Nachrichten aus Deutschland Nr. 62/ 22.09.2016 1. Deutschland wird bunter 2. Neue Krebs-Erkenntnisse Liebe Leser, der Newsletter der Deutschen Botschaft Sofia, einschließlich der bisher erschienenen Ausgaben (Archiv), kann auf der Botschaftshomepage in deutscher und in bulgarischer Sprache gelesen werden: http://www.sofia.diplo.de/Vertretung/sofia/de/01/Nachrichten__aus__Deutschland.html http://www.sofia.diplo.de/Vertretung/sofia/bg/01/Nachrichten__aus__Deutschland.html 1. Deutschland wird bunter Wiesbaden (dpa) - In Deutschland haben mehr Menschen einen Migrationshintergrund als je zuvor. Gut jeder Fünfte (21%) gehört zu dieser Gruppe. 17,1 Millionen Menschen mit ausländischen Wurzeln lebten 2015 in der Bundesrepublik. Das waren 4,4% mehr als im Jahr zuvor. «Der außergewöhnlich hohe Anstieg ist vor allem auf ausländische Zuwanderer zurückzuführen», teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag mit. Rund 11,5 Millionen Zuwanderer wohnten 2015 in Deutschland. Das waren 5,5% mehr als 2014. Die drei wichtigsten Herkunftsländer der Menschen mit Migrationshintergrund sind die Türkei, Polen und Russland. Rund 6,3 Millionen Menschen haben ihre Wurzeln in den ehemaligen Gastarbeiteranwerbestaaten, darunter vor allem in der Türkei, in Italien und in Griechenland. Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist im Durchschnitt deutlich jünger. Von den Minderjährigen gehört bereits jeder Dritte dazu. Bei Menschen im Rentenalter ist es dagegen nicht einmal jeder Zehnte. Der größte Teil der Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen, ist in der Stichprobenerhebung Mikrozensus noch nicht enthalten. Die Erstaufnahmeeinrichtungen wurden nicht erfasst. Für die Statistiker hat ein Mensch einen Migrationshintergrund, «wenn er selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde». Dazu zählen Ausländer, Eingebürgerte und Spätaussiedler und ihre als Deutsche geborene Nachkommen. 2. Neue Krebs-Erkenntnisse Heidelberg (dpa) - Die Stammzellforschung boomt - auch für Krebsforscher wird sie immer wichtiger. Die Mediziner erhoffen sich neue Erkenntnisse zur Entstehung von Tumoren und neue Lösungsansätze für deren Heilung. «Stammzellen und Krebs» ist darum das zentrale Thema beim Internationalen Heinrich Behr Symposium in Heidelberg. «Wir verwenden die Stammzellen, um mehr über den Tumor und seine Metastasen herauszufinden und neue Therapien zu entwickeln, die ihn gezielt vernichten», sagt einer der Gastgeber des Symposiums, Wissenschaftler Andreas Trumpp vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Das DKFZ richtet die Konferenz alle zwei Jahre aus. «Ein Tumor entsteht, wenn sich in einer Zelle viele verschiedene Genveränderungen anhäufen, sogenannte Mutationen», erläutert Trumpp. Kürzlich sei nachgewiesen worden, dass die erste Mutation oft in Stammzellen auftrete. «Der Ursprung von Krebs liegt damit oft in unseren Stammzellen.» Die Krebsforschung versuche, Möglichkeiten zu finden, nicht nur den vollausgewachsenen Tumor zu zerstören, sondern auch Zellen, die bereits diese ersten Mutationen aufwiesen. Forscher können auch immer mehr sagen über den Aufbau von Tumoren. «Der Tumor ist hierarchisch organisiert», erläutert Trumpp. «Ganz oben sitzt die Krebsstammzelle, die viele nachfolgende, weniger aggressive Krebszellen produziert.» Das Tückische daran sei, dass diese Krebsstammzellen sehr viel resistenter seien gegen Chemotherapien und andere Behandlungen. «Während man den Großteil der Tumorzellen vernichten kann, bleiben oft die Krebsstammzellen im Körper zurück.» Nach einer Therapie könnten sie wieder einen neuen Tumor bilden, sagt der Krebsforscher. «Deshalb ist es so wichtig, diese Krebsstammzellen aktiv zu bekämpfen, um die Wiederkehr des Tumors oder auch die Bildung von Metastasen zu verhindern.» Stammzellexperte Tobias Cantz von der Medizinischen Hochschule Hannover sagt: «Vor einigen Jahren haben sich viele gefragt, was Stammzellforschung denn mit Krebsforschung zu tun haben soll. Eine Krebserkrankung ist ja ein zu viel an Zellen – was soll man da mit noch mehr Zellen, die man aus der Stammzellenforschung generiert hat?» Aber man habe inzwischen verstanden, wie ähnlich sich Krebszellen und Stammzellen strukturell seien. Wissenschaftler können mittlerweile aus Stammzellen sogenannte Organoide züchten. Das sind kleine Gewebestückchen, die aus verschiedenen Zelltypen bestehen. «Das funktioniert, indem man die Stammzellen aus einem Gewebe isoliert und sie unter bestimmten Bedingungen zum Beispiel zu Mini-Därmen oder Mini-Gehirnen auswachsen lässt», erläutert Trumpp. «Aus Gewebe vom Menschen gelingt das mittlerweile auch – dieses Verfahren wird jetzt immer häufiger eingesetzt, auch in Deutschland.» Organoide spielten in der Krebsforschung eine immer wichtigere Rolle, sagt Trumpp. «Wir Krebsforscher haben oft das Problem, dass wir nicht genügend Material von einem Patiententumor bekommen: Die Tumoren sind klein oder die Proben sind bereits größtenteils abgestorben, da gibt es vielerlei Gründe.» Auch Experten vom Paul-Ehrlich-Institut setzen Hoffnungen in die Forschung mit Organoiden. «Substanzen zum Beispiel aus der Biomedizin oder Chemotherapie können in Organoiden vorgetestet werden hinsichtlich ihrer möglichen Verträglichkeit», sagt Institutspräsident Klaus Cichutek. «So gehen hoffentlich die momentan notwendigen Tierversuche zurück und werden durch Organoide ersetzt.» Dem Molekularbiologen Jürgen Knoblich zufolge braucht die Forschung Organoide, weil sich viele Erkenntnisse aus Tierversuchen nicht auf den Menschen übertragen lassen. An Organoiden könnten Forscher Medikamente testen und Krankheitsmechanismen erkennen. «Das Ganze ist besonders wichtig für das menschliche Gehirn als das Organ, das uns am meisten von Tieren unterscheidet.» Knoblich züchtet aus menschlichen Hirnstammzellen sogenannte Hirn-Organoide - Gewebestrukturen, die in vielen Aspekten einem Gehirn ähneln. «Unsere Hoffnung ist, dass es uns gelingen wird, Tumore in diesen Organoiden nachzubauen. Wenn wir das schaffen würden, dann hätten wir auch die Möglichkeit, hier direkt Medikamente zu testen – das wäre ein großer Durchbruch.» Laut Trumpp vom DKFZ hoffen Wissenschaftler, in Zukunft das Tumormaterial für jeden Patienten spezifisch züchten und daran erste Tests ausführen zu können. Das Ziel: vorab herausfinden, auf welche Medikamente oder welche Kombination von Wirkstoffen der Tumor ansprechen dürfte. «Irgendwann werden wir so viel Wissen angesammelt haben, dass wir zum Beispiel eine Kombination von Mutationen bei einem Patienten X finden, die wir ein Jahr vorher schon einmal bei einem anderen Patienten gefunden hatten. Durch das Wissen, welche Kombination hier schon gewirkt hat, kann man eine Menge Zeit sparen.»