Rhythmus und Saisonalität Kongreßakten des 5. Symposions des Mediävistenverbandes in Göttingen 1993 Herausgegeben von Peter Dilg, Gundolf Keil und Dietz-Rüdiger Maser Jan Thorbecke Verlag Sigmaringen 1995 Zur Herkunft der Wetzsteine aus der Grabung auf dem Burgwall in Berlin-Spandau VON HANS-JOACHIM BAUTSCH UND JOSEF RIEDERER 1. Einleitung Von der Grabung auf dem Burgwall in Berlin-Spandau' sind bisher (15.11.1992) 155 Wetzsteine bzw. Wetzsteinreste gefunden und registriert worden. Eine überschauende Bemusterung des Fundmaterials bestätigt, daß dieses in jedem Falle zum Wetzen oder Schleifen verwendet wurde. Der Abnutzungsgrad kann dabei recht unterschiedlich sein. Überwiegend ist es voll ausgenutzt worden. Nur in Einzelfällen ist der Abrieb relativ gering. Zum Teil handelt es sich um abgebrochene Reste der ursprünglich stets länglichen prismatischen, zylindrischen oder plattigen Wetzsteine. So variiert die Größe der einzelnen Fundstücke von einem cm bis über 30 cm Länge. Die Formen lassen erkennen, daß die Wetzsteine unter Ausnutzung der Gesteinseigenschaften, insbesondere des Gefüges (Textur, Schieferung, Schichtung), bearbeitet und geformt wurden. Der wesentliche erste Schritt ist dabei die Spaltung bzw. die Ausnutzung der Spaltbarkeit des Gesteinsmaterials. Die Ausbildung einer plattigen oder prismatischen Teilbarkeit parallel einer Achse resultiert aus bestimmten geotektonischen Beanspruchungsvorgängen und ist damit an bestimmte lokale geologische Voraussetzungen und Positionen geknüpft. So folgt bereits aus dieser Beobachtung, daß das Gesteinsmaterial aus entsprechenden Gebieten stammen sollte. Weiterhin ist zu erkennen, daß die Wetzsteine nicht nur als Spaltstücke direkt genutzt wurden, sondern zu einem größeren Teil eine weitere formende Bearbeitung erfahren haben. Das setzt wiederum voraus, daß spezifische Erfahrungen zum geeigneten Material, zu dessen Gewinnung und Verarbeitung in regional wohl begrenzten Gebieten entwikkelt und genutzt worden sind. Zu wetzendes und zu schärfendes Material war im wesentlichen Eisen bzw. waren daraus gefertigte Geräte und Waffen. Das stellt bestimmte generelle Forderungen an die Härte der Wetzsteine bzw. deren diese bestimmenden Mineralkomponenten. Die schleifenden und schärfenden Eigenschaften werden aber nicht durch den Mineralbestand an sich bestimmt, sondern ganz wesentlich durch das Gefüge. Korngröße, Komgrößenverteilung, Komform, Kornbindung, Art und Anteil der Nebengemengeteile sind neben der Textur, die die Formungsneigung bestimmt, die wirkenden Faktoren. Die Ausnutzung dieser Eigenschaften für die unterschiedlichen Ansprüche der verschiedenen Geräte und Waffen setzt unbedingt entsprechende Erfahrungen zur Auswahl, Bearbeitung und Spezifikation voraus. Die Übersicht über das vorliegende Wetzsteinmaterial bietet dann auch das Bild etwas unterschiedlichen Gesteinsmaterials aus zwei Herkunftsgebieten. 1 Vg!. ADRlAAN VON MÜllER und Berlin-Spandau, Berlin 1983. KLARA VON MÜLLER-Mull: Die Ausgrabungen auf dem Burgwall in 424 HANS-JOACHlM 2. Makroskopische BAUTSCH UND JOSEF RIEDERER Charakterisierung der Wetzsteine Die makroskopische Ansprache der einzelnen Fundstücke führt zu keiner hinreichend präzisen petrographischen Charakterisierung. Sie gestattet lediglich einige allgemeine vergleichende Aussagen und typisierende Zuordnung. Danach läßt sich folgende Gruppierung vornehmen: 1. Feinkörniger, gestreckt geregelter, bis spitzstengliger, hellgrau-blaßgrünlicher Muskovit-Quarzitschiefer; 2. Dichte Quarzitschiefer, stenglig bis plattig, meist hellgrau bis grauschwarz (bituminös), auch gebleicht bis rotbraun, gelegentlich feinste parallele oder flexurartige Quarzlagen, Tonanteile (Serizit). Meist zu schmalen prismatischen Stäbchen gearbeitet für Feinschliff kleinerer Geräte (Klingen); 3. Dichte Quarzite, geschiefert, stenglig bis plattig, hellgrau bis grauschwarz, wechselnd. Zu prismatischen und zylindrischen Stäben oder plattigen Leisten (oft nur noch Bruchstücke davon) gearbeitet, so zum Feinschliff und Abziehen verwendet. Innerhalb dieser beiden Typen (2. und 3.) gibt es gewisse Variationen, andererseits sind sie untereinander vergleichbar und im lithologischen Charakter ähnlich. Ihre petrographische Ansprache führt zur Deutung einer petrographischen Verwandschaft hinsichtlich Lithologie und mineralfazieller Beanspruchung und damit einer gemeinsamen Herkunft. 4. Feinkörnige, hell- bis dunkelgrau gefärbte Grauwacken, schwach geschiefert, z. T. schwach karbonatisch; gröberstenglig geformt. Dazu kommen verschiedene Wetzsteine unterschiedlicher petrographischer Ausbildung, die keine Zuordnung untereinander ermöglichen, und nur in Einzelstücken und wohl zufällig aus ortsständigem Material (Geschiebe) genutzt wurden. Nach dieser makroskopischen Gesteinsansprache lassen sich erste Folgerungen treffen: Zu über 90 % handelt es sich bei den Wetzsteinen um vier Gesteinstypen. Leicht zuordenbar ist der kleinkörnige Quarzitschiefer (1.), der etwa ein Viertel des Materials ausmacht. Dichte Quarzitschiefer (2.) und dichte Quarzite (3.), die makroskopisch sehr ähnlich sind, machen etwa die Hälfte aus. Sie müßten einer gemeinsamen Herkunft sein. Den vierten Typ repräsentieren die Grauwacken mit einem Anteil von etwa 15 %. Der Rest besteht aus zufälligen Einzelstücken. Demnach wäre die Frage nach drei Herkunftsgebieten zu beantworten. Makroskopische Vergleiche gestatten vorläufig hierzu keine Antwort, sieht man einmal davon ab, daß die Herkunft der leicht ansprechbaren stengligen Muskovitquarzschiefer auch anderweitig geklärt ist.' Notwendig hierzu sind detaillierte mineralogisch-petrographische Untersuchungen und die Möglichkeit der Nutzung ausreichenden Vergleichsmaterials. 3. Mikroskopische Charakterisierung der Wetzsteine Unumgänglich zur petrographischen Charakterisierung sind detaillierte polarisationsmikroskopische Untersuchungen in Dünnschliffen. Von den 155 bisher aufgenommenen 2 Vgl, H. G. REsI: Die Wetz- und Schleifsteine aus Haithabu. Bericht über die Ausgrabungen Haithabu 28, 1990. ZUR HERKUNFrDER WE1ZSTEINEAUFDEM BURGWALLIN BERLIN-SPANDAU 425 Wetzsteinproben vom Burgwall Spandau existieren bisher von 92 Proben Dünnschliffe. Die mineralogisch-petrographische Charakterisierung an Hand der Dünnschliffuntersuchungen wird in der Reihenfolge der vorgenommenen Gruppierungen dargestellt. Dabei ist es nicht möglich und notwendig, die für jeden Dünnschliff durchgeführte eingehende mikroskopische Analyse auszuführen. Es werden summarisch die wichtigsten Merkmale zusammengestellt. 3.1. Feinkörniger Muskovit-Quarzit Für die Muskovit-Quarzite ist die petrographische Ansprache und Zuordnung nach mikroskopischen Merkmalen leichter vorzunehmen. Die polarisationsmikroskopischen Untersuchungen bestätigen und präzisieren die gute Typisierbarkeit übereinstimmender mineralogisch-petrographischer Merkmale im Bereich bestimmter Variationen. Daraus folgt die einheitliche Herkunft dieser Probensuite in Übereinstimmung mit dem in unserer Sammlung vorhandenen Vergleichsmaterial. Wegen der Eindeutigkeit wird auf eine eingehendere petrographische Beschreibung verzichtet. Es handelt sich um feinkörnige klastische Meta-Quarzite im Faziesbereich einer epizonalen Regionalmetamorphose bei Stabilität von Muskovit- (Hydro-) Biotit-Chlorit-Epidot-Calcit-Oligoklas. Die Quarzregelung ist relativ intensiv mit dem Charakter eines B-Tektonits. Die Quarzachsenverteilung bildet einen Großkreis in der a b-Ebene mit einem Maximum in Streckungsrichtung und anteiligen Orientierungen ± senkrecht zur a b-Ebene. Die morphologischen Längsachsen der Quarzkörner liegen in a b in Streckungsrichtung. 3.2. Mittel- bis grobschluffiger Quarzitschiefer Die polarisationsmikroskopischen Untersuchungen belegen, daß von den 92 Proben, für die Dünnschliffe bisher vorliegen, 27 als mittel- bis grobschluffige Quarzitschiefer vorliegen. Die mikroskopisch-petrographisch ermittelten Daten und charakteristischen Merkmale zum Modalbestand und Gefüge weisen aus, daß die Quarzitschiefer innerhalb einer bestimmten Variationsbreite petrographisch gemeinsame Merkmale haben. So ergibt sich folgende verallgemeinerte petrographische Kennzeichnung der Quarzitschiefer: Der Quarzgehalt liegt zwischen 60 bis über 90 %, am häufigsten bei etwa 80 %. Die Quarz-Korngrößen variieren zwischen 8 und 50 urn, meistens liegen sie bei 20-30 pm. Die Korngrößenverteilungskurven sind steil, d. h. innerhalb der Korngrößenvariation sind die Quarzitschiefer meist gleichkörnig und nur teilweise schwach wechselkörnig. Die Kornform ist vorwiegend äquidistant, gelegentlich schwach gelängt mit einem Länge- /Breite-Verhältnis bis 2/1. Der Planaranteil der Kornform ist fast stets hoch bis sehr hoch. Die Quarzkörner bilden gegeneinander Direktbindung; die Intergranularfläche wird zu einem wesentlichen Anteil durch planare Quarz-Quarz-Kontakte gebildet. In der Intergranulare liegen auch oft die Muskovitschüppchen. Typomorphes und häufigstes Schichtsilikat ist der Miskovit, je nach Quarzgehalt im Anteil schwankend über 5-10 %, gelegentlich in tonigen Partien bis 25 %. Die Kristallinität des Muskovits, abgeschätzt nach dem Eindruck der morphologischen Ausbildung, der Größe der Schüppchen und den optischen Eigenschaften, ist fast immer gut, nur in den tonigen Partien teilweise gering. Die Stärke der Schüppchen beträgt nur wenige pm, 426 HANS-JOACHIM BAUTSCH UND JOSEF RIEDERER die Größe, ermittelt und angegeben das L der Längsausdehnung des Querschnittes im Dünnschliff, liegt in der quarzitischen Matrix bei 15-40 um. Ein großer Anteil ist intergranular, sonst aber auch meist feiner intragranular im Quarz. Der Muskovit zeigt keine postkristallinen Deformationen. Ebenfalls typomorph ist der Chlorit. In Beziehung zum Gehalt der mafischen Komponenten bzw. ihrem Verhältnis zum Kalium-Aluminium-Gehalt ist der Chloritanteil wechselnd. Er kann einen deutlichen Teil der Schichtsilikate ausmachen oder auch fehlen. Nach den optischen Eigenschaften ein Pennin, der morphologisch ähnlich ausgebildet ist wie der Muskovit, mit diesem oft verwachsen ist, oder in typischen nestartigen Aggregationen auftritt; ebenfalls ohne postkristalline Deformationen. Kaolinit und Hydrobiotit sind nur in Einzelfällen zu beobachten. Calcit ist immer zugegen, erreicht im Einzelfall bis zu 10 % oder fehlt in der quarzitischen Matrix. Typische Ausbildungsformen sind Kristalloblasten und rundliche Knötchen in etwa den Quarzkorngrößen entsprechend sowie rhomboedrische oder runde Einschlüsse von 1-2 pm Größe im Quarz. Ein markantes einheitliches Bild zeigen die Akzessorien, obwohl ihre Anteile schwanken können. Opakanteile, zwischen meist unter 1 % bis gelegentlich 3 % liegend, sind oft in rundlichen bis quadratischen Umrissen Magnetit und/oder Pyrit, teilweise auch Ilmenit. Feinste Schüppchen und Pigmente sind graphitisierte organische Reste, die oft in Verbindung stehen mit diffus, intergranular oder absorptiv fixiertem Bitumen. Typisch für den Apatit in Korngrößen von wenigen bis zu 20 pm Größe ist in allen Proben ein diffuser brauner Kern mit feinsten Pigmentierungen und ein zugewachsener klarer Saum. Turmalin ist in unterschiedlicher Kornzahl (l-1O/cm2) und Korngröße (2-80 pm) ebenfalls in allen Proben zu finden. Stets hat er die gleichen optischen Eigenschaften und Habitusformen. Auch der TItanit ist immer vorhanden, jedoch in stark wechselnder Menge und unterschiedlicher Ausbildung. Typisch sind feinste kurze Prismen, oft aggregiert, leukoxenartige Körnchen und idiomorphe klare Kristallite. Markantes Merkmal sind etwas gröber körnige Quarzgängchen und Quarzknauern, teilweise flexiert oder boudiniert. Sie zeigen die gleiche Paragenese wie die Matrix mit etwas verschobener Quantität. (Muskovit geringer oder fehlend, Chlorit und Calcit häufiger). Eine Schichtung sI ist oft in unterschiedlicher Deutlichkeit erkennbar. Eine wechselnd stark ausgeprägte Schieferung s3 liegt dann quer dazu (senkrecht bis spitzwinklig), gekennzeichnet durch Regelung der Quarzkörner (Achsenverteilung; z. T. Kornform) und die Ebenenorientierungsverteilung eines großen Anteils der Muskovitschüppchen in Abhängigkeit vom Verlauf der Intergranulare. Beide Elemente zeichnen gewöhnlich auch eine zweite schwächere (ältere?) spitz- bis steilwinklig dazu liegende Schieferungsebene s2 nach (eventuell auch weitere), teilweise flexurartig gekoppelt. Die Achsenverteilungsanalysen ergeben bei einer nicht sehr intensivausgeprägten Regelung Kreuzgürtel mit Maxima, etwa wie sie bei Rekristallisationen einer scherungsgekoppelten Schieferung zu erwarten sind. Prinzipiell würde das dem Prinzip der Transversal-Schieferung entsprechen. Mineralfaziell liegen die klastisch sedimentären Quarzitschiefer im Bereich der Tonschieferfazies (Schieferungsdiagenese) vor, in der die Phasenassoziation Muskovit-Chlorit-Calcit stabil wird. Metamorphe Faziesstufen werden noch nicht erreicht. ZUR HERKUNFf 3.3. Sehr feinkörniger DER WE17STEINEAUF (grobschlüffiger DEM BURGWALL IN BERLIN-SPANDAU bis feinsandiger) 427 Quarzit. Makroskopisch sind die Quarzite entsprechend ihrer analogen petrographischen Anlage von den Quarzschiefern kaum zu unterscheiden. Als geformter Wetzstein sind sie im Mittel meistens gröber gearbeitet. In der Farbe sind sie überwiegend etwas heller. Glirnmerschüppchen sind oberflächlich nur selten zu beobachten. Mikroskopisch zeigen sich Unterschiede in der Korngröße und im höheren Quarzgehalt. Untereinander zeigen die Quarzite weniger Unterschiede. So läßt sich für die 13 Quarzitproben folgende verallgemeinerte petrographische Charakterisierung angeben: Quarzite mit einem Quarzgehalt über 80 % bis teilweise über 90 %, mehr oder weniger gleichkörnig bei Korngrößen bis zwischen 20-50 pm bis 40-100 pm. Kornformen äquidistant bis schwach gelängt, pfcfv liegt bei 1/1/1, teilweise primäre Rundung noch ausgebildet, oft mit Zuwachsung, Intergranular oft etwas Quarzzement. Ganz vereinzelt bis relativ häufig beigemengt sind rundliche Tonpellets (Illit/ Kaolinit ± Limonit) oder/und rundliche Aggregate von Glaukonit mit Durchmessern in Quarzkorngröße. Vereinzelt beigemengt auch detritische Feldspatkörner und Glimmerschuppen. Der Muskovitanteil ist nur sehr gering als Rekristallisat mit Paralleltextur, Chlorit und Calcit fehlen. Typische Akzessorien sind Apatit (mit braunem Kern), Turmalin (braungrüne Säulchen) und Titanit (klar bis fast opak) in wechselnden Anteilen, so wie sie auch in den Quarzitschiefern auftreten. Der Anteil an Opaken ist gering. Gelegentlich deutet sich ein geringer Bitumenanteil adsorbiert an den Tonpellets oder fund im Quarzzement an. Eine Schichtung ist z. T. erkennbar im schwachen lagigen Wechsel der Korngrößen, in einer gelegentlichen Anpassung nach der Kornform und durch eine selten auftretende lagige Anreicherung der akzessorischen Schwerminerale. Eine Schieferungsartige Textur bildet sich durch die Anordnung des geringen rekristallisierten Muskovitanteils schräg zur Schichtung ab und zeigt sich in der Orientierungsverteilung der Quarzachsen, die dem Typ einer Kreuzgürtelregelung entspricht. Danach handelt es sich bei den Quarziten um ± gut sortierte grobschluffige bis feinsandige klastische Sandsteine aus einem Milieu etwas wechselnder Flachrneersedimentation. Die Quarzkörner wurden im Verlauf der Schieferungskompaktion diagenetisch rekristallisiert, faziell vergleichbar und in der Anlage kongruent mit den Bedingungen, wie sie sich in den Quarzitschiefern zeigen. Beide Typen entstammen analogen Sedimentations- und Kompaktionsbedingungen und damit einer gemeinsamen Herkunft aus einem lithologisch einheitlichen Sedimentkomplex. 3.4. Feinsandige Grauwacke Die Grauwackenproben haben bei einer durchaus stärkeren Variation im modalen Mineralbestand mikroskopische Merkmale, die ihre gemeinsame Herkunft begründen. Sie sind wechselnd arkosig bis karbonatisch. Die Quarzgehalte liegen zwischen 40 und 70 %, dazu kommen wechselnde Anteile an Lyditfragmenten und Feldspatbruchstücken. Kornform angular-splittrig, meist länglich mit LIB - 3/1, teilweise darüber. Schichtsilikate in gröberen detritischen Schüppchen bis feinpelitisch in Aggregaten und als Zement. Der Muskovitanteil überwiegt Biotit und Chlorit, doch sind stets alle drei Schichtsilikate 428 HANS-JOACHIM BAUTSCH UND JOSEF RIEDERER zugegen. Bitumenanten wechselnd vorhanden und nicht inkohlt. Akzessorisch typisch Turmalin und Titanit, daneben wenig Apatit und detritischer Zirkon. Opakanteile untypisch. Unterschiedlich stark ausgeprägte Textur durch Kornformregelung in der Schichtung und Gitterregelung nach subparallel dazu liegender Schieferung bzw. spitzwinkligen Schieferungssystemen. Geringer aber deutlicher Rekristallisationsgrad im Faziesbereich der Diagenese beim Prozeß einer affinen (einscharigen) KompaktionsSchieferung. 4 . Herkunft der Wetzsteine Bereits die makroskopische petrographische Ansprache der Wetzsteinproben und eindeutig die mikroskopischen Dünnschliffuntersuchungen zeigen, daß bestimmte Gesteinstypen vorliegen, die in ihrer gegenseitigen Identität, Analogie oder lithologischen Ähnlichkeit einheitlicher Herkunft sein müssen. Das Problem bleibt dann, diese Herkunftsgebiete zu ermitteln. Die bisherigen Untersuchungen an Wetzsteinen archäologischer Grabungen und Funde sind oft nicht sehr intensivoder nicht mit der notwendigen Konsequenz betrieben worden. So sind nur wenige Herkunftsgebiete für im frühen Mittelalter verwendete Wetzsteine bekannt. 4.1. Material aus TelemarkenjNorwegen Die Herkunft der feinkörnigen Muskovit-Quarzite ist von mehreren archäologischen FundsteIlen inzwischen bestimmt und mehrfach bestätigt worden (s. bei H. G. Resi 1990). Die Wetzsteinbrüche in der Provinz Telemark in der Umgebung von Eidsborg sind schon seit sehr langer Zeit in Nutzung gewesen. Zudem ist die petrographische Ausbildung sehr markant und spezifisch an die Metamorphose der Telemark-Serie gebunden. Vergleichsmaterial steht zudem in vielen petrographischen Sammlungen zur Verfügung. Neben dem Modalbestand mit Quarzgehalten zwischen 50-80 % (einschließlich sporadischem Feldspat), Muskovit 15-45 %, Biotit (-Hydrobiotit) bis 2 %, Chlorit bis 2 %, Calcit bis 5 % und akzesssorisch wechselnd Epidot (typomorph!), Titanit, Rutil, Zirkon, Apatit, Turmalin und Opakanteilen, ist insbesondere das Gefüge hinsichtlich struktureller und textureller Merkmale kennzeichnend: Korngrößen zwischen 50 und 250 pm mit jeweils relativ steiler Korngrößenverteilungskurve, Kornformen mit hohen Planaranteilen und Längung LIB bei 2/1 (5/1-1/1), Tektonitgefüge mit Streckung nach b (Quarzlängsachsen), Regelung der Schichtsilikate in a b (L in b), Regelung der kristallographischen Quarzachsen recht intensiv mit Großkreis in a b (Maximum darin bund Nebenmaxima) und untergeordnete Belegung um c. Die statistische Auswertung ergibt, daß von den 92 Dünnschliffen 23 (= 25,0 %) Telemark-Quarzite sind. Da dieses Material relativ gleichartig, durch die gröbere Körnung nur für bestimmte Schleifvorgänge und nicht zum Abziehen zu gebrauchen ist, wäre ein Anteil in dieser Größenordnung auch etwa zu erwarten. 4.2. Material aus dem Thüringer Wald/frankenwald Grundlage für die folgenden Aussagen zur Herkunft der Quarzitschiefer, Quarzite und ZUR HERKUNFT DER WETZSTEINEAUF 429 DEM BURGWALL IN BERLIN-SPANDAU . Zllglnrllck . • Coburg .Kron.eh o Rotll'glnd I 1 .. Dlnant ~ Grll.nth.l.r 1-: . ._:...1 Goldlsth.ler und ~~~~I 'f Sehw.rzburgtr Serl., D.von o 5 10 k 1ft .__-~--~ SlrI. Prlkalftbrlum vermutet. alt. Wetzst.lnabbaue Geologische Skizze mit vermuteten Wetzsteinabbauen im Thüringisch-Fränkischen Raum Grauwacken aus dem Gebiet im Raume Thüringer WaldIFrankenwald sind die mineralogisch-petrographischen Untersuchungen, die Möglichkeiten der Nutzung eines umfangreichen Vergleichsmaterials und die daraus abgeleiteten Analogieschlüsse. Danach können auf Grund deutlich abweichender petrographischer Ausbildung, ohne an dieser Stelle 430 HANS-JOACHIM BAUTSCH UND JOSEF RIEDERER die Abweichung im einzelnen anzuführen, paläozoische Sedimentserien (Kambrium bis Karbon) folgender Gebiete als Herkunft ausgeschlossen werden: - in Deutschland: Harz (sehr umfangreiches Schliffmaterial), Vogtland, MittelOstsachsen, Taunus, Alpen Baltikum In Skandinavien: Norwegen, Mittelschweden, Gotland, Öland Nur wenige Vergleichsproben standen aus anderen Regionen mit paläozoischen Sedimentkomplexen zur Verfügung, doch fanden sich hierbei in keinem Fall übereinstimmende petrographische Merkmale, so daß auch diese Gebiete in Spanien/Portugal, Süd- und Nordwestfrankreich, Belgien, Britische Inseln für eine Herkunft wahrscheinlich nicht in Betracht kommen. Für die Quarzitschiefer und Quarzite der Grabung Brandenburg-Dom war bereits einmal als wahrscheinliches Herkunftsgebiet das Paläozoikum des Schwarzburger Sattels im Thüringer Wald angegebene-Die prinzipielle Herkunft der genannten Proben aus paläozoischen Sedimentkomplexen im Gebiet der Verbreitung im Thüringer Schiefergebirge ist relativ eindeutig.«! Für die vorliegende Arbeit wurden die Vergleichsproben erweitert. Dazu erfolgte im September 1992 eine Beprobung an einigen ausgewählten Fundpunkten im Bereich der Phycoden-Folge der Schwarzburger Serie des Ordoviziums an der Südostflanke des Schwarzburger Antiklinoriums. Dabei konnten die nur wenige cm bis einige dm mächtigen Wetzschieferlagen in der über 2000 m mächtigen PhycodenFolge ohne Schürfung nicht aufgefunden werden. Doch auch die umgebenden Schichten zeigen lithologisch und petrographisch Merkmale, die unmittelbar mit den Quarzitschiefern und Quarziten der Wetzsteinproben aus diesem Gebiet erneut und noch detaillierter vergleichbar sind. Der oder die lokalen Fundpunkte und Abbauorte sind aber noch nicht nachgewiesen. Um hierfür Hinweise zu finden, wurde in der Literatur und in den Unterlagen der geologischen Landesaufnahme weiter recherchiert. Nach diesen Recherchen kommen aus den Phycodenschichten folgende alten Abbaue in Betracht: 1. Hiftenberg bei Siegmundsburg (Nr. 1 der Kartenskizze). Die alten Abbaue liegen vermutlich in einem Hochwaldgebiet, in dem sich ein längerer Pingenzug erstreckt, der in seinem Charakter eindeutig bergmännische Arbeiten belegt. Anstehendes ist nicht mehr vorzufinden. Aushub und Untergrund sind zu einer relativ mächtigen Bodenbedeckung entwickelt, so daß diese Abbauarbeiten schon sehr lange zurückliegen müssen. Um an das Anstehende heranzukommen, sind umfangreichere Schürfarbeiten notwendig. Die im Aushub aufgesammelten Lesesteine sind identisch mit den Tonschiefem der Phycodenfolge. Weitere benachbarte Vorkommen sind im oberen Alsbachgrund (zwischen Ober- und Unter-Alsbachberg) (Nr. 2) und an der Südseite des Göritzberges (Nr. 3) zu vermuten sowie auch an der Kalten Leite (Nr. 4). 2. Das Geiernest bei Lauenstein (Nr. 5). Dieses Vorkommen wurde noch in diesem Jahrhundert auf Wetzsteine bebaut. Es ist sehr wahrscheinlich, daß auch hier alte Abbaue existierten, zumal das Vorkommen nahe der alten Handelsstraße durch das Loquitztal 3 Vgl. HANS-JOACHIM BAUTSCH: Petrographische Untersuchungen an Wetzstein- und Mahlsteinproben der Grabung Brandenburg-Dom und von einigen anderen Fundpunkten. Museum für Urund Frühgeschichte, Potsdam. Unveröffentlichter Bericht 1967, S. 1-10. ZUR HERKUNFT DER WETZSTEINEAUF DEM BURGWALL IN BERLIN-SPANDAU 431 liegt. Vergleichsproben vom Geiernest existieren bisher noch nicht. Auch ist unklar, wie der derzeitige Zustand (Wald oder Acker) der alten Abbaue ist Auch hier wären eine Begehung, Beprobung und eventuell Schürfe notwendig. 3. Unterhalb der Kohlstatt. 1,5 km SSO von Gräfenthal (Nr. 6) und im Gölitztal am Osthang des Kessels (Nr, 7). Dieses Vorkommen wurde, da es dicht unterhalb der B 281 zwischen Kleingeschwenda und Reichmannsdorf liegt, ebenfalls im September 1992 besucht und beprobt. Dabei wurden oberhalb der zitierten Ortsangaben Pingenzüge beobachtet, die nach ihrem Zustand von einem weit zurückliegenden Abbau zeugen. Der petrographische Vergleich der Wetzsteinproben aus Quarzitschiefern und Quarziten mit den Vergleichsproben von verschiedenen Fundpunkten aus der Phycodenfolge des Schwarzburger Sattels zeigt eine so gute Übereinstimmung in den lithologischen und texturelIen Merkmalen, daß die Annahme der Herkunft dieser Wetzsteine aus der Phycodenfolge des thüringisch-fränkischen Raumes unbedingt berechtigt erscheint. Doch werden aus verschiedenen Gründen die Bemühungen zum Auffinden der alten Abbaue fortgesetzt. So wären dann der Vergleich identischen Materials und eine Bestätigung zur Herkunft möglich. Zudem könnten damit auch einige interessante archäologische Fragen verbunden sein. Etwas schwieriger gestaltete sich die Aufgabe, für die Grauwacken die Herkunft zu ermitteln. Nach ihrem lithologischen Charakter passen sie nicht ins Ordovizium, jedoch gibt es Beziehungen zu den Quarzitschiefern im petrotektonischen Beanspruchungsplan, so daß auch sie aus dem thüringisch-fränkischen Gebiet stammen könnten. Unter den gleichen Erfahrungen wären dann Wetzsteine, die etwas anders gearteten Ansprüchen besser entsprechen, abgebaut und gehandelt worden. Bei R. Hundt gibt es zu Wetzsteinen aus anderen Formationen folgende Hinweise: »Aber nicht nur aus dem Ordovizium gewinnt man Wetz- und Schleifsteine, sondern auch die devonischen Schichten liefern ein gutes Material.e' Von diesen Gesteinen gibt es genügend Vergleichsproben, denn sie bildeten die Grundlage für die umfangreichere Steinacher Wetzstein- und Schieferproduktion in den letzten zweihundert Jahren. Hiervon wurde bei den archäologischen Wetzsteinfunden noch keine Probe entdeckt, so daß eine Nutzung in älterer Zeit wahrscheinlich nicht erfolgte. Weiter führt R. Hundt an: »Aus den steinkohlenzeitliehen Kulmschichten stammen sogenannte Kulmsandsteine und dichte quarzitische, blaß-grünlichgraue Tonschiefer, Die Kulmsandsteine liefern gröbere Wetzsteine für Sensen und Sicheln.«! Die alten Abbaue befanden sich wahrscheinlich am Stadtberg und Schleifenberg bei Sonneberg (Nr, 8 der Karte). Nach den Beschreibungen ergibt sich eine recht gute Übereinstimmung zu den unter 3-4. ausgeführten Beobachtungen an Wetzsteinen aus feinsandiger Grauwacke. In diesem Gebiet zeigt die kulmische Grauwacke die charakteristische Transversal-Schieferung, die besondere mechanische Gesteinseigenschaften bedingt. In der riesigen Ausdehnung der mächtigen Kulm-Grauwacken-Folge in der nach NE sich fortsetzenden Karbonmulde ist die Schieferung sonst oft kaum ausgeprägt. Auch Vergleichsproben von Grauwacken aus dem Oberen Kulm (jetzige Einstufung Dinant), zwar aus der gleichen Folge, doch von einem entfernteren Fundort, zeigen die charakte4 RUOOLF HUNDT:Die nutzbaren Gesteine Ostthüringens, 5 Eb<L Halle (Saale) 1931. 432 ZUR HERKUNFT DER WETZSTEINEAUF DEM BURGWALL IN BERLIN-SPANDAU ristischen Merkmale. So ist für die Wetzsteine aus feinsandiger Grauwacke eine Herkunft aus den Steinbrüchen nördlich von Sonneberg als recht wahrscheinlich anzunehmen. Doch wären auch hierzu entsprechende Beprobungen an den vermuteten alten Abbauen zur Sicherung der Aussage unbedingt notwendig. Eine statistische Auswertung der 153 Wetzsteinproben (bei den 155 Nummern sind je zwei Stücke identische Bruchstücke) ergibt dann folgendes Bild: Von den 92 durch Dünnschliffe belegten Proben, bei denen die Bestimmung gesichert ist, wurden 27 als Quarzitschiefer und 21 als Quarzite bestimmt. Das sind also insgesamt 48 Proben (= 52,1 %) aus der Phycodenfolge. Mit den 22 und 4 nur makroskopisch angesprochenen Proben sind dann 74 (= 48,4 %) aus dieser Folge. Werden die Grauwacken mit einbezogen, so stammen 62 von 92 (= 67,4 %) bzw. 106 von 153 (= 69,3 %) aus dem Thüringer Wald/Frankenwald. Das ergibt dann ein recht sinnvolles Bild, indem über zwei Drittel der Wetzsteine aus einem recht eng umgrenzten Gebiet stammen (vgl. Karte), wo man in der Lage war, für verschiedene Zwecke gut geeignete unterschiedliche Wetzsteine abzubauen, zu verarbeiten und in den Handel zu bringen.