MEDIZIN Durchfall ist keine Erkrankung für sich, sondern üblicherweise ein Symptom einer anderen auslösenden Ursache. Bei Kindern sind Darminfektionen die mit Abstand häufigste Ursache für Diarrhö. D ie Ursachen für Durchfallerkrankungen sind vielfältig und reichen von Infektionen des Darms durch Viren, Bakterien oder Einzeller über eine Schädigung der Darmzellen durch Gifte (Toxine), die von den Erregern gebildet werden, bis hin zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Aber auch systemische Krankheiten wie Schilddrüsenerkrankungen und Allergien oder Behandlungen mit bestimmten Medikamenten wie Antibiotika und psychische Ursachen wie Stress können sich in Durchfall äußern. Die häufigste Ursache für Durchfall im Kindesalter sind Darminfektionen. Gefährlich ist in diesen Fällen der manchmal erhebliche Verlust an Wasser und Elektrolyten, der unbedingt ausgeglichen werden muss. Darminfektionen Bei allen Darminfektionen ist das Hauptsymptom der Durchfall. Er kann von Erbrechen oder Fieber begleitet sein. Beim Durchfall ist der Anteil des Wassers im Stuhl deutlich erhöht. Das Wasser wird dem Körper entzogen, was zu einem Wasserverlust führen kann. Die akute MagenDarm-Infektion beginnt mit Bauchschmerzen, Appetitlosigkeit, Erbrechen, eventuell Fieber und breiigen bis wässrigen Durchfällen, manchmal mit Blut oder Schleim. Je nach Ursache können auch andere Beschwerden auftreten, z.B. Übelkeit, Schwindel, Kopfschmerzen. In den DritteWelt-Ländern stellen Magen-Darm-Infektionen eine wesentliche Ursache der Kindersterblichkeit dar. Diese Durchfallerkrankungen werden durch Bakterien, Viren oder Amöben verursacht. Häufige Erreger Amöbenruhr Die Amöbenruhr ist eine Infektion mit dem Darmparasiten Entamoeba histolytica. Der Patient mit Amöbenruhr ist müde und leidet unter Bauchschmerzen und Übelkeit. 90% der Infektionen laufen ohne Symptome ab. Bei der symptomatischen Form kommt es nach 2 Wochen Inku- 14 DAM © Foto Wilke Durchfallerkrankungen im Kindesalter P. Voitl, Wien bationszeit zu Durchfällen, die Blutbeimengungen enthalten können. Bauchschmerzen und Krämpfe treten fast immer auf. Es werden immer Amöbenzysten mit dem Stuhlgang ausgeschieden, die für die Diagnosestellung wesentlich sind. Mangelhafte hygienische Zustände begünstigen die Verbreitung. Es werden 2 Formen der Amöbenruhr unterschieden: eine meist symptomlose, häufige Minutaform, die nur den Darm betrifft, und eine Magnaform, bei der der Parasit andere Organe befällt. Symptomlose Überträger sind häufig. Beide Formen der Amöbenruhr werden mit Antibiotika behandelt. Auch symptomlose Träger sollten behandelt werden, um einer weiteren Übertragung der Krankheit vorzubeugen. Bei Durchfällen sollten Sie zusätzlich auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr achten. Lambliasis Lamblien sind einzellige Lebewesen. Dieser Erreger nistet sich vorwiegend im Dünndarm des Menschen ein und verursacht übelriechende Durchfälle, die auch Blutbeimischungen enthalten können. Damit verbunden ist immer eine verminderte Aufnahme von wichtigen Nährstoffen, Vitaminen und Mineralien. Bakterielle Ruhr Dabei handelt es sich um eine Infektion mit Shigellen durch verunreinigtes Trinkwasser oder Nahrungsmittel. Zuerst treten starkes Fieber und erhebliche, krampfartige Bauchschmerzen auf, dann folgen häufiges Erbrechen und Durchfall. Der wässrige Stuhl ist meist blutig und schleimig. Als wichtige Infektionsgebiete gelten Ägypten und Tunesien. Campylobacter Infektionen mit Campylobacter werden durch infiziertes Trinkwasser oder Nahrungsmittel verursacht. Symptome sind Schüttelfrost und Fieber, Bauchschmerzen, sehr häufige Durchfälle (bis zu 20-mal am Tag) und Erbrechen. Die Erreger sind relativ umweltresistent. Eine Übertragung – direkt auf fäkal-oralem Wege oder indirekt über keimhal- Ausgabe 9/16 MEDIZIN © iStockphoto tige Nahrung (Fleisch von Geflügel und anderen Haustieren, Rohmilch) oder Trinkwasser – ist durch eine vergleichsweise geringe Erregerzahl möglich. Cholera Infektionen mit Cholerabakterien erfolgen durch verunreinigtes Trinkwasser oder Nahrungsmittel. Neben wässrigem Stuhl kommt es auch zu dauerndem Erbrechen. Der Patient hat Untertemperatur und kann die gefüllte Harnblase nur schwer spontan entleeren. Bei Cholera sollte unbedingt beachtet werden, dass auch nach erfolgreicher Behandlung die Erreger noch 3 Monate lang ausge­ schieden werden können. Nachuntersuchungen sind erfor­ derlich. Kolibakterien Infektionen mit Kolibakterien bewirken leichten Durchfall, der gelegentlich von Erbrechen begleitet wird, und dauern häufig nicht länger als 2 Tage. Die Kolibakterien gelangen durch Unsauberkeit nach der Toilette oder entsprechende Abwässer auf Nahrungsmittel und ins Trinkwasser. Über 40% der auf Reisen erworbenen Durchfälle, die auch als „Montezumas Rache“ bekannt sind, werden einem speziellen Kolibakterium zugeschrieben, dem enterotoxischen Escherichia coli (ETEC). Rotavirusinfektionen Rotavirusinfektionen sind die häufigste Ursache einer virusbedingten Durchfallerkrankung im Kleinkindalter. Kinder mit einer Rotavirusinfektion erkranken durchschnittlich schwerer als Kinder mit einer Durchfallerkrankung anderer Ursache; die Rate der Krankenhausaufenthalte ist höher. Vor allem bei kleinen Kindern können Rotaviren zu schweren Durchfällen führen. Mit zunehmendem Lebensalter wird die Schwere der Infektionen geringer. Es konnte festgestellt werden, dass eine solche Infektion bevorzugt dann auftritt, wenn das Immunsystem des Darmes noch nicht ausgebildet ist, wie dies bei Kindern und Säuglingen der Fall sein kann. Rotaviren sind auch bei Haustieren verbreitet, die Übertragung erfolgt aber überwiegend von Mensch zu Mensch oder durch Wasser. Eine Schluckimpfung schützt vor dieser Infektion und ist ab der 6. Lebenswoche bis zum 6. Lebensmonat möglich. Norwalk-like-Viren (Noroviren, „small round structured viruses“, SRSV) Weltweit werden SRSV als häufigste Erreger virusbedingter Gastroenteritiden bei Erwachsenen angesehen, betreffen aber auch Kinder. Die meist plötzlich einsetzenden Krankheitserscheinungen umfassen Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, Durchfall und allgemeines Krankheitsgefühl („epidemisches Erbrechen“). Die Infektiosität ist sehr hoch, dabei spielen neben Speisen oder Getränken direkte Kontakte von Mensch zu Mensch eine größere Rolle als bei anderen Darminfektionen. Daraus ergibt sich eine besondere Bedeutung dieser Infektionen für Gemeinschaftseinrichtungen, in denen sie sich rasch ausbreiten können. Die Inkubationszeit beträgt 12 bis 48 Stunden. Personen schei- 9/16 Ausgabe den das Virus während der akuten Erkrankung und mindestens 48 Stunden (bis zu 10 Tage nach Krankheitsbeginn) nach Beendigung der Symptome aus. Salmonellose Bei Infektionen mit Salmonellen kommt es zu plötzlichem Unwohlsein und Übelkeit und später zu Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfällen. Die Erkrankung dauert in der Regel 2 bis 5 Tage. Die Betroffenen haben häufig Fieber. Salmonellen kann man sich durch indirekten Kontakt mit erkrankten Menschen oder durch verunreinigte Lebensmittel einhandeln. Oft finden sie sich bei häufig wieder aufgewärmten Speisen oder nicht durchgegarten Nahrungsmitteln, z.B. Geflügeln, Eier, Mayonnaise, Salaten, Süßspeisen oder Milchprodukten. Die Salmonellenenteritis ist eine häufige Darminfektion. Trotz Meldepflicht ist mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen. Typhus/Paratyphus Typhus und Paratyphus sind schwere Infektionen durch Bakterien (spezielle Salmonellen), die durch verschmutztes Wasser und Nahrungsmittel in den Körper gelangen. Die Infektionshäufigkeit ist besonders in Südostasien und DAM 15 MEDIZIN Nordafrika erhöht. Der Krankheitsverlauf ist typisch: Häufig geht eine Verstopfung voraus. Die Körpertemperatur steigt allmählich. Der Patient leidet unter Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit. In der zweiten Woche tritt Fieber bis zu 40°C auf. Am Rumpf und gelegentlich an Armen und Beinen erscheinen kleine rote Flecken. In der dritten Woche kommt Durchfall hinzu. Eine Therapie ist in jedem Stadium sinnvoll und mit den richtigen Antibiotika möglich; die Einnahme muss auf der Verordnung eines Arztes beruhen. Eine Impfung gegen Typhus ist möglich. Beide verfügbaren Impfmöglichkeiten (Injektion oder Schluckimpfung) sind, wenn richtig angewandt, sinnvoll, wenn Infektionsgefahr besteht, sie wirken etwa 2 bis 3 Jahre. Die Wirksamkeit einer regelrecht durchgeführten Impfung wird mit ca. 60% angenommen. Vorbeugung auf Reisen Man sollte darauf achten, nur gekochte Lebensmittel zu essen, und Salate, Meerestiere, rohes Fleisch oder rohen Fisch vermeiden. Rohes Obst sollte vor dem Verzehr geschält werden. Es kann empfehlenswert sein, auch zum Zähneputzen Mineralwasser zu verwenden. Auf Hygiene beim Gang auf die Toilette ist zu achten. Eine Impfung ist gegen Typhus und Cholera möglich. Therapie Der Flüssigkeits- und Mineralstoffverlust bei starkem Durchfall muss ausgeglichen werden; bei Kindern ist eine Teepause sinnvoll. Später sollte ein langsamer Kostaufbau mit fettarmen Mahlzeiten erfolgen. Hilfreich sind Medikamente wie Bioflorin; unterstützend wirkt Himbeerblättertee sehr gut. Hält Durchfall länger an, kann auch eine Normolytlösung gegeben werden, um eine Dehydrierung durch den starken Flüssigkeitsverlust zu verhindern. Zumeist sind spezielle Durchfallmittel nicht nötig. Erst bei länger andauernden Durchfällen können Medikamente verordnet werden, die die Bewegung des Darmes vermindern und den Verlust an Mineralstoffen einschränken. Beispielsweise kann Imodium® gegen die Krämpfe hilfreich sein. In der Regel ist eine Antibiotikabehandlung bei Magen-Darm-Infektionen nicht notwendig. Es gibt aber Ausnahmefälle, in denen Antibiotika verschrieben werden, wie z.B. bei Typhus, Cholera oder Amöbiasis. Bei bakteriellen Infektionen kann vom Arzt eine gezielte Behandlung verordnet werden. Die effektivste vorbeugende Maßnahme gegen jede Art von Darminfektionen sind gründliche hygienische Maßnahmen, insbesondere auf Reisen. Lebensmittelvergiftungen Die Zahl der Lebensmittelvergiftungen steigt weltweit an. Begünstigt wird das Wachstum der Erreger, wenn Speisen nicht richtig gelagert und nicht ausreichend erhitzt werden. 16 DAM Krankheitserreger können Menschen nicht nur direkt infizieren, sie sind auch in der Lage, durch Bildung eines Giftstoffes (Toxin), den sie in das Lebensmittel abgeben, den Menschen zu schädigen. Folgende Bakterien können Lebensmittelvergiftungen verursachen: Staphylococcus aureus, Clostridium perfringens, Bacillus cereus, Clostridium botulinum und Schimmelpilze. Gelangen diese Erreger auf Lebensmittel, können sie einen Giftstoff bilden, der in die Lebensmittel übergeht. Eine Lebensmittelvergiftung beginnt in den meisten Fällen mit plötzlichen Bauchschmerzen, Erbrechen und Durchfällen, Fieber und Schüttelfrost. In den meisten Fällen klingen die Beschwerden innerhalb von wenigen Tagen von selbst ab. Übertragen werden die Bakterien durch infizierte Nahrungsmittel wie Fleisch, Milch, Eipulver, rohe Eier, Geflügel, Mayonnaise und Speiseeis. Weil die Mahlzeiten meistens von der ganzen Familie gegessen werden, kann eine Lebensmittelvergiftung mehrere Personen in einer Familie gleichzeitig betreffen. Nahrungsmittelallergien Bei Nahrungsmittelallergikern rufen verschiedene Allergene (siehe Tab. 1) eine chronische Entzündung der Darmschleimhaut hervor, die zu Durchfällen führen kann. Diese chronische Entzündung kann langfristig auch eine krankhafte Veränderung der Darmwand verursachen, sodass die Nährstoffe nicht mehr vollständig aufgenommen werden können. Von Allergien betroffen sind 7 bis 10% der Kinder und etwa 5% der Erwachsenen, Männer doppelt so häufig wie Frauen. Seit etwa der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde eine Zunahme vor allem der Kuhmilchallergie registriert. Bekannten Nahrungsmittelallergien beugt man vor, indem man das auslösende Allergen vom Ernährungsplan streicht. Nahrungsmittel mit hohem Allergiepotenzial Erdbeeren Fisch Hefe Hühnereiweiß Milch Nüsse Schimmelpilze Schokolade Soja Zitrusfrüchte Tab. 1: Nahrungsmittel, die häufig eine Allergie verursachen Ausgabe 9/16 © iStockphoto MEDIZIN abnahme führen kann. Die Durchfälle hören auf, sobald kuhmilcheiweißhaltige Nahrung abgesetzt wird. Die Prognose der Erkrankung ist gut. Sie klingt im Normalfall im 2. Lebensjahr von selbst ab. Bei manchen Kindern bleibt die Kuhmilchprotein-Intoleranz bis ins Erwachsenenalter bestehen. Milchzuckerunverträglichkeit (Laktoseintoleranz) Pankreasinsuffizienz Zu den häufigen Ursachen einer Verdauungsstörung vor allem bei größeren Kindern gehört die mangelnde Produktion von Verdauungsenzymen der Bauchspeicheldrüse, die sogenannte Pankreasinsuffizienz. Dazu kommt es, wenn Teile des Pankreas z.B. durch Entzündungen, Medikamente oder Infektionen beeinflusst werden. Die Symptome der Verdauungsstörungen sind vor allem chronische Durchfälle, mit voluminösen, übelriechenden und fettreichen Stühlen. Die Kinder klagen über Blähungen und nehmen wenig zu. Die Therapie besteht in Gabe von Pankreasenzympräparaten. Die Gabe von Enzympräparaten folgt keinem starren Dosierungsschema, sondern muss für jeden Patienten individuell ermittelt werden. Obwohl eine Diät bei der Pankreasinsuffizienz nicht notwendig ist, sollte man auf fettarme Kost achten. Die exokrine Pankreasinsuffizienz kündigt sich oft durch jahrelang bestehende unspezifische Beschwerden an. Kuhmilchprotein-Intoleranz Eine häufige Erkrankung des Säuglingsalters ist die Kuhmilchprotein-Intoleranz. Man unterscheidet die „echte“ Kuhmilchallergie von der Kuhmilchprotein-Intoleranz. Die Kuhmilchallergie kann mit schweren Symptomen wie Nesselsucht oder Atemnot einhergehen. Die Kuhmilchprotein-Intoleranz beginnt meistens in den ersten 3 Lebensmonaten mit schleimig-blutigen Durchfällen, kolikartigen Bauchschmerzen, Blähungen und Erbrechen. Die chronischen Durchfälle sind häufig mit einer gestörten Nährstoffaufnahme verbunden, die zu Gewichts- 9/16 Ausgabe Milchzucker ist ein Bestandteil aller Milchsorten, auch der menschlichen Milch. Dennoch vertragen ca. 15–30% der Europäer keine oder nur wenig Milch. Aufgrund eines Mangels an Laktase, einem den Milchzucker spaltenden Enzym, kann es zu einer Unverträglichkeit des Milchzuckers kommen (Laktoseintoleranz). Unverdaut bleibt der Milchzucker im Darm und zieht das Wasser mit sich, was den Stuhl flüssig macht. Die Folge ist eine verminderte Verträglichkeit von Milch und Milchprodukten. Wird zu viel Milch getrunken, kommt es zu Blähungen, krampfartigen Bauchschmerzen und häufigen Durchfällen. Die Therapie dieses Enzymmangels besteht in der Meidung bzw. Reduzierung von laktosehaltigen Produkten, vor allem von Milch. Den Laktasemangel kann man nicht heilen, die Betroffenen müssen selbst herausfinden, wie viel Milchzucker sie vertragen, und dementsprechend ihre Essgewohnheiten anpassen. Auch die Einnahme von künstlich hergestellter Fermentlaktase ist möglich. Häufig erkennen die Patienten selbst, dass ihre Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfälle eng mit der Aufnahme von Milch und Milchprodukten zusammenhängen, und lassen diese Nahrungsmittel weg. Zöliakie Bei der Zöliakie handelt es sich um eine chronische Darmerkrankung, bei der die Betroffenen den Getreidebestandteil Gluten nicht vertragen. Gluten ist in Weizen, Roggen, Hafer und Gerste, aber nicht in Reis, Hirse und Mais enthalten. Bei Glutenernährung kommt es zu schweren Durchfällen. In 5–10% Prozent aller Fälle gibt es Zöliakieerkrankungen unter nahen Verwandten. Die Erkrankung beginnt meist am Ende des 1. bzw. Anfang des 2. Lebensjahres nach Einführung von getreidehaltigen Nahrungsmitteln oder entwickelt sich erst im Erwachsenenalter (die sogenannte Sprue). Die betroffenen Kinder bekommen einige Monate nach Kontakt mit Gluten einen stark vorgewölbten Bauch, haben auffällig magere Beine und ein abgeflachtes Gesäß mit DAM 17 MEDIZIN herabhängenden Hautfalten. Es kommt zu einer Gewichtsabnahme. Zöliakie ist eine lebenslang bestehende Erkrankung. Die Symptome der Zöliakie sind nicht immer gleich stark ausgeprägt. Die Diagnose wird durch Laboruntersuchungen (Gliadin-/Endomysium-Serologie) und durch eine Biopsie (Entnahme einer Gewebeprobe des Dünndarms) gestellt. Die Therapie besteht in einer lebenslangen vollständig glutenfreien Ernährung. Colitis ulcerosa Bei Colitis ulcerosa handelt es sich um eine entzündliche Erkrankung des Dickdarms, die nach akutem Beginn chronisch oder in Schüben verlaufen kann. Die Ursache der Colitis ulcerosa ist bisher unklar; genetische, allergische, infektiöse und psychische Faktoren beeinflussen jedoch den Verlauf der Erkrankung. Das Leitsymptom der Colitis ulcerosa ist der blutige Durchfall, der vor allem von Bauchschmerzen begleitet wird. Die Kinder nehmen an Gewicht ab und können Sehstörungen, Gelenkbeschwerden und schmerzhafte Hautveränderungen aufweisen. Es kann zum Darmverschluss kommen. Die Diagnose der Colitis ulcerosa wird anhand der typischen Symptome und einer Schleimhautbiopsie gestellt. Dazu ist eine Darmspiegelung notwendig. Es gibt keine spezielle „Colitisdiät“; eine ballaststoffarme Ernährung wirkt sich aber im akuten Schub günstig aus. Nahrung mit hohem Zuckeranteil sollte man meiden. In schweren Fällen kann die Umstellung auf eine voll resorbierbare Elementarkost („Astronautennahrung“) oder eine künstliche Ernährung notwendig werden. Die medikamentöse Behandlung wird mit entzündungshemmenden Substanzen (z.B. Sulfasalazin, 5-Aminosalicylsäure oder Kortison) durchgeführt. In vielen Fällen hat es sich als sinnvoll erwiesen, eine ergänzende psychotherapeutische Behandlung durchzuführen. Oft ist ein chirurgischer Eingriff erforderlich. Eine vorbeugende Behandlung mit Salicylaten ist möglich. Zur frühzeitigen Diagnose einer Krebsentwicklung wird eine regelmäßige Spiegelung des Dickdarmes empfohlen. Morbus Crohn Morbus Crohn ist eine chronisch verlaufende entzündliche Erkrankung des gesamten Magen-Darm-Traktes; bevorzugt betroffen sind der Dickdarm und die Endabschnitte des Dünndarms. Es kann zur Ausbildung von Fisteln vom Darm in benachbarte Organe oder nach außen kommen. Auch bei Morbus Crohn kann es zu einem Darmverschluss kommen. Am häufigsten erkranken Kinder im Alter von 11 bis 14 Jahren sowie junge Erwachsene. Die Ursache der Erkrankung ist unbekannt. Die Kinder sind blass, appetitlos und verlieren an Gewicht. Nach einiger Zeit kommt es zu den typischen, oft blutigen Durchfällen. Die Kinder leiden au- 18 DAM ßerdem an Erbrechen, Bauchschmerzen und an Hauterscheinungen. Es können Sehstörungen und Gelenkbeschwerden hinzutreten. Die Krankheit verläuft chronisch in Schüben. Psychische Faktoren können einen Schub begünstigen. Bei der medikamentösen Behandlung werden entzündungshemmende Medikamente eingesetzt (Sulfasalazin, 5-Aminosalicylsäure oder Kortison) und in schweren Fällen Immunsuppressiva. Grundlage der Therapie ist eine optimale Ernährung. Eine hoch kalorische Ernährung ist wichtig, manchmal auch über eine Sonde. In schweren Fällen wird häufig eine Infusionstherapie mit Ruhigstellung des Darms durchgeführt. Kommt es zur Ausbildung von Darmfisteln, muss oft chirurgisch eingegriffen werden. Eine vollständige Heilung ist selten, doch es gibt jahrelange Pausen, die ohne Beschwerden verlaufen. Eine Erkrankung vor der Pubertät bedingt die Gefahr der Kleinwüchsigkeit. Der funktionelle Bauchschmerz Etwa jedes zehnte Schulkind leidet an chronischen Bauchschmerzen ohne fassbare organische Ursache. Oft werden die Schmerzen als plötzlich einsetzende, krampfartige Episoden geschildert. In etwa 60% wird der Schmerz um den Nabel herum lokalisiert, daher der ältere Begriff der Nabelkoliken. Stuhlfrequenz und -konsistenz sind normal. Auffällig ist jedoch die Ernährungsanamnese: Die Kinder essen viele Süßigkeiten und wenig Ballaststoffe. Die Entwicklung ist völlig normal, Gedeihstörungen zeigen sich nur, wenn die Kinder auf irgendwelche Diäten gesetzt wurden. Oft leidet auch ein Familienmitglied unter Beschwerden wie Verstopfung oder Sodbrennen. Eine genaue organische Diagnostik sollte durchgeführt werden, nach Ausschluss anderer Ursachen steht die Beruhigung der Situation im Vordergrund. Ein Unterlassen überflüssiger Untersuchunwgen ist oft besser als übermäßige Aktivität, die viel Schaden anrichtet. Eine psychologische Unterstützung kann hilfreich sein. Die Prognose der chronischen Bauchschmerzen ist kurzfristig gut, langfristig entwickelt aber etwa ein Drittel der Kinder andere Schmerzen, insbesondere Kopfoder Rückenschmerzen. n Literatur beim Verfasser. Autor: Prim. Univ.-Lektor DDr. Peter Voitl, MBA First Vienna Pediatric Medical Center Kindergesundheitszentrum Donaustadt 1220 Wien E-Mail: [email protected] n 20 Ausgabe 9/16