Visionenpapier „SmartLens“

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Visionenpapier „SmartLens“
MACHBARKEITSBEWERTUNG EINER AKKOMMODIERENDEN KONTAKTLINSE
Version: 1.0 (2016)
Visionenpapier SmartLens
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Executive Summary
Aktivität und Mobilität bis ins hohe Alter sind selbstverständliche Ansprüche einer Gesellschaft im
demografischen Wandel. Da alters-bedingte Funktionseinschränkungen dieser Idealvorstellung widersprechen,
werden stetig technischer Hilfsmittel zur Kompensation verlorener Funktionalität entwickelt und verfeinert.
Neben rein funktionellen Aspekten ist spielt auch die Akzeptanz der Hilfsmittel durch den Nutzer und dessen
Umfeld eine immer wichtigere Rolle. Zur Kompensation von Altersweitsichtigkeit (Presbyopie) wurde ein
Konzept einer akkommodierenden Kontaktlinse entwickelt. Ziel des vorliegenden Visionenpapiers ist die
Abschätzung der technischen Machbarkeit des Konzeptes, die Betrachtung der Nutzeranforderungen unter dem
Aspekten Akzeptanz und demografischer Wandel sowie die Entwicklung von Impulsen zur erfolgreichen
Realisierung.
Zur Realisierung einer akkommodierenden Kontaktlinse gilt es vier Herausforderungen zu bewältigen: Die
Kontaktlinse muss sensorische Komponenten enthalten, welche den Abstand des fokussierten Objektes und
damit den Akkommodationsbedarf bestimmen. Der ermittelte Akkommodationsbedarf, d.h. die notwendige
Änderung der Brechkraft der Kontaktlinse zum Erreichen einer hinreichend scharfen Abbildung, muss dann
mittels einer Aktorik in eine Brechzahländerung umgesetzt werden. Sowohl Sensorik als auch Aktorik benötigen
eine entsprechende Energieversorgung und Kommunikation zur Synchronisation zwischen beiden
Kontaktlinsen. Neben den technischen Herausforderungen gilt es auch nutzerseitige Anforderungen an ein
solches Hilfsmittel zu beachten. Neben speziellen ergonomischen Anforderungen des Nutzerkreises muss auch
die Frage der Akzeptanz eines solchen technischen Hilfsmittels betrachtet werden.
Die Bewertung der technischen Machbarkeit an Hand vorhandener Technologien zeigte, dass die notwendige
Brechzahländerung mittels Flüssigkristalllinsen realisiert werden kann. Für die Bestimmung des notwendigen
Akkommodationsbedarfes kann aus der relativen Winkeländerung der Augen zueinander die anvisierte
Fokusebene bestimmt werden. Mittels mehrachsiger Positionssensoren kann diese erfasst und von anderen
überlagerten Bewegungen unterschieden werden. Die Kommunikation der Sensoren untereinander kann mittels
Wireless Body Area Networks, RFID oder dem besonders energieeffizienten ZigBee-Standard erfolgen. Die
Energieversorgung wird als die größte Herausforderung im Konzept der akkommodierenden Kontaktlinse
betrachtet. Obwohl drahtlose Energieübertragung mittels Radiofrequenzen oder induktiver Kopplung bereits im
Kontaktlinsenformat demonstriert werden konnten, besitzen sie signifikante Einschränkungen in
Energiekapazität und Nutzerkomfort. Eine Kombination aus verschiedenen Technologien wird als zielführende
Alternative betrachtet.
Anhand der Nutzeranforderungen konnte ermittelt werden, dass eine minimale Akkommodationsdauer von
445ms für eine durchschnittliche Akkommodationscharakteristik eines jungen Menschen von Nöten ist. Zudem
wurde im Rahmen von Experteninterviews ermittelt, dass eine individuelle Anpassung der Kontaktlinsen auf die
jeweilige Hornhautoberfläche eine längere Tragedauer sicherstellt. Dafür eignen sich ausschließlich harte
Kontaktlinsensysteme. Als Herausforderung der selbst akkommodierenden Kontaktlinsen wird die
Gewährleistung einer guten Sauerstoffversorgung genannt, welcher durch einen mehrschichtigen Aufbau
reduziert sein könnte. Parallel dazu wird ein Risiko in einer möglichen Zunahme der Dicke der Linse gesehen, da
dadurch die Wahrscheinlichkeit zur Wahrnehmung eines Fremdkörpergefühls steigt. Alle Experten bewerten die
Technologie zudem als höchst erstrebenswert, da sie ein annähernd ursprüngliches und natürliches Sehen
wieder herstellt. In einer Nutzerbefragung wurde weiterhin ermittelt, dass noch viele Vorurteile gegenüber
Kontaktlinsen unter den befragten Personen vorherrschten. Zudem zeigte sich, dass mittels einer gezielt
unauffälligen Gestaltung der Kontaktlinsen die wahrgenommene Attraktivität dieser wesentlich erhöht werden
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kann. Mit Hilfe der Gestaltungsempfehlung soll die Akzeptanz solcher Linsensysteme insbesondere bei der
Einführung der Technologie gesteigert werden. Schließlich wurde erhoben, dass aktuell eine Vielzahl an
Vertriebskanälen zum Kauf von Kontaktlinsen genutzt werden. Dem gegenüber empfehlen die befragten
Experten einen Vertrieb, nur über spezialisierte Optiker, Kontaktlinseninstitute oder Augenärzte.
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Inhaltsverzeichnis
Executive Summary ........................................................................................................................................................2
1.
2.
3.
Einleitung ................................................................................................................................................................5
1.1.
Zielstellung .................................................................................................................................................... 5
1.2.
Entstehung .................................................................................................................................................... 5
Presbyopie ..............................................................................................................................................................6
2.1.
Akkommodation ........................................................................................................................................... 6
2.2.
Altersbedingte Funktionseinschränkungen ............................................................................................... 6
2.3.
Technische Hilfsmittel ................................................................................................................................. 7
Vision einer akkommodierende Kontaktlinse......................................................................................................9
3.1.
Konzeption .................................................................................................................................................... 9
3.2.
Aktorik......................................................................................................................................................... 10
3.2.1.
Anforderungen .................................................................................................................................. 10
3.2.2.
Lösungsansätze ............................................................................................................................... 10
3.2.3.
Diskussion ..........................................................................................................................................14
3.3.
3.3.1.
Anforderungen ...................................................................................................................................16
3.3.2.
Lösungsansätze ................................................................................................................................16
3.3.3.
Diskussion ......................................................................................................................................... 20
3.4.
Anforderungen ...................................................................................................................................22
3.4.2.
Lösungsansätze ................................................................................................................................23
3.4.3.
Diskussion ..........................................................................................................................................25
Energieversorgung .....................................................................................................................................26
3.5.1.
Anforderungen ...................................................................................................................................26
3.5.2.
Lösungsansätze ................................................................................................................................26
3.5.3.
Diskussion ......................................................................................................................................... 30
3.6.
5.
Kommunikation ..........................................................................................................................................22
3.4.1.
3.5.
4.
Sensorik .......................................................................................................................................................16
Zusammenfassung technische Machbarkeit ..........................................................................................31
Nutzerakzeptanz technischer Hilfsmittel ......................................................................................................... 33
4.1.
Ergonomische Nutzeranforderungen .......................................................................................................33
4.2.
Physiologische Altersanforderungen .......................................................................................................34
4.3.
Fokusgruppen .............................................................................................................................................35
4.4.
Interview-Befragung im Feld .....................................................................................................................46
Referenzen .......................................................................................................................................................... 51
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1. Einleitung
1.1. Zielstellung
Aktivität und Mobilität bis ins hohe Alter sind selbstverständliche Ansprüche einer Gesellschaft im
demografischen Wandel. Da alters-bedingte Funktionseinschränkungen dieser Idealvorstellung widersprechen,
werden stetig technischer Hilfsmittel zur Kompensation verlorener Funktionalität entwickelt und verfeinert.
Neben rein funktionellen Aspekten ist spielt auch die Akzeptanz der Hilfsmittel durch den Nutzer und dessen
Umfeld eine immer wichtigere Rolle.
Altersweitsichtigkeit (Presbyopie), d.h. der Verlust nahe Objekte scharf abzubilden, ist eine der häufigsten altersbedingten Funktionseinschränkungen. Seit Jahrhunderten wurden geschliffene Gläser zur partiellen
Kompensation der Alterssichtigkeit eingesetzt, woraus sich Brillen in der uns bekannten Form entwickelten.
Obwohl heute auch mit ambulanten Verfahren wie LASIK eine Korrektur von Sehschwächen möglich ist bzw.
auch hochwertige intra-okulare Implantate verfügbar sind, besteht ein hoher Bedarf an nicht-invasiven
Hilfsmitteln. Der eingeschränkte Komfort von Brillen sowie die begrenzte Akzeptanz bei ehemals NichtBrillenträgern formten die Vision einer akkommodierenden Kontaktlinse.
Fortschritte in der Miniaturisierung von Sensoren und Aktoren ermöglichten die Konzeption einer Kontaktlinse,
welche selbstständig die Fokusebene erkennt und dann mittels geeigneter Aktoren die Brechkraft der
Kontaktlinse derart verändert, dass eine scharfe Abbildung auf der Netzhaut möglich ist. Zur Synchronisation
und Kalibrierung der smarten Kontaktlinsen sollen diese drahtlos kommunizieren können. Mittels integrierter
Energiespeicher oder drahtloser Energieübertragung muss genügend Energie für alle Komponenten des
Systems bereitgestellt werden, um einen komfortablen Betrieb bis zu einem Tag zu gewährleisten.
Ziel des Visionenpapiers ist daher die Abschätzung der technischen Machbarkeit des Konzeptes, die
Betrachtung der Nutzeranforderungen unter dem Aspekten Akzeptanz und demografischer Wandel sowie die
Entwicklung von Impulsen zur erfolgreichen Realisierung.
1.2. Entstehung
Das Visionenpapier entstand im Rahmen des, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unter
Förderkennzeichen 16SV7013K geförderten Projektes „SmartLens“ im Rahmen des Programms „IKT 2020 –
Forschung für Innovationen“.
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2. Presbyopie
2.1. Akkommodation
Die Akkommodation bezeichnet die Fähigkeit des Auges durch Brechkraftänderung zwischen Fern- und
Nahsicht zu variieren. Zur Erklärung der zugrundeliegenden Prozesse ist ein Blick in die Physiologie des Auges
notwendig. Abbildung 1 zeigt einen Querschnitt durch ein menschliches Auge. Dabei bilden Hornhaut, Pupille
und Linse die bestimmenden Elemente des optischen Systems. Die Linse besteht hauptsächlich aus löslichen
Proteinen, welche von der festen, aber elastischen Linsenkapsel umgeben sind, und neigt daher im Ruhezustand
zu einer Kugelform. Über die am Linsenäquator angreifenden Zonulafasern wird die Linse von den zirkulären
Muskeln des Ziliarmuskels fixiert. Der Ziliarkörper übt somit einen zentrifugalen Zug auf die Linsenkapsel aus,
was zu einer Abflachung der Linse führt (Fernsicht). Kontrahieren die Ziliarmuskeln reduziert sich der
zentrifugale Zug und die Linse kehrt in Ihre ursprüngliche kugelähnliche Form(Nahsicht) zurück. Im
menschlichen Auge wird die benötigte Akkommodation zum großen Teil über die auf der Retina abgebildeten
Bildschärfe gesteuert. Eine Defokussierung induziert eine Spannungsänderung der Zonula. Die Latenzzeit der
Akkommodation3 liegt zwischen 0,2 und 0,36 sec.
Abbildung 1: Schematischer Aufbau des Auges
2.2. Altersbedingte Funktionseinschränkungen
Im Laufe eines Lebensalters finden zahlreiche Veränderungen im optischen System des Auges statt. Während
der Augapfel wächst, wächst auch die Linse schichtweise weiter. Die Fähigkeit des Auges zwischen Nah- und
Fernpunkt zu akkommodieren, die sogenannte Akkommodationsbreite, nimmt dabei kontinuierlich ab. Die
beiden häufigsten Refraktionsfehler sind dabei die Myopie (Kurzsichtigkeit) und Presbyopie (Alterssichtigkeit).
Die Myopie kann durch eine altersbedingte oder krankhafte Veränderung der Brechkraft der Linse(siehe unten)
oder eine Zunahme der Länge des Augapfels hervorvorgerufen werden. Die Presbyopie als häufigste
altersbedingte Fehlsichtigkeit wird durch eine kontinuierliche chemische Veränderung der
Linsenzusammensetzung verursacht: Die anfangs löslichen Alpha- und Beta-Kristalline kondensieren und
polymerisieren im Laufe der Zeit zu größeren unlöslichen Moleküleinheiten. In Folge dessen verliert die Linse an
Elastizität und es können Trübungen (Katarakte) auftreten. Auf Grund der verminderten Elastizität relaxiert die
Linse nur noch unzureichend für eine vollständige Akkommodation auf den Nahpunkt. Die Naheinstellgrenze
nimmt daher mit fortschreitendem Alter kontinuierlich zu (siehe Abb. 4). Während noch im Jugendalter ein
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Objekt wenige Zentimeter vor den Augen fokussiert werden kann, so beträgt die durchschnittliche
Naheinstellgrenze mit 50 Jahren bereits 50cm (siehe
Abbildung 2). Die Akkommodationsbreite sinkt in diesem Zeitraum von ca. 13-14 dpt auf nur noch 2dpt.
Entgegen den Erwartungen ist die Akkommodationszeit nicht von signifikanten Veränderungen1,2 über die
Lebenszeit betroffen. Die Latenzzeit beträgt ca. 0,2-0,36s3.
Abbildung 2: Akkomodationsbreite in dpt und minimale Sehweite in cm nach Alter4
2.3. Technische Hilfsmittel
Zur Kompensation altersbedingter Funktionseinschränkungen des Akkommodationsapparates wurden
zahlreiche technische Hilfsmittel entwickelt. Beginnend mit den einfachen vergrößernden Meniskenlinsen des
6.Jahrhunderts vor Christus begann die Entwicklung von Korrekturlinsen, welche im 13./14. Jahrhundert als
erste Nasen-getragene Nietbrillen ohne Bügel unseren heutigen Brillen sehr ähnlich waren. Die monofokale Brille
ist noch heute das verbreitetste Modell zur Korrektur optischer Fehlleistungen. Da im Alter jedoch häufig Nahund Fernkorrektur notwendig sind, d.h. zwei Brillen notwendig wären, wurden Bifokalgläser mit zwei
unterschiedlichen Brechwerten entwickelt, welche jedoch einen harten Übergang zwischen Nah- (unten) und
Fernkorrektur (oben) aufweisen. Moderne Gleitsichtbrillen bieten dagegen einen stufenlosen Übergang
zwischen den Korrekturbereichen. Da Gleitsichtbrillen jedoch einen Kompromiss aus zwei vollkorrigierten
Einstärkenbrillen darstellen, besitzen sie auch Nachteile wie relative geringe Sehbereiche, Verzerrungen im
Randbereich und teilweise signifikante Probleme in der Eingewöhnungsphase.
Mit der Einführung harter und weicher Kontaktlinsen wurden die Nachteile des Tragekomforts der Brille
weitestgehend beseitigt. Analog der Entwicklung hin zur Gleitsichtbrille sind nun auch moderne
Gleitsichtkontaktlinsen verfügbar, welche sowohl eine Nah- als auch eine Fernkorrektur zulassen.
Zur dauerhaften Korrektur starker Fehlsichtigkeit haben sich in der refraktiven Chirurgie Laserverfahren und
Intraokularlinsen als die beiden Hauptverfahren durchgesetzt. Die Laserverfahren zielen dabei auf eine
refraktive Korrektur mittels Veränderung der Hornhautkrümmung ab. Dabei wird die Hornhaut entweder
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oberflächlich (PRK, LASEK) oder in einer tiefer gelegenen Tasche mittels eines fokusierten Laserstrahls
ablatiert. Die Ablation erfolgt dabei nach einem Patienten-individuellen Muster. Mögliche Nebenwirkungen der
Verfahren sind neben Entzündungen auch Vernarbungen der Hornhaut und Schleierbildung, speziell in
Gegenlichtsituationen.
Eine weitere Methode sind Intraokularlinsen(IOL), welche entweder zusätzlich zur Linse des Auges implantiert
werden (phake Intraokularlinsen) oder diese auch komplett ersetzen. Sie bestehen analog den Kontaktlinsen
als harte IOL aus Thermoplasten, als weiche IOL aus Hydrogel oder Silikonen oder aus Kombinationen dieser
Materialien. Während die refraktive Korrektur bei besonders schwerer Fehlsichtigkeit eine Indikation für eine IOL
darstellt ist Hauptindikation der IOL die Beseitigung von Linsentrübungen (Katarakt).
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3. Vision einer akkommodierende Kontaktlinse
3.1. Konzeption
Die Kompensation krankheits- oder altersbedingter Funktionseinbußen des menschlichen Körpers ist seit jeher
Motivation medizinischer und medizintechnischer Forschung und Entwicklung. Wie im vorherigen Kapitel
gezeigt werden konnte, existierenden zahlreiche technische Hilfsmittel um das Sehvermögen auch im hohen
Alter zu erhalten. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und dem damit einhergehenden
veränderten Selbstverständnis älterer Menschen als aktiver Teil der Gesellschaft müssen auch die technischen
Hilfsmittel den gesteigerten Ansprüchen aktiver älterer Menschen genügen. Genau aus diesen Ansprüchen nach
kompromissloser Wiederherstellung der Sehfähigkeit entstand die Vision einer akkommodierenden
Kontaktlinse, d.h. einer Kontaktlinse, welche in Abhängigkeit der Fokusebene automatisch ihre Brechkraft
anpasst. Erste bahnbrechende Anwendungen wie der SENSIMED Triggerfish® zur kontinuierlichen
Augendruckmessung haben gezeigt, dass eine Integration funktionaler Komponenten möglich ist.
Zur Realisierung einer akkommodierenden Kontaktlinse gilt es vier Herausforderungen zu bewältigen:
Die Kontaktlinse muss sensorische Komponenten enthalten, welche den Abstand des fokussierten Objektes und
damit den Akkommodationsbedarf bestimmen. Hierfür existierend zahlreiche Ansätze welche im Abschnitt
Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden. näher beleuchtet werden.
Der ermittelte Akkommodationsbedarf, d.h. die notwendige Änderung der Brechkraft der Kontaktlinse zum
Erreichen einer hinreichend scharfen Abbildung, muss dann mittels einer Aktorik in eine Brechzahländerung
umgesetzt werden. Aus dem Bereich adaptiver Optik werden hierzu im Abschnitt 3.2 vielversprechende
Konzepte vorgestellt.
Abbildung 3 Technischne Herausforderungen für die Entwicklung einer akkommodierenden Kontaktlinse
Auch hier werden entsprechende Lösungsansätze in Abschnitt 3.5 und 3.3 präsentiert.
Neben den technischen Herausforderungen gilt es auch nutzerseitige Anforderungen an ein solches Hilfsmittel
zu beachten. Neben speziellen ergonomischen Anforderungen des Nutzerkreises muss auch die Frage der
Akzeptanz eines solchen technischen Hilfsmittels betrachtet werden. Kapitel 4 präsentiert hierzu Ergebnisse
empirischer Studien.
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3.2. Aktorik
3.2.1. Anforderungen
Adaptive Optik, d.h. optische Elemente die in ihrer Brechkraft angepaßt werden können, haben bereits in vielen
Consumeranwendungen (Digitalkamera, Handykameras, Überwachungstechnik) Einzug in den Alltag gefunden.
Für eine akkommodierende Kontaktlinse gelten jedoch ungleich höhere Anforderungen in Bezug auf Baugröße,
Bioverträglichkeit und Energiebedarf.
Für alle integrierten Funktionalitäten gelten die typischen Dimensionen von Kontaktlinsen als Grenze für die
maximale Baugröße. Typische Durchmesser(DIA) reichen von 8-10mm für harte bis 12-16mm für weiche
Kontaktlinsen. Da Kontaktlinsen gekrümmte Flächen darstellen muss auch der Krümmungsradius (BC) von
typischerweise 8-10mm beachtet werden. Um eine Fremdkörpergefühl durch die Kontaktlinse zu vermeiden
sollte eine Dicke der Kontaktlinse (CT) von 0,25mm nicht überschritten werden. Die für das optische System
bestimmende Apertur, d.h. kleinste Öffnungsweite, leitet sich von einer durchschnittlichen maximalen
Pupillengröße von 10mm ab. Für die Aktorik bedeutet dies, dass der nutzbare Linsendurchmesser mindestens
10mm betragen muss. Da dieser zentrale Bereich dem optischen Fenster entspricht, sollte dieser Bereich frei
von optischen Störungen (nichttransparente Leitbahnen, Sensoren,…) sein.
Die Aufgabe der akkommodierenden Kontaktlinse ist die Kompensation der altersbedingten verringerten
Akkommodationsfähigkeit des Auges. Wird als Ziel die Sehleistung eines ca. 20-Jährigen mit einer
Naheinstellgrenze von 10cm gewählt, ergibt sich daraus eine Akkommodationsbreite von 10dpt. Wird die
notwendige Naheinstellgrenze auf 50cm reduziert, so reduziert sich die notwendige Akkommodationsbreite
signifikant auf nur noch 2dpt. Die Geschwindigkeit der Akkommodation des Auges ist dabei stark Probandenund Situationsabhängig. So zeigen Referenzmessungen5, daß sowohl die Akkommodation von fern zu nah
schneller abläuft als umgekehrt als auch bei binokularem Sehen signifikant schneller akkommodiert wird. Als
Referenzwert für das technische Akkommodationssystem sollen Akkommodationszeiten <1s als hinreichend
angesehen werden.
Die Energiebilanz des technischen Akkommodationssystems setzt sich aus dem Energiebedarf für Sensorik,
Datenverarbeitung, Kommunikation und Aktorik zusammen. Die Energiemenge kann mittels Energiespeichern,
Energiegewinnung sowie Energieübertragung bereitgestellt werden.
Die Materialauswahl muss neben funktionalen Anforderungen auch der Bioverträglichkeit genügen. Dazu sind
hyproallergene Materialien mit einer hohen Sauerstoffdurchlässigkeit zu bevorzugen. Zusätzlich sind die
Anforderungen des Medizinproduktegesetzes zu beachten.
3.2.2. Lösungsansätze
Für die Umsetzung der aktorischen Komponente der akkommodierenden Kontaktlinse existieren zahlreiche
vielversprechende Ansätze, welche teils makroskopischen adaptiven Optiken entlehnt sind und teils speziell für
den Anwendungsfall Kontaktlinse entwickelt worden sind. Im Folgenden werden kurz die technologischen
Grundlagen der Ansätze sowie mögliche Vor- und Nachteile mit Hinblick auf die akkommodierende Kontaktlinse
beleuchtet.
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Linsenverschiebung
Die Verschiebung von monofokalen Linsen relativ zum Objekt oder relativ zueinander ist die älteste Möglichkeit
der Fokussierung. In modernen bildgebenden Systemen (Mikroskope, Kamera-Objektive, …) ist die
Linsenverschiebung immer noch die vorherrschende Technologie.
Im Projekt KueAkk (FKZ 16SV3940)6 wurden bereits zahlreiche Aktuatorprinzipien für ein implantierbares
Akkommodationssystem verglichen und eine Alvarez-Humphrey-Linse als aussichtsreichste Lösung präferiert.
Diese bestehen aus zwei dünnen Linsen variierender Dicke, welche bei lateraler Verschiebung zueinander Ihre
Brechkraft verändern (siehe Abbildung 4). Vorteil dieses Systems gegenüber der herkömmlichen Verschiebung
entlang der optischen Achse ist die sehr kompakte Bauform. Ein weiterer Vorteil der Linsenverschiebung
allgemein, ist je nach Ausführung, der geringe Energiebedarf bei Änderung der Brechraft(geringe Auslenkungen
notwendig) sowie beim Halten einer erreichten Position. Bisher wurden jedoch nur plane Alvarez-HumphreyLinsen beschrieben. Ob eine Überführung auf die gekrümmte Oberfläche einer Kontaktlinse möglich ist konnte
noch nicht gezeigt werden. Zusätzlich handelt es sich beim KueAkk-System um ein implantierbares System,
welches eine hermetische Kapselung des Linsensystems zuläßt. Im Anwendungsfall der Kontaktlinse ist der
Bauraum stark beschränkt, so dass eine hermetisch dichte und mechanisch stabile Kapselung eine besondere
Herausforderung darstellt.
Abbildung 4: Schematische Darstellung des Querschnitts einer Alvarez-Linse lateral ausgelenkt
Linsenverformung
Da bei einer Linse Form und Brechzahl die wesentlichen Einflußfaktoren für die resultierende Brechkraft
darstellen ist eine weitere Möglichkeit adaptiver Optik die Änderung der Linsenform. Hierzu existieren drei
grundsätzliche Möglichkeit: Es können voll-elastische Linsen mechanisch verformt werden, Flüssigkeits-gefüllte
Linsen können durch Volumenänderung bzw. Flüssigkeitstropfen können durch Beeinflußung der
Benetzungseigenschaften in ihrer Form verändert werden.
Für die Brechkraftänderung mittels mechanischer Verformung werden dünne Elastomerlinsen durch radiale
Krafteinleitung7 deformiert. Durch das resultierende Abdünnen der Linse ist dabei lediglich eine Reduktion der
Brechkraft erzielbar. Die hohen notwendigen Kräfte können beispielsweise mittels piezoelektrischer Wandler
oder Formgedächtnislegierungen7 erzeugt werden. Weitere Nachteile sind die kritische Einspannung der
Elastomerlinsen sowie Abbildungsfehler durch asymmetrische Krafteinleitung.
Eine Zwischenform aus Flüssigkeitslinsen und mechanisch verformten Linsen stellen flüssigkeitsbasierte
Linsen dar. Der Grundaufbau8 besteht dabei aus einer flüssigkeitsgefüllten geschlossenen Kavität, die von
mindestens einer elastisch verformbaren Membran begrenzt wird. Wird nun der Druck in der Kavität verändert,
so kann durch die inkompressible Flüssigkeit die Membran nach innen(konkav) oder außen(konvex) verwölbt
werden. Die Druckänderung kann dabei im einfachsten Fall extern durch Pumpen 9 oder Stößel10 erfolgen. In
einem hydraulisch geschlossenen System mit einem zusätzlichen Flüssigkeitsreservoir kann die
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Druckerzeugung auch durch integrierte Aktormechanismen erzeugt werden. Bei dielektrischen Aktoren wird
hierfür die elektrostatische Anziehung einer starren und einer flexiblen oder zwei flexibler Elektroden genutzt.
Wird an die Elektroden eine Spannungsdifferenz angelegt ziehen sich die Elektroden an und der Abstand der
Elektroden verringert sich. Diese Abstandsänderung resultiert entweder direkt in einer Druckbeaufschlagung
der Flüssigkeit11,12 oder führt in sogenannten dielektrischen Elastomer Aktoren (EAP)13,14,15 in eine Streckung
einer vorgespannten Elastomermembran, welche wiederrum die Flüssigkeit verdrängt (siehe Abbildung 5).
Vorteile dielektrischer Aktoren sind die hohe Geschwindigkeit sowie der geringe Energiebedarf (nur
Umladeströme notwendig). Da die Kraftwirkung direkt proportional zum elektrischen Feld zwischen den
Elektroden ist, werden jedoch üblicherweise hohe Spannungen benötigt.
Abbildung 5: Flüssigkeitsgefüllte Linse mit integriertem dielektrischen Aktuator 16
Eine weitere Möglichkeit der Druckbeaufschlagung des Flüssigkeitsreservoirs ist eine magnetische
Aktivierung17. Hierfür wird, analog dem Aufbau in Abbildung 5, die flexible Membran mit einem
Permanentmagneten verbunden, der dann über ein externes Magnetfeld angezogen oder abgestoßen wird.
Vorteil des elektromagnetische Aktorprinzips ist die mögliche Geschwindigkeit und die bi-direktionale
Auslenkung. Im Gegensatz zu dielektrischen Aktoren werden jedoch für ausreichende hohe Auslenkungen hohe
Ströme (auch im Haltefall) benötigt.
Schnelle Aktuierung ermöglicht auch die Nutzung piezoelektrischer (Biege-)Wandler zur Auslenkung der
Reservoirmembran.
Abbildung 6 zeigt eine mögliche Ausführungsvariante mit konzentrischem
Flüssigkeitsreservoir und Piezobiegeaktoren. Vorteile piezoelektrischer Wandler sind geringe
Leistungsaufnahme und geringe Energieaufnahme in der Halteposition. Analog dielektrischen Aktoren
benötigen Sie jedoch ebenfalls hohe Spannungen.
Abbildung 6: Flüssigkeitsgefüllte Linse mit konzentrischem Flüssigkeitsreservoir und Piezobiegewandlern18
Reine Flüssigkeitslinsen nutzen die steuerbare Benetzung von Flüssigkeitstropfen (electrowetting) auf speziell
präparierten Oberflächen. Wird zwischen einem Flüssigkeitstropfen auf einer isolierten Elektrode19 und der
Elektrode eine elektrisches Feld erzeugt, so zieht das Streufeld an den Rändern des Tropfens den Tropfen
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stärker an die Oberfläche. Somit vergrößert sich die benetzte Fläche und der Kontaktwinkel sowie der Radius
der Flüssigkeitslinse nimmt ab. Häufig werden die Flüssigkeitstropfen zusätzlich in einem inerten Medium20
gekapselt, um einerseits die Tropfen zu stabilisieren und andererseits die optischen Eigenschaften zu verändern.
So entstehen je nach Kombination aus hochbrechendem Tropfen und niedrig-brechender Kapselung bzw.
niedrigbrechenden Tropfen und hochbrechender Kapselung negative oder positive Brechzahländerungen bei
Aktuierung. Abbildung 7 zeigt ein Beispiel einer Flüssigkeitslinse auch hochbrechendem Silikonöl in einer
Verkapselung aus niedrigbrechendem Polyalkohol. Das System besteht aus passivierten Aluminiumelektroden
auf einer gekrümmten Oberfläche eines Silikonsubstrates. Neben der Steuerspannung wirkt, mit steigender
Linsenapertur und damit zunehmender Tropfengröße, auch die lageabhänge Gravitation auf den Tropfen ein
und deformiert diesen. Die damit einhergehende abnehmende Abbildungsleistung begrenzt die technisch
einsetzbareren Aperturen21. Werden die Dichten des Tropfenmaterials und der umgebenden Flüssigkeit
angeglichen21, so kann der Gravitationseinfluß minimiert werden.
Abbildung 7 Flüssigkeitslinse auf einem gekrümmten Silikonsubstrat. Das hochbrechende Silikonöl formt einen
Tropfen in einer Kapselung aus niedrigbrechendem Polyalkohol. 22
Brechzahländerung
Bleiben Form und Position einer optischen Linse unverändert so kann über die Veränderung des
Brechnungsindexes die Brechkraft der Linse verändert werden. Der elektrooptische Kerr-Effekt, auch
quadratischer elektrooptischer Effekt, beschreibt die Änderung der Polarisation und des Brechungsindexes
durch Ladungsverschiebung in einem Material proportional zum Quadrat des angelegten elektrischen Feldes.
In technischen Systemen wird der Kerreffekt vor allem in kristallinen Materialien 23 und Flüssigkristallen24
genutzt.
Auf Grund der geringen Größenordnung(~10-4) der Brechzahländerung durch den Kerr-Effekt bei kristallinen
Materialien sind lange Wechselwirkungstrecken und hohe Spannungen für signifikante Brechzahlunterschiede
notwendig23.
Auch Flüssigkristalle weisen auf Grund ihres Molekülaufbaus anisotrope, polarisationsabhängige optische
Eigenschaften auf25. Mit sogenannten „Blue Phase Liquid Crystals“, einer speziellen Orientierung von
Flüssigkristallen, können besonders hohe Kerr-Konstanten erreicht werden26,27,28. Flüssigkristalle weisen dazu
besonders geringe Schaltzeiten29 sowie niedrige Schaltspannungen30 auf. Der prinzipielle Aufbau der
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Flüssigkristalllinsen besteht dabei aus zwei transparenten Substraten die eine abgeschlossene Kavität für die
Flüssigkristalllösung bilden. Zur Ansteuerung werden häufig transparente Elektroden aus Zinnoxid (ITO)
verwendet. Abbildung 8 zeigt die Übertragung einer Flüssigkristalllinse in eine Kontaktlinsenform mit nur ca.
300µm Gesamtdicke. Die Akkommodationsbreite beträgt 2dpt bei nur 1,76V jedoch einer Antwortzeit von 3,5s.
Abbildung 8 Flüssigkristalllinse in Form einer Kontaktlinse 31: (a) schematischer Querschnitt, (b) Fotographie und
(c) 3D-Modell der Kontaktlinse
3.2.3. Diskussion
Adaptive Optiken eröffnen eine Vielzahl möglicher technischer Lösung für die Fragestellung einer
akkommodierenden Kontaktlinse. Spiegelt man die vorhandenen Technologien an dem Anforderungsprofil
hinsichtlich Akkommodationsbreite, Bauraum, Sicherheit und Energiebedarf so zeigen sich starke Unterschiede.
Wie in Tabelle 1 ersichtlich ist erfüllen fast alle selektierten Technologien (in ihren vorgestellten
Konfigurationen) die notwendigen 2dpt Akkommodationsbreite. Dabei sind die Bauformen sehr unterschiedlich:
Da bei Kerreffektlinsen die Akkommodationsbreite direkt von der Dicke der Linse abhängig sind und nur
Materialien mit geringen Kerreffekten zur Verfügung stehen, werden zur Zeit Dicken im Millimeterbereich für
signifikante Brechzahländerungen benötigt. Membranlinsen wiederum können in geringen Dicken hergestellt
werden, müssen diese jedoch für eine Brechzahländerung verändern/erhöhen. Somit könnte auf Grund der
Dicke der Kontaktlinse ein Fremdkörpergefühl entstehen. Linsen auf Basis von Electrowetting variieren ebenfalls
die Form der Linse, jedoch ist eine vollständige (starre) Kapselung möglich, wodurch eine gelichbleibende Dicke
der Kontaktlinse erreicht werden könnte. Flüssigkristalllinsen können, wie im auf geführten Beispiel 31, in
geringen Dicken realisiert werden. Durch die Änderung der Brechzahl des Flüssigkristalls bleibt die Linsenform
bei Akkommodation konstant.
Da es sich bei der akkommodierenden Kontaktlinse um ein Medizinprodukt handelt müssen auch die
Anforderungen durch das Medizinproduktegesetz hinsichtlich Sicherheit beachtet werden. Dies schließt
faktisch alle Prinzipien mit Spannungen >48V aus.
Die Leistungsaufnahme ist ein weiterer stark limitierender Faktor für eine erfolgreiche Integration. Leider sind
Daten zur Leistungsaufnahme nur spärlich verfügbar. Vom derzeitigen Wissensstand aus sollte die
Leistungsaufnahme so gering wie möglich ausfallen.
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Tabelle 1: Übersicht über technische Spezifikationen möglicher Aktortechnologien
Referenz
Prinzip
ΔD [dpt]
[7]
Linsen-verformung
4,0
ΔD/t
[dpt/s]
1
DIA
[mm]
8
Dicke
[mm]
3,4mm
Spannung
3V
Leistungsaufnahme
6W
[9]
Membranlinse
4,0
-
8
-
-
-
[10]
Membranlinse
30,0
-
10,5
-
-
-
[11]
Membranlinse
15,8
167
7,6
0,75mm
4kV
160mW
[12]
Membranlinse
8,0
8
3
0,7mm
22V
-
[13]
Membranlinse
20,0
7200
8
-
4,5kV
-
[15]
Membranlinse
29,9
-
5
2,7mm
1kV
-
[18]
Membranlinse
31,3
-
5
-
44V
-
[21]
Membranlinse
70,0
2333
2,5
-
250V
[20]
Electrowetting
434,0
434000
0,8
1,5mm
45V
einige
mW
200µW
[22]
Electrowetting
88,3
68
1,4
0,45mm
125V
-
[19]
Electrowetting
240,4
1093
1,76
0,65mm
200V
0,1mW
[23]
Kerr-Linse
1,4
1258
3
4mm
1,2KV
-
[31]
Flüssigkristall-Linse
2,0
1
4
0,3mm
5V
-
Tabelle 2 faßt die Eignung der Aktortechnologien zusammen. Mechanische Linsenverformung ist auf Grund
ihrer Bauform sowie der prognostizierten Leistungsaufnahme ungeeignet. Membranlinsen besitzen bereits jetzt
ausreichend Akkommodationsbreite und könnten durch weitere Miniaturisierung und sichere und
energieeffiziente Antriebstechnologien in Zukunft für die Kontaktlinse geeignet sein. Das Prinzip des
Electrowetting erfüllt nahezu alle Anforderungen, jedoch arbeiten viele Systeme noch mit unzulässig hohen
Spannungen. Linsen nach dem Kerr-prinzip sind auf Grund Akkommodationsbreite, Bauform und
Sicherheitsaspekten ungeeignet. Flüssigkristalllinsen besitzen, wie schon erfolgreich demonstriert wurde, das
Potential der Integration in Kontaktlinsen. Sie können sehr flach und formstabil realisiert werden, verfügen über
hinreichend Brechzahländerung und können mit geringen Spannungen aktuiert werden. Zusätzlich besitzen sie
keine beweglichen Strukturen, was die Komplexität verringert und die Robustheit des Systems signifikant
erhöht. Auf Grund der geringen Umladeströme bei Flüssigkristallen wird weiterhin von einer geringen
Leistungsaufnahme ausgegangen.
Tabelle 2: Eignung von Aktortechnologien für eine akkommodierende Kontaktlinse (+ = geeignet, 0 = bedingt
geeignet, - = ungeeignet)
Prinzip
Linsen-verformung
Membranlinse
Electrowetting
Kerr-Linse
Flüssigkristall-Linse
Akkommodationsbreite
Bauform
Sicherheit
Leistungsaufnahme
+
+
+
+
0
+
+
+
0
0
+
0
+
?
?
Visionenpapier SmartLens
16
3.3. Sensorik
3.3.1. Anforderungen
Die Anforderungen an den Sensor zur Bestimmung der benötigten Akkommodation werden kategorisiert in
Sensordimension, Messzeit und Integration.
Die Sensordimension wird durch das Abmaß der Kontaktlinse und die maximal ausgeweiteten Pupillengröße
begrenzt. Eine typische Kontaktlinse besitzt einen Durchmesser von 13 mm. Die maximale Pupillenweite
beträgt 10 mm.3 Die resultierende maximale Sensorgröße beträgt max. 3 mm in radialer Richtung. Die
Dicke ist begrenzt durch den Dicke einer Kontaktlinse im äußeren radialen Bereich und muss kleiner als
250 µm sein, um vom Probanden nicht als störend empfunden zu werden.3
Die Messzeit der Sensorik und die Zeit für den Brechungswechsel der Aktorik sollten geringer als 200 ms
sein, damit die Anpassungszeiten vom Kontaktlinsenträger unbemerkt sind. Die Latenzzeit zur
Akkommodation des menschlichen Auges beträgt 0,2 bis 0,36 sec.3, 32, 33
Um den Sensor auf einer Kontaktlinse zu integrieren, ist ein nicht-invasives Messprinzip notwendig welches
keine Anschlüsse im Auge oder anderen Körperpartien benötigt. Intraokulare Messprinzipien müssen somit
ausgeschlossen werden. Weiterhin wird davon abgesehen zusätzliche Apparaturen am Körper des
Kontaktlinsenträgers anzubringen. Der Sensor muss sich in seinem Aufbau auf die Kontaktlinse beschränken.
3.3.2. Lösungsansätze
Messprinzipen zur Detektion der benötigten Akkommodation sind vielseitig, da sich folgende physiologische
Parameter in Abhängigkeit von der Akkommodation ändern:
1) Kontraktion des inneren Augenmuskel Musculus ciliaris
2) Pupillenweite
3) Augenorientierung / Pupillenabstand
Kontraktion des inneren Augenmuskel Musculus ciliaris
Die elektromyographische Detektion der Spannungsänderung am inneren Augenmuskel ist nur intraokular
möglich und wurde bisher nicht publiziert.
Pupillenweite
Die Pupillenweite ändert sich in Abhängigkeit der Fokussebene. Die Pupillenweite verengt sich mit der
Fokussierung auf einen Gegenstand nahe dem Auge. Die Änderung der Pupillenweite ist auch abhängig von der
in das Auge einfallenden Lichtintensität. Die Anpassung der Pupillenweite auf die Fokusebene beträgt 10 bis
15 sec.3 Ein Sensor zur Bestimmung der Pupillenweite wurde am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und
dem Forschungsinstitut für Mikrosensorik und Photovoltaik GmBH (CiS) entwickelt und ist in Abbildung 9
dargestellt.34
Visionenpapier SmartLens
17
Abbildung 9: am KIT und CiS entwickelter Prototyp eines Pupillenweitensensors34
Augenorientierung
Die Orientierung der Augen (Winkel und Abstand der Pupillen zueinander) ändert sich in Abhängigkeit vom
Blickfokus. Wie in Abbildung 10 dargestellt verringert sich der Pupillenabstand bei naher Fokussierung und
erhöht sich bei der Fernfokussierung.
Abbildung 10: Orientierung der Augäpfel in Abhängigkeit vom Blickfokus
Die direkte Bewegungsdetektion der Augen kann mit der Einbringung eines Sensors auf der Kontaktlinse
erfolgen. Hierbei wird das Eye-tracking, Magnetsensoren als Abstandssenoren und Inertialsensoren in Betracht
gezogen. Die vertikale Bewegung der Augen zur Nah- und Fernfokussierung wird für die Anwendung von
Bifokalgläser und Gleitsichtbrillen angewandt. Der Nahfokuss liegt hierbei im unteren Blickfeld da sich die Augen
zur Nahfokussierung in den meisten Fällen (zum Beispiel Lesen) senken. Hierbei sind jedoch auch
Ausnahmefälle, wie zum Beispiel Monitorarbeiten, zu beachten, in welchen der Nahfokussbereich im mittleren
Blickfeld ist.3
Zur Ermittlung geeigneter Sensoren ist die Bestimmung der Abstands- und Winkeländerungen für bestimmte
Fokusbereiche notwendig, um die erforderte Messgenauigkeit der Sensoren zu ermitteln. Der durchschnittliche
Pupillenabstand beim Blick in die Ferne beträgt 65 mm und der Winkel α (siehe Abbildung 11) 90°. Bei einer
Nahfokussierung auf 10 cm vor dem Auge werden der Winkel auf 72° und der Pupillenabstand auf 57,58 mm
reduziert. In der Abbildung 11 sind berechnete Pupillenabstände und Winkel für die jeweilige Fokusebene
dargestellt.
Abbildung 11: Berechneter Winkel und Pupillenabstand bei verschiedenen Blickebenen
In der Abbildung 12 und in der Abbildung 13 sind die Änderungen des Winkels α und der Pupillenabstand beider
Augen in Abhängigkeit der Fokusebene dargestellt. Im Nahbereich (10 cm bis 1 m) wird eine höhere Winkelbeziehungsweise Abstandsänderung als im Fernbereich festgestellt. Eine Fokusänderung von 10 cm auf 20 cm
induziert eine Winkeländerung um 8,775° und eine Abstandsänderung um 3,57 mm. Diese Änderung wird mit
zunehmender Blickferne stark reduziert. Eine Fokusänderung von 100 cm auf 200 cm induziert eine
Visionenpapier SmartLens
18
Winkeländerung um 0,931° und eine Abstandsänderung um 0,39 mm. Für die Messgenauigkeit des Sensors
wird ein Messbereich von 75 mm mit einer Genauigkeit von 100 µm bzw. 0,2° Winkeländerung angestrebt.
Dieser Messbereich ist ausreichend, um in 1 m Entfernung eine Fokusänderung um 10 cm zu detektieren.
Abbildung 12: graphische Darstellung der Veränderung des Winkels αin Abhängigkeit von der Blickfokusferne
Abbildung 13: graphische Darstellung des Pupillenabstandes x in Abhängigkeit von der Blickfokusferne
Detektion der Augenorientierung mittels Eye-tracking
Das Eye-tracking ist ein Fachgebiet welches sich bereits seit 1800 mit der Detektion der Augenbewegung
beschäftigt. Um 1950 wurden verschiedene Systeme etabliert:35
Tabelle 3: Eye-tracking Messsysteme
Bezeichnung
Messprinzip
Verspiegelte Kontaktlinsen
Dem Probanden werden Kontaktlinsen mit einem verspiegelten Areal
eingesetzt. Die Augenbewegung wird anhand der Reflexion der Kontaktlinsen
mit Hilfe eines externen Kamerasystems detektiert.
Search-Coil Kontaktlinsen
Dem Probanden werden Kontaktlinsen mit integrierten Spulen eingesetzt.
Über ein von außen angelegtes hochfrequentes elektromagnetisches Feld
wird die Position der Linsen mittels Induktion detektiert.
Visionenpapier SmartLens
Elektrookulographie
19
Das Elektrookulogramm nutzt den physiologischen Effekt, dass der Augapfel
ein Dipol ist. Die Bewegung des Augapfels wird hierbei anhand von
Potenzialschwankungen, gemessen auf dem temporalen und nasalen
Lidwinkel, bestimmt.1
Cornea-Reflexions-Methode
Aufgrund der unterschiedlichen Krümmung von Hornhaut und Augapfel
wandert der Cornea-Reflex in Abhängigkeit der Augenbewegung. Dieser
Cornea-Reflex wird mithilfe eines (Infrarot-) Lichtreflexes auf der
Hornhautoberfläche detektiert. Der Einsatz einer externen Lichtquelle und
eines externen Kamerasystems ist hierfür notwendig.
Detektion der Augenorientierung mittels Magnetsensorik
Innerhalb des BMBF-Projektes KueAkk (Förderung 16SV3940) wurde die Magnetfeld-Sensorik zur Detektion des
Augenabstandes patentiert36,37,38 und ist in Abbildung 14 dargestellt. Mit auf Kontaktlinsen integrierten
Magnetfeldsensoren wird die Augenorientierung in Bezug auf ein Erdmagnetfeld oder ein kopffestes Magnetfeld
bestimmt.39
Abbildung 14: schematische Darstellung der patentierten Magnetfeld-Sensorik im Projekt KueAkk39
Detektion der Augenorientierung mittels Intertialsensorik
Eine alternative zur klassischen Abstandssensorik ist die Intertialsensorik. Inertialsensoren beinhalten
Accelerometer und Gyroskope mit welchen die Bewegung des Auges anhand der Beschleunigung
beziehungsweise der Winkeländerung bestimmt werden kann. Als Beispiel besitzt der in der Abbildung 15
dargestellte Inertialsensor BMI055 ein Gyroskop, welches eine Auflösung von 0,1°/s aufweist. 40 Zur Auflösung
von 0,2° in 0,2 s ist eine Auflösung von 1°/s ausreichend. Inertialsensoren sind in Ihrer Entwicklung weit
fortgeschritten, kostengünstig und in kleinen Abmaßen kommerziell erhältlich (Bsp. BMI055 der Firma Bosch: 3
mm x 4,5 mm x 0,95 mm).
Abbildung 15: Fotographie des Inertial-Sensor BMI055 der Firma Bosch40
Visionenpapier SmartLens
20
3.3.3. Diskussion
Die invasiven Messprinzipien Detektion der Spannungsänderung am Musculus ciliaris, Elektromyographie und
Elektrookulogramm sind nicht integrierbar und werden als Sensorprinzipien ausgeschlossen.
Von der Detektion mittels einem Pupillenweitensensor wird abgesehen, da die Pupillenweite sowohl von
Fokusentfernung als auch von der Intensität des einfallenden Lichtes abhängt und eine lange Anpassungszeit
von mehreren Sekunden besitzt.
Die Messung der Augenorientierung anhand von der Integration eines Abstands-, Beschleunigungs- oder
Inertialsensors auf der Kontaktlinse ist möglich. Hierbei wird die Horizontalbewegung detektiert und somit auf
den Blickfokuss geschlossen. Dieses Messprinzip erweist sich als Optimum zur Integration auf einer
Kontaktlinse. Drei Detektionsstörungen müssen hierbei betrachtet werden:
-
Eigenbewegung der Linse im Tränenfilm bzw. Ablösen der Kontaktlinse bei Lidschluss
-
Abhängigkeit des Augenabstandes vom Kontaktlinsenträgers
-
Unwillkürliches Augenbewegungen
Harte Kontaktlinsen lösen sich vom Augapfel mit jedem Lidschluss komplett ab und fügen sich bei erneuten
öffnen des Auges an.3 Da hierbei die Position der Kontaktlinse verändert wird kann keine harte Kontaktlinse für
dieses Messprinzip eingesetzt werden. Eine weiche Kontaktlinse verbleibt in ihrer Position bei Lidschluss und –
Öffnung. Da Kontaktlinsen grundlegend nicht saugend auf dem Auge aufgebracht werden, besitzen auch weiche
Linsen eine gewisse Eigenbewegung im Tränenfilm.3 In der Literatur konnten keine exakten Messwerte zur
Größenordnung dieser Eigenbewegungen ermittelt werden. Die Kalibrierung mit Blickfokussierung in der Ferne
zur Ermittlung des Ausgangsabstandes würde die Abhängigkeit vom individuellen Augenabstand des
Kontaktlinsenträgers beseitigen. Unwillkürliche Augenbewegungen, unabhängig von der Fokussierung auf
Objekte zur scharfen Abbildung, betragen wenige µm3 und sind für eine an den Sensor angestrebte
Messgenauigkeit von 100 µm unkritisch.
Die Methoden des Eye-tracking eignen sich nicht für die vollständige Kontaktlinsen-Integration, da externe, nicht
auf der Kontaktlinse integrierbare oder invasive (Elektrookulographie) Systeme, notwendig sind. Unter
Verwendung von verspiegelten Kontaktlinsen und der Cornea-Reflexions-Methode sind Kamerasysteme
beziehungsweise externe Lichtquellen notwendig. Die induktive Detektion der Augenbewegung mit Search-Coil
Kontaktlinsen bedarf ein äußeres elektromagnetisches Feld, welches mithilfe einer am Kopf des Probanden
befestigten Apparatur realisiert wird.
Die Magnetfeld-Sensorik als Abstandssensorik auf einer Kontaktlinse wurde bereits patentiert 36;37;38.
Veröffentlichungen zur technischen Realisierung wurden innerhalb der Literaturrecherche nicht aufgefunden.
Nachteil der Magnetfeld-Sensorik ist die Abhängigkeit vom äußeren Magnetfeld. Unter Verwendung des
Erdmagnetfeldes müssen die Varianz der Magnetfeldstärke in Abhängigkeit der geographischen Lage und
Einfluss von künstlich erzeugten Magnetfelder als äußere Störeinflüsse beachtet werden. Die Verwendung eines
kopffesten Magnetfeldes ist störungsfrei und ermöglicht genauere Messergebnisse, ist jedoch mit einer starken
Einschränkung im Tragekomfort verbunden.
Die Ermittlung der Augenorientierung anhand von Inertialsensoren beinhaltet nach Recherche das größte
Potenzial zu technischen Integrierung. Sensoren in den passenden Abmaßen sind bereits kommerziell erhältlich
und technisch in der Lage Bewegungen in diesem geringen Maßstab zu detektieren. Problematisch erweist sich,
dass mittels dieser Sensorik die gesamte Bewegung des Kontaktlinsenträgers detektiert wird. Die
Abstandsänderung beziehungsweise Winkeländerung muss aus den Gesamtdaten der beiden Kontaktlinsen
Visionenpapier SmartLens
21
extrahiert werden, welches einen erhöhten Aufwand im Vergleich zur direkten Abstanddetektion mittels
Magnetfeld-Sensorik aufweist.
Visionenpapier SmartLens
22
3.4. Kommunikation
3.4.1. Anforderungen
Wie im Abschnitt 3.1 bereits aufgeführt wurde, ist für das Konzept einer akkommodierenden Kontaktlinse eine
Kommunikation zwingend erforderlich. Die Anforderungen leiten sich dabei von der verwendeten Sensorlösung
sowie dem energetischen Konzept des Systems ab. Wird die Information über den Akkommodationsbedarf aus
einer Kombination von Messwerten beider Augen ermittelt, so müssen diese Informationen gesammelt,
verarbeitet und eine entsprechende Stellinformation für das Aktorsystem errechnet werden. Aus den Vorgaben
leiten sich zwei prinzipielle Kommunikationsschemata ab:
1. Als autarkes System sammeln die Kontaktlinsen Informationen zum Akkommodationsbedarf und errechnen
selbstständig die Stellwerte für die Aktoren. Eine drahtlose Kommunikation ist zwischen den Kontaktlinsen
notwendig sowie ggf. zu einem externen Steuergerät zur Kalibration. Die Energieversorgung wird autark
realisiert.
2. Als gesteuertes System sammeln die Kontaktlinsen Messdaten und übermitteln diese an ein externes
Steuergerät, welches dann die Stellwerte für die Aktorik berechnet und an die Kontaktlinsen zurück übermittelt.
Für eine schnelle Reaktion müssen sowohl Kommunikation als auch die Berechnung des Stellwertes in Echtzeit
erfolgen. Die Energieversorgung wird autark oder drahtlos von extern realisiert.
Im Fall eins wird für die Kommunikation zwischen den Kontaktlinsen eine energie-effiziente
Nahfeldkommunikation mit einer ausreichenden Bandbreite und für die Kalibrierung eine zusätzliche Nah- oder
Fernfeldkommunikation mit beschränkter Bandbreite benötigt. Für das zweite Kommunikationsschema wird
eine energieeffiziente Fernfeldkommunikation mit hoher Bandbreite benötigt.
Abbildung 16: Kommunikationsschemata für die Vernetzung zwischen den Kontaktlinsen. Links: autarke
Kommunikation zwischen den Kontaktlinsen und Abgleich von Position und bestimmten Akkommodationsbedarf.
Rechts: Kommunikation mittels eines zentralen Steuergerätes (Controller).
Die notwendige Bandbreite kann exemplarisch an einem 9-achsigen Positionssensor41 bei einer Samplingrate
von 100Hz abgeschätzt werden. Mit Auflösungen (pro Achse) von 14bit für Beschleunigung, 16Bit für Drehrate
und 15bit für den Magnetfeldsensor, ergibt sich mit 100% Protokoll-overhead eine Datenrate von 27kpbs für
Visionenpapier SmartLens
23
eine Kontaktlinse. Für das bandbreite-intensive Kommunikationsschema einer zentralen Steuereinheit ergibt
sich somit eine Datenaufkommen von 108kbps.
Neben den Anforderungen an Bandbreite und Energieeffizienz muss auch die Sicherheit der Datenübertragung
gegenüber Störungen(Frequenzband) und Manipulation(Verschlüsselung) beachtet werden.
3.4.2. Lösungsansätze
Die bidirektionale Kommunikation zwischen den Kontaktlinsen sowie zwischen Kontaktlinsen und einem
externen Steuergerät erfordert energieeffiziente Technologien für Nahfeld und Fernfeld. Auf Grund der
physiologischen Gegebenheiten schließen sich optische Kommunikationsverfahren aus, da keine direkte
Sichtverbindung zwischen den Kontaktlinsen besteht. Für funkbasierte Technologien existierenden vielfältige
Standrads für Nah(RFID, NFC)- und Fernfeld(WIFI, Bluetooth, Zigbee, WBAN). Nicht beachtet werden Wireless
USB, welche höchste Datenraten (Mb/s - Gb/s) in Nahbereich postulieren, sowie Technologien der
Telekommunikation (3G, GSM).
RFID
Radio-frequency Identification (RFID) bezeichnet genormte (ISO18000)42 funkbasierte Technologien, welche
hauptsächlich zur Identifikation von Personen und Gegenständen genutzt werden. Die Systeme bestehen aus
Lesegeräten und passiven, semi-aktive oder aktiven Empfängereinheiten (Transponder, Tag). Die Lesegeräte
senden hochfrequente Signale aus, welche von den Transpondern empfangen werden und diese vollkommen
oder teilweise mit Energie versorgen. Die Transponder bestehen aus Induktionsspulen oder Dipol-Antennen und
Mikrochips, welche die empfangen Signale modulieren und codieren und so Daten zurück an die Leseeinheit
senden. Im Falle der Identifikation können diese Daten einzigartige Identifikationsnummern der Tags sein,
jedoch ist auch die Übertragung dynamischer Daten43, 44 mittels RFID möglich.
Die Baugrößen von RFID-Tags variieren stark in Abhängigkeit der Technologie und reichen von
Checkkartengröße bis hin zu reiskorngroßen, implantierbaren Empfängern.
Die Reichweite und verfügbare Bandbreiten hängen dabei stark vom verwendeten Frequenzbereich sowie der
Ausführung als aktive oder passive Transponder ab:
Tabelle 4: Überblick über RFID Frequenzbänder und typische Reichweiten und Datenraten
Frequenzband
Frequenz
Reichweite
Typ. Datenrate
Low frequency - LF
30-500kHz
<1m
4-8kbps45
High frequency - HF
3-30MHz
< 1,5m
7-848kbps45
Ultra high frequency –UHF
433MHz, 850-950MhZ
50-320kbps46, 47
Super high frequency - SHF
>2,4GHz
Passiv: <6m
Semi-aktiv: <100m
Passiv: <1,5m
Semi-aktiv: <6m
1Mbps48
Visionenpapier SmartLens
24
NFC
Near-field Communication (NFC) ist eine genormte (ISO 18092)49 auf Nahfeld (<10cm) spezialisierte RFIDTechnologie im UHF-Bereich(13,56MHz). NFC nutzt zur Kommunikation die Übertragung elektromagnetischer
Felder mittels Spulen im Sender und Empfänger. Die maximale Datenrate beträgt 424kbps Durch die kurze
Reichweite sowie die Möglichkeit zur Verschlüsselung der Daten wird NFC auch für sicherheitsrelevante
Anwendungen, wie Bezahlsysteme, Zugangskontrolle und Personenidentifikation eingesetzt.
WLAN
Wireless Local Area Networks (WLAN) bezeichnen Funknetze im SHF-Bereich (>2,4GHz) zur Verbindung
mehrerer Geräte in einem begrenzten Gebiet nach IEEE 802.11 Standard. Es erlaubt sowohl direkte (adhoc)
Verbindungen zwischen Geräten als auch den zentralisierten Zugriff über einen Zugangspunkt (Access Point).
In Abhängigkeit der verwendeten Standards reichen die möglichen Datenübertragungsraten bis zu 240Mbit/s
und Reichweiten bis zu 100m. Die zulässige Strahlungsleistung beträgt 100mW im 2,4GHz-Band und 500mW
im 5GHz-Band.
WPAN
Unter Wireless Personal Area Networks versteht man spezielle Kurzstreckenfunktechnik, welche vor
allem zur direkten Kommunikation von Endgeräten ohne eine Vermittlereinheit genutzt wird. Unter dem IEEEStandard 802.15 werden verschiedene Kommunikationstechnologien vereint. Aus der Beschränkung auf
Kurzstreckenkommunikation zeichnen sich WPANs durch geringe Störanfälligkeit durch Dritte, sowie durch
geringen Energiebedarf auf Grund geringer notwendiger Sendeleistungen aus. Die möglichen
Übertragungsraten sind signifikant geringer als bei vergleichbaren adoc WLAN -Verbindungen.
Der IEEE-Standard 802.15 ist die Grundlage für mehrere abgeleitete Technologien wie Bluetooth® , Zigbee und
Wireless Body Area Networks.
Bluetooth®
Bluetooth® ist ein Kommunikationsstandard nach IEEE 802.15.1 zur Kommunikation zwischen Endgeräten im
Frequenzband 2,402-2480 GHz. Die Datenrate beträgt bis zu 2,1 Mbit/s (Version 2). Die reichenweiten sind stark
abhängig von der Sendeleistung und variieren zwischen ca. 1m (1mW) und ca. 100m (100mW). Durch die
Nutzung des lizenzfreien ISM-Bandes ist Bluetooth anfällig gegenüber Störungen durch andere
Kommunikationsprotokolle (WLAN, DECT). Die Verschlüsselung der Bluetooth®-Verbindung gegenüber
externen Angriffen ist als begrenzt sicher einzustufen50. Trotz dieser Einschränkungen wird Bluetooth bereits
zur Kommunikation in der Medizintechnik eingesetzt51,52,53.
Zigbee
Der Zigbee-Kommunikationsstandard nach IEEE 802.15.4 wurde speziell für kostengünstige und einfache
Verbindungen mit begrenzter Datenrate (250 kpbs) entwickelt. Die Reichweiten betragen, je nach
Sendeleistungen(1-100mW) 10-100m. Zigbee-Kommunikationsmodule sind in kleine Packages54 (4x4mm²)
verfügbar. Die Nutzung des lizenzfreien ISM-Bandes (2,4GHz) macht Zigbee ebenfalls störanfällig durch andere
Visionenpapier SmartLens
25
Kommunikationsprotokolle55. Zur sicheren Kommunikation sind im Zigbee-Standard 128Bit-Schlüssel
implementiert.
WBAN
Wireless Body Area Networks (IEEE 802.15) stellen eine Erweiterung des WPAN-Konzeptes zur Vernetzung
körpernaher medizinischer Sensoren und Aktoren einer Person dar. Als Kommunikationsstandard kommt häufig
Bluetooth (R) mit beschränkter und damit medizinisch unbedenklicher Sendeleistung zum Einsatz. Die
Architektur besteht dabei aus einer Zentraleinheit mit verbundenen Sensoren/Aktoren56.
Weiterentwicklungsversuche unter Ausnutzung der Hautleitfähigkeit wurden unter dem Label RedTacton
vorangetrieben.
3.4.3. Diskussion
Kurzstreckenfunkkommunikation stellt eine vielversprechende Technologie für die Vernetzung körpernaher
Sensorik dar. Die verfügbaren Technologien und Standards unterscheiden sich stark in ihrer Ausrichtung und
den daraus resultierenden Leistungsparametern. Für die Anwendung in einer akkommodierenden Kontaktlinse
wird eine energie-effiziente Technologie benötigt, welche in Abhängigkeit des Kommunikationsschemas,
ausreichende Datenraten und Reichweite gewährleistet. Alle vorgestellten Technologien erfüllen hinsichtlich
der Datenrate die Anforderungen von mind. 108kbps. Die Reichweiten aller Technologien genügen der
Mindestanforderung von 10cm (Augenabstand ca. 6cm) für die direkte Vernetzung der Kontaktlinsen. Für die
Kommunikation mit einer zentralen Steuereinheit wird eine Reichweite von mind. 1m postuliert, welche bis auf
NFC, alle Technologien ebenfalls erfüllen.
Da die notwendige Energie für die akkommodierenden Kontaktlinsen entweder auf den Kontaktlinsen
gespeichert, von diesen selbst erzeugt oder drahtlos von extern übertragen werden muss, muss auch die
Kommunikationstechnologie höchst energieeffizient gewählt werden. Während RFID und WLAN auf Grund ihrer
hohen Reichweite und Bandbreite hohe Sendeleistung benötigen sind mit NFC, WBAN, Bluetooth und Zigbee
auch Technologien mit teilweise implementierten Stromsparmodi verfügbar. Speziell das Anwendungsszenario
von Wireless Body Area Networks zur Vernetzung körpernaher medizinischer Sensoren und Aktoren entspricht
dem Anforderungsprofil der akkommodierenden Kontaktlinsen.
Da es sich bei der akkommodierenden Kontaktlinse um ein Medizinprodukt nach Medizinproduktegesetz
handelt werden auch an die Robustheit der Verbindung gegen Störquellen und der Sicherheit vor unerlaubten
Zugriffen hohe Ansprüche gestellt. RFID besitzt von den vorgestellten Technologien den niedrigsten
Sicherheitsstandard. Alle weiteren vorgestellten Technologien besitzen Möglichkeiten zur Verschlüsselung der
Verbindung. Durch die Verwendung des lizenzfreien ISM-Bandes sind WLAN, Bluetooth®, Zigbee und WBAN
potenziell anfällig für Störungen durch anderen Sender/Empfänger in diesem „populären“ Frequenzband.
Speziell Bluetooth, Zigbee und WBAN sind durch die teils geringen Sendeleistungen durch starke Sender in der
Umgebung gefährdet. Methoden wie häufige Wechsel des verwendeten Sendekanals (frequency hopping)
können die Robustheit der Verbindung verbessern. Tabelle 5 fasst die die Eignung der vorgestellten
Funkbasierten Technologien für das Konzept einer akkommodierenden Kontaktlinse nochmals zusammen.
Visionenpapier SmartLens
26
Tabelle 5: Vergleich Funkbasierter Technologien hinsichtlich Datenraten, Reichweiten, Energiebedarf und
Sicherheit unterschieden nach Kommunikation Kontaktlinse zu Kontaktlinse (KK) und Kontaktlinse zu Steuergerät
(KS) (+ = geeignet, 0 = bedingt geeignet, - = ungeeignet)
Standard
RFID
NFC
WLAN
Bluetooth
ZigBee
WBAN
Datenrate
KK
+
KS
+
Reichweite
KK
KS
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
+
Energiebedarf
Sicherheit
0
-
+
+
+
+
+
+
0
+
0
3.5. Energieversorgung
3.5.1. Anforderungen
Das Konzept der akkommodierenden Kontaktlinse benötigt zur Versorgung der Funktionsgruppen eine
geeignete Energieversorgung. Als Verbraucher sind sowohl die integrierte Sensorik, die aktorische Änderung der
Brechkraft sowie die Kommunikation vorhanden. Die Anforderungen an die Energieversorgung sind dabei auf
Grund des stark beschränkten Bauraumes sehr hoch. Für nicht-transparente Elemente wird ein maximaler
Bauraum von 10mm³ approximiert – für transparente Energiespeicher stehen (unter Vernachlässig von Aktorund Sensorvolumen) maximal ca. 30mm² zur Verfügung. Aus medizinischen Gründen werden
Kontaktlinsenmaterialien mit einer hohen Sauerstoff- und Wasserdampfpermeabilität bevorzugt. Somit muss
auch die Energieversorgung resistent gegen Sauerstoff und wässerige Umgebungen sein.
Zusätzlich zu den Anforderungen an die kompakte Bauform und die chemische Stabilität wird eine Konformität
mit dem Medizinproduktegesetz und ein komfortables Handling für den Nutzer erwartet.
Die Energiebilanz der Kontaktlinsen setzt sich dabei aus den Bedarf der einzelnen Verbraucher zusammen. Da
zum jetzigen Erkenntnisstand nicht für alle miniaturisierten Sensor-, Aktor- und Kommunikationstechnologien
der Energiebedarf prognostiziert werden kann, wird soll die Bewertung an Hand einer qualitativen Bewertung
der Eignung für mikromechanische Systeme getroffen werden.
3.5.2. Lösungsansätze
Die Lösungsansätze für die Energieversorgung der akkommodierenden Kontaktlinse können in vier Kategorien
unterteilt werden:
-
Energiespeicher
Energieerzeugung
Energie-Harvesting
Energieübertragung
Visionenpapier SmartLens
27
Energiespeicher
Elektrische und chemische Energiespeicher ermöglichen hohe Energiedichten und somit besonders kleine
Energiespeicher für mobile Applikationen. Für die Verwendung in der akkommodierenden Kontaktlinse werden
aus ökologischen und wirtschaftlichen Gründen nur Sekundärzellen, d.h. wiederaufladbare Energiespeicher,
betrachtet.
Lithiumionen- Batterien
Lithiumionen-batterien bezeichnen Sekundärzellen unter Verwendung von Lithiumverbindungen für Elektrolyt,
positive oder negative Elektrode. Auf Grund der hohen erreichbaren Energiedichte (LiSO2: >1000mWh/cm³)
sowie der hohen Langzeitstabilität (geringer Memory-Effekt) zählen Lihtiumionen-Akkumulatoren zu den
verbreitetsten und höchstentwickelten Sekundärzellen. Auf Grund der chemischen Instabilität von Lithium in
wässriger Umgebung besitzen Lithiumionenzellen ein hermetisches Package, welches das Eindringen von
Wasserdampf reduziert. Auf Grund der notwendigen hermetischen Versieglung sinkt dabei mit der
Miniaturisierung der Sekundärzellen die erreichbare Energiedichte signifikant57. Transparente LithiumionenBatterien, wie von Yuan et al.58 berichtet, könnten durch ein höheres nutzbares Volumen eine höhere
Speicherkapazität erreichen.
Superkondensatoren (Supercaps)
Als Superkondensatoren werden aus elektrochemische Energiespeicher bezeichnet. Im Vergleich zu
Akkumulatoren besitzen sie eine höhere Leistungsdichte, jedoch auch eine signifikant geringere Energiedichte,
was bedeute, dass eine hohe Leistung nur für eine kurze Zeit bereitgestellt werden kann. Sie eignen sich somit
als Sekundärzellen welche schnell ge- und entladen werden können und sind somit auch für medizinische
Implantate geeignet59.
Energieerzeugung
Elektrische Energie kann mit Hilfe elektrochemischer Zellen aus gespeicherten oder vorhandenen
Energiequellen(Energy Harvesting) erzeugt werden. Im Gegensatz zu Primärzellen kann der Energiespeicher
unbegrenzt nachgeführt werden und somit eine kontinuierliche Energieerzeugung erreicht werden.
Bio-Brennstoffzellen
Brennstoffzellen bezeichnen galvanische Zellen in denen in einer katalytischen Reaktion ein Brennstoff oxidiert
und elektrische Energie freigesetzt wird. Häufige Brennstoffe sind Wasserstoff und Methanol. BioBrennstoffzellen orientieren sich dagegen an organischen Energiewandlungsprozessen und nutzen biologische
Brennstoffe(Enzyme, Glukose). Falk et al.60 demonstrierten, dass enzymatische Bio-Brennstoffzellen unter
Nutzung der Tränenflüssigkeit ca. 1µW/cm² bei 0,5V erzeugen können. Reid et. al.61 konnten an einer SilikonKontaktlinse unter Nutzung einer künstlichen Tränenflüssigkeit eine Leistungsdichte von ca. 8µW/cm²
nachweisen. Die Lebensdauer der Brennstoffzelle war jedoch auf Grund der Instabilität des Elektrodenmaterials
auf 17h begrenzt.
Visionenpapier SmartLens
28
Abbildung 17: Schematischer Aufbau einer Kontaktlinse mit Bio-Brennstoffzelle.[60]
Energy harvesting
Energy Harvesting bezeichnet die Nutzung vorhandener Energiequellen durch technische Systeme. Aus dem
Alltag bekannt sind Photovoltaik, Wind- und Wasserkraftanlagen, welche bereits etabliert sind und enorme
Energiemengen zur Verfügung stellen können. Für mobile und miniaturisierte Anwendungen sind weitere
mögliche
Energiequellen
u.a.
Vibrationen,
unregelmäßige
Bewegungen/Beschleunigungen,
Temperaturgradienten, Strömungen oder auch elektrische/magnetische Felder nutzbar. Energy Harvesting
eignet sich speziell für die Energieversorgung verteilter Sensornetzwerke62.
Beschleunigung
Regelmäßige und unregelmäßige Beschleunigungen können mittels Feder-Masse-Systemen in Bewegungen
gewandelt werden. Piezoelektrischer Materialien, welche unter mechanischer Spannung Ladungen abgeben,
können die Bewegungen in elektrische Energie wandeln. Die Menge der gesammelten Energie hängt dabei stark
von den vorhandenen Anregungsquellen ab. So erreichen Systeme mit bekannten Anregungsfrequenzen auf
Grund der hohen erreichbaren Güte der Resonatoren besonders hohe Energieausbeuten63.
Photovoltaik
Die Nutzung von Solarzellen zur direkten Wandlung optischer Strahlung in elektrische Energie kann auch zur
Energieversorgung mikromechanischer Systeme verwendet werden. Photovoltaik-Zellen können dabei stark
miniaturiersiert und in bestehende mikromechanische oder mikroelektronische64 Systeme integriert werden. So
konnten Lingley et. al.65 Kontaktlinsen mit Arrays von Solarzellen herstellen und charakterisieren. Sie erreichten
einen maximalen Wirkungsgrad von 1,24%. Neben der Nutzung der optischen Strahlung kann in
pyroelektrischen Zellen auch Temperaturgradienten durch Wärmestrahlung in elektrische Energie gewandelt
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29
werden. Krishnan et. al.66 erreichten mit einem makroskopischen System mit Chopper (Erhaltung des
Temperaturgradienten) eine Leistungsdichte von ca. 400µW/cm³.
Energieübertragung
Die drahtlose Übertragung elektrischer Energie ist bereits seit Nikola Tesla (1856-1943) bekannt und wird in
vielfältigen Geräten des täglichen Bedarfs (z. Bsp. Transformatoren) angewandt. Dabei kann zwischen
gerichteter und ungerichteter Übertragung bzw. zwischen Nah- und Fernfeldübertragung unterschieden werden.
Fernfeld
Zur Energieübertragung mittels hochfrequenter elektromagnetischer Strahlung (Radiofrequenz, RF) ist die
Wandlung elektromagnetischer Strahlung in Gleichstrom mittels speziell ausgeformter Antennen (Rectenna 67)
möglich. Auf Grund der starken Dämpfung auf der Strecke zwischen Sender und Empfänger ist die Übertragung
stark verlustbehaftet68. Anwendung findet die Technik jedoch vor allem in der RFID-Technologie mit passiven
Tags (Vergleich Abschnitt 3.4.2), welche die Energie für die Aussendung der Tag-ID vollkommen aus dem
Anregungssignal beziehen.
Auf Grund der, in Abhängigkeit des gewählten Frequenzbandes, hohen Eindringtiefe in Gewebe eignet sich, RFEnergieübertragung auch zur drahtlosen Energieversorgung implantierter Sensoren, wie intraokulare
Augendrucksensoren69, 70.
Durch die Omnipräsenz von RF-Sendern (WLAN, GSM, 3G) in urbanen Bereichen konnte bereits erfolgreich
gezeigt werden, dass auch hier Energy Harvesting mit Leistungsausbeuten von einigen µW/cm³ möglich ist71.
Abbildung 18: Kontaktlinse mit Antennenstrukturen für die drahtlose RF-Energieübertragung bei 5,8GHz [70]
Nahfeld
Die gerichtete Übertragung im Nahfeld zeichnet sich im Vergleich zur Fernfeldübertragung durch hohe
Wirkungsgrade aus. Sender- und Empfängerantenne sind im geringen Abstand und als resonantes System
ausgebildet. Dabei ist neben der induktiven (Spulenpaare) auch kapazitive(Elektrodenpaare) Kopplung möglich.
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30
Speziell zur Energieversorgung smarter Kontaktlinsen findet das Verfahren starke Anwendung:
So konnten Liao et al.72 bereits eine aktive Kontaktlinse zur Glukosemessung in der Tränenflüssigkeit
demonstrieren. Die benötigte Leistung für Messung und Kommunikation betrug 3µW.
Chen et al.73,74 entwickelten eine Kontaktlinse zur kontinuierlichen Augeninnendruckmessung, welche mittels
induktiver Koppelung eine Frequenzverschiebung in der Resonatorspule auswerteten.
Das am Karlsruhe Institute für Technologie intraokulare Akkommodationssystem KueAkk verwendet auf grund
des hohen Wirkungsgrades und der damit geringen Strahlungsbelastung für das umgebende Gewebe ebenfalls
eine induktive Energieübertragung57 für das aktive Implantat.
Abbildung 19: Kontaktlinse zur Augeninnendruckmessung mit induktiver Kopplung [74]
3.5.3. Diskussion
Die Energieversorgung der körpernahen Sensorik und Aktorik stellt eine der größten Herausforderungen im
Konzept der akkommodierenden Kontaktlinse dar. Energiespeicher wie Lithiumionen-Akkumulatoren oder
Superkondensatoren können hohe Energie- bzw. Leistungsdichten erreichen, welche jedoch durch notwendige
Verkapselung und dem damit ungünstigen Verhältnis von aktiven Material zu Verkapselung in miniaturisierter
Form signifikant sinkt. Die Unverträglichkeit von Lithium gegenüber Wasser schränkt zusätzlich die
Biokompatibilität sein.
Bio-Brennstoffzellen ermöglichen die Erzeugung elektrischer Energie aus regenerativen natürlich Ressourcen
wie Tränenflüssigkeit. Bauform und Biokompatibilität konnten bereits als für smarte Kontaktlinsen geeignet
demonstriert werden. Die mögliche Energiedichte ist jedoch begrenzt.
Solarzellen nutzen optische Strahlung zur Erzeugung elektrischer Energie und können in unterschiedlichen
Technologien miniaturisiert hergestellt werden. Auf Grund der geringen Effizienz der Zellen sind signifikante
Leistungen nur mit großen Flächen erreichbar.
Auch die Nutzung mechanischer Energie zur Erzeugung elektrischer Energie für die akkommodierende
Kontaktlinse scheint durch die kontinuierliche Bewegung der Augen vielversprechend. Auf Grund der
notwendigen mechanischen Verkapselung sind jedoch auch die MEMS-Bauteile nur bedingt zur Integration in
eine Kontaktlinse geeignet.
Visionenpapier SmartLens
31
Tabelle 6: Zusammenfassung zu Energieversorgungstechnologien für eine akkommodierende Kontaktlinse
(+ = geeignet, 0 = bedingt geeignet, - = ungeeignet)
Standard
Energiedichte
Bauform
Biokompatibilität
LithiumionenAkkumulatoren
Superkondensatoren
0
-
-
0
0
-
0
+
+
0
0
+
+
+
+
+
0
+
+
0
Bio-Brennstoffzellen
Solarzellen
Energy Harvesting
(mechanisch)
RFEnergieübertragung
Induktive Kopplung
Die drahtlose Energieübertragung mittels Radiowellen kann die durch geeignete Antennenstrukturen und
integrierte Schaltkreise auf Kontaktlinsen nachgewiesener Weise angewendet werden. Die stark
verlustbehaftete Übertragung benötigt jedoch hohe Sendeleistungen, welche die Technologie auf das Szenario
einer zentralen Steuereinheit beschränkt. Zusätzlich muss die mögliche Wirkung der hohen absorbierten
Strahlungsmenge im umgebenden Gewebe auf Ihre biologischen Folgen hin betrachtet werden.
Die drahtlose Energieübertragung mittels induktiver Kopplung besitzt einen hohen Wirkungsgrad und
verursacht auf Grund der reduzierten Sendeleistungen somit eine geringere Belastung als RF-Übertragungen.
Die Eignung zur Energieübertragung für smarte Kontaktlinsen hinsichtlich Bauform, Biokompatibilität und
Leistung konnten bereits erfolgreich demonstriert werden. Da es sich bei dem Verfahren jedoch eine
Nahfeldübertragung handelt müssen Sender und Empfänger in möglichst geringen Abstand zueinander
positioniert werden. Aufgeklebten Sendespulen75, wie beim Augendrucksensor Triggerfish® von Sensimed,
stellen eine hinreichende Lösung für eine begrenzte Zeitdauer dar, jedoch keine akzeptable Lösung für eine
regelmäßig getragene und unauffälliges Hilfsmittel zur Korrektur der Presbyopie dar.
3.6. Zusammenfassung technische Machbarkeit
Ziel des Visionenpapiers SmartLens ist die Bewertung der technischen Machbarkeit einer akkommodierenden
Kontaktlinse zur Kompensation verlorener Akkommodationsfähigkeit im Alter. Das Konzept der
akkommodierenden Kontaktlinse besteht aus vier Bausteinen: einer Aktorik zur Änderung der Brechkraft der
Kontaktlinse, eine Sensorik zur Erfassung des Akkommodationsbedarfs, einer Kommunikationstechnologie zur
Synchronisierung beider Kontaktlinsen sowie einer geeigneten Energieversorgung für alle Komponenten.
Wie in Abschnitt 3.2 gezeigt werden konnte existieren zahlreiche Lösungsansätze zur Änderung der Brechkraft
optischer Linsen. Auf Grund des stark beschränkten Bauraums für die Aktorik sowie die angestrebte geringe
Leistungsaufnahme stellen Flüssigkristalllinsen eine vielversprechende Technologie dar, welche bereits in
Kontaktlinsenform demonstriert wurde. Herausforderungen für eine erfolgreiche Integration in das SmartLensKonzept sind die Erhöhung der Brechkraftänderung, sowie die Untersuchung der Langzeitstabilität und
Biokompatibilität der verwendeten Materialien.
Die Erfassung des Akkommodationsbedarfes mittels geeigneter integrierter Sensoren wurde in Abschnitt 3.3
näher betrachtet. Die Auswertung der Winkeländerung der Augen bei der Akkommodation oder der damit
Visionenpapier SmartLens
32
verbunden Änderung des Pupillenabstandes scheinen geeignete physiologische Phänomene zur Erfassung der
Fokusebene. Auf Grund der verfügbaren miniaturisierten 9-achsigen MEMS-Positionssensoren ist die Erfassung
der Ausrichtung der Augen der technisch präferierte Ansatz. Während die Auflösung der verfügbaren Sensoren
bereits jetzt für die Anwendung in einer Kontaktlinse geeignet ist, müssen die Verkleinerung der Bauform und
die Reduktion des Energieverbrauchs für eine erfolgreiche Integration weiter vorangetrieben werden.
Das Konzept der akkommodierenden Kontaktlinse benötigt geeignete Kommunikationstechnologien (vgl.
Abschnitt 3.3) zur Kalibrierung und Anpassung der Kontaktlinsen an den Nutzer, zur Bestimmung des
Akkommodationsbedarfes sowie zur Synchronisation der Aktorik. Wireless Body Area Networks und der
besonders energie-effiziente ZigBee-Standard stellen geeignete Kommunikationstechnologien für die direkte
Kommunikation zwischen zwei Kontaktlinsen dar. Wird das Konzept um eine zentrale Steuereinheit ergänzt, so
kann auch RFID-basierte Kommunikation eine energie-effiziente Lösung für die Kommunikation zwischen
Kontaktlinsen und Steuereinheit darstellen. Für eine erfolgreiche Integration müssen die verfügbaren
Kommunikationschips weiter miniaturisiert sowie der Energieverbrauch reduziert werden.
Die Versorgung des miniaturisierten Akkommodationssystems mit ausreichend elektrischer Energie wurde in
Abschnitt 3.5 näher beleuchtet. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Technologien zur Energieversorgung
smarter Kontaktlinsen entwickelt und teils kommerzialisiert. Die drahtlose Energieübertragung mittels
elektromagnetischer Strahlung im Radiofrequenzbereich oder mittels induktiver Kopplung kann bereits jetzt zur
Energieversorgung smarter Kontaktlinsen eingesetzt werden. Neuere Ansätze wie Bio-Brennstoffzellen, welche
einen kontinuierlichen Betrieb mit „regenerativen Ressourcen“ wie Tränenflüssigkeit versprechen müssen vor
einer erfolgreichen Integration hinsichtlich Lebensdauer und Energieausbeute weiter optimiert werden. Zum
derzeitigen Stand der Technik kann die Energieversorgung einer akkommodierenden Kontaktlinse nur durch
eine Verlagerung energie-intensiver Komponenten(Sendeeinheit) und Prozesse (Berechnung des
Akkommodationsbedarfes aus den Sensordaten) in eine externe, am Körper getragene Steuereinheit realisiert
werden.
Visionenpapier SmartLens
33
4. Nutzerakzeptanz technischer Hilfsmittel
4.1. Ergonomische Nutzeranforderungen
In einer Literaturrecherche wurden das Ziel verfolgt Erkenntnisse über den Umgang mit Kontaktlinsen und
Rahmenbedingungen beim Tragen von Kontaktlinsen zu eruieren. Hierzu konnten verschiedene Charakteristika
von Kontaktlinsen aufgelistet werden, welche eine Übersicht zu den wissenschaftlich fundierten Eigenschaften
liefern. Diese sind in der folgenden Tabelle dargestellt:
Tabelle 7: Übersicht über bedeutende Charakteristika von Kontaktlinsen
Charakteristik
Referenz
Ablagerungen
Janiak76
Unmittelbar nach dem Beginn des Tragens einer Kontaktlinse baut
sich eine Proteinschicht auf der Kontaktlinse auf. Wird diese nach
dem Tragen nicht gereinigt, gehen häufig Bindehautentzündungen,
Augeninfektionen und allergische Reaktionen einher.
Trockene Augen
Blümle, Kaercher, Khaireddin77
Eine der häufigsten Probleme beim Kontaktlinsentragen ist ein
herabgesetzter Tragekomfort von (insb. weichen) Kontaktlinsen,
aufgrund von Trockenheitssymptomen. Eine unterschiedlich hohe
Versorgung des Auges mit Tränenflüssigkeit wird verursacht durch
Alterungsprozesse, Hormonstatus, Medikamente oder Erkrankungen.
Fremdkörpergefühl
Hartmann, Goertz78
Bei harten Kontaktlinsen ist ein auftretendes Fremdkörpergefühl
durchaus üblich, verringert sich nach einer Eingewöhnungszeit.
Besonders bei weichen Linsen muss das Auge beobachtet werden,
wenn subjektives Fremdkörpergefühl wahrgenommen wird.
Langes Tragen weicher Linsen nicht möglich
Koniszewski79
Insbesondere die Augen von Trägern weicher Kontaktlinsen sollten
regelmäßig kontrolliert werden. Als Empfehlung wird gesagt, dass
zuerst harte Kontaktlinsen angepasst und nur bei Schwierigkeiten
weiche Kontaktlinsen genutzt werden sollten.
Allergien
Bischoff80
Bestimmte Kombinationen von Augentropfen und Kontaktlinsen
führen zu einer Ablagerung von Molekülen in den Poren der Linse,
welche diese aufweichen. Weiterhin existiert die Gefahr, dass Pollen
unter die Kontaktlinse geraten und dadurch eine allergische Reaktion
auslösen.
Notwendiger Pflegeaufwand
Mehr als die Hälfte aller Kontaktlinsenkomplikationen sind auf eine
mangelnde Kontaktlinsenpflege und Hygiene zurückzuführen. Eine
Ehrich81
Visionenpapier SmartLens
34
der häufigsten Ursachen sind Unverträglichkeiten aufgrund von
Ablagerungen auf der Linse.
Allergien gegen Kontaktlinse/ Reinigungslösungen
Blümle, Kaercher, Khaireddin77
Eine häufige Komplikation beim Tragen der Kontaktlinsen ist die
Gigantopapilläre Konjunktivitis (GPC). Diese verursacht einen
nachlassenden Tragekomfort mit erhöhter Beweglichkeit der
Kontaktlinsen, erhöhter Mukusproduktion und Sehstörungen. Die
Ursache sind allergische Reaktionen auf Ablagerungen von Bakterien
bzw. deren Abfallprodukte.
Verrutschen im Auge
Schelle82
Eines der am häufigsten geäußerten Vorurteile ist das Verrutschen
der Kontaktlinse im Auge. Dies geschieht am häufigsten bei harten
Linsen. Sie befindet sich dabei jedoch meist im Bereich der Lidspalte
oder aber unter den Lidern.
Sport
Schelle82
Weiche Kontaktlinsen eignen sich aufgrund ihres größeren
Durchmesser besser für den Sport, da sie nicht so leicht herausfallen.
Für
alltägliche
Tätigkeiten,
an
welche
keine
besonderen
Anforderungen gestellt werden, sind jedoch Hartlinsen den
Weichlinsen vorzuziehen.
Dauer des Tragens begrenzt
Schnell, Khaireddin83
Harte Kontaktlinsen weisen geringeres Infektionsrisiko auf, haben ein
geringeres Schadenspotenzial am Auge und können erheblich länger
getragen werden (Tragenachhaltigkeit) als weiche Linsen. Das Tragen
von Kontaktlinsen über Nacht sollte generell vermieden werden.
4.2. Physiologische Altersanforderungen
Die natürliche Akkommodation der menschlichen Augen beginnt mit einer Reizauslösung im Gehirn. Bis der
physische Vorgang startet vergeht jedoch eine Latenzzeit, welche sich über das Lebensalter verändert. In der
Literatur wird die Entwicklung der Latenz über das Alter der Menschen mit einheitlichen Werten beschrieben.
Allerdings ist noch kein einheitliches Verständnis über einen möglichen Anstieg der Latenz zu verzeichnen.
Mordi und Ciuffred ermittelten in ihrer Studie einen Anstieg der Latenz von ca. 325 ms im Alter von 20 Jahren
auf ca. 400 ms im Alter von 45 Jahren84. Weiterhin zeigen sie, dass die Zeitkonstante für die Akkommodation
bei ca. 200 ms liegt und diese unabhängig von der Akkommodationsweite ist. Die konstante Zeitdauer bei
unterschiedlicher
Distanz
wird
durch
eine
variable
Akkommodationsgeschwindigkeit
über
die
Akkommodationsbreite ermöglicht. Kasthurirangan und Glasser unterteilen die Akkommodation in eine Positive
und Negative85. Dabei konnten sie für die positive Akkommodation keinen Anstieg der Latenz über das Alter
ermitteln. Im Gegensatz dazu ermittelten sie einen signifikanten Anstieg der Latenz für die negative
Akkommodation (Disaccommodation). Die beschriebenen Zusammenhänge sind in Abbildung 20 dargestellt.
Visionenpapier SmartLens
35
Abbildung 20: Latenz und Geschwindigkeit der Akkommodation [85]
Eine Latenz und die anschließende Akkommodationszeit gibt die Reaktionszeit einer akkommodativen Linse
vor. Das beudeutet, dass nachdem die Sensorik der Linse einen neuen Objektabstand ermittelt hat, die Aktorik
diese Zeitspanne ausnutzen soll, um die Brechkraft auf die neue Weite einzustellen. Für die Kennwerte einer 20
jährigen Person entspräche dies einer Reaktionszeit von mindestens 445 ms. Dabei wurden für die minimale
Latenz 325 ms und minimale Zeitdauer der Akkommodation 120 ms angenommen, wie sie in Kasthurirangan,
Glasser berichtet werden85.
4.3. Fokusgruppen
An drei verschiedenen Fokusgruppen nahmen insgesamt 14 Optiker teil (9 weibliche, 5 männliche). Hierbei
gaben zwei Personen an, dass sie eine Berufsausbildung durchlaufen haben, zehn Teilnehmer haben einen
Techniker oder Meisterabschluss und zwei einen Universitätsabschluss. Von den Teilnehmern tragen zehn
Personen Brillen und fünf Personen Kontaktlinsen. Insgesamt wurden dabei 291 Textstellen, 11 Unterkategorien
und 3 Oberkategorien zugeordnet. Aus der Tabelle 8 ist die detaillierte Verteilung der Textstellen zu den
Kategorien zu entnehmen.
Tabelle 8: Häufigkeiten der Nennungen zu den jeweiligen Kategorien
Aktive Kontaktlinsen
Herausforderungen
52
Risiken
49
Chancen
48
Kundensicht zu Kontaktlinsen
Vorteile/ Nutzen
13
Beurteilung/ Erfahrung
15
Probleme/ Nachteile
16
Vorurteile/ Vorbehalte
12
Beratungsprozess
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36
Kosten
20
Vorstellungen/ Erfahrungen
13
Voruntersuchungen
14
Verwendungszweck/ Art
20
Alter
Einfluss Alter
19
Aktive Kontaktlinsen
Herausforderungen
In Bezug auf Presbyopiepatienten können die Kosten der aktiven Kontaktlinsen mit denen der Gleitsichtbrillen
verglichen werden. Eine Anpassung der Brillengläser für die Gleitsicht wird trotz des Bewusstseins durchgeführt,
dass dies teuer ist. Kunden mit Hornhautverkrümmungen benötigen besondere Radien bei Kontaktlinsen. Hier
wurde darauf hingewiesen, dass sie die Veränderungen der Dicke der Kontaktlinse besonders stark spüren
könnten. Als weitere Herausforderung wurde die Anpassung der Linse an den Kunden genannt. Wird die Linse
vom Hersteller programmiert und ist universell auf verschiedene Augentypen anpassbar, stellt das für den
Kunden einen Vorteil dar. Die Optiker betrachten dies jedoch skeptisch, da sie auf den Umsatz mit der Beratung
und Anpassung der Linsen angewiesen sind.
Bei den Herausforderungen verwiesen die Experten außerdem darauf, dass ältere Menschen neuartiger Technik
gegenüber oft kritisch eingestellt sind. Aufgrund dessen, das Menschen ab dem vierten Lebensjahrzehnt die
Zielgruppe der aktiven Kontaktlinsen zur Behandlung von Presbyopie darstellen, ist die Technikaffinität von
besonderer Bedeutung.
Risiken
Zu den Risiken von SmartLens wurde angemerkt, dass die Technik als Gefahr für das Auge angesehen werden
kann. Die Folgen des Zerbrechens der Kontaktlinse im Auge oder dem Auftreten von Fehlfunktionen sind aktuell
schwer absehbar. Ist dies für das Auge des Kunden gefährlich, wird vermutlich ein großer Teil der Kunden diese
Linsen nicht nutzen. Aus diesem Grund muss geregelt sein, wer im Falle einer Störung der Kontaktlinse und
einer resultierenden Beeinträchtigung des Sehvermögens haftet.
Die Akzeptanz solcher Linsen steigt laut der Optiker, wenn ein besseres Sehen als mit Gleitsichtbrillen garantiert
werden kann. Weiterhin wird der Komfort der selbst akkommodierenden Kontaktlinsen als bedeutender Faktor
angesehen. Sind diese beim Tragen für den Kunden unangenehmer als Hydrogellinsen, wird die Akzeptanz
erheblich herabgesetzt. Ebenso wird eine geringe Sauerstoffversorgung des Auges als Risiko angesehen. Es
wird vermutet, dass durch den mehrschichtigen Aufbau die Linse eine entsprechende Dicke aufweist, was die
Sauerstoffdurchlässigkeit begrenzt und zu einer Verschlechterung des Augenmilieus führt. Es besteht weiterhin
das Risiko, dass Kunden durch die verbaute intelligente Technologie den Gedanken an eine vollständige
Überwachung erwägen und daher solchen Kontaktlinsen kritisch gegenüberstehen. Weiterhin wurde vermutet,
dass die Brechkraftänderung innerhalb der Kontaktlinse eine bestimmte Zeit in Anspruch nimmt. Von den
Nutzern wird eine Zeitdauer ähnlich zu der natürlichen Akkommodation erwartet, was besonders für Träger mit
visuell anspruchsvollen Tätigkeiten besonders relevant ist.
Es besteht weiterhin das Problem des Einsetzens der Linse. Da der Nahsichtbereich im Alter sehr eingeschränkt
ist, muss bei geringem Übungsgrad zum Aufbringen der Linse auf das Auge eine Nahbrille genutzt werden. Des
Weiteren führten die Optiker den Aspekt der Reinigung an, da eine verschlechternde Feinmotorik im Alter zu
Visionenpapier SmartLens
37
Schwierigkeiten in der gesamten Handhabung führen kann. Resultierend aus den nachlassenden motorischen
Eigenschaften, kann es auch zu einer Ängstlichkeit beim Einsetzvorgang der Linse kommen.
Chancen
Eine Chance der selbst akkommodierenden Kontaktlinsen betrifft die Haltbarkeit. Aufgrund dessen, dass die
Linsen wohl als Halb- oder Jahreslinsen ausgelegt sein werden, müssen diese nicht mehr so schnell
ausgetauscht werden. Ist die Chance gegeben mit den selbst akkommodierenden Kontaktlinsen ein Sehen ohne
Einschränkungen zu ermöglichen, wird seitens der Optiker eine hohe Akzeptanz der Verbraucher angenommen.
Des Weiteren wurde betont, dass mit Hilfe der Kontaktlinsen der offensichtliche Prozess des Alterns vertuscht
werden kann. Die Teilnehmer der Fokusgruppe betonten außerdem, dass die Nachfrage an Multifokallinsen in
den letzten Jahren stark gewachsen sei, was den Bedarf und den Wunsch nach Kontaktlinsen für die
Behandlung der Presbyopie unterstreicht.
Eine bedeutende Chance wird zudem im übergangslosen Aufbau der Linse gesehen. Im Vergleich zu einer
Multifokallinse, zeigt sich ein in Sehzonen aufgeteiltes Sichtfeld, was bei einer akkommodierenden Linse
übergangslos gestaltet ist. Hier werden zwei Vorteile erwartet. Zum einen, dass der Nutzer durch alle Bereiche
der Linse jede beliebige Objektweite anblicken kann und zum anderen, dass er außerdem Blendung und
Halluzinationen vermeidet, was bei bisherigen Multifokallinsen vermehrt bei schlechten Lichtverhältnissen
auftritt.
In Bezug auf die unterschiedliche Technikaffinität der verschiedenen Altersklassen sehen die Fokusgruppenteilnehmer eine hohe Akzeptanz der Linsen in der jungen Generation, die aktuell mit dem Tragen von
Kontaktlinsen beginnt und mit neuartigen technischen Elementen aufgewachsen ist. Ältere Kunden, die derzeit
eine Gleitsichtbrille tragen, müssten vornehmlich durch die Funktionalität der Linsen überzeugt werden.
Außerdem wird bei den neuartigen Kontaktlinsen die Eingewöhnungszeit entfallen, da sich das Auge
automatisch der betrachteten Objektentfernung anpasst und keine direkte Interaktion mit der Linse stattfindet.
Vorher musste das Gehirn sich auf diese Anpassung einstellen beziehungsweise der Nutzer aktiv die Linse
bewegen.
Kundensicht zu Kontaktlinsen
Vorteile/Nutzen
Laut den Optikern wird das störungsfreie und scharfe Sehen ohne Brille, aber mit Kontaktlinsen, durch die
Kunden als besser bewertet. Durch das Tragen von Linsen wird das Sichtfeld nicht beschränkt und gleichzeitig
erhöht sich der Tragekomfort durch das Weglassen einer Brille. Bei sportlichen Betätigungen und dem
gleichzeitigem Tragen von Kontaktlinsen besteht ein geringeres Verletzungsrisiko im Vergleich zur Verwendung
einer Brille. Auch ist die Kontaktlinse bei Änderungen der Sehstärke im Vorteil, da hier mit einfacheren Mitteln
reagiert werden kann, als beim entsprechenden Tausch der Brillengläser. Einige Kunden mit schwacher Sehkraft
wechseln zudem zur Kontaktlinse, da sie somit auf die dicken Brillengläser verzichten können und die Sehhilfe
unauffällig ist. Auch wenn ein großer Stärkenunterschied zwischen den beiden Augen vorliegt, ermöglichen
Kontaktlinsen ein natürlicheres Sehen und können, im Vergleich zu einer Brille, eine bessere Anpassung der
Bildgrößenunterschiede ermöglichen. Bei einem Umstieg auf Kontaktlinsen wird zudem auch die größere
Auswahl an Sonnenbrillen ohne Stärke aufgeführt, die einem als Kontaktlinsenträger zur Verfügung stehen.
Visionenpapier SmartLens
38
Beurteilung Erfahrung
Eine immer bedeutendere Informationsquelle für Kontaktlinsen stellt das Internet dar. Als Folge werden auch
nicht von Experten abgegebene Meinungen aufgenommen. Somit liegt eine wesentliche Hürde und Aufgabe für
Optiker darin, den potentiellen Anwendern die Angst zu nehmen und Kunden zum Test von Kontaktlinsen zu
motivieren. Nach Meinung der Optiker ist ein Großteil der Kunden nach dem erstmaligen Test solcher
Kontaktlinsensysteme begeistert und ändert ihre voreingenommene Meinung. Ein Teil der Käufer entscheidet
sich aufgrund von Problemen mit Brillen für Kontaktlinsen oder wünscht sich allgemein eine Erhöhung des
Komforts. Die Optiker berichten weiterhin, dass viele Nutzer den Umgang mit den Linsen sehr schnell erlernen.
Probleme/Nachteile
Als besonders negativ werden die hohen, fortlaufenden Kosten von den Fokusgruppenteilnehmern beurteilt.
Zusätzliche Kosten entstehen durch die oftmals erforderliche Nahbrille sowie bei lang getragenen Linsen für die
Reinigung und Pflege. Hierbei wurde erwähnt, dass der Kunde weiß, dass Kontaktlinsen kostenintensiver sind.
Allerdings fehlen das Verständnis und die Vorstellung über die tatsächlich entstehenden Mehrkosten.
In einigen Fällen kann es zu einer Kontraindikation aus medizinischer Sicht kommen, sollte das Auge des
Kunden nicht in der Lage sein eine Linse zu tragen. Am häufigsten werden jedoch die trockenen Augen und das
„Fremdkörpergefühl“ als Nebenwirkungen von den Kunden genannt. Als weiteres Merkmal wurde die teils
verminderte Sehleistung genannt, die unter bestimmten Umständen einhergehen kann. Es ist nachvollziehbar,
das kein Kunde der eine gute Sehleistung mit einer Brille erzielt, es in Kauf nimmt, diese womöglich durch
Kontaktlinsennutzung zu reduzieren.
Vorurteile/Vorbehalte
Als bedeutsamsten Faktor werden die Handhabung der Kontaktlinse und die damit verbundene Angst vor der
direkten Berührung des Auges gesehen. Zu den weiteren Vorbehalten gehört der hohe Hygiene- und
Reinigungsaufwand zur Pflege der Kontaktlinsen sowie Schmerzen oder ein Fremdkörpergefühl beim Tragen
von Kontaktlinsen. Weit verbreitet sind außerdem Ängste vor Augenerkrankungen/-entzündungen als auch vor
generellen Verletzungen der Augenoberfläche. Von den Kunden wird oft die Angst genannt, dass Kontaktlinsen
hinter das Auge verrutschen könnten.
Beratungsprozess
Kosten
Nach Aussage Teilnehmer neigen Kunden zum Kauf von Monatslinsen, da die einmalig zu zahlenden Kosten
niedriger erscheinen als bei Jahreslinsen. Dies ist allerdings ein Irrtum, weshalb Monatslinsen lediglich bei
Verlust oder Stärkeänderungen einen Kostenvorteil aufweisen. Des Weiteren sind Kunden oft nicht bereit für
den Beratungsprozess zu bezahlen. Zudem muss die Bereitschaft die verursachten Mehrkosten für eine
Ersatzbrille für Situationen in denen das Tragen der Kontaktlinsen nicht möglich ist, bei den Kunden vorhanden
sein.
Vorstellungen/Erfahrungen
Visionenpapier SmartLens
39
Beratungsgespräche werden von den Optikern meist ohne einen Leitfaden durchgeführt. Andernfalls dient
dieser lediglich als Orientierung. Da jeder Kunde spezifische Prioritäten, Ansprüche und Fragen bezüglich
Kontaktlinsen hat, muss auf eine individuelle Beratung der Kunden geachtet werden. Um die Erfahrung mit
Kontaktlinsen zu erörtern, wird zu Beginn eines Beratungsgesprächs nach Wünschen oder konkreten
Vorstellungen gefragt. Aus der praktischen Erfahrung wurde zusammengefasst, dass es einige Zeit erfordert bis
passende Kontaktlinsen gefunden werden. Probleme treten meist bei Monovisionssystemen als auch bei
großen Stärkeunterschieden auf. Beim Test der Monovisionstechnik haben nicht alle Kunden die Fähigkeit
gedanklich zwischen den Augen umzuschalten und sich automatisch auf das scharfe Abbild zu konzentrieren.
Bei Stärkeunterschieden besteht das Problem unterschiedlicher Bildgrößen, welches es zu lösen gilt.
Voruntersuchungen
Im Anschluss an die initiale Beratung erfolgt die Voruntersuchung, bei der die Sehstärke des Kunden erfasst
wird und eventuelle Vorschädigungen ausgeschlossen werden. Es wurde betont, dass von einem generellen
Ablaufschema der Voruntersuchung ausgegangen werden kann, was sich nur geringfügig von Optiker zu Optiker
unterscheidet. Je nachdem ob der Kunde eine Brille besitzt, wird der sphärische und zylindrische Wert des Auges
geprüft und eine Radienmessung durchgeführt, um Informationen zum Aufbau des Auges und des Tränenfilms
zu erlangen. Ist der Tränenfilm zu schwach, führt dies beim Tragen von Kontaktlinsen zu trockenen Augen oder
starkem Juckreiz. Die ermittelten Daten geben dem Optiker Hinweise darüber, ob der Kunde medizinisch für das
Tragen von Kontaktlinsen geeignet ist.
Durch die zahlreichen Varianten von Kontaktlinsen hinsichtlich Art, Größe und Material wird zumeist nach der
Voruntersuchung ein Probelinsenpaar ausgehändigt, um die ermittelten Messwerte zu testen und nach der
Probenutzung entsprechende Korrekturen vorzunehmen. Zudem erfolgen im Abschlussgespräch eine
Belehrung über mögliche Risiken durch das Tragen von Kontaktlinsen und Hinweise zur Handhabung und Pflege
der Linsen. Weiterhin bieten die Optiker dem Kunden einen Termin für eine Nachuntersuchung an.
Verwendungszweck/Art
Ein weiterer Bestandteil des Beratungsgespräches ist die Erfragung des Nutzungskontextes der Linse, also die
Aktivitäten in deren Rahmen die Kontaktlinsen genutzt werden. Hierzu zählen der Beruf und der damit
verbundene Arbeitsplatz des Kunden, Hobbies sowie die individuellen Lebensumstände. Zusätzlich beeinflusst
die Tragezeit die Art der empfohlenen Kontaktlinse. Die Optiker versuchen eine gute Passung zwischen
Kundenwunsch und der eigenen Expertise zu erreichen, indem sie Vor- und Nachteile der Linsensysteme
abwägen. Weiterhin wird dem Kunden eine Brille als Ersatzhilfe empfohlen, bevor mit der persönlichen
Anpassung der Linse begonnen wird.
Alter
Generell wurde der potenzielle Kunde nicht in der Altersgruppe der über 60 Jährigen gesehen, da sich die im
Rentenalter befindenden Menschen nicht mehr dem Alltagsstress ausgesetzt sind und daher eher den häufigen
Brillenwechsel in Kauf nehmen. Die befragten Optiker geben zudem an, dass ab einem gewissen Alter das
Tragen von Kontaktlinsen nur sehr schwer zu realisieren ist. Relevante Faktoren betreffen die koordinativen und
Visionenpapier SmartLens
40
motorischen Fähigkeiten der Kunden, welche die Handhabung der Kontaktlinse bestimmen. Zusätzlich reduziert
sich der Tränenfilm im Alter, was negative Auswirkungen auf die Nutzbarkeit und Tragedauer von Kontaktlinsen
hat. Ein weiteres Problem älterer Kunden betrifft die verminderte Sehleistung im Nahbereich. Folglich entstehen
Probleme beim Einsetzen von Kontaktlinsen.
Die befragten Optiker berichteten weiterhin von einer Anpassung der Beratungsstrategie an das Alter des
Kunden. Dies liegt unter anderem an den erläuterten Unterschieden in Ansprüchen und Prioritäten bezüglich
Kontaktlinsen für die verschiedenen Altersgruppen. Teilnehmer der Fokusgruppe gaben an, dass im
Kleinkindalter keine Tragefähigkeit für Kontaktlinsen besteht. Jedoch ist ein frühzeitiger Beginn, insofern der
Augenarzt dies befürwortet, grundsätzlich möglich und empfiehlt sich bei einigen Formen der Fehlsichtigkeit.
Als typisches Einstiegsalter für Kontaktlinsen wurde dabei das Alter zwischen 14-16 Jahre genannt.
Unwahrscheinlicher, aber nicht ausgeschlossen, sind Kunden, die sich im Alter von 45-50 und älter zur
Erstnutzung von Kontaktlinsen entscheiden. Junge Personengruppen entscheiden sich dabei meist aus
praktischen sowie ästhetischen Gründen für Kontaktlinsen und geben in Erstgesprächen durchschnittlich eine
geringere Tragedauer an. Nach einer erfolgreichen Anpassung wollen diese Kunden ihre Linsen oft länger
nutzen, weshalb eine erneute Anpassung durch den Optiker vorgenommen werden muss.
Zusätzlich zu der Befragung von Augenoptikern mittels Fokusgruppen wurden teilstrukturierte Tiefeninterviews
mit einem Augenarzt, zwei Leitern von Kontaktlinseninstituten sowie drei Geschäftsführern von
Kontaktlinsenherstellern durchgeführt. Diese Personengruppen konnten nicht an den Fokusgruppengesprächen
teilnehmen, weshalb sie im Rahmen von Einzelinterviews befragt wurden. Durch den Einbezug möglichst vieler
Experten aus unterschiedlichen Berufen wurde somit eine ganzheitliche Betrachtung der Problemstellung
ermöglicht. Die Analyse der Interviews erfolgte entsprechend den Fokusgruppengesprächen mittels einer
qualitativen Inhaltsanalyse. Wie in Tabelle 9 aufgezählt, konnten für die dargestellten Kategorien insgesamt 207
Textstellen gefunden werden
Tabelle 9: Häufigkeiten der Nennungen über die gesamten Interviews
Kategorie
1. Akzeptanz
2. Linsentypen
Anzahl
71
38
Unterkategorie
Anzahl
1.1 Nachteile
24
1.2 Vorteile
15
1.3 Akzeptanz
4
1.4 Drop-Out
7
1.5 Gründe für Verwendung Kontaktlinsen
21
2.1 Multifokale Linsen
19
2.2 Linsen für Monovision
7
2.3 Intraokularlinsen
4
Visionenpapier SmartLens
41
3. Erwartungshaltung
4.
Rahmenbedingungen
Kontaktlinsentragens
37
des
5. Anforderungen an selbst
akkommodierende Kontaktlinse
34
2.4 Weiche Linsen
5
2.5 Harte Linsen
3
3.1
Änderung
Meinung
Kontaktlinsenbenutzung
nach
2
3.2 Erstkontakt mit Kontaktlinsen
4
3.3 Beratungsprozess
17
3.4 Vorbehalte
14
4.1 Kosten
2
4.2 Handling der Linse
3
4.3 Pflege
5
4.4 Nutzergruppen die keine Kontaktlinsen
tragen können
12
4.5 Ärzte
1
4.6 Nutzergruppen
11
27
Akzeptanz
Es gibt eine Vielzahl an Kontaktlinsenträgern, was an der breiten Verfügbarkeit dieser, wie beispielsweise
Drogeriemärkte, und am Interesse der Patienten zu erkennen ist. Ein Trend gegen oder für Kontaktlinsen
konnten die Befragten derzeit nicht feststellen. Im Gegensatz dazu wurde eine gestiegene Akzeptanz der Brille
wahrgenommen. Das Tragen von Kontaktlinsen wurde dagegen als eine Grundsatzentscheidung der Nutzer
angesehen. Bei der Betrachtung von Geschlechtsunterschieden sagten die Befragten, dass Frauen weniger
Berührungsängste haben, da sie nach Meinung der Experten durch das Schminken eine geringere
Hemmschwelle besitzen, sich in das Auge zu fassen.
Nachteile
Die Dicke von Kontaktlinsen steigt an, je höher die Fehlsichtigkeit einer Person ist. Entsprechend kommen auch
moderne Kontaktlinsensysteme bei hohen Fehlsichtigkeiten an ihre Grenzen, indem das Risiko für das
Wahrnehmen eines Fremdkörpergefühls steigt. Ein weiteres Kriterium für den Abbruch des
Kontaktlinsentragens ist laut Experten ein unbefriedigendes Sehergebnis, durch eine beeinträchtigte
Sehschärfe aufgrund von Zonen der Kontaktlinse in der Ferne oder in der Nähe. Mit fortschreitendem
Lebensalter erhöht sich zudem das Risiko für trockene Augen, weshalb die klassischen Presbyopiepatienten oft
zu trockenen Augen neigen, was die tägliche Tragezeit reduziert und die Chance der Kontaktlinsenversorgung
verringert.
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Vorteile
Die Experten argumentieren, dass sich die Nutzer schnell an den Umgang mit den Kontaktlinsen gewöhnen und
mit ihrer Erfahrung auch im höheren Alter und bei einer hohen Fehlsichtigkeit die Reinigung der Linsen
selbstständig und verlässlich durchführen können. Weiterhin weist die Kontaktlinse eine bessere
Abbildungsqualität bei höheren Fehlsichtigkeiten im Vergleich zur Brille auf. Zudem ist eine Kontaktlinse
minimal invasiv, weshalb im Vergleich zu operativen Eingriffen die Risiken geringer sind. Beim Kauf von
Kontaktlinsen erfolgt außerdem keine Einmalzahlung. Im Vergleich zu Operationen, für welche einmalig hohe
Kosten anfallen, wird von den Patienten ein Testen von Kontaktlinsen bevorzugt. Die Experten sehen den
größten Nutzen in einem uneingeschränkten Gesichtsfeld, welches von eine Brille vergleichsweise stark
eingeschränkt wird.
Drop-Out
Der Abbruch des Kontaktlinsentragens (Drop-Out) hat vielfältige Gründe. Ein Teil der presbyopen Patienten
erfährt mit multifokalen Kontaktlinsen Probleme, welche vorher mit Einstärkelinsen nicht aufgetreten sind. Viele
Patienten des Augenarztes und der Inhaber der Kontaktlinseninstitute wollen nicht zeitgleich eine Lesebrille und
Kontaktlinse nutzen, möchten jedoch auch nicht auf multifokale Linsen wechseln und entscheiden sich deshalb
gegen die Kontaktlinsen. Die Gründe des Drop-Outs werden außerdem in Komplikationen aufgrund der falschen
Anwendung der Linsen gesehen. Beispielhaft wird eine zu lange Tragedauer oder die falsche Verwendung von
Reinigungsmitteln genannt. Ein Grund dafür ist, dass Patienten großer Herstellern und Drogerieketten mit
sogenannten Wegwerfsystemen versorgt werden, ohne dass die Linsen individuell auf die Augen angepasst und
die Träger ausreichend geschult werden. Im Gegensatz dazu werden in Kontaktlinseninstituten vordergründig
Speziallinsen, welche auf eine lange Tragedauer ausgelegt sind, angepasst. Durch die individuelle Beratung wird
nach Aussagen der Experten eine sehr geringe Drop-Out-Rate erreicht.
Gründe für Verwendung Kontaktlinsen
Die Teilnehmer der Befragung gaben zudem an, dass Menschen aktiver werden und extremere Hobbies
betreiben. Hierbei genießen sie mit einer Kontaktlinse mehr Freiheiten im Vergleich zur Brille. Insgesamt sind es
die typischen Vorteile der Kontaktlinsen wie Lebensqualität, Freiheit, gutes Sehen, oder bestimmte
Berufsgruppen oder Sportarten, die die Patienten zur Nutzung von Kontaktlinsen bewegen. Weiterhin wurde die
Abneigung mancher Nutzer gegen Brillen genannt. Hier spielen besonders ästhetische Aspekte und der Komfort
eine bedeutende Rolle. Die Idealvorstellung des Nutzers ist so zu sehen, wie sie vor zehn oder fünfzehn Jahren
gesehen haben.
Linsentypen
Für die Linsentypen geben die Experten an, dass die weiche Linse das Auge stärker belastet und auch trotz der
neuen Materialentwicklungen die Verträglichkeit sich vermutlich nicht erhöht. Als Folge können viele Patienten
nach ca.15 bis 20 Jahren keine Weichlinsen mehr tragen.
Weiterhin wird der Kostenfaktor als bedeutender Unterschied angeführt. Konventionelle Hartlinsen sind
hochwertig und individuell auf das Auge angepasst. Entsprechend liegen die Kosten im dreistelligen Bereich. Im
Gegensatz dazu ist eine Box mit Weichlinsen bereits ab unter 10€ zu erwerben. Der Fall der Zerstörung einer
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konventionellen Linse, wird demzufolge negativ wahrgenommen, weshalb risikoscheue Menschen zu den
weichen Tageslinsen tendieren. Neben den Kosten wird der Pflegeaufwand der Wegwerflinsen von den Experten
als geringer angegeben, da sie in der Regel eine All-in-One-Lösung benötigen, welche Aufbewahrung, Abspülen
und Reinigung in einem Produkt integrieren. Im Gegensatz dazu müssen diese Linsen mit einem speziellen
Reinigungsmittel auf Peroxid-Basis gepflegt werden, welches ca. acht Stunden auf die Linse wirken muss.
Separat erfolgen die Lagerung und die Pflege mit weiteren Mitteln.
Der Einstieg mit harten Kontaktlinsen wird als schwieriger bewertet, weil sich die Linse auf dem Auge bewegt
und nicht fixiert ist. An dieses Gefühl müssen sich die Patienten, laut Aussage des Arztes und der Optiker erst
gewöhnen. Durch dieses Bewegungspotential, was den weichen Kontaktlinsen fehlt, werden formstabile Linsen
leistungsfähiger als weiche Kontaktlinsen angesehen. Die Hersteller von Kontaktlinsen gaben weiterhin an, dass
die weichen Kontaktlinsen die Herausforderung haben, dass sich die komplette Optik vor der relativ kleinen
Pupille befinden muss.
In den Interviews wurde gesagt, dass es schwieriger ist, mit einem Multifokalsystem in das Kontaktlinsentragen
einzusteigen als von einem Monovisionssystem auf solch ein System umzustellen. Multifokale Linsen verträgt
nicht jeder Patient, auch wenn aktuell zwei grundsätzliche Systeme (alternierende, simultane Systeme) zur
Verfügung stehen. Zudem haben die multifokalen Linsen eingeschränkte Optikzonen. Durch die Bewegung der
Linsen entstehen dabei Unschärfen zwischen den Sehzonen, weshalb bei hohen Anforderungen an die
Sehleistung ein Einsatz dieser Linsen nicht sinnvoll ist. Der am häufigsten verwendete Behandlungsansatz für
einfache Fehlsichtigkeiten ist die Monovision. Sie ist mit dem Verzicht auf das vollkommende räumliche Sehen
verbunden, aber ermöglicht schnell sehr gute Ergebnisse für Kontaktlinseneinsteiger. Die Experten berichten
entsprechend von einer geringe Drop-Out-Rate.
Erwartungshaltung
Änderung der Meinung nach Kontaktlinsenbenutzung
Die Spezialisten treffen beim Erstkontakt mit Patienten auf eine bestimmte Erwartungshaltung. Nach Aussage
der Befragten ist es die Aufgabe des behandelnden Arztes oder Optikers, die Erwartungshaltung zu erfragen und
an die realen Funktionen und Möglichkeiten von Kontaktlinsen anzupassen. Sind den Patienten der benötigte
Aufwand, die Kosten sowie Vor- und Nachteile bewusst, ist anschließend mit einer hohen Akzeptanz zu rechnen.
Beratungsprozess
In den Kontaktlinseninstituten erfolgt zuerst eine Anamnese mit einer Sensibilisierung bezüglich der
Eigenschaften und Leistungsfähigkeit der Kontaktlinsen, Wünschen des Kunden, beruflichen Ansprüchen sowie
bisherigen Augenerkrankungen und -behandlungen. Ebenfalls wird je nach Bedarf der Kunde über die
Funktionsweise der Linsen und des Auges sowie die Pflegeprozesse aufgeklärt. Anschließend wird die
Vermessung des Auges mit der Bestimmung der Topographie, eine Hornhautinspektion und Tränenanalyse
durchgeführt. Der interviewte Arzt erklärte, dass er sich die Wünsche der Kunden zuerst anhört und daran die
Motivation für eine Sehhilfe erkennt und ableitet. Wird eine nicht sichtbare Sehhilfe gewünscht, berät er seine
Patienten ausführlich über die Vor- und Nachteile der invasiven Hornhautchirurgie und von Kontaktlinsen.
Ebenso muss er in der Beratung verdeutlichen, dass Regeltermine zur Kontrolle der Augen und Kontaktlinsen
sehr bedeutend sind.
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Es gibt viele Distributionskanäle bei denen keine ausreichende Kontaktlinsenberatung erfolgt.
Dementsprechend erfolgt keine ausführliche Anpassung der Linse auf das Auge. Alternativ wird von den
Experten eine ungeeignete Beratung genannt, indem der Nutzer mehrere Linsen probiert und sich letztlich die
am wenigsten störende Variante aussucht. Eine ungenügende Passung auf die Augenoberfläche oder eine
schlechte Versorgung des Auges, kann somit nicht erkannt werden. Es wird von Fällen berichtet, bei denen
Kunden die Linse plötzlich nicht mehr vertragen. Die Ursache ist eine falsche Linse, welche aufgrund eines
ungenügenden Beratungsprozesses ausgewählt wurde.
Vorbehalte
Die Teilnehmer der Interviews gaben an, dass viele Menschen sich nicht vorstellen können, sich an das Auge zu
fassen oder sich etwas aufs Auge zu setzen. Weiterhin haben ältere Menschen tendenziell mehr Angst vor
Kontaktlinsen. Die Gründe liegen in dem stärkeren Zittern und dem Respekt vor dem Einlegen eines kleinen
Gegenstands. Viele regelmäßige Kunden sind aufgeklärt, und wissen schon vorher, dass sie sich gern
Kontaktlinsen kaufen möchten. Sie haben sich zu dem Thema meist belesen. Wie auch in der Befragung der
Optiker schon festgestellt werden konnte, wurde auch hier angegeben, dass Männer oftmals eine gewisse
Hemmschwelle vor dem Einsetzen der Linsen haben.
Rahmenbedingungen des Kontaktlinsentragens
Pflege
Die Befragten gaben an, dass Ihre Patienten die Notwendigkeit der Pflege nur teilweise einsehen. Als Problem
wurde die Motivation genannt, welche zur Erstberatung nicht zu erkennen und im Anschluss nicht zu überprüfen
ist. Entsprechend werden aus Nachlässigkeit oder aus Bequemlichkeit Fehler gemacht, wie zum Beispiel
normales Wasser anstatt Kochsalzlösung zur Reinigung genutzt.
Kosten
Die Kosten werden subjektiv wahrgenommen und abhängig vom Einkommen unterschiedlich beurteilt.
Bedeutend ist, dass der Patient aufgeklärt wird, wie sich der Preis zusammensetzt. Wenn Kunden bereits
pathologische Erkrankungen am Auge durch das Tragen der Standardkontaktlinsen vorweisen, haben sie eine
erhöhte Bereitschaft Geld für individuell angepasste Linsen zu bezahlen. Ein teilnehmendes
Kontaktlinseninstitut bietet dabei ein neuartiges Bezahlmodell an, bei welchem der Kunde monatliche Raten
zahlt und dafür Dauerlinsen zur Verfügung gestellt bekommt.
Kosten der Pflegemittel der Wegwerflösungen werden von den Experten als niedriger als die der harten
Dauerlinsen eingestuft. Laut Mitarbeitern von Kontaktlinseninstituten sollte Vorsicht bei der Verwendung von
günstigen Lösungen für Dauerlinsen geboten werden, da diese mitunter keine ausreichende Reinigung der
Linsen ermöglichen, wodurch Irritationen am Auge entstehen können. Vor allem durch die richtige Pflege kann
der hohe Tragekomfort der Kontaktlinsen gewahrt werden.
Nutzergruppen die keine Kontaktlinsen tragen können
Nach Expertenmeinung gibt es verschiedene Nutzergruppen, welche Kontaktlinsen nicht tragen können oder
eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Nichtverträglichkeit der Linsen aufweisen. Im Rahmen eines
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Beratungsgesprächs müssen diese Kriterien deshalb beachtet werden. Zum einen betrifft das Berufsgruppen,
denen aufgrund von besonderen Arbeitsbedingungen keins der verfügbaren multifokalen Systeme angepasst
werden kann. Zum anderen muss bei körperlich oder geistig eingeschränkten Menschen erfragt und geprüft
werden, ob das Einsetzen und Herausnehmen sowie eine gründliche Pflege gewährleistet werden kann.
Weiterhin lassen sich einige besondere Augenformen nicht versorgen. Besonders häufig trifft das bei
pathologischen Veränderungen zu. Ein weiteres kritisches Merkmal sind trockene Augen. Wollen zudem Kinder
aus kosmetischen Gründen Kontaktlinsen tragen, wird laut Aussage des Augenarztes denen und den Eltern
davon abgeraten.
Ärzte
Die Meinung eines Befragten Kontaktlinseninstitutsleiters ist, dass ein Teil der Ärzte ihren angeschafften
Augenlaser möglichst auslasten möchten und diese deswegen primär zu den Augenlasern raten. Weiter wollen
sie als Nebengeschäft Standwegwerfsysteme verkaufen, haben aber keine weitreichenden Kenntnisse über das
Kontaktlinsenanpassen, weshalb eine gute Beratung nicht gewährleistet werden kann. Zudem gibt es eine
Vielzahl an Ärzten, welche sich mit dem Kontaktlinsenanpassen nicht auskennen und ihre Kunden deshalb zu
Optikern und Kontaktlinseninstituten vermitteln.
Nutzergruppen
Nach Meinung der Teilnehmer der Befragung wollen üblicherweise jüngere Menschen Kontaktlinsen tragen.
Gründe dafür werden in dem Wandel des Lebensstils gesehen. Junge Menschen haben ein erhöhtes
Bewusstsein für Wellness, Fitness sowie einen aktiven Lebensstil und daher eine höhere Motivation für das
Tragen von Kontaktlinsen. Diese werden aber üblicherweise mit Einstärkelinsen versorgt und benötigen keine
multifokalen Kontaktlinsen. Zusätzlich gibt es eine große Zahl an Nutzern, welche Brille und Kontaktlinse
besitzen und abwechselnd tragen. Bedingt durch die einsetzende Presbyopie benötigen diese allerdings im
höheren Lebensalter eine Sehhilfe für den Nahbereich. Übliche erstgewählte Alternativen der Nutzer sind
Gleitsichtbrillen und multifokale Kontaktlinsen. Die Laserbehandlung der Augen wird meist nur von Personen
genutzt, die komplett auf Sehhilfen verzichten möchten. Weiterhin kennen die Spezialisten nur wenige
Menschen, die sich im Alter von über 60 Jahren Kontaktlinsen als Alternative zur Gleitsichtbrille anfertigen
lassen. Sie sagen jedoch auch, dass langjährige Kontaktlinsenträger im hohen Alter und bei leichtem Zittern
keine Probleme beim Kontaktlinseneinlegen haben.
Erstkontakt mit Kontaktlinsen
Die Kunden der Mitarbeiter der Kontaktlinseninstitute kommen zum Großteil aufgrund von Zuweisungen von
Augenärzten zur Kontaktlinsenberatung. Dies sind oftmals kosmetische Fälle, welche mit einer Brille nicht
versorgt werden können. Ein anderer Teil sind Kunden, welche beim Erstkauf von Kontaktlinsen ungenügend
beraten wurden. Sie haben standardmäßige Wegwerfsysteme, Monatslinsen oder Tageslinsen erhalten, welche
jedoch für deren Bedürfnisse nicht ausreichen und Probleme auftreten. Ein individueller Service eines Befragten
Leiters eines Kontaktlinseninstituts, ist die Möglichkeit der Rückgabe von Speziallinsen innerhalb der ersten
zwei Monate.
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Anforderungen an selbst akkommodierende Kontaktlinse
Eine elementare Anforderung, welche von allen Befragten genannt wurde, ist eine möglichst hohe
Gasdurchlässigkeit und die Sauerstoffversorgung der Hornhaut. Zudem darf die Dicke der Kontaktlinse im
Vergleich zu aktuellen Systemen nicht stark zunehmen (aktuell ca. 0,1 Millimeter). Um diese Ansprüche zu
erfüllen, muss auf die Auswahl des Linsenmaterials besonders großer Wert gelegt werden. Außerdem sollten
Materialien gewählt werden, die für verschiedene Zusammensetzungen des Tränenfilms geeignet sind. Die
Energieversorgung der Kontaktlinse soll außerdem möglichst über einen längeren Zeitraum, ohne Nachladen
erfolgen. Das Gesamtsystem soll laut den Experten ein möglichst ansprechendes Design vorweisen, um eine
erhöhte Akzeptanz zu gewährleisten.
Weiterhin wird der ausschließliche Verkauf von maßgefertigten Linsen empfohlen, bei welchen die Form der
Rückseite der Linse an die Augenform angepasst wird. Die Vorteile davon sind die bessere Passung an das Auge
und dadurch bedingt die längere und bessere Verträglichkeit der Linsen. Hierbei wurde von allen Befragten
angemerkt, dass auf einen wettbewerbsfähigen Preis geachtet werden muss, um eine hohe Akzeptanz zu
erreichen. Der Verkauf und die Beratung sollten von Experten, wie Ärzten oder Kontaktlinseninstituten
durchgeführt werden. Ein Direktvertrieb ist zu vermeiden und eine ausführliche persönliche Beratung
anzustreben. Dadurch ist es möglich die Bedeutung einer umfassenden Nachsorge zu verdeutlichen. Es wird
jedoch zu bedenken gegeben, dass zurzeit zu wenige Spezialisten in Kontaktlinseninstituten beschäftigt sind.
4.4. Interview-Befragung im Feld
Als Vorbereitung für die Nutzerbefragung wurden parallel zu den Workshops Charakteristika von Kontaktlinsen
aus der Literatur aufgenommen. Speziell wurden mögliche Nachteile und Probleme von Kontaktlinsen
recherchiert, damit diese anschließend von den Teilnehmern bewertet werden. Eine Übersicht mit der zugrunde
liegenden Referenz ist in der Tabelle 7 in Kapitel 4.1 aufgelistet.
Im Rahmen der Nutzerbefragung wurde ein Fragebogen entwickelt, welcher in einer onlinebasierten Umfrage
vor Ort eingesetzt wurde. Ein Teil der Nutzerbefragung beinhaltete den Usability Experience Questionnaire 86. Im
Rahmen der Analyse werden die hedonische Qualität anhand der Kategorien Stimulation und Originalität sowie
die pragmatische Qualität mittels der Steuerbarkeit abgefragt. Die Kategorien Durchschaubarkeit und
Steuerbarkeit konnten nicht abgefragt werden, da noch kein realer Prototyp des Produkts zur Verfügung steht
und somit die einzelnen Items nicht beantwortet werden können.
Die Ergebnisse des Fragebogens sollten Hinweise auf die unmittelbare und erstmalige Wahrnehmung der
Technologie geben. In der Literatur bezeichnet dies Norman als viszerale Ebene, die eine unmittelbare Reaktion
auf sensorische Reize ist und eine schnelle Entscheidung liefert, ob etwas als gut, schlecht, sicher oder
gefährlich eingestuft wird87. Der User Experience Questionnaire wurde verwendet, um unterschiedliche
Kontaktlinsensysteme, wie sie in Abbildung 21 exemplarisch dargestellt sind, bewerten zu lassen.
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Kontaktlinse 1
Kontaktlinse 2
Kontaktlinse 3
Abbildung 21: Darstellung der unterschiedlichen Kontaktlinsendesigns [Quelle: Eigene Darstellung]
Als erste Kontaktlinse wurde eine gewöhnliche Linse gewählt, welche den Teilnehmern bekannt ist. Im Rahmen
eines Expertenworkshops wurden anschließend zwei Varianten entwickelt, welche selbst akkommodierende
Kontaktlinsen visualisieren sollen. Kontaktlinse zwei ist eine auffällige Version, die keine an die Augenfarbe
angepasste Elektronik enthält. Die letzte Version stellt ein angepasstes Kontaktlinsensystem mit einem
elektrischen Leiter dar, welcher zur Energieversorgung dient. Dieser ist nach Expertenmeinung halbtransparent
gestaltbar, was in dem Schaubild umgesetzt wurde. Die Platine, welche die Steuerungstechnik sowie die
Sensorik enthält wird von den Experten als nicht anpassbar eingestuft.
Die Durchführung der Umfrage erfolgte auf einem Universitätscampus. Insgesamt wurden 174 Personen
befragt, wobei 43,22% der Teilnehmer weiblich und 56,78% männlich waren. Dabei wurden überwiegend junge
Menschen, mit einem Altersschnitt von 25,80 Jahren befragt.
Tabelle 10: Art der Fehlsichtigkeit und Sehhilfenbesitz der Befragten
Fehlsichtigkeit?
Besitz einer Sehhilfe
Brille
Kontaktlinse
Myopie
53,70%
51,28%
34,84%
Hyperopie
6,17%
8,39%
2,58%
Presbyopie
3,71%
5,77%
0,65%
Emmetropie
36,42%
-
-
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Wie in Tabelle 10 ersichtlich ist, gab über die Hälfte aller Befragten an, kurzsichtig (myop) zu sein. Entsprechend
können sie Gegenstände in der Ferne nicht einwandfrei erkennen. Ein geringerer Teil bezeichnete sich als
weitsichtig (hyperop) oder altersweitsichtig (presbyop). Ungefähr ein Drittel aller Befragten gab außerdem an,
dass sie normalsichtig sind. Die Werte für den Besitz einer Sehhilfe spiegeln wieder, wie viele Personen eine
Sehhilfe auf einer Skala von täglich bis einmal im Monat nutzen. Es wurde ermittelt, dass über 50% der
Teilnehmer eine Brille besitzen, wobei eine Korrektur der Myopie vorrangig beabsichtigt wird. Diese Werte
entsprechen ungefähr den vom Institut für Demoskopie Allensbach erhobenen Werten88.
Weiterhin konnte eine hohe Penetration von Kontaktlinsen mit fast 35% aufgenommen werden. Dieser Wert
steht im starken Kontrast zu der in der Literatur auffindbaren Kontaktlinsenverwendung (Allensbach88,89 (2011
– 5,3%, Ostdeutschland – 3,6%; 2014 – 5,2%, Ostdeutschland 2,8%)). Der Grund für die starke Abweichung ist
in der nicht gänzlich repräsentativen Stichprobe zu sehen. Befragt wurden vor allem jüngere Personen, welche
einen hohen Bildungsgrad aufweisen und mehrheitlich im Bundesland Sachsen wohnen.
Kontaktlinsen können in Deutschland über eine Vielzahl an Vertriebskanälen an Kunden verkauft werden.
Abhängig vom Kanal ist der Beratungsumfang sowie die Möglichkeit Augenuntersuchungen durchführen zu
lassen. Aus diesem Grund wurden die Teilnehmer der Studie gefragt, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie sich
für welchen Vertriebskanal für die Erstberatung und Stärkenbestimmung sowie für den Kauf nach der
Erstberatung entscheiden würden. Die Ergebnisse sind in der Abbildung 22 dargestellt.
5
*
*
4
3
*
*
*
2
1
Apotheke
Optiker
Erstberatung
Drogerie
Augenarzt
Internet
Kauf nach Erstberatung
Abbildung 22: Wahrscheinlichkeiten für Erstberatung und Kauf von Kontaktlinsen (1- sehr unwahrscheinlich; 5
sehr wahrscheinlich, signifikante Unterschiede = *) [Quelle: Eigene Darstellung]
Für eine Erstberatung würden sich die Teilnehmer mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zuerst an einen Optiker
oder Augenarzt wenden. Als unwahrscheinlich wird hingegen eine Beratung in der Apotheke, im Drogeriemarkt
oder im Internet gesehen. Über alle Vertriebskanäle lassen sich signifikante Unterschiede für den Kauf nach der
Erstberatung vorfinden. Dabei ist ein entgegengesetzter Trend für die Wahrscheinlichkeiten zu beobachten.
Optiker sind weiterhin die präferierten Kauforte, jedoch sind die Wahrscheinlichkeiten für Augenärzte und das
Internet gleich hoch. Die Drogerie wird im Vergleich zur Erstberatung höher bewertet, ist jedoch weiterhin der
am schlechtesten bewertete Vertriebskanal.
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Zusätzlich wurden drei Kontaktlinsenvarianten von den Teilnehmern mittels des User Experience Questionnaire
bewertet. Die resultierenden Werte für die Stimulation, Originalität und Attraktivität der Kontaktlinsensysteme
sind in der Abbildung 23 dargestellt.
1,5
1
0,5
0
-0,5
-1
-1,5
Attraktivität
Kontaktlinse 1
Stimulation
Kontaktlinse 2
Originalität
Kontaktlinse 3
Abbildung 23: Bewertung der Kontaktlinsentypen nach Attraktivität, Stimulation und Originalität (rote Linie
entspricht Grenzwert zu aussagefähigen Tendenzen (Wert: 0,8)) [Quelle: Eigene Darstellung]
Die befragten Personen beurteilen die Attraktivität der verschiedenen Kontaktlinsen unterschiedlich. Als positiv
und ebenfalls über den Grenzwert 0,8 liegend werden die Kontaktlinse eins (klassisch) und drei (dezent)
wahrgenommen. Deutlich schlechter wird die auffällige Kontaktlinse zwei bewertet. Mit einem Wert von -0,679
liegt die Beurteilung jedoch unter dem Grenzwert und ist entsprechend als neutrale Bewertung einzustufen. Die
Stimulation durch Kontaktlinsen fällt insgesamt positiv aus. Jedoch liegt ausschließlich der Wert der dezenten
Kontaktlinse über der Grenze und ist als positiv einzustufen. Unter den Befragten ergab sich für die Kontaktlinse
zwei ein Wert von 0,784, welcher eine neutrale Bewertung mit der Tendenz zu einer positiven Bewertung
darstellt. Gegenteilig zur Attraktivität wurde die Originalität der Linsen bewertet. Besonders die auffällige
Kontaktlinse wird als besonders innovativ und neuartig angesehen. Weiterhin wird die dezente Kontaktlinse
positiv bewertet, der Wert liegt jedoch 0,4 Punkte hinter der Kontaktlinse zwei. Klassische Kontaktlinsen werden
neutral betrachtet, mit einer leichten Tendenz zu negativen Werten.
Des Weiteren wurden die Teilnehmer der Befragung gebeten verschiedene Aussagen bezüglich Sehhilfen zu
bewerten. In der Auswertung der Daten wurde dabei anhand des vorher abgefragten Sehhilfenbesitzes zwischen
Teilnehmern ohne Sehhilfe, Besitzern von Brille und Kontaktlinse sowie Brillenbesitzern unterschieden. In der
Abbildung 24 sind die Ergebnisse aufgeführt.
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Eine Sehhilfe sollte mein Aussehen nicht
beeinträchtigen.
*
Eine scharfe Sicht in der Nähe und Ferne würde mein
Lebensgefühl verbessern.
Einschränkungen bei verschiedenen Hobbys durch
meine Sehhilfe sind für mich nicht hinnehmbar.
*
Mir ist ein unbeeinträchtigtes Sichtfeld wichtig.
Die begrenzte Tragedauer von Kontaktlinsen engt mich
in meiner Tagesplanung ein.
*
Mit Kontaktlinsen erreiche ich nicht die gewünschte
Sehleistung.
Der Pflegeaufwand zur Reinigung von Kontaktlinsen ist
hoch.
*
Kontaktlinsen erzeugen ein Fremdkörpergefühl.
*
Das Einsetzen und Herausnehmen der Kontaktlinsen ist
schwierig.
*
Die Kosten für Kontaktlinsenpflegemittel sind mir zu
hoch.
Die Kosten für Kontaktlinsen sind mir zu hoch.
1
Keine Sehhilfe
2
Brille, Kontaktlinse
3
4
5
Brille
Abbildung 24 : Vergleich der Einschätzung der Nutzer nach Sehhilfenbesitz (1- stimme überhaupt nicht zu; 5 –
stimme voll zu, signifikante Unterschiede = *) [Quelle: Eigene Darstellung]
Signifikante Unterschiede über die drei Gruppen konnten bei sechs Fragen ermittelt werden. Besonders von
Interesse waren Unterschiede zwischen Kontaktlinsenbesitzern und nicht Kontaktlinsenbesitzern. Hierbei
weisen vor allem die Bewertungen bezüglich des Pflegeaufwands bei Kontaktlinsen, dem Fremdkörpergefühl
beim Tragen der Linsen sowie die Beurteilung des Ein- und Aussetzvorgangs große Unterschiede auf. Alle drei
Fragebogenitems wurden von Teilnehmern mit Kontaktlinsenerfahrung positiver bewertet. Entsprechend
schätzen sie das Problem durch diese Faktoren geringer ein. Der gleiche Effekt, jedoch in geringerer
Ausprägung, kann für die Aussage „Die begrenzte Tragedauer von Kontaktlinsen engt mich in meiner
Tagesplanung ein“ festgestellt werden. Außerdem wurden signifikante Unterschiede für das erste und vierte
Fragebogenitem ermittelt. Hierbei sollten Nachteile von Brillen eingeschätzt werden. Es zeigte sich, dass
Teilnehmer der Umfrage, welche nur Brillen tragen diesen Nachteilen weniger stark zustimmen. Sie stimmen
trotz der vergleichsweise niedrigen Bewertung besonders den Items „Mir ist ein unbeeinträchtigtes Sichtfeld
wichtig“ sowie „Eine Sehhilfe sollte mein Aussehen nicht beeinträchtigen“ zu.
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51
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