Menschen. Am verlängerten Mark verkleinern sich die Oliven in absteigender Linie.
Am Gehirn der Vögel hat das Vorderhirn schon ein beträchtliches Übergewicht über die andern Hirnteile, doch fehlen Windungen
noch völlig. Die großen Hemisphären sind nur durch eine einfache Kommissur anstatt durch einen Hirnbalken verbunden. Der
Seitenventrikel ist sehr geräumig, daher die eigentliche Hirnmasse nur dünn, doch wird er zum größten Teil vom Streifenhügel
ausgefüllt, der aber hier noch nicht die abwechselnden Lagen von grauer und weißer Substanz zeigt, sondern aus letzterer allein
besteht. Das Gewölbe ist bloß rudimentär: der kleine Vierhügel wird vom Vorderhirn völlig überdeckt und der quergefurchte Wurm ist
weit größer als die Seitenteile des Kleinhirns.
Bei den Reptilien ist das Gehirn noch geringer entwickelt als bei den Vögeln: so wird der Vierhügel vom Vorderhirn nicht
überdeckt und die Riechnerven sind im hintern Ende zu Riechkolben angeschwollen, deren innerer Hohlraum mit den
Seitenventrikeln im Zusammenhange steht.
Die Amphibien haben ein im Verhältnis kleines Gehirn, an dem aber ein deutlich gesondertes Mittelhirn nachweisbar ist. Eine
Grube auf der Oberseite des verlängerten Marks zwischen den auseinander tretenden hintern Strängen (vordere Rautengrube oder
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Zugang zur vierten Hirnhöhle) ist sehr ansehnlich.
Das Gehirn der Fische ist im Verhältnis zur Größe des ganzen Tieres oder zu der des Rückenmarks sehr klein und wächst nicht
in dem Maße wie die Schädelhöhle, sodaß es diese nicht ganz, bei alten Individuen oft nur zu einem kleinen Teil, ausfüllt. Bei einem
Mondfisch (s. d.) von 158 kg wog das Gehirn bloß 2,2 gehirn. Der niederste Fisch (Amphioxus, s. Lanzettfische) hat noch kein
gesondertes Gehirn Bei den Rundmäulern folgen sich vier von oben sichtbare Abschnitte des Gehirn aufeinander:
1) das sehr kleine, doppelseitige Vorderhirn (entsprechend der Hemisphäre), 2) ein winziges Zwischenhirn, 3) ein aus einem paar
Anschwellungen bestehendes Mittelhirn (Vierhügel) und 4) ein Kleinhirn in Gestalt einer sehr kleinen Brücke zur Verbindung der
hintern Stränge. Der Zugang zur vierten Hirnhöhle steht weit offen (Rautengrube, sinus rhomboidalis). Bei den übrigen Fischen sind
Zwischenhirn (d. h. Sehhügel und Umgebung der dritten Hirnhöhle) und Mittelhirn als solche nicht vorhanden, sie werden durch die
Sehlappen (lobi optici) ersetzt, die aus einer Vereinigung des Vierhügels und des Zwischenhirns bestehen. Die Riechkolben (lobi
olfactorii) der Fische sind hohl, meist sehr groß und oft am vordern Ende verbreitert. Das am höchsten entwickelte Gehirn unter den
Fischen haben die Haie.
Litteratur. Carus, Versuch einer Darstellung des Nervensystems und besonders des Gehirn (Lpz. 1814);
Leuret und Gratiolet, Anatomie comparée du système nerveux (2 Bde. mit Atlas, Par. 1839-57);
Luys, Recherches sur le système nerveux cérébrospinal (ebd. 1865, mit Atlas von 40 Taf.);
ders., Iconographie photographique des centres nerveux (ebd. 1872);
Pansch, De sulcis et gyris in cerebris simiarum et hominum (Eutin 1867);
von Miklucho-Maclay, Beiträge zur vergleichenden Neurologie der Wirbeltiere (Lpz. 1870).
Ende Gehirn
Quelle: Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910; Autorenkollektiv, F. A. Brockhaus in Leipzig, Berlin und Wien, 14.
Auflage, 1894-1896;7. Band, Seite 675 [Suche = 57.677] im Internet seit 2005; Text geprüft am 19.5.2008; publiziert von Peter Hug;
Abruf am 7.4.2017 mit URL:
Weiter: http://peter-hug.ch/57_0678?Typ=PDF
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