Predigtmeditation zu Psalm 118 (Michael Hofamnn/2011)

Werbung
Predigtmeditation zu Psalm 118
Liebe Mitchristinnen und Mitchristen,
vielleicht haben Sie sich gewundert, dass wir in der Pfingstoktav einen „klassischösterlichen“ Psalm, nämlich Psalm 118, in dieser Andacht betrachten. Ebenso haben Sie
als treue Wortgottesdienstbesucher und –besucherinnen vielleicht am heutigen
„Pfingstdienstag“ die Andacht über die „Sieben Gaben des Heiligen Geistes“ erwartet. All
dessen bin ich mir bewusst. Trotzdem lohnt es sich, sich auf den Psalm 118 einzulassen,
da österliche Hoffnung und Geistsendung unmittelbar zusammenhängen und unser Leben
als Christinnen und Christen bestimmen, zumindest bestimmen sollten. Nun aber zum
Psalm:
An allen großen und fröhlichen Festtagen des frühen Judentums, besonders am
Paschafest, wurden die Psalmen 113-118 gesungen, die sog. „hallel-“, also „LobpreisPsalmen“. So schließt unser Psalm 118 die Sequenz der Hallel-Psalmen ab. Dieses Lied
zeigt ganz klar eine € liturgische Verwendung im Jerusalemer Tempel. Wenn wir in V.
18 hineinhören, so hat Gott wirklich das letzte Wort; er unterzieht den Gläubigen zwar
einer harten Prüfung, überlässt ihn aber nicht dem Tod.
Wenn der Christ, die Christin den Psalm 118 singt oder betet, spürt er, spürt sie im Innern
wohl eine besondere Emotion. Denn man findet in diesem gottesdienstlich geprägten
Psalm 2 Sätze, die im Neuen Testament mit neuem Klang erscheinen. Mit dem ersten Satz
ist Vers 21 gemeint: „Der Stein, den die Bauleute verwarfen, er ist zum Eckstein
geworden“. Diese Worte zitiert Jesus, nachdem er das Gleichnis von den bösen Winzern
erzählt hat, und er wendet sie auf seine € Sendung des Todes und der Herrlichkeit an.
Christus ist der Eckstein; wer auf ihn vertraut, wird nicht zuschanden.
Der zweite Satz, den das Neue Testament aus dem Psalm 118 übernimmt, wird von der
Menschmenge beim feierlichen messianischen Einzug Christi in Jerusalem gerufen und ist
Vers 26: „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn!“. Die Akklamation wird
durch das vielfache „Hosanna“ eingerahmt. Dieser biblische Hymnus gehört – vom 113.
bis zum 118. Psalm – zu der kleinen Psalmensammlung, die als „österliches Hallel“
bezeichnet wird; es handelt sich also um das Psalmenlob, das im jüdischen Gottesdienst
für das Paschafest und auch für die Hauptfeste des liturgischen Tempeljahres verwendet
wurde.
In den Psalmkörper eingebettet ist ein Prozessionsritus, der von Vers 1 eröffnet und von
Vers 29 beschlossen wird: „Danket dem Herrn, denn er ist gütig, denn seine Huld währt
ewig“. Das Wort „Huld“ übersetzt hier den hebräischen Begriff „hesed“, der die
großzügige Treue Gottes zu seinem verbündeten Volk meint. In den Lobpreis dieser Treue
werden w i r einbezogen. Das gesamte Volk Israel, das „Haus Aaron“, d.h. die Priester,
die Gläubigen, alle, „die den Herrn fürchten und ehren“, die Mitglieder anderer Nationen,
die sich zum „Gesetz des Herrn“ bekehrt haben oder bekehren möchten-, all jene sind
gemeint, wie uns die Verse 2-4 sagen. Weiter im Szenario:
Die Prozession scheint durch die Straßen Jerusalems zu ziehen. Sie begleitet den Helden,
dem Gott den Sieg geschenkt hat – Christus. Es wird die harte Prüfung beschrieben, die er
überwunden hat und die darauf folgende Verherrlichung. Christus vergleicht sich mit dem
„Stein, den die Bauleute verwarfen“ und der „zum Eckstein geworden“ ist aus Vers 22. Er
hat gerade dieses Bild und diesen Vers am Ende des Gleichnisses von den bösen Winzern
verwendet, um sein Leiden und seine Verherrlichung anzukündigen. Indem Christus den
Psalm 118 auf sich selbst bezieht, öffnet er den Weg zum christlichen Verständnis dieses
Liedes der Zuversicht und des Dankes an den Herrn wegen seiner liebevollen Treue, die
besonders in den Versen 1,2,3,4 und 29 aufscheint.
Der Verfasser des Psalms benutzt eindrucksvolle und lebhafte € Bilder: Bienenschwarm
oder Flammenwand, die sich ausbreitet und alles zu Asche macht – so Vers 12. Der
Gerechte aber wird vom Herrn unterstützt: Drei Mal wird wiederholt: „...ich wehre sie ab
im Namen des Herrn“ (Verse 10,11,12). Die „starke Rechte des Herrn“ schützt die
Gerechten. Die Freude über den Sieg über das Böse führt in Vers 14 zu einem prägnanten
€ Glaubensbekenntnis: „Meine Stärke und mein Lied ist der Herr; er ist für mich zum
Retter geworden“.
Laut Vers 19 scheint die Prozession dann bei den „Toren zur Gerechtigkeit“, d.h. bei der
heiligen Pforte des Tempels angekommen zu sein. Nachdem man eingetreten ist, wird die
Stimme zu einer Dankhymne an den Herrn erhoben. Ein priesterlicher € Segen kommt
dann auf die Gläubigen herab.
Die letzte Szene besteht aus einem freudigen Ritus heiliger Tänze, begleitet vom
feierlichen Schwingen der Zweige, wie es uns Vers 27 beschreibt. Die € Liturgie ist
Freude, feierliche Begegnung, Ausdruck des gesamten Daseins, das den Herrn lobt. Der
gleiche Ritus, von dem im Psalm die Rede ist, bietet sich dem Christen beim € Einzug
Jesu in Jerusalem, der in der Palmsonntagsliturgie gefeiert wird. Christus wird als „Sohn
Davids“ gepriesen. In jener freudigen Stunde, die aber auch das Leiden und den Tod Jesu
einleitet, verwirklicht sich und wird verständlich der volle Sinn des Symbols des
„Ecksteins“, das damit in und durch Christus eine glorreiche und österliche Bedeutung
erhält.
Was bewirkt, was hinterlässt der Psalm 118 in Ihnen, in mir, in uns?
Die Antwort wird für jeden sicherlich ein wenig anders ausfallen. Wir alle hören, beten
und singen den Psalm aber mit den „Ohren des Glaubens“ und den „Augen des Herzens“.
Unter dieser Prämisse ermutigt der Psalm 118 uns Christen, im € Osterereignis den Tag
zu erkennen, „...den der Herr gemacht hat“ – so Vers 24 – und an dem „...der Stein, den
die Bauleute verworfen haben, zum Eckstein geworden ist“ – so Vers 22. Mit dem
Psalmvers 14 können auch wir daher voll Dankbarkeit singen: „Meine Stärke und mein
Lied ist der Herr; er ist für mich zum Retter geworden“ und mit dem Vers 24: „Dies ist
der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“. Das
Wissen um die Huld des Herrn, die uns auch durch Zeiten der Prüfung trägt und hält,
erfüllt uns mit € Hoffnung und Zuversicht, die uns kein Mensch nehmen kann. Daher
jubeln wir heute wie der alttestamentliche Beter damals in Vers 1: „Danket dem Herrn,
denn er ist gütig“. Alle, die an Christus glauben, sehen in seinem Gesicht die uns
zugewandte Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes und stimmen daher gerne und aus
vollem Herzen in den Lobpreis des Psalms 118 ein.
Ich wünsche uns allen, dass der Lobpreis Gottes bei uns nie verstummt und die Freude des
Glaubens nie vergeht. Denn Gott ist ja die Liebe und in seiner Liebe zu uns Menschen
treu, was auch kommen mag. Wenn wir seine Liebe nicht mehr zu spüren glauben, dann
liegt es nicht an ihm, sondern an uns. So können wir ab heute das Psalmlied mit neuem
Verständnis und neuem Schwung singen:
„Nun saget Dank und lobt den Herren, denn groß ist seine Freundlichkeit, und seine Gnad
und Güte währen von Ewigkeit zu Ewigkeit. Du, Gottes Volk, sollst es verkünden: Groß
ist des Herrn Barmherzigkeit; er will sich selbst mit uns verbünden und wird uns tragen
durch die Zeit...Nun saget Dank und lobt den Herren, denn groß ist seine Freundlichkeit,
und seine Gnad und Güte währen von Ewigkeit zu Ewigkeit“. A m e n .
2
Herunterladen