IVLV Schutzschild gegen Keime Siegelfähige und antimikrobiell wirksame Folien für die Lebensmittelverpackung schen Füllgut, Verpackung und Packungsatmosphäre positive Wechselwirkungen geschaffen, ohne den gezielten Einsatz mo- welche die Haltbarkeit verbesderner Verpackungen auf der sern sollen, um die Sicherheit Basis von Polymermaterialien und Qualität der so verpackten nicht mehr vorstellbar. Diese Lebensmittel zu gewährleisten. müssen sich aber immer neuen Einen Teilbereich der aktiven Herausforderungen stellen. Verpackungssysteme bilden anDazu gehören aktuell die wach- timikrobiell ausgerüstete Matesenden Anforderungen des rialien, die zur Verpackung von Verbrauchers an Qualität und Fleisch, Fisch, Geflügel und Sicherheit von Lebensmitteln. Käse sowie Brot oder Gemüse Diese sollen so naturbelassen eingesetzt werden können. wie möglich sein und auf scho- Diese werden in den kommennende Art haltbar gemacht den Jahren auch in Europa und werden. Gleichzeitig fordern damit in Deutschland stetig an Handel und Marketing leichte, Bedeutung gewinnen, da sie flexible und transparente Verein Weg sind, diese Ziele zu erpackungsmaterialien, die natür- reichen. lich auch unter ökologischen Gesichtspunkten gute EigenNeue rechtliche schaften aufweisen sollen. Als Grundlagen Beitrag zur Lösung dieser Probleme ist das Konzept des „Ak- Seit ungefähr einem Jahr ist tiven Verpackens“ entwickelt durch das Erscheinen der neuworden. Dabei werden zwien EU-Verordnung 450/2009 über aktive und intelligente Materialien und Gegenstände auch die rechtliche Grundlage für antimikrobiell aktive Folien gelegt. Hiernach sind aktive Materialen so definiert, dass sie gezielt Bestandteile enthalten, die Stoffe an das verpackte Lebensmittel abgeben oder diesem entziehen können. Die Veränderung der Lebensmittel, die durch die Abgabe dieser Stoffe bewirkt wird, darf jedoch Vergleich der Siegelnahtfestigkeiten bei verschiedenen Siegelnicht zu einer Irreführung des temperaturen in Abhängigkeit vom Sorbinsäuregehalt in der Verbrauchers führen, etwa Lackschicht durch Kaschieren des Verderbs. Gleichzeitig muss die Verpackung mit den Gemeinschaftsvorschriften für Lebensmittel in Einklang stehen. Im Projekt handelte es sich bei den antimikrobiellen Bestandteilen um konventionelle Konservierungsstoffe: Sorbinund Benzoesäure sind für eine Vielzahl von Lebensmitteln zugelassen. Die Lebensmittel können durch Migrationsverlauf der Sorbinsäure in Wasser, aufgetragen gegen die Quadratwurzel der Zeit zum Nachweis der Diffusion aktive Verpackungen mit weni- Am Fraunhofer IVV in Freising wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts der Industrievereinigung für Lebensmitteltechnologie und Verpackung e.V. (IVLV) untersucht, wie Verpackungsfolien mit einer Schicht aus Polyvinylactetat, die antimikrobiell aktive Substanzen enthält, lackiert werden können, um die Haltbarkeit des verpackten Lebensmittels zu verlängern. Die Wirksamkeit und Praxistauglichkeit der entwickelten Siegelfolie konnte nachgewiesen werden. 46 LEBENSMITTELTECHNIK 6/2010 ine erfolgreiche Vermarktung industriell erzeugter E Nahrungs- und Genussmittel ist IVLV e.V. Schragenhofstraße 35 80992 München Tel.: 089/14 90 09 0 Fax: 089/14 90 09 80 Internet: www.ivlv.de E-Mail: [email protected] ger direkter Konservierung belastet werden. Stattdessen konzentriert man sich auf einen unerlässlichen Oberflächenschutz. Für mikrobiologisch besonders anfällige Lebensmittel wie Fisch oder Frischfleisch, das sehr häufig von mittelständischen Unternehmen erzeugt und vermarktet wird, eröffnen sich hier interessante Möglichkeiten. In herkömmlichen Verpackungen haben diese Produkte auch bei Kühlung nur eine sehr begrenzte Haltbarkeit. Lässt sich durch den Einsatz von antimikrobiellen Verpackungen die Haltbarkeit nur um wenige Tage verlängern, bedeutet dies einen erheblichen wirtschaftlichen Zugewinn. Praxistaugliche Konzepte erarbeitet Ein Ziel des AiF-Projekts „Entwicklung und Anwendung siegelfähiger antimikrobiell aktiver Folien zur Lebensmittelverpackung“ war es, solche Folien weiterzuentwickeln. Dazu wurden antimikrobielle Wirkstoffe in eine Lackschicht aus Polyvinylacetat eingebracht, die zugleich als Siegelschicht diente. Dieser Ansatz ist neu und wurde in der wissenschaftlich-technischen Fachliteratur vorher nicht beschrieben. Auf WWW.LEBENSMITTELTECHNIK-ONLINE.DE IVLV ABBILDUNGEN: FRAUNHOFER IVV BILDDATENBANK, C. HAUSER eine optimale Maschinengängigkeit hin verfeinert. Als letzter Schritt der Projektarbeit wurden praxisnahe Tests an realen Lebensmitteln durchgeführt. Wie sich herausstellte, eignen sich die gängigen Polyolefine als Basisfolien. Verwendet wurden EK-Flex NB in der Spezifikation 20/70 (PA/PE) von der EK-Pack Folien GmbH sowie LDPE. Für Polyolefine ist eine Aktivierung der unpolaren Oberfläche zwingend erforderlich um die Haftung von Lackaufträgen sicherzustellen, für polare Werkstoffe wie Polyamid wird sie empfohlen. Für die Oberflächenbehandlung wurden zwei unterschiedliche Verfahren erprobt, das weit verbreitete und standardmäßig weise ergab sich durch das Einfügen von Sorbinsäure als aktiver Komponente eine Verbesserung der Siegelfähigkeit. Auch die Art der Basisfolie war relevant für die Siegelkraft. keime wurden Mikroorganismen aus verschiedenen Lebensmittelbereichen ausgewählt, wobei insgesamt eine möglichst große Breitenwirkung der Folien angestrebt wurde. Zum Einsatz kamen daher der Verderbniserreger Prüfung der Pseudomonas fluorescens, die Release-Eigenschaften pathogenen Keime Staphylococcus aureus und Escherichia Der gesetzlich festgelegte coli, sowie als Vertreter der HeGrenzwert für das Vorhandenfen Saccharomyces cerevisiae sein von Sorbinsäure in ausgewählten Lebensmitteln variiert. und als sehr resistenter SchimDaher ist es wichtig, die genaue melpilz Aspergillus niger. Die Migrationsmenge aus der Lack- Keimabtötung lag nach 24 Stunden bei allen vegetativen Keischicht in ein Lebensmittelmen bei mindestens 5 log-Stusimulanz zu bestimmen. Diese fen. Dies entspricht bei diesem lässt sich quantitativ mittels Testverfahren einer fast vollHPLC (Hochleistungs-Flüssigständigen Abtötung der Keime. keits-Chromatographie) mit UV-Detektion bei 260 nm ermit- Antimikrobiell aktive Schichten teln. Das Release-Verhalten ge- mit Polyvinylacetat als Lackgrundstoff können diese Keime gen Wasser wurde an Folien gemessen, also wirksam bekämpfen. Es wurden mehrere entsprechend die zwischen null ausgestattete Folien im Techniund zwanzig Prokumsmaßstab auf Produktionszent Sorbinsäure anlagen hergestellt. Es war daim Lack enthielten. bei möglich, unter ProduktionsDie Migrationsparametern zunächst eine entansätze dauerten sprechend fließfähige Lackbis zu zehn Tagen. schicht zu erreichen und diese Es konnte festgeauf der Basisfolie zu verankern, stellt werden, dass die Abgabe der Sor- sodass bei den Folien konstante Eigenschaften erzielt wurbinsäure über die Zeit dem Diffusions- den. Eine antimikrobielle Wirkung kann auch bei der technigesetz folgt. Der Schematische Darstellung der Lackier- und Kaschieranlage schen Herstellung der Folie Kristallisationsgrad durchgeführte Corona-Verfahsowohl mit schnelleren Trockvon Sorbinsäure scheint die packungskonzept ist weltweit nungszeiten und damit auch Abgabe zu fördern. Bei den auf dem Vormarsch, besonders ren und zum Vergleich ein höheren Trocknungstemperafür Fleisch, Fleischerzeugnisse Niederdruck-Plasma-Verfahren. sorbinsäurehaltigen Folien Als geeignetes Lösemittel für turen, als auch bei niedrigeren stellt sich bereits nach einem und Molkereiprodukte. Polyvinylacetat und Sorbinsäu- bis drei Tagen ein Endwert im Schichtdicken gewährleistet Wesentliche Punkte der Prowerden. Eine gewisse Mindestjektarbeit bezogen sich auf die re erwies sich Ethylacetat. Die angrenzenden Medium ein. schichtdicke bleibt jedoch aufIn mehreren MigrationsverOberfläche des Basispolymers. aufgetragenen Schichtdicken grund der Siegeleigenschaften suchen konnte nachgewiesen Sie muss eine optimale Haftung betrugen nach dem Trocknen bis zu 20 µm. Die Herstellung des Lacks sicherstellen. Das werden, dass die von der Folie erstrebenswert. Die Wirksamkeit der Folien wurde im RahLösemittel für den Lackauftrag der beschichteten Folien eran das Lebensmittelsimulanz men des Projekts an verpackmuss leicht entfernbar und wie- folgte halbautomatisch auf eiabgegebenen Konservierungstem Käse nachgewiesen. dergewinnbar sowie lebensmit- ner Lackiermaschine der Firma stoffmengen bei allen in der Erichsen, Modell Multicoater CH/ct I telgeeignet sein. Die ReleaseLackschicht getesteten KonzenK 303. Die meisten Siegelversu- trationen weit unter den für Eigenschaften und die antimiche wurden nach dem konven- verschiedene Lebensmittel krobielle Wirkung wurden antionellen Heißsiegelverfahren hand von Migrationsuntersuzulässigen Höchstmengen lieDer ausführliche Projektmit glatten Siegelwerkzeugen chungen und mikrobiologigen. Der Nachweis der antibericht kann bei der IVLVdurchgeführt. Neben der schen Versuchen mit Testkeimikrobiellen Wirkung erfolgte Geschäftsstelle unter office@ men aus dem Bereich der Bak- Schichtdicke auf den Folien qualitativ anhand des modifiivlv.de angefordert werden. terien, Hefen und Schimmelpil- wurden die Temperatur und zierten Hemmhoftests sowie der Druck der Werkzeuge vari- quantitativ mit dem Test auf ze ermittelt. Die Abgabe der iert. Die Siegelnahtfestigkeit Wirkstoffe wurde quantitativ antimikrobielle Wirksamkeit Das Projekt wurde initiiert steigt mit steigendem Siegelbestimmt. Die besten Muster JIS Z 2801:2000, einer Methode durch Dieter Sandmeier, der druck und steigender Dicke der der japanischen Gesellschaft aus den Untersuchungen wurim August 2008 überraschend Siegelschicht. Überraschender- für Industrienormen. Als Testden in weiteren Schritten auf verstorben ist. der Basis erprobter und eingeführter Verfahren lassen sich mit den Ergebnissen des Forschungsvorhabens neue innovative Lebensmittelverpackungen entwickeln und herstellen. Die Auswahl der benötigten Komponenten aus lebensmittelrechtlich zugelassenen Ausgangsprodukten stellt sicher, dass keine aufwändigen Zulassungsverfahren für die neuen Folien erforderlich sind. Als Agenzien wurden die Konservierungsstoffe Benzoesäure und Sorbinsäure eingesetzt. Antimikrobiell aktive Verpackungssysteme setzen einen direkten Kontakt zwischen der Lebensmitteloberfläche und dem Packstoff voraus, Bedingungen, die in Skin-Packungen erfüllt sind. Dieses Ver- WWW.LEBENSMITTELTECHNIK-ONLINE.DE LEBENSMITTELTECHNIK 6/2010 47