Durchblick schaffen. Ausblick 2017 – Grund zur Entscheidung.

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Durchblick schaffen.
Ausblick 2017 – Grund zur
Entscheidung.
Landesbank Baden-Württemberg
Sehr geehrte
Leserinnen und Leser,
wir freuen uns, Ihnen hiermit
einen Ausblick über die von
uns erwartete Entwicklung der
Konjunktur und der Märkte im
kommenden Jahr überreichen
zu können.
Ihr LBBW Research
Inhalt.
1 Editorial
4
2 Konjunkturausblick 7
2.1 Weltkonjunktur 10
2.2 Euroraum 11
2.3 UK 13
2.4 Schweiz 15
2.5 USA 16
2.6 Japan 19
2.7 China 23
2.8 Emerging Markets 24
Kalender. Wichtige Ereignisse im Jahr 2017
29
3 Deutschland 31
3.1 Schockresistent ins neue Wahlkampfjahr 32
3.2 Sonderthema: Soll der Staat mehr investieren?
34
4 Langfristige Chancen und Risiken 38
4.1 Ist die Globalisierung in Gefahr? 39
4.2 Sind unsere Arbeitsplätze durch Roboter bedroht? 40
4.3 Führt die Geldpolitik der EZB zu einer Assetpreisblase? 41
4.4 Droht das Ende der Solidarität in Europa? 42
5 Unsere Prognosen für 2017
5.1 Zinsen 46
5.2 Währungen 50
5.3 Rohstoffmarkt 52
5.4 Aktien 55
44
6 Fazit 60
6.1 Die Gewinner und die Verlierer der Niedrigzinspolitik
61
Editorial.
Sehr geehrte Leserinnen
und Leser,
in unserem diesjährigen Jahresausblick schauen wir
auf das kommende Jahr unter dem Motto »Grund zur
Entscheidung«. Denn ich denke, dass 2017 in vielen
Bereichen richtungsweisende Entscheidungen anstehen und gefällt werden müssen.
Auf der politischen Ebene wird mit der Vereidigung
des designierten US-Präsidenten Donald Trump im
Januar wohl ein neues Kapitel der transatlantischen
Beziehungen aufgeschlagen. Die ersten Reaktionen der
Staatschefs der Europäischen Union deuten auf eine
Abkühlung hin. Die EU muss 2017 außerdem entscheiden, wie sie mit den Briten über den Austritt
Großbritanniens aus der Union verhandeln möchte.
Es geht um die Solidarität und die Zukunft der Union
als Ganzes. Das könnte bei den Wahlen im nächsten
Jahr in Frankreich und in Deutschland ein zentrales
Thema werden. Macht es die EU Großbritannien zu
einfach auszutreten, könnten schnell andere Länder
auf die Idee kommen, dass sie ohne die EU wohl besser dran wären.
4
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Auf der wirtschaftlichen Ebene sollte sich Deutschland
2017 klar werden, was wirklich wichtig ist, um unser
Wohlstandsniveau langfristig zu sichern. Im langsam
anlaufenden Wahlkampf scheint mir das bislang nicht
der Fall zu sein. Wir müssen mehr in Infrastruktur wie
unsere Daten- und Stromautobahnen investieren. Die
Energiewende und das Upgrade unserer Wirtschaft auf
die Stufe 4.0 bieten zahlreiche Möglichkeiten, eine
hohe gesamtwirtschaftliche Rendite zu erzielen. Nur
mit Investitionen in Bildung sowie Forschung und
Entwicklung haben wir zudem eine Chance, langfristig
im globalen Wettbewerb zu bestehen. Die bisherigen
Pläne von Rentenerhöhungen und höheren Sozialausgaben mögen kurzfristig gefallen. Sozialausgaben
verteilen den Kuchen jedoch nur, lediglich Investitionen in die Zukunft vergrößern aber den zu verteilenden Kuchen.
Glücklicherweise sprudeln die Einnahmen des Staates
dank des soliden konjunkturellen Aufschwungs. Wir
erwarten auch im nächsten Jahr ein relativ kräftiges
Wachstum in Deutschland. Der Aufschwung hat sich
als erstaunlich resistent erwiesen und daher sind wir
für die nahe Zukunft optimistisch. Auch die Erholung
in den Schwellenländern, also den Abnehmern unserer
Exporte, dürfte sich als Segen erweisen.
Die Zentralbanken stehen möglicherweise sogar noch
dieses Jahr vor folgeschweren Entscheidungen. Die USNotenbank dürfte im Dezember den Leitzins nach
einem Jahr Pause erneut anheben und auch im nächsten Jahr einen strafferen Kurs fahren. Die derzeitige
Zögerlichkeit der Federal Reserve wirkt meiner Meinung zunehmend unangemessen angesichts der soliden US-Wirtschaft und dem sehr guten Arbeitsmarkt.
Auch die EZB könnte im Dezember mit einer Anpassung ihrer Politik aufwarten. Langsam stößt das Anleihekaufprogramm an die Grenzen seiner Effektivität.
Mit dem Anstieg der Inflationsraten und der etwas
strafferen Geldpolitik in den USA könnte der richtige
Zeitpunkt gekommen sein, um das Anleihekaufprogramm langsam auslaufen zu lassen.
Anleger müssen auf alle diese sich verändernden Bedingungen reagieren. Der Aufschwung verschafft uns
zwar die Möglichkeit, einigermaßen in Ruhe über wichtige soziale und politische Themen nachzudenken.
Doch wir sollten nicht zu lange mit unseren Entscheidungen warten, es gilt, »lieber früher als später« die
Weichen für unsere Zukunft zu stellen, und gerade in
jetzigen Zeiten bietet sich dieses an.
Ich hoffe, dass wir vom LBBW Research Ihnen mit unserem Jahresausblick 2017 erneut helfen können, fundierte und wohlüberlegte Entscheidungen treffen zu
können.
Uwe Burkert
Chefvolkswirt und
Leiter des Bereichs Research
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
5
6
2 Konjunkturausblick.
Die Industrienationen dürften
nächstes Jahr relativ solide
wachsen, sowohl die USA als
auch der Euroraum sind im
Aufschwung. Der Großteil des
Wachstums entsteht allerdings
2017 erneut in den Schwellenländern. Insbesondere rohstoffexportierende Schwellenländer
wie Brasilien und Russland
dürften aus der Rezession kommen. Die frühere Dynamik in den
Schwellenländern wird jedoch in
den nächsten Jahren auch in
China nicht wieder erreicht.
Wirtschaftswachstum 2017:
Südostasien ist der Wachstumstreiber der Weltwirtschaft.
Rezession
zwischen 0% und +2%
zwischen 2% und +4%
zwischen 4% und +6%
mehr als 6%
nicht verfügbar
Quelle: IWF
8
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
9
2.1 Weltkonjunktur.
Die Weltwirtschaft setzt ihren
Aufschwung unaufgeregt fort.
Welt, BIP-Prognosen:
2016: 3,0 %;
2017: 3,3 %
Dr. Thomas Meißner
Nach Auffassung des LBBW Research wird die Weltwirtschaft ihren angestammten Weg aufwärts auch im
kommenden Jahr in unauffälligem Tempo fortsetzen.
Wir erwarten eine Expansionsrate der Weltproduktion
von 3,3 % nach 3,0 % im laufenden Jahr. Im Ergebnis
wäre es das sechste Jahr in Folge innerhalb eines recht
engen Intervalls zwischen 3,0 und 3,5 %: Ausdruck einer
globalen Wirtschaft, der es an Dynamik mangelt, die
indes auch weder in eine Überhitzung noch in eine
Rezession zu geraten droht.
Wenn sich am aktuellen Rand überhaupt irgendwo ein
»Momentum« zeigt – das heißt: eine gewisse anziehende Dynamik –, dann in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Deren Produktion dürfte 2017 um zusammengefasst 4,7 % zulegen, gut und gerne ein
halber Prozentpunkt mehr als 2016. Demgegenüber
sehen wir die entwickelten Volkswirtschaften im kommenden Jahr bei mageren 1,4 %, kaum verändert gegenüber dem laufenden Jahr.
Alles in allem fällt es schwer, von einem selbsttragenden,
breit angelegten Aufschwung der Weltwirtschaft zu
reden. Dabei sind jüngst durchaus einige nennenswerte
Belastungsfaktoren weggefallen: eine starke Investitionszurückhaltung im Ölsektor der Vereinigten Staaten
oder Rezessionen in Brasilien und in Russland. Darüber
hinaus ziehen mittlerweile die Portfolioinvestitionen in
die Emerging Markets wieder an: Das Vertrauen der
Investoren scheint zurück.
Die Globalisierung als prägendes Phänomen scheint
Geschichte: Der Welthandel dümpelt dahin. Bis 2007,
bis zur großen Weltwirtschafts- und Weltfinanzkrise,
legte das Handelsvolumen oft doppelt so stark zu wie
die Weltproduktion insgesamt. Dieser Tage nimmt es
bei Licht besehen gerade einmal genauso stark zu wie
die weltwirtschaftliche Leistung, in vielen Fällen sogar
nur unterproportional.
Inflationstreibend ist der Aufschwung rund um den
Globus derzeit nicht. Wenn vereinzelt Preise anziehen,
dann in Teilsegmenten wie dem Immobilienmarkt oder
bei ausgewählten Rohstoffen, dort aber von vergleichsweise gemäßigten Niveaus ausgehend. Nur
wenige Notenbanken sind bereit, der Fed in den Vereinigten Staaten zu folgen auf deren Weg zu ganz allmählich höheren Leitzinsen.
Daten und Prognosen.
Weltproduktion Y/Y (%))
Wachstumsbeiträge Prozentpunkte
Entwickelte Staaten
Entwicklungs-und Schwellenländer
Welthandelsvolumen Y/Y (%)
Quellen: IWF, LBBW Research
10
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
2014
3,4
2015
3,2
2016p
3,0
2017p
3,3
0,8
2,6
3,9
0,9
2,3
2,6
0,5
2,5
2,3
0,6
2,7
3,8
2.2 Euroraum.
Wie die EZB auf das schwache
Wachstum und höhere
Inflationsraten reagieren könnte.
BIP-Prognosen:
2016: 1,6 %;
2017: 1,3 %
Julian Trahorsch
Schwellenländer wie Russland, Brasilien und SaudiArabien einen konjunkturellen Aufschwung nach dem
Ölpreisschock erwarten.
Inflation kommt 2017 zurück.
2016 war bislang ein insgesamt ruhiges Jahr für den
Euroraum, eine willkommene Abwechslung nach den
Krisenjahren 2010 – 2012. Alle 19 Volkswirtschaften
sind gewachsen und allein die Europameisterschaft
dürfte nachhaltig in Erinnerung bleiben. Nach den Jahren
der »Eurokrise« ist es eine Phase der Erholung für die
Wirtschaft und den Arbeitsmarkt. Das ruhige und stetige
Wachstum des Euroraums dürfte sich auch im nächsten
Jahr fortsetzen, wir erwarten jedoch eine Verlangsamung
der Dynamik von 1,6 % auf 1,3 % im nächsten Jahr. Dies
ist darauf zurückzuführen, dass die Bedingungen 2016
ideal waren und sich 2017 kaum verbessern können.
Italien und Frankreich sind Belastungsfaktoren.
Die Dynamik im Euroraum wird hauptsächlich von
Frankreich und Italien nach unten gezogen. Nächstes
Jahr dürften 14 der 19 Länder schneller wachsen als
der Durchschnitt von 1,3 %. Das unterdurchschnittliche
Wachstum in Österreich, Finnland und Portugal fällt
aber angesichts von Frankreichs und Italiens Größe
kaum ins Gewicht. Und gerade im zweit- und drittgrößten Land des Euroraums stehen noch wichtige Richtungsentscheidungen wie die Präsidentschaftswahl in
Frankreich und das Referendum in Italien an.
Es geht zurück zu »normalen« langfristigen Wachstumsraten, die OECD und IWF bei 1,3 % erwarten. Der
niedrige Ölpreis und die damit verbundenen niedrigen
Inflationsraten werden zwar auch 2017 den Rahmen
für Unternehmen und Konsumenten günstig gestalten,
doch nicht in dem Maße wie 2016. Es ist die Kehrseite
der Medaille, wenn wir für die ölexportierenden
Nicht nur diese Länder haben den Verfall des Ölpreises
mittlerweile verarbeitet, auch die Inflationsraten im
Euroraum werden sich langsam von diesem Belastungsfaktor erholen. Wir erwarten ein Anziehen der Teuerungsrate von 0,2 % in diesem auf 1,0 % im nächsten
Jahr. Dieser Anstieg dürfte relativ schnell erfolgen, aber
mit dem Erreichen der 1 %-Marke auch schnell wieder
enden. Denn die Kernrate ohne Nahrungsmittel und
Energie stagniert schon seit einer Weile bei einem Niveau von leicht unter 1 %. Diese Kernrate macht allerdings 90 % des gesamten Warenkorbs aus und würde
nur in einem Umfeld eines starken konjunkturellen
Aufschwungs deutlich anziehen. Als Fazit für die EZB
bleibt also: Es gibt zwar einen Anstieg der Raten, diese
werden aber auf absehbare Zeit auf einem Niveau deutlich unter 2 % bleiben.
BIP-Wachstumsprognosen in %.
LBBW Research
2016
Euroraum
Deutschland
Frankreich
Italien
Spanien
1,6 %
1,9 %
1,2 %
0,8 %
2,8 %





2017
1,3 %
1,5 %
0,8 %
0,5 %
2,2 %
Quelle: LBBW Research
EZB im Dilemma …
Die EZB steckt in einem Dilemma. Angesichts des
relativ breiten Aufschwungs ist eine ultralockere Geldpolitik inklusive Anleihekaufprogrammen eigentlich
nicht angemessen. Doch die EZB wird anders als die
US-Notenbank nicht an Wirtschafts- oder Arbeitsmarktzahlen gemessen, lediglich die niedrige Inflationsrate
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
11
ist ausschlaggebend. Mit dem erwarteten leichten
Anstieg kommt Draghi dem Ziel zwar näher, aber eben
nur ein Stück. Wir erwarten daher kein baldiges Ende
der akkommodierenden EZB-Geldpolitik. Allerdings ist
das aggressive Anleihekaufprogramm mit einem monatlichen Ankaufvolumen von 80 Mrd. EUR angesichts
der realwirtschaftlichen Entwicklung im nächsten Jahr
nicht länger angemessen. Auch rücken mit jedem
Monat, in dem die EZB massiv in den Kapitalmarkt
eingreift, die Nachteile dieser Geldpolitik in den Vordergrund. Es gibt möglicherweise ein optimales Zeitfenster für Anleihekäufe, dieses scheint sich in den
nächsten Monaten zu schließen. Sowohl die Versicherungs- als auch die Bankbranche leiden unter sehr
niedrigen und teilweise negativen Renditen. Sinnvolle
Anreize bei der Bepreisung von Risiko am Immobilienmarkt, Aktien- und dem Anleihemarkt werden ausgesetzt, was zu Vermögenspreisblasen führen kann.
… Anleihekäufe dürften schrittweise gedrosselt
werden.
Falls die EZB sich zu einer Drosselung der Anleihekaufprogramme entscheiden sollte, dann wird sie sich
wahrscheinlich an der US-Notenbank orientieren. Das
bedeutet, eine schrittweise Reduktion pro Monat wäre
denkbar. Auf den Treffen des EZB-Rats wird wohl alle
sechs Wochen überprüft werden, ob die Lage eine
weitere Reduktion zulässt. Es wird also keinen klaren
Fahrplan geben, der dann strikt abgearbeitet werden
wird. Wir könnten uns vorstellen, dass eine Ankündigung noch in diesem Winter erfolgt und der »Beginn
des Ausstiegs« im ersten Halbjahr 2017 ansteht. Damit könnte die EZB gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Das Anleihekaufprogramm dürfte in den
nächsten Monaten in Schwierigkeiten geraten, zumindest dann, wenn die EZB ihre Ankaufkriterien nicht
massiv überarbeitet.
12
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Anleihebestände EZB in % der Gesamtschulden.
16,0%
14,0%
13,8%
13,1%
12,0%
10,9%
10,0%
9,2%
8,0%
6,0%
4,0%
2,0%
0,5%
0,5%
0,4%
0,4%
0,0%
Deutschland
Spanien
März 2015
Frankreich
Dezember 2016
Italien
Quellen: Bloomberg, Thomson Reuters, LBBW Research
Immer mehr, insbesondere deutsche Staatsanleihen
dürfen unter den aktuellen Regeln nicht mehr gekauft
werden. Und auch bei anderen Ländern und Assetklassen wird es schwieriger. Bis Frühling 2017 wäre es
wohl möglich, mit lediglich geringfügigen Anpassungen
ein Volumen von 80 Mrd. EUR aufzukaufen. Die Inflationsraten dürften bis dahin leicht gestiegen sein, das
Anleihekaufprogramm kann also als »Erfolg« vermarktet werden. Mit der Ankündigung eines Ausstiegs dürften die Renditen zumindest soweit steigen, dass das
Programm innerhalb eines Jahres langsam auslaufen
kann.
2017 wird wohl auf der konjunkturellen Seite wenig
Neues bringen, der Ausstieg aus dem EZB-Programm
sollte aber ein historisches Ereignis werden. Auch die
politischen Entwicklungen in den wachstumsschwachen Ländern Italien und Frankreich könnten für Wirbel sorgen. Nach der Finanzkrise 2007 – 08 und der
Eurokrise 2010 – 12 könnte mit der Diskussion um die
Verteilung der Flüchtlinge und dem »Brexit« die nächste Krise auf einer politischen Ebene stattfinden.
2.3 UK.
Kein Einbruch der Konjunktur
nach »Brexit«-Votum – ist
aufgeschoben nicht aufgehoben?
BIP-Prognosen:
2016: 2,0 %;
2017: 0,8 %
Dirk Chlench
Hintergrund gehen wir nicht davon aus, dass die britische Wirtschaft im vierten Quartal einbrechen wird.
Aufgrund des guten Jahresauftaktes und der bislang
soliden Entwicklung nach dem »Brexit«-Votum wird
nach unserer Prognose für das Gesamtjahr 2016 noch
eine Zuwachsrate des Bruttoinlandsprodukts von 2,0 %
zu verzeichnen sein.
Wirtschaftseinbruch bleibt bislang aus.
Die britische Wirtschaft zeigt sich bisher robust und
legte sowohl im zweiten als auch im dritten Quartal
2016 einen soliden Zuwachs vor. Dem britischen Statistikamt ONS zufolge gab es wenige Anzeichen dafür,
dass die gesamtwirtschaftliche Leistung im zweiten
Quartal 2016 durch das EU-Referendum beeinflusst
wurde. Hauptwachstumsträger war – wie im Vorquartal
– der Verbrauch der privaten Haushalte. Die Investitionen legten nach zwei Rückgängen in Folge trotz der
von dem EU-Referendum ausgegangenen Unsicherheit
wieder zu. Im dritten Quartal, also dem ersten Dreimonatszeitraum, der nach dem »Brexit«-Votum lag,
schwächte sich die Wachstumsdynamik zwar etwas ab.
Dennoch kann von einem Wirtschaftseinbruch bislang
keine Rede sein.
Noch kein Hauspreisverfall.
Die nach dem »Brexit«-Votum aufgekommene Befürchtung, dass die britische Wirtschaft unmittelbar in eine
Rezession abstürzen wird, bewahrheitete sich somit
nicht. Eine weitere Sorge gilt dem Immobilienmarkt.
Der britische Wohnimmobilienmarkt zählt unserem
LBBW-Sammelindikator für die Hauspreisbewertung
zufolge zu den weltweit am höchsten bewerteten
Immobilienmärkten. Die damit einhergehende Befürchtung, dass das »Brexit«-Votum einen Hauspreisverfall
auslösen könnte, hat sich bislang nicht materialisiert.
Die britischen Hauspreise stagnierten gemäß der Erhebung der Nationwide Building Society im Oktober 2016 im Vergleich zum Vormonat, nach einer
Veränderungsrate von 0,3 % im Vormonat. Vor diesem
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben?
Dieses Expansionstempo dürfte die britische Wirtschaft
im Jahr 2017 nicht beibehalten können. Die Abwertung
des Pfund Sterling – im Zeitraum Anfang Januar 2016
bis Mitte Oktober 2016 verlor der handelsgewichtete
Außenwert des Pfund Sterling knapp 19 % an Wert –
dürfte zwar die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der
britischen Unternehmen verbessern und damit die
Exporttätigkeit stützen. Zudem hat die Bank of England
(BoE) im August 2016 ein ganzes Maßnahmenbündel,
darunter die Senkung des Leitzinses um 0,25 Prozentpunkte auf 0,25 %, zur Stimulierung der Konjunktur
beschlossen. Ferner hat der neue Schatzkanzler, Philip
Hammond, eine Abkehr von der Austeritätspolitik
seines Vorgängers bekundet. Diesen konjunkturstützenden Impulsen steht jedoch gegenüber, dass die
Unsicherheit über den Ausgang der anstehenden Verhandlungen zwischen dem Vereinigten Königreich und
der Europäischen Union (EU) über die Modalitäten des
Austritts auf der Investitionstätigkeit lasten sollte. Dies
gilt umso mehr, da die britische Premierministerin auf
dem Parteitag der Konservativen Partei im Oktober 2016 in Bezug auf die anstehenden Verhandlungen
mit der EU unterstrich, dass das Vereinigte Königreich
die Kontrolle über die Einwanderung nicht wieder aufgeben wolle. Daraus folgerten die Marktteilnehmer,
dass die Premierministerin stillschweigend bereit ist, im
Gegenzug auf einen bevorzugten Zugang zum EUMarkt zu verzichten. Da im Jahr 2014 rund die Hälfte
der britischen Warenexporte in die Europäische Union
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
13
ging, würde der sogenannte »harte Brexit« die britische
Exportindustrie schwer belasten. Darüber hinaus droht
der britischen Finanzindustrie ein Verlust der sogenannten Passport-Rechte, welche ihnen derzeit innerhalb der Europäischen Union Geschäfte über die Grenzen der Nationalstaaten hinweg erleichtern. Angesichts
dieser Risiken steht zu erwarten, dass sich die britischen Unternehmen mit Investitionen in naher Zukunft
zurückhalten werden. Vor diesem Hintergrund dürfte
die gesamtwirtschaftliche Leistung im Jahr 2017 lediglich mit einer Rate von 0,8 % wachsen. Der genaue
zeitliche Ablauf des »Brexit« ist weiter offen. Die britische Premierministerin Theresa May versprach zwar,
den formellen Austrittsantrag nach Artikel 50 des EUVertrages bis spätestens Ende März 2017 zu stellen.
Allerdings entschied der High Court in London Anfang
November, dass der EU-Austritt nicht ohne Zustimmung des britischen Parlaments in Angriff genommen
werden dürfe, was den Zeitplan von Theresa May
durcheinanderbringen könnte.
Die Inflationsrate belief sich im September 2016 auf
1,0 % und lag damit über 30 Monate in Folge unter
dem Inflationsziel der Bank of England in Höhe von 2 %.
Fallende Preise für Nahrungsmittel und Getränke waren hauptursächlich für diese niedrige Inflationsrate.
Die durchschnittlichen Wochenlöhne zogen im Zeitraum Juni 2016 bis August 2015 um lediglich 2,3 %
gegenüber dem gleichen Zeitraum im Vorjahr an. In
den nächsten Monaten dürfte die Inflationsentwicklung jedoch anziehen, da der dämpfende Effekt aus
gefallenen Energie- und Nahrungsmittelpreisen auf die
allgemeine Inflationsrate auslaufen und ein preistreibender Effekt durch die jüngste Abwertung des Pfund
Sterling einsetzen sollte. Im Ergebnis dürfte die Veränderungsrate des Konsumentenpreisindex gegenüber
dem Vorjahr von 0,0 % im Jahr 2015 auf 0,8 % im Jahr
2016 und 2,1 % im Jahr 2017 anziehen.
14
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
BoE dürfte 2017 ihren Kurs beibehalten.
Nach dem Zinsentscheid vom September hatten die
Mitglieder des Geldpolitischen Rates der Bank of England in ihrer Presseerklärung noch die Formulierung
wiederholt, dass eine Mehrheit von ihnen davon ausgeht, auf einer der nächsten Sitzungen im Jahr 2016
für eine Leitzinssenkung zu votieren, sollte die wirtschaftliche Entwicklung in etwa so ausfallen wie im
Inflationsbericht August 2016 vorgezeichnet. Anlässlich ihrer Zinsentscheidung im November gab die Bank
of England ihre Zinssenkungsneigung auf. Die Währungshüter erklärten, dass der kurzfristige Wirtschaftsausblick sich verbessert habe. Die langfristigen
Aussichten hätten sich hingegen verdüstert. Sollte sich
unsere Prognose einer Inflationsbeschleunigung im
Jahr 2017 bewahrheiten, spricht dies zwar dafür, dass
die Bank of England den Fuß etwas vom Gaspedal
nehmen wird. Der Eintritt unserer Prognose einer
schwächelnden Wirtschaftsentwicklung dürfte die
britische Zentralbank jedoch von einer Leitzinserhöhung im Jahr 2017 abhalten. Der Präsident der Bank of
England, Mark Carney, hat bereits die Bereitschaft der
Notenbank bekundet, ein gewisses Überschießen der
Inflationsrate in den nächsten Jahren zu tolerieren. Mit
anderen Worten: Die BoE dürfte ihren derzeitigen
geldpolitischen Kurs bis Ende 2017 beibehalten.
2.4 Schweiz.
Unsicherheit und starker
Schweizer Franken bremsen
Investitionslaune.
Volksinitiative sorgt für Unsicherheit.
Das Verhältnis der Schweiz mit der EU ist über die
Mitgliedschaft in der EFTA sowie die bilateralen Verträge, in denen auch die Personenfreizügigkeit festgeschrieben ist, geregelt. Der neue Verfassungsartikel ist
für sich genommen so erst einmal nicht mit der Personenfreizügigkeit vereinbar. Eine Aufkündigung der
Personenfreizügigkeit hätte aber das Ende des ganzen
Vertragspakets der »Bilateralen I« zur Folge. Diese
ohnehin schon heikle Situation wurde durch das
»Brexit«-Referendum noch zusätzlich verschärft. Die
Bereitschaft der EU, Nicht-Mitgliedern bei der Verhandlung des gegenseitigen Verhältnisses entgegenzukommen, dürfte derzeit eher gering sein. Entsprechend versuchen sich die Schweizer Volksvertreter
momentan an der Quadratur des Kreises. Ein Kompromiss zur Umsetzung der Volksinitiative hat im
Herbst bereits eine der beiden Kammern des Schweizer Parlaments passiert. Darin ist ein sanfter Inländervorrang ohne Kontingente und Höchstzahlen vorgesehen. Es ist aber noch nicht abschließend geklärt, ob
diese Umsetzung tatsächlich mit der Verfassung vereinbar ist. Zudem ist die Haltung der EU zu dem Vorschlag noch nicht klar. Die Unsicherheit dürfte somit
vorerst anhalten und die Investitionsfreude trüben.
Aktuell wird das Investitionsklima in der Schweiz nicht
allein durch den starken Franken belastet. Vielmehr
rückte in diesem Jahr wieder die Volksinitiative »Gegen
Masseneinwanderung« zurück ins Rampenlicht. Die
Annahme der Volksinitiative im Februar 2014 hatte
eine Änderung der Bundesverfassung zur Folge, in der
nun eine Begrenzung der Zuwanderung durch jährliche
Höchstzahlen und Kontingente, die auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz ausgerichtet
sein sollen, sowie ein Inländervorrang festgeschrieben
sind. Die gesetzliche Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative muss bis Februar 2017 erfolgt sein.
Dennoch gehen wir von einer Fortsetzung der Erholung der Schweizer Wirtschaft aus. Wir sehen den
Schweizer Franken u. a. mit Blick auf die Kaufkraftparität als überbewertet an und prognostizieren auch vor
dem Hintergrund der anhaltend expansiven Geldpolitik
der SNB eine leichte Abwertung zum Euro und zwar
auf 1,12 Franken pro Euro zum Ende des Jahres 2017.
Der Außenhandel dürfte sich angesichts dieser Erwartung sowie der moderaten Erholung der Weltwirtschaft
solide entwickeln. Insgesamt rechnen wir 2017 für die
Schweiz mit einem realen BIP-Zuwachs von 1,5 %.
BIP-Prognosen:
2016: 1,5 %;
2017: 1,5 %
Dr. Katja Müller
Im vergangenen Jahr stand die Konjunkturentwicklung
in der Schweiz ganz im Zeichen der Aufgabe des Mindestwechselkurses von 1,20 Franken je Euro durch die
Schweizerische Nationalbank (SNB) am
15. Januar 2015, welche eine schlagartige Aufwertung
des Schweizer Franken zur Folge hatte. Dieser Frankenschock belastete die exportorientierte eidgenössische Wirtschaft deutlich, sodass das BIP im Jahr 2015
lediglich um real 0,8 % zunahm. Die Schweizer Valuta
ist trotz der auf die Schwächung der heimischen Währung ausgelegten Geldpolitik der SNB zwar nach wie
vor im historischen Vergleich stark gegenüber dem
Euro. Dennoch konnte sich die Wirtschaft des Alpenlandes im laufenden Jahr wie erwartet erholen, sodass
wir für 2016 mit einem realen BIP-Zuwachs von 1,5 %
rechnen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
15
2.5 USA.
Der persönliche Verbrauch ist
die Stütze des US-Aufschwungs.
BIP-Prognosen:
2016: 1,5 %;
2017: 2,5 %
Dirk Chlench
Wirtschaft zuletzt mit wenig Schwung.
Die US-Wirtschaft ist mit wenig Schwung in das laufende Jahr gestartet. Das BIP legte im ersten Halbjahr
2016 lediglich mit einer auf das Jahr hochgerechneten
Rate (Jahresrate) von 1,1 % zu. Dieses geringe Expansionstempo ist in erster Linie darauf zurückzuführen,
dass die Unternehmen im ersten Halbjahr ihren Lageraufbau zurückgefahren haben. Die Endnachfrage –
hierunter verstehen wir das Bruttoinlandsprodukt
abzüglich der Lagerinvestitionen – zog immerhin mit
einer Jahresrate von 1,9 % an. Eine weitere Belastung
stellte der Rückgang der Investitionen in Anlagen dar:
Die privaten Anlageinvestitionen sanken im ersten
Halbjahr 2016 mit einer Jahresrate von 1 % und belasteten dadurch das gesamtwirtschaftliche Wachstum
um 0,2 Prozentpunkte. Hierfür dürften neben einem
weltweit zu beobachtenden und nicht gänzlich verstandenen Investitionsattentismus die seit einigen
Quartalen fallenden US-Unternehmensgewinne und die
mannigfaltigen politischen Risiken ursächlich gewesen
sein. Hinzu kommt, dass der niedrige Rohölpreis die
US-Förderunternehmen zu einem Zusammenstreichen
ihrer Investitionen veranlasst hat. Das Wachstum des
persönlichen Verbrauchs erwies sich indes angesichts
der guten Arbeitsmarktlage, niedriger Inflation und
anhaltend steigender Hauspreise als robuster. Er legte
mit einer Jahresrate von knapp 3 % zu.
US-Konjunktur sollte an Dynamik gewinnen.
Das Expansionstempo der US-Wirtschaft dürfte in der
zweiten Jahreshälfte 2016 und darüber hinaus spürbar
an Fahrt gewinnen. Hierfür spricht zunächst, dass die
16
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Entwicklung der Zahl der im Betrieb befindlichen USÖlförderanlagen nach oben gedreht hat. Dies spricht
wiederum dafür, dass die Investitionen der US-Förderunternehmen ihre Talsohle erreicht haben sollten und
somit deren Belastung der gesamtwirtschaftlichen
Leistung in der zweiten Jahreshälfte wegfallen dürfte.
Ferner sollte die Korrektur bei den Lagerinvestitionen
mittlerweile abgeschlossen sein. Die Erwartung einer
Wachstumsbeschleunigung in der zweiten Jahreshälfte
2016 wird auch durch die Schätzung unseres LBBW
GDPNow-Modells gestützt, welches für das dritte Quartal 2016 ein Wachstum in Höhe von 1,9 % (Jahresrate)
schätzt. Gleichwohl dürfte sich das Wachstum im Gesamtjahr 2016 aufgrund des schwachen Jahresauftakts
auf lediglich 1,5 % belaufen. Die Wachstumsbeschleunigung in der zweiten Jahreshälfte 2016 verbessert die
Ausgangslage für das Wachstum im Jahr 2017. Der
sogenannte statistische Überhang für das Jahr 2017
dürfte sich auf 1,0 % belaufen.
Im nächsten Jahr dürfte der persönliche Verbrauch
erneut die Hauptstütze des Aufschwungs bilden. Die
Konsumlaune der US-Amerikaner/-innen sollte durch
die gute Arbeitsmarktlage sowie die Aufwärtsentwicklung der Hauspreise beflügelt werden. Der persönliche
Verbraucher sollte indes nicht die einzige Stütze der
US-Konjunktur bleiben. Der Staatsverbrauch dürfte
auch merklich zum gesamtwirtschaftlichen Wachstum
beitragen. Der Staat hatte im Zeitraum 2011 bis 2014
seine Ausgaben für Konsum und Investitionen insgesamt um mehr als 8 % heruntergefahren. Die Zeit einer
restriktiven Fiskalpolitik scheint jedoch mittlerweile zu
Ende zu sein. Im Jahr 2016 dürften die Staatsausgaben
mit einer Rate von 0,5 % ansteigen, nach einer Rate
von 1,8 % im Jahr 2015. Der designierte US-Präsident
Donald Trump versprach ein Investitionsprogramm in
die Infrastruktur sowie umfangreiche Steuersenkungen.
Die Umsetzung dieser Wahlkampfversprechen setzt
allerdings voraus, dass der US-Kongress eine ausreichende Erhöhung der derzeit noch ausgesetzten
Staatsschuldenobergrenze beschließen wird.
Die Unternehmen dürften ihre Investitionszurückhaltung aufgeben. Hierfür sprechen der zu erwartende
Rückgang der politischen Unsicherheit und in Bezug
auf die Investitionen der Ölförderunternehmen die
jüngste Erholung des Rohölpreises. Im Ergebnis prognostizieren wir, dass sich das US-Wachstum im Jahr
2017 auf eine Rate von 2,5 % beschleunigen wird.
Wachstum der Stundenlöhne anziehen und somit den
Preisaufwärtsdruck verstärken wird. Daher sollte die
Inflationsrate von 1,2 % im Jahresdurchschnitt 2016
auf 2,5 % im Jahresdurchschnitt 2015 anziehen.
Markterwartungen und LBBW-Prognose für den
Tagesgeldsatz.
1,50
1,00
0,50
Inflation dürfte über 2 %-Marke klettern.
Die Veränderungsrate des Konsumentenpreisindex
gegenüber dem Vorjahresmonat belief sich im September 2016 auf lediglich 1,5 %. Dieser relativ geringe
Preisauftrieb ist in erster Linie auf die Entwicklung der
Lebensmittelpreise zurückzuführen. Die Lebensmittelpreise (ohne Restaurantbesuche) sanken im September 2016 um 2,2 % im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr. Der Rückgang der Lebensmittelpreise stellt vor allem eine Spätfolge der im Frühsommer
2015 grassierenden Geflügelpest dar. Darüber hinaus
werden die zurückliegende Aufwertung des US-Dollar
sowie die niedrigen Energiepreise die Preisentwicklung
bei Lebensmitteln, aber auch bei anderen Produkten
gedämpft haben. Die Veränderungsrate des ohne die
volatilen Komponenten Energie und Lebensmittel
berechneten Konsumentenpreisindex gegenüber dem
Vorjahresmonat, welche den »unterliegenden« Inflationsdruck abbilden soll, lag im September 2016 bei
2,2 % und damit deutlich über der allgemeinen Teuerungsrate.
Im nächsten Jahr sollte jedoch der preisdämpfende
Effekt der zurückliegenden Aufwertung des US-Dollar
und der niedrigen Energiepreise wegfallen. Zudem
spricht die niedrige Arbeitslosenquote dafür, dass das
0,00
Jan 15
Jul 15
Jan 16
Fed Funds Effective Rate
Jul 16
Jan 17
Jul 17
Markterwartung aus Terminkursen
Jan 18
Jul 18
LBBW-Prognose
Quelle: Bloomberg, LBBW Research
Fed dürfte 2017 Leitzinsen zweimal erhöhen.
Der Offenmarktausschuss der Federal Reserve (Fed)
beschloss auf seiner Sitzung vom 20./21. September 2016 zwar, sein Zielband für den Tagesgeldsatz
bei 0,25 % bis 0,50 % zu belassen. Die Entscheidung des
Ausschusses fiel jedoch nicht einmütig aus, drei Mitglieder des Ausschusses votierten für eine Erhöhung
des Zielbandes um 0,25 Prozentpunkte auf 0,50 % bis
0,75 %. Die Währungshüter stellten in ihrer Erklärung
fest, dass die Notwendigkeit einer Leitzinserhöhung
angestiegen sei. Gleichwohl entschieden sich die Währungshüter dafür, noch auf weitere Belege zu warten,
dass sich Arbeitsmarkt und Inflation in Richtung ihrer
Ziele bewegen. Die seit der September-Sitzung veröffentlichten Indikatoren zu Arbeitsmarkt und Inflation
dürften die Zinserhöhungsneigung innerhalb des Offenmarktausschusses nochmals ein Stück erhöht haben.
Daher gehen wir davon aus, dass die Federal Reserve
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
17
auf der nächsten Sitzung ihres Offenmarktausschusses
mit anschließender Pressekonferenz – diese wird am
13./14. Dezember 2016 stattfinden – beschließen wird,
ihr Zielband für den Tagesgeldsatz um 0,25 Prozentpunkte auf 0,50 % bis 0,75 % heraufzusetzen. Diese
Prognose steht im Einklang mit der Meinung anderer
Marktteilnehmer, welche ausweislich der Terminnotierungen für das Tagesgeld einer Zinsanhebung im Dezember 2016 zuletzt eine Wahrscheinlichkeit von über
50 % beigemessen haben. Die Federal Reserve wird
jedoch ungeachtet ihrer Signale einer baldigen Leitzinserhöhung nicht müde zu betonen, dass das Niedrigzinsumfeld noch anhalten wird. In ihrer Erklärung
heißt es, dass der Tagesgeldsatz wahrscheinlich noch
für einige Zeit unter dem Niveau verbleiben wird, welches auf lange Frist zu erwarten ist. Im Einklang mit
dieser Erklärung steht, dass die Teilnehmer des Offenmarktausschusses ihre Projektionen für den Tagesgeldsatz gesenkt haben.
18
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Der Median der Projektionen für den Tagesgeldsatz
(Mitte der Bänder) per Ende 2017 sank von 1,625 % im
Juni 2016 auf 1,125 % im September 2016. Die Marktteilnehmer eskomptieren indes einen noch flacheren
Zinserhöhungspfad, so ist ausweislich der Terminnotierungen per Ende 2017 lediglich einen Tagesgeldsatz
von 0,7 % vorweggenommen. Nach unserer Prognose
wird die Federal Reserve jedoch – entsprechend ihrer
eigenen Projektion – ihr Zielband für den Tagesgeldsatz bis Ende 2017 auf 1,00 % bis 1,25 % heraufsetzen.
Sollte sich unsere Prognose von drei Leitzinserhöhungen bis Ende 2017 bewahrheiten, dürfte dies auch
einen Anstieg der Langfristzinsen bewirken.
2.6 Japan.
Beflügelt der Strategiewechsel
der Zentralbank das Wachstum?
BIP-Prognosen:
2016: 0,8 %;
2017: 0,5 %
Matthias Krieger
Trotz der »Abenomics«, d. h. der nach Premierminister
Shinzo Abe benannten Variante einer nun schon seit
Anfang 2013 praktizierten Wirtschaftspolitik, die sehr
stark auf fiskalische Stimuli und eine ultraexpansive
Geldpolitik setzt, kam die japanische Wirtschaft auch
2016 nicht recht auf Touren. Die gesamtwirtschaftliche
Leistung legte auf Quartalsbasis zwar in jedem der
ersten beiden Quartale des Jahres zu, was für japanische Verhältnisse schon ein gutes Ergebnis ist. Die
Zuwachsraten blieben aber gedämpft, so dass wir für
das Gesamtjahr 2016 nur von einem wirtschaftlichen
Wachstum in Höhe von ca. 0,8 % ausgehen.
Das japanische Kabinett hat vor diesem Hintergrund
im August ein weiteres Konjunkturprogramm auf den
Weg gebracht, das ein Volumen von rund 28 Bio. Yen
umfasst. Davon sollen allerdings nur 7,5 Bio. Yen
direkt vom Staat aufgebracht werden. Den Rest erhofft
man sich von privaten Unternehmen, die durch spezielle Anreize zu zusätzlichen Investitionen angeregt
werden sollen. Das japanische BIP soll durch dieses
Paket um einmalig insgesamt 1,3 % gesteigert werden,
wobei sich dieser geschätzte Effekt auf das laufende
und das kommende Fiskaljahr verteilt.
und vollzogen. Man will nun nicht mehr wie bisher nur
die Geldbasis dadurch kontinuierlich steigern, dass
man ein fixes Asset-Volumen – vor allem JGBs – am
Finanzmarkt aufkauft. Künftig will die BoJ der Renditestrukturkurve (kurz: »Zinskurve«) für Staatsanleihen
darüber hinaus auch eine bestimmte Form verleihen.
Die Bezeichnung für diese neue Strategie ist »Yield
Curve Control«. Die Zinskurve soll im 10-jährigen
Laufzeitenbereich eine Rendite von ca. 0 % aufweisen,
im sehr langen Bereich aber eine (leicht) positive Rendite. Im kürzeren Segment wird eine negative Rendite
akzeptiert. Die BoJ ließ durchblicken, man halte sich
offen, den bei – 0,1 % liegenden Einlagesatz für die bei
der BoJ gehaltenen Überschussreserven der Geschäftsbanken noch weiter in den negativen Bereich zu senken, um damit eine steilere Kurve vom kurzen Ende
her herbeizuführen. Damit strebt man de facto für den
gesamten Laufzeitenbereich unter 10 Jahren eine
negative Rendite an. Das Ankaufsziel für JGBs von
80 Bio. Yen p. a. will man »mehr oder weniger« aufrechterhalten, d. h. die BoJ versucht weiterhin, die
Geldbasis kontinuierlich zu erweitern, bis sich dauerhaft eine Inflationsrate von über 2 % p. a. einstellt.
Bank von Japan reagierte auf Kritik der Banken.
Der Grund, warum die BoJ nun eine »steilere« Zinskurve anstrebt, liegt in der von den Geschäftsbanken
formulierten Kritik an der bisherigen Geldpolitik. Als
Finanzintermediäre sollen die Banken die Geldpolitik in
die Realwirtschaft transferieren, dort mehr Kredite
vergeben und so der Wirtschaft auf die Sprünge helfen.
Wenn aber die Banken auf die Geldpolitik nicht
Bitter für die Regierung und die Bank of Japan (BoJ):
wunschgemäß reagieren, sondern beklagen, dass
Auch die Deflation konnte trotz des Rekordankaufs
diese im Gegenteil dazu führt, dass sie eher weniger
von Staatsanleihen (JGBs) in Höhe von 80 Bio. Yen p. a.
Kredite vergeben können (in der Tat verliert die Krebislang nicht überwunden werden. Die landesweite
Inflationsrate fiel zuletzt erneut unter die Marke von 0 % ditvergabe derzeit an Dynamik), muss die BoJ dies
ernstnehmen. Ohne wunschgemäße Mitwirkung der
(September: – 0,5 %). Die BoJ hat vor diesem HinterBanken ist jede Geldpolitik gescheitert.
grund im September einen Strategiewechsel verkündet
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
19
Die Erträge der Banken fielen zuletzt u. a. aufgrund
der negativen Einlagesätze auf die enormen Überschussreserven, die von den Banken bei der BoJ gehalten werden. Die Geschäftsbanken haben deutlich über
2.000 Mrd. USD freiwillig bei der BoJ angelegt. Bei
einem negativen Zinssatz von – 0,1 % p. a. müssen sie
hierauf rund 2 Mrd. USD p. a. an die BoJ abführen.
Genau diese »Kosten« sollen die Banken zur Kreditvergabe anregen, was aber eine entsprechende Kreditnachfrage voraussetzt. Fehlt es an dieser, wie in
Japan der Fall, bleiben die Banken auf den Kosten
sitzen. Letztere sind zwar per se nicht »existenzgefährdend«. In einem schwierigen Umfeld mit extrem
niedrigen Zinsmargen ist es aber schwer, ordentliche
Erträge zu erzielen und damit Spielräume für Risikokredite zu schaffen.
Fristentransformation in Japan kaum möglich.
Ein weiterer Belastungsfaktor für die Geschäftsbanken
ist der Umstand, dass nach dem Abgleiten kürzerer
JGB-Laufzeiten in den negativen Bereich und infolge
der massiven Ausweitung der Käufe länger laufender
JGBs durch die BoJ die Kurvensteilheit auch am langen
Ende seit dem Frühjahr 2016 deutlich abgenommen
hat. Lag die Renditedifferenz zwischen 10- und
2-jährigen JGBs vor einem Jahr noch bei rund 0,3 % und
diejenige zwischen den 30-jährigen und den 10jährigen bei über 1 %, so fiel diese Differenz bis Mitte
September 2016 auf nur noch ca. 0,15 % bzw. rund
0,5 % ab. Die Banken leben aber von der sog. Fristentransformation, d. h. von der Differenz zwischen längeren (Kredit-)Zinsen und kürzeren (Refinanzierungs-)
Zinsen. Im Jahresverlauf 2016 erodierte diese Marge
drastisch.
20
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Eine damit einhergehende Schwächung der Ertragslage
der Geschäftsbanken könnte – so die Sorge der BoJ –
deren Risikoaversion erhöhen und damit deren Bereitschaft zur Vergabe von Krediten dämpfen. Letztlich
treten mit der neuen Strategie zunehmende Sorgen
der BoJ zutage, die Wirtschaft könne inzwischen stärker unter der ultraexpansiven Geldpolitik leiden als
von dieser zu profitieren. Eventuelle »Kollateralschäden« der Geldpolitik versucht man nun durch die beschlossene »Feinsteuerung« auszumerzen.
Grundsätzlich sollte die BoJ durchaus in der Lage sein,
die JGB-Kurve in die gewünschte Form zu bringen. Die
Notenbank verfügt über rund 40 % aller umlaufenden
JGBs mit rasch ansteigender Tendenz und ist damit in
der Tat die dominierende Macht am JGB-Markt. Ein
Großteil der übrigen umlaufenden JGBs ist im Besitz
von staatlichen oder halbstaatlichen Investoren (Postbank, öffentliche Pensionsfonds etc.), die ihre Bestände kaum einsetzen werden, um die Politik der Notenbank zu konterkarieren. Weniger als 10 % der umlaufenden JGBs werden von ausländischen Investoren
gehalten. Grundsätzlich gilt also: Die BoJ dominiert
den JGB-Markt, wie weltweit kaum ein einzelner Investor ein anderes Finanzmarktsegment von Bedeutung.
Darüber hinaus bestimmt die Notenbank mittels ihrer
Zinspolitik ohnehin über die Entwicklung am kurzen
Ende und verfügt mit der Notenpresse über praktisch
unbegrenzte Mittel zum Kauf von weiteren JGBs.
Glauben die Marktteilnehmer an den Erfolg der BoJ,
stellt sich die gewünschte Renditestruktur quasi von
selbst ein. Denn die Marktteilnehmer würden in Erwartung eines Eingriffs der BoJ auf jede Abweichung der
Kurve von der vorgegebenen »Zielkurve« mit »Gegengeschäften« reagieren, die zu einer Angleichung der
JGB-Kurve an die Renditezielwerte für die jeweiligen
Laufzeiten führen würden. Die Volatilität am JGB-Markt
sollte infolgedessen zunächst deutlich zurückgehen.
Die zukünftigen JGB-Kaufvolumina der BoJ könnten –
und müssten – dann aber deutlich fallen. Denn wenn
die BoJ bei erreichter Zielkurve kaum noch JGBs aufkauft, um den Status Quo der Kurve nicht zu gefährden, gerät auch die Ausweitung der Geldbasis ins
Stocken. Damit ginge aber ein ernster Zielkonflikt
einher. Denn die BoJ hat sich dazu verpflichtet, die
Geldbasis weiterhin deutlich auszuweiten, bis die
Inflationsrate anhaltend über 2 % p. a. gestiegen ist.
Wie die BoJ bei nach wie vor niedriger Inflation JGBs in
großer Menge aufkaufen will, während sich die gewünschte Zielkurve eingestellt hat, bleibt abzuwarten.
Kämen aber Zweifel daran auf, ob die BoJ tatsächlich
auf den Kauf weiterer JGBs verzichten würde, um die
JGB-Kurve in der gewünschten Form zu halten, begännen schon erste Spekulationen gegen die BoJ und die
erreichte Zielkurve. Die Aufrechterhaltung der
»Wunschkurve« würde dann voraussichtlich immer
schwieriger.
Das Ziel, die Renditestrukturkurve am JGB-Markt zu
steuern, ist u. E. nur so lange glaubwürdig und damit
auch erreichbar, wie die BoJ bereit ist, auch auf eine
weitere Ausweitung der Geldbasis zu verzichten und
notfalls sogar JGBs zu verkaufen, d. h. die Geldbasis zu
reduzieren. Dies widerspräche aber allen sonstigen
erklärten Zielen der BoJ. Wir bezweifeln daher, dass die
nun formulierten Ziele (»fixe« Zielkurve, anhaltender
Aufkauf von JGBs in Höhe von wie bisher rund 80 Bio.
Yen p. a. zur Ausweitung der Geldbasis) konsistent
sind. Damit zeichnet sich u. E. aber bereits die nächste
»Anpassung« der japanischen Geldpolitik ab.
Die Geldpolitik kann die konjunkturelle Schwäche der
japanischen Wirtschaft u. E. nicht beseitigen, denn das
Problem liegt weder an zur Kreditvergabe unwilligen
oder unfähigen Banken noch an zu hohen Finanzierungskosten (Zinsen und Renditen). Die vierteljährliche
Tankan-Umfrage unter rund 10.000 Unternehmen aller
Branchen und Größenklassen zeigt, dass die Unternehmen nicht unter Kreditrestriktionen leiden. Das
Grundproblem sind also nicht mangelnde und zu teure
Finanzierungsmittel oder ein krankendes Finanzsystem, sondern eine mangelnde Investitionsbereitschaft
der Unternehmen in Japan selbst. Die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote in Japan ist seit vielen
Jahren rückläufig, während japanische Unternehmen
aber kräftig im Ausland investieren (Foreign Direct
Investments, FDI). Offenbar ist der Standort Japan zu
unattraktiv und um dies zu ändern, bedarf es einer
Reihe von Strukturreformen.
Investitionen und Netto-Zufluss FDI (% BIP).
30
0,0
28
-0,5
26
-1,0
24
-1,5
22
-2,0
20
-2,5
18
-3,0
-3,5
16
1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016
Netto-Zufluss FDI (% BIP; rechte Skala)
Investitionen (% BIP)
Trend
Quelle: Thomson Reuters
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
21
Die Geldpolitik kann zwar bei der Bewältigung der
Folgen schmerzhafter Reformen unterstützen. Um den
Standort Japan für Investitionen attraktiv zu machen,
kann sie aber nicht mehr tun, als die Zinsen auf niedrige Werte zu senken und die Gesundheit des Bankensektors zu überwachen. Der japanische Bankensektor
ist inzwischen gesundet und die Zinsen sind extrem
niedrig. Es wäre nun an der Zeit, dass die Regierung
die übrigen Schwächen des Standorts Japan offenlegt
und ein Maßnahmenbündel schnürt, das genau dieses
Problem angeht.
22
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Leider scheut die Regierung weiterhin vor einer wirklichen Öffnung des japanischen Markts zurück. Etwas
Hoffnung lässt da die inzwischen ausgehandelte und
unterschriebene »Trans Pacific Partnership« (TPP)
aufkeimen. Sollte dieses ambitionierte Freihandelsabkommen der Pazifikanrainer von allen »Gründerstaaten« – darunter die USA – ratifiziert werden, könnte
dies einen echten Impuls zur Öffnung des japanischen
Binnenmarkts liefern, der hier zu signifikanten Kostensenkungen und Effizienzsteigerungen führen würde.
Bis sich entsprechende Effekte einstellen, wird aber
noch Zeit vergehen und so dürfte ohne weitere Strukturreformen auch das japanische BIP-Wachstum eher
anämisch bleiben. Für 2017 veranschlagen wir das BIPWachstum in Japan auf 0,5 %.
2.7 China.
Seit Jahren wird der Einbruch
prognostiziert und China wächst
einfach weiter.
BIP-Prognosen:
2016: 6,7 %;
2017: 6,5 %
Julian Trahorsch
Entwicklung der Immobilienpreise zum
Vorjahresmonat und chinesischer Aktienindex.
5500
5000
4500
4000
3500
3000
2500
Dez. 12
Feb. 13
Apr. 13
Jun. 13
Aug. 13
Okt. 13
Dez. 13
Feb. 14
Apr. 14
Jun. 14
Aug. 14
Okt. 14
Dez. 14
Feb. 15
Apr. 15
Jun. 15
Aug. 15
Okt. 15
Dez. 15
Feb. 16
Apr. 16
Jun. 16
Aug. 16
Im April 2007 hat das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL das erste Mal über eine drohende »harte Landung« der chinesischen Volkswirtschaft berichtet. Der
Titel des Artikels war weitsichtig: »Wenn China bebt,
zittern die Weltmärkte«. Das hat sich zumindest im
Herbst letzten Jahres und zu Beginn dieses Jahres
bewahrheitet, doch die »harte Landung« blieb die
letzten neun Jahre zumindest aus. Steht nun 2017 der
seit langem erwartete Einbruch der Wirtschaft an?
12,0%
10,0%
8,0%
6,0%
4,0%
2,0%
0,0%
-2,0%
-4,0%
-6,0%
-8,0%
Immobilien
2000
Aktien
Quelle: Thomson Reuters
Starkes Wachstum – steigende Abwärtsrisiken.
Der chinesische Immobilienmarkt gibt jedenfalls Anlass zur Sorge. Die Preise stiegen diesen Sommer um
durchschnittlich 9 % im Vergleich zum Vorjahr, die
Zahl verdeckt allerdings die großen Unterschiede
zwischen den 70 größten Städten – teilweise kam es
wohl zu massiven Übertreibungen, die 2017 bereinigt
werden müssen. Die chinesischen Anlegern werden
dann erneut vor die Entscheidung gestellt: Wohin mit
dem Ersparten? Die Möglichkeiten sind angesichts der
Kapitalverkehrskontrollen stark begrenzt. Es gibt das
Bankkonto, den chinesischen Immobilienmarkt und
den chinesischen Aktienmarkt. Ginge der Immobilienmarkt in eine Baisse über, könnte am Aktienmarkt
2017 wohl eine erneute Hausse anstehen. Eine
Möglichkeit diesem Schweinezyklus entgegenzuwirken wäre die Abschaffung der noch bestehenden
Kapitalverkehrskontrollen.
Wir erwarten einen Rückgang der Wachstumsdynamik
im nächsten Jahr. Der heißgelaufene Immobilienmarkt
dürfte dabei ebenso belasten wie die auslaufenden
Konjunkturmaßnahmen der Staatsbetriebe, die das
Wachstum dieses Jahr dank zahlreichen Investitionen
nahezu auf Vorjahresniveau gehalten haben.
Die »harte Landung« könnte auch im zehnten Jahr
nach dem SPIEGEL-Artikel ausbleiben und ChinaPessimisten enttäuscht werden. Das Reich der Mitte
hat bislang noch jede Krise einigermaßen gemeistert.
Es ist aber klar, dass die Luft für Teile der Wirtschaft
noch dünner wird. Die resultierende Atemnot könnte
sich in vermehrten Ausfällen von Unternehmen und
einem vorübergehenden Einbruch des Immobilienmarkts zeigen. Hierbei könnte sich die geringe Verzahnung unserer Kapitalmärkte mit China als ein
wahrer Segen erweisen.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
23
2.8 Emerging Markets.
Schwellenländer – wie der
Phönix aus der Asche?
Jan Hofmeister/
Matthias Krieger/
Manfred Wolter
Litten 2015 noch viele Schwellenländer und deren
Börsen stark unter dem Verfall der Rohstoffpreise
sowie einer spürbaren Verunsicherung im Zusammenhang mit dem Aktienkursverfall in China und der
Angst vor der US-Zinswende, kam es 2016 vielerorts
zu einer signifikanten Erholung. Die Börsen der
Emerging Markets performten allerdings erheblich
besser als deren Konjunktur, d. h. die Finanzmärkte
nahmen hier bereits zumindest z. T. eine anhaltende
wirtschaftliche Erholung vorweg. Mit Blick auf 2017
lässt dies nun eher eine Konsolidierung erwarten.
Bestes Beispiel hierzu: Besonders beeindruckend waren die Kursgewinne des brasilianischen Leitindex
Bovespa von rund 40 % seit Jahresbeginn, obwohl das
Land weiterhin in einer schweren Rezession steckt. Die
fundamentale Entwicklung passt hier also kaum zur
positiven Börsentendenz. Auch bei der Währungsentwicklung ggü. dem Euro lag der Brasilianische Real
(BRL) weit vorne. Ebenso der Russische Rubel und der
Südafrika-Rand. Ein spürbarer Rückgang der Risikoaversion und nachlassende Ängste im Zusammenhang
mit der US-Zinsentwicklung ließen den zuvor stockenden Zufluss ausländischer Portfolioinvestitionen in die
Schwellenländer und deren Währungen hier zuletzt
wieder kräftig steigen.
Unterm Strich lässt sich an den Aktienmärkten 2016
vielfach eine – im Vergleich zu entwickelten Staaten –
deutliche Outperformance von Schwellenländern konstatieren. Etliche Leitindizes in Lateinamerika, Osteuropa, Nordafrika und Südostasien konnten im zweistel24
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
ligen Prozentbereich zulegen. Abgerundet wird dieses
Bild durch die weitgehend gute Performance zugehöriger Sovereigns und sich einengende CDS-Spreads.
Was steckt hinter der Rally? Nach einer mehrjährigen
Korrektur ist das Pendel nun einfach zurückgeschwungen; »Mean Reversion«, wie es so schön heißt.
Denn gemeinsam haben alle Emerging Markets, dass,
nachdem 2015 praktisch nur schlechte Nachrichten in
Bezug auf die Schwellenländer an den Märkten durchgedrungen waren, nun auch wieder Positives Gehör
fand. Die positiven Aspekte waren teils recht länderspezifisch, wohingegen 2015 – wie so oft – praktisch
alle Emerging Markets über einen (negativen) Kamm
geschoren wurden. Denn die wirtschaftliche Entwicklung war auch 2015 ambivalent. Während vor allem
Rohstoffexporteure starke Wachstumseinbußen erlitten, konnten andere Schwellenländer durchaus mit
passablen Wachstumsraten aufwarten. Das BIP der
stark auf den Export von Energierohstoffen fokussierten GUS-Staaten beispielsweise schrumpfte 2015 um
2,8 % (2014: +1,1 %) und Lateinamerika stagnierte mit
0,0 % (2014: 1,0 %), während »Developing Asia« um
immerhin 6,6 % wuchs (2014: 6,8 %) und »Emerging
Europe« sogar beschleunigt um 3,6 % zulegen konnte
(2014: 2,8 %).
Brasilianische Börsen nach Regierungswechsel in
Hochstimmung.
Länderspezifisch in Brasilien war z. B., dass das Amtsenthebungsverfahren gegen die damalige Staatspräsidentin Dilma Rouseff und die Erwartungshaltung, Nachfolger Michel Temer würde vieles verbessern, den Ausschlag gaben für die beeindruckende Entwicklung 2016.
Dies ist insofern interessant, weil Brasilien die seit
Anfang 2015 herrschende Rezession noch immer nicht
überwunden hat und im Zuge dessen sogar den Verlust
des Investment-Grade-Ratings hinnehmen musste. Die
neue Regierung muss nun die erhofften Reformen erst
einmal formulieren und umsetzen, um der Wirtschaft
längerfristig auf die Beine zu helfen; das Land leidet
nach wie vor unter Korruption, Bürokratie und hohen
Kosten. 2017 wird es nach aller Voraussicht konjunkturell zwar etwas aufwärts gehen, ob es jedoch auch
wieder zu einer mit 2016 vergleichbaren Entwicklung
an den Kapitalmärkten kommen wird, darf bezweifelt
werden. Erwartungshaltung und Realität liegen hier ein
gutes Stück auseinander. Mit einem vom IWF auf nur
0,5 % geschätzten BIP-Wachstum 2017 ist die Gefahr
einer Korrektur beim Bovespa und beim BRL recht groß,
sollte Staatspräsident Michel Temer die hohen Erwartungen der Marktteilnehmer enttäuschen.
Politisch wenig Änderung in Russland.
In Russland hat sich 2016 politisch nicht allzu viel
verändert: Der Konflikt mit der Ukraine sowie die
Sanktionen seitens der EU und der USA halten an und
der Syrien-Konflikt birgt einiges an Unwägbarkeiten.
Lediglich im Hinblick auf die Beziehungen zur Türkei
konnte eine Entspannung erreicht werden. Wirtschaftlich haben sich jedoch einige Indikatoren verbessert:
Die Inflationsrate hat sich z. B. seit ihrem Hochpunkt
im März 2015 bei 16,9 % inzwischen eher gedrittelt als
halbiert und der Leitzins konnte im Zuge der jüngsten
Rubel-Erholung wieder gesenkt werden. Nicht wenige
Indikatoren, wie z. B. die steigende Industrieproduktion sowie der Rückgang der Arbeitslosigkeit, deuten
darauf hin, dass der konjunkturelle Tiefpunkt in Russland bereits überwunden wurde und die Wirtschaftsleistung im Jahr 2017 wieder steigen wird. Zum Glück,
denn der staatliche Reservefonds ist von 92 Mrd. USD
im August 2014 binnen zwei Jahren kräftig auf nur
noch rund 32 Mrd. USD zusammengeschmolzen. Der
Doppelschock aus Ölpreisverfall und westlichen Sanktionen wurde durch staatliche Zusatzausgaben aus
dem erwähnten Fonds, zusätzliche Schuldenaufnahme
sowie Einnahmen aus Privatisierungen gemildert. All
dies hätte ohne deutlich erholte Ölpreise 2016 aber
kaum zur Stabilisierung des Staatshaushalts und des
wirtschaftlichen Umfelds ausgereicht. Die von der
OPEC beschlossene Fördermengenbegrenzung dürfte
2017 nun zumindest einem erneuten Ölpreisverfall
entgegenstehen, wovon Russland profitieren sollte.
Jacob Zumas Kapriolen belasten Südafrika.
Die gute Entwicklung des Südafrikanischen Rands (ZAR)
ist hauptsächlich der seit Beginn des Jahres 2016
erfolgenden Erholung der Rohstoffpreise geschuldet.
Der Aktienmarkt hingegen performte weniger gut und
spiegelt somit die anhaltende Schwäche der Wirtschaft
mit Wachstumsraten unter 1 % p. a. wieder. Neben der
steigenden Staatsverschuldung und einem Leistungsbilanzdefizit von über 4 % des BIP haben hierzu politische Faktoren beigetragen. Ein weiterer Vertrauensverlust bei internationalen Investoren könnte rasch dazu
führen, dass die für das Land wichtigen ausländischen
Portfolioinvestitionen 2017 spärlicher fließen oder gar
in nennenswertem Umfang abgezogen werden. Dies
insbesondere dann, wenn Südafrika seinen Investment-Grade verlieren sollte. In diesem Falle stünde
auch eine kräftigere Abwertung des Rand zu befürchten. Während die Hoffnung auf wieder steigende Rohstoffpreise südafrikanische Assets und den ZAR derzeit noch stützt, hat sich in politischer Hinsicht das
Chance-Risiko-Verhältnis am Kap zuletzt eher verschlechtert.
Reformfortschritte in Indien.
In Indien hat Premierminister Modi seine erste echte,
d. h. zählbare, Reform durchgesetzt und zwar die
Einführung landesweit vereinheitlichter Mehrwertsteuersätze. Künftig soll die bisher von Bundesstaat zu
Bundesstaat divergierende Umsatzbesteuerung angeglichen und damit ein wichtiges Hemmnis für den
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
25
Handel zwischen den einzelnen Bundesstaaten beseitigt werden. Vom ansteigenden Binnenhandel und der
damit einhergehenden verbesserten Nutzung komparativer Vorteile sollten die gesamte indische Wirtschaft
und vor allem die Investitionstätigkeit profitieren.
Auch hier nahmen die Aktienmärkte erhoffte positive
Entwicklungen in Form einer guten Performance im
Verlauf des Jahres 2016 vorweg. Im Umfeld bereits
mehrfach gesenkter Leitzinsen und einer relativ stabilen Preisentwicklung dürfte die indische Wirtschaft
auch 2017 über 7 % zulegen können.
Entwicklung der EM bleibt durchwachsen.
Zusammenfassend lässt sich über die genannten
»Promis« unter den Schwellenländern sagen, dass bei
dreien eine sehr verhaltene wirtschaftliche Erholung im
Jahr 2017, im Falle Indiens dagegen eher eine anhaltend gute wirtschaftliche Entwicklung wahrscheinlich
ist. Es gibt also durchaus länderspezifische Entwicklungen. In einem sich weltwirtschaftlich tendenziell
»normalisierenden« Umfeld, in dem der Aspekt der
Risikoaversion nicht – wie noch vor kurzem – den alles
dominierenden Faktor darstellt, ist damit auch wieder
eine mehr länderspezifische, d. h. divergierende, Wirtschafts- und Börsenentwicklung wahrscheinlich. Die in
einigen Ländern 2016 exorbitant gute Performance im
Hinblick auf die Börsenentwicklung dürfte 2017 nur
unter sehr günstigen Umständen wiederholbar sein.
Vor allem die Entwicklung der Börse in Brasilien lässt
in Anbetracht der dort recht hohen Risiken wirtschaftlicher und politischer Natur 2017 das Korrekturrisiko
als nicht zu unterschätzen erscheinen, während Indien
mit besseren Gründen für anhaltenden Optimismus
aufwarten kann.
Politische Unsicherheiten dämpfen i. d. R. die Investitionstätigkeit und den Konsum und belasten so die
26
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
wirtschaftliche Entwicklung. Dies gilt derzeit neben
Russland insbesondere auch für die Türkei. Hier herrschen noch immer der Ausnahmezustand und anhaltende Verunsicherung. Das ohnehin rückläufige Wirtschaftswachstum wird durch hohe Inflationsraten
sowie eine steigende Arbeitslosigkeit gefährdet. Eine
Besserung ist trotz deutlicher Leitzinssenkungen derzeit nicht in Sicht. Unter anderem belastet der Verlust
des Investment-Grades. 2017 und auch darüber hinaus
bleibt die Situation wohl auch in wirtschaftlicher Hinsicht angespannt. So rechnet die Ratingagentur
Moody’s® für die Jahre 2016 bis 2019 mit einem
durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 2,7 % –
etwa einer Halbierung der durchschnittlich 5,5 % in den
Jahren 2010 bis 2014. Das auf Unternehmensebene
oftmals stark kreditgetriebene Wachstum wird wohl
auch zukünftig weniger Dynamik entfalten als gewohnt: Nach einer Untersuchung der BIZ hat sich die
Verschuldung der privaten Unternehmen außerhalb
des Bankensektors vom dritten Quartal 2003 bis zum
dritten Quartal 2015 von ca. 20 % des BIP auf ca. 80 %
des BIP vervierfacht. Eine Konsolidierung ist hier dringend angezeigt.
Wie immer wechseln sich bei den Schwellenländern
also Licht und Schatten ab. Alle haben ihre Probleme,
ansonsten wären es ja »entwickelte Länder«. Und wie
an den Aktienmärkten der entwickelten Staaten gilt
auch hier, dass sich auf Dauer angelegte Investments
in Schwellenländern – vorausgesetzt sie verfügen
grundsätzlich über ein tragfähiges »Geschäftsmodell«
– eher auszahlen als kurzfristig angelegtes »Trading«.
Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass es hier auch
generelle Risiken gibt, die das Potenzial haben, unabhängig von länderspezifischen Faktoren zu einer Belastung der ganzen Staatengruppe zu werden. Dies
sind vor allem Faktoren, die zu einem allgemeinen
Anstieg der Risikoaversion führen können. Dazu zählen der Syrien-Konflikt, die Ukraine-Krise oder Nordkorea. Hinzu kommt die Sorge, inwiefern USZinsanhebungen die Schwellenländer und insbesondere die Kapitalflüsse in diese negativ beeinflussen.
Dass die US-Zinsen steigen werden, gilt als ausgemacht. Ein wie zuletzt wieder etwas flacher projizierter
US-Zinsanstieg könnte den Schwellenländern aber
zugutekommen. Gerade Länder, die ein hohes Leistungsbilanzdefizit aufweisen und auf den Zufluss von
ausländischem Kapital angewiesen sind, könnten von
einer Abkehr ausländischer Kapitalgeber negativ betroffen sein.
Gefährdet sind hier u. a. Südafrika, die Türkei, Marokko und die Ukraine. Dennoch belegen die Kapitalflussstatistiken des IIF, dass es in den letzten Monaten zu
stabilen Netto-Zuflüssen von Portfolioinvestitionen in
die Schwellenländer gekommen ist. Ein Zustand, der
auch dem durch die Niedrigzinspolitik in entwickelten
Ländern entstandenen Anlagenotstand und der Suche
nach höheren Renditen geschuldet ist. An dieser Situation dürfte sich im derzeitigen Umfeld allenfalls langsam steigender Zinsen vorerst wenig ändern.
Für einzelne Länder besteht hingegen durchaus die
Gefahr, dass ausländische Investoren z. B. infolge
hausgemachter Probleme abwandern. Zugute kommt
vielen Schwellenländern aber, dass die Devisenreserven kräftig ausgebaut werden konnten und somit ein
Puffer für kurzfristig fällige Auslandsschulden vorhanden ist. Darüber hinaus besteht von Investorenseite
zunehmend die Bereitschaft, in höher verzinste Lokalwährungsanleihen zu investieren, was in Abwesenheit
erneuter z. B. politisch bedingter krisenhafter Zuspitzungen 2017 zu einer verringerten Exponiertheit der
Emerging Markets gegenüber der US-Zinsentwicklung
führen sollte.
Angesichts der Tatsache, dass der Welthandel seit
Ausbruch der Finanzkrise 2008 nur noch deutlich
verlangsamt wächst, ruht die Hoffnung auf neue
Wachstumsimpulse verstärkt auf der Entwicklung und
dem Ausbau von Freihandelszonen. Die »Trans Pacific
Partnership« (TPP) wurde bereits unterschrieben und
muss nun von den Gründungsstaaten ratifiziert werden. Mexiko, Chile, Peru, Malaysia, Vietnam und Brunei
sollten dann von der Intensivierung des Handels mit
den USA, Japan, Australien, Neuseeland und Kanada
profitieren. Etwas anders sieht es intern bei der Freihandelszone NAFTA aus. Bereits im Vorfeld der USPräsidentschaftswahlen gerieten der mexikanische
Peso und der mexikanische Aktienmarkt unter Druck,
da beide Kandidaten eine Umgestaltung derzeitiger
Verträge anstreben.
Das Wirtschaftswachstum vieler Schwellenländer sollte
auch 2017 nicht zuletzt von der Entwicklung der Rohstoffpreise geprägt werden. Darüber hinaus dürfte das
Thema »säkulare Stagnation« weiterhin eine Rolle
spielen. Mit Beginn der Finanzkrise hat sich das BIPWachstum der Schwellenländer von über 8 % in den
Jahren 2006/07 auf nur noch etwas über 4 % im Jahr
2016 halbiert. Zum Teil ist dies der Rolle der Emerging
Markets als »verlängerte Werkbank« der Industriestaaten geschuldet. Hier wirkt sich die schwache Investitionstätigkeit der »entwickelten« Länder aus. Viele Unternehmen bereinigen hier nach wie vor ihre Bilanzen
von zu hohen Schulden und halten sich weltweit mit
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
27
Neuinvestitionen zurück. Zudem baut China Überkapazitäten ab, was dessen Rohstoffnachfrage dämpft.
Da wir 2017 mit einer leichten Erhöhung des USamerikanischen und des chinesischen BIP-Wachstums
rechnen und sich auch die Rohstoffpreise moderat
erholen sollten, gehen wir aber davon aus, dass auch
die Schwellenländer insgesamt 2017 etwas stärker
wachsen werden, und zwar um 4,7 % nach etwas über
4 % 2016. »Ex-China« sollte eine Wachstumsrate von
3,5 % erreicht werden, nach rund 3 % im Jahr 2016.
28
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Emerging Markets: BIP mit Prognose (%).
DATEN & PROGNOSEN
BIP-Wachstum in %
Mittel-/Osteuropa
»Developing Asia«
- Indien
Lateinamerika/Karibik
- Brasilien
GUS-Staaten
- Russland
Mittlerer Osten/Nordafrika
Sub-Sahara Afrika
2014
2,8
6,8
7,2
1,0
0,1
1,1
0,7
2,6
5,1
2015
3,6
6,6
7,6
0,0
– 3,8
– 2,8
– 3,7
2,1
3,4
Quelle: IWF (Oktober 2016); p = Prognose
2016p
3,3
6,5
7,6
– 0,6
– 3,3
– 0,3
– 0,8
3,2
1,4
2017p
3,1
6,3
7,6
1,6
0,5
1,4
1,1
3,2
2,9
Kalender.
Wichtige Ereignisse im Jahr 2017.
Winter 2017
20. Januar:
Februar:
Ende März:
Amtseinführung des designierten US-Präsidenten Donald Trump
Bundespräsidentenwahl Deutschland
UK stellt Antrag auf Austritt aus der EU
Frühling 2017
ab April
April:
19. Mai:
Juni:
Erste Verhandlungen über den »Brexit« beginnen
Frankreich Präsidentenwahl
Wahl eines neuen Präsidenten in Iran;
OPEC-Treffen
Sommer 2017
Juli:
September:
G20 in Hamburg
Bundestagswahl
Herbst 2017
31. Oktober:
Reformationsjubiläum 500 Jahre (gesetzlicher Feiertag)
30
3 Deutschland.
Die deutsche Konjunktur hat
sich in den vergangenen Jahren
als erstaunlich resistent erwiesen. Der Aufschwung wird sich
im Wahljahr 2017 etwas verlangsamt fortsetzen. Wir glauben,
dass der leicht ansteigende
Ölpreis und die leicht ansteigenden Zinsen kaum Spuren in
der Realwirtschaft hinterlassen
dürften. Von der Erholung in
den Schwellenländern sollte
Deutschland als Exportnation
überproportional profitieren.
3.1 Deutschland.
Schockresistent ins
Wahlkampfjahr.
BIP-Prognosen:
2016: 1,9 %;
2017: 1,5 %
Dr. Jens-Oliver Niklasch
Die Lage ist akzeptabel, in manchen Bereichen sogar
gut, aber die Herausforderungen werden nicht weniger.
So könnte man das Konjunkturbild für Deutschland in
einem Satz zusammenfassen. Beginnen wir bei den
Stärken des Landes. Der Arbeitsmarkt legt im zehnten (!) Jahr in Folge zu. Abgesehen von einem leichten
Dämpfer 2009, der, gemessen am damaligen Konjunktureinbruch, kaum der Rede wert scheint, hat die Beschäftigung stetig zugenommen und die Arbeitslosenquote ist auf inzwischen knapp über 6 % gefallen. Wie
es aussieht, wird sich daran auch in naher Zukunft
nicht viel ändern. Größtes Risiko hier bleibt die Eingliederung der Flüchtlinge und sonstigen Zuwanderer
in den deutschen Arbeitsmarkt. Voraussichtlich wird
2017 daher die Arbeitslosenquote ebenso zunehmen
wie die Zahl der Beschäftigten.
Deutschland: Die Lage am Arbeitsmarkt.
45
12
43
11
41
39
10
37
9
35
33
8
31
29
7
27
6
25
01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16
Beschäftigte in Mio.
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Mio.
ALQ (RECHTE SKALA)
Mit der Beschäftigung legt auch das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte zu. Dies wird noch
begünstigt durch das sehr stabile Preisumfeld. Obgleich wir im kommenden Jahr, bedingt durch die
Basiseffekte des Ölpreisanstiegs, von einem Anstieg
der Verbraucherpreise um 1,5 % ausgehen, sollten die
Masseneinkommen in realer Rechnung zulegen –
geschuldet auch der Erhöhung der Renten. Eine verlässlichere Stütze für den privaten Konsum als das
verfügbare Realeinkommen der Haushalte gibt es
indes kaum.
Gegenwind bei den Exporten.
Verlässlich war meistens auch der deutsche Außenhandel, aber hier könnte allmählich ein Maximum
erreicht sein. Der internationale Handel wächst seit der
Finanzkrise in deutlich langsamerem Tempo als zuvor.
Dies liegt zum einen an der globalen Wachstumsrate
im Vergleich zur Vorkrisenzeit. Zudem wirken die
bekannten begünstigenden Faktoren (v. a. zunehmende Integration der Emerging Markets und insbesondere Chinas in den Welthandel oder die Europäische
Integration) nicht mehr so kräftig wie einstmals. Auch
fehlen neue Impulse. Ob und wie nach CETA auch TTIP
abgeschlossen werden und in welchem Umfang, steht
in den Sternen. Zudem wird die deutsche Wettbewerbsfähigkeit allmählich auf internationaler Ebene
zum Politikum. Der Überschuss in der Leistungsbilanz,
die in den ersten Jahren der Währungsunion noch
defizitär war, ist inzwischen auf über 9 % des BIP angeschwollen. Dem stehen im Austausch mit Deutschland
entsprechende Defizite der Handelspartner gegenüber.
Vor allem im Euroraum wird Deutschland deswegen
zunehmend kritisch beäugt und die Rufe nach einem
Gegensteuern werden lauter.
Quellen: Thomson Reuters Financial, LBBW Research
Die Logik scheint bestechend: Wenn Deutschland
seinen Überschuss abbaut, z. B. durch einen zuneh32
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
menden privaten Konsum, dann wären die Wachstumsraten im Rest der EWU-Staaten höher. Das klassische Instrument einer Aufwertung der Währung entfällt angesichts der Gemeinschaftswährung, bleiben
also nur fiskalpolitische Instrumente wie Steuersenkungen oder kräftige Reallohnsteigerungen. Für beides gibt es aber derzeit wenig Anzeichen. Der Überschuss wird hoch bleiben, aber vielleicht wird er nicht
mehr zulegen.
Deutschland: Leistungsbilanzsaldo in % des BIP.
12
10
8
6
4
2
0
-2
-4
99 00 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16
Bundestagswahl als wichtigstes Ereignis.
Eines der größten Ereignisse in Deutschland im Jahr
2017 wird sicherlich die Bundestagswahl werden. Die
Parteien und Spitzenkandidaten werden sich bereits in
den nächsten Monaten in Stellung bringen und versuchen, ihre Akzente zu setzen. Im Vergleich zum Wahlkampf in den USA werden die Diskussionen hierzulande hoffentlich deutlich sachlicher geführt werden. Laut
aktuellen Umfragen wäre eine Fortsetzung der »Großen
Koalition« möglich. Allerdings könnten der erneute
Einzug der FDP in den Bundestag und das erstmalige
Überspringen der 5%-Hürde durch die AfD noch einige
Unwägbarkeiten für die Koalitionsarithmetik mit sich
bringen. Sollten sich SPD oder CDU gegen eine weitere
»GroKo« entscheiden, dann werden wir uns auf eine
Drei-Parteien-Koalition einstellen müssen. Dadurch
dürften Weichenstellungen im wirtschaftspolitischen
Bereich künftig mühsamer werden.
Leistungsbilanzsaldo in % des BIP
Quellen: Thomson Reuters Financial, LBBW Research
Die Rückkehr der Inflation.
Mit einiger Gefasstheit können die deutschen Verbraucher der Entwicklung der Inflationsrate in den kommenden Quartalen entgegensehen. Zwar wird sie wohl
in den kommenden Monaten deutlich steigen, da die
entlastenden Effekte aus dem Ölpreisrückgang von
2014 bis Anfang 2016 nunmehr auslaufen. Weil aber
die Kernrate, d. h. die Inflationsrate unter Ausschluss
der Preise für Energie und Lebensmittel, mäßig ist und
die Konjunktur entlang des Potenzialwachstums läuft,
dürfte der Anstieg der Inflationsrate vor der Marke von
2 % stoppen. Im Jahresdurchschnitt rechnen wir mit
einer Inflationsrate von 1,5 %, nach voraussichtlich 0,3 %
im Jahr 2016.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
33
3.2 Sonderthema: Soll der Staat mehr
investieren?
»Fakt ist, dass die Investitionen der
öffentlichen Hand seit Jahren in ihrer
Bedeutung tendenziell sinken.«
Dr. Jens-Oliver Niklasch
Dauerthema »öffentliche Investitionen«.
Die Forderung nach mehr Investitionen, öffentlichen
zumal, ist in der wirtschaftspolitischen Diskussion ein
Dauerbrenner, leuchtet aber vor allem dann intensiv,
wenn es gilt, das wirtschaftliche Wachstum zu beschleunigen. Was ist der Hintergrund? Wirtschaftliches
Wachstum hat drei mögliche Ursachen. Erstens eine
höhere Produktivität etwa durch technischen Fortschritt,
zweitens mit mehr Erwerbstätige und drittens einen
größeren Kapitalstock, sprich: Investitionen. Der Staat
ist überall dabei: Er setzt durch seine Arbeitsmarktund Sozialpolitik Anreize zur Arbeitsaufnahme. Er legt
Grundlagen für technischen Fortschritt über die schulische Bildung der (zukünftigen) Arbeitnehmer und
durch die Finanzierung der Universitäten oder auch den
Rechtsrahmen wie den Schutz von Patenten. Sollte der
deutsche Staat auch vermehrt Investitionen tätigen?
Dies fordern seit geraumer Zeit in- und ausländische
Institutionen angesichts niedriger Zinsen und solider
öffentlicher Finanzen des deutschen Staates.
Fakt ist, dass die Investitionen der öffentlichen Hand
seit Jahren in ihrer Bedeutung tendenziell sinken. Was
die Investitionen der Gebietskörperschaften anbelangt,
betrugen diese rund 60,8 Mrd. EUR, was etwa 2,2 %
des deutschen Bruttoinlandprodukts entsprach. Aussagekräftiger ist freilich die Höhe nach Abschreibungen, also die Nettoanlageinvestitionen. Diese liegen
quasi bei null, was zeigt, dass der staatliche Kapitalstock nicht wächst. Auf der Ebene der Gemeinden, die
2015 immerhin für Bruttoinvestitionen 2015 in Höhe
von 22,5 Mrd. Euro verantwortlich zeichneten,
34
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
schrumpft er sogar seit über einem Jahrzehnt, wie
eine aktuelle Untersuchung der Bundesbank im Monatsbericht Oktober zeigt. Angesichts dessen scheint
eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen begrüßenswert.
Allerdings darf nicht übersehen werden, dass aus
gesamtwirtschaftlicher Perspektive die öffentliche
Hand im Vergleich zum privaten Sektor ein eher kleiner Investor ist. Für jeden Euro öffentlicher Investitionen geben die Privaten in Deutschland 8 EUR aus.
Selbst für Bauinvestitionen, bei denen der Staat aufgrund der Notwendigkeit, das Straßennetz zu unterhalten und öffentliche Gebäude zu errichten, eine
größere Rolle spielt, beträgt das Verhältnis 1:7, für
Ausrüstungsinvestitionen ist das gar 1:14. Um entsprechende gesamtwirtschaftliche Wirkungen zu erzielen, müsste der Staat folglich seine Investitionsnachfrage schon erheblich steigern.
Nettoanlageinvestitionen des Staats (in Mrd. EUR).
200
150
100
50
0
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015
Eurozone
Deutschland
USA
Quellen: Thomson Reuters, LBBW Research
-50
Die Bedingungen für private Investitionen scheinen
ohnehin einzigartig günstig. Die Zinsen sind auf historischen Tiefs. Unternehmen guter Bonität finanzieren
sich gegenwärtig praktisch zu 0 % und das bei stabilem
Konjunkturverlauf. Was hält die Unternehmen zurück?
Der IWF hat festgestellt, dass neben einer relativ
schwachen Güternachfrage vor allem die Unsicherheit
über die nähere Zukunft und der mangelnde Zugang
zu Finanzierung die privaten Investitionen ausbremsen.
Als Gegenmittel empfiehlt der IWF neben expansiver
Geldpolitik Strukturreformen an den Arbeits- und
Gütermärkten sowie staatliche Investitionen in Infrastruktur.
Der Staat, so die Überlegung könnte mit gezielten
Investitionen in Infrastruktur einen dauerhaften Beitrag
zur Stärkung der Wachstumskräfte leisten. Zu denken
wäre hier an die digitale Infrastruktur Deutschlands.
Wachstumstreibende Effekte dürften sich dadurch u. a.
aus der unternehmerischen Nutzung im Zusammenhang mit der Industrie 4.0 ergeben. Aktuell fördert die
Bundesregierung den Breitbandausbau mit
2,1 Mrd. EUR und hat bis 2020 weitere Mittel in Höhe
von 1,3 Mrd. EUR zugesagt. Da ist Luft nach oben. Die
wohl höchste Rendite dürfte mit Investitionen in Bildung zu erzielen sein, auch wenn diese rein statistisch
nicht als Investitionen behandelt werden. Angesichts
der Schwierigkeit vieler Unternehmen, geeignete Arbeitskräfte – ausbildungsfähig oder ausgebildet – zu
finden, sollten die Anstrengungen deutlich erhöht
werden. Aufwendungen für die Weiterbildung älterer
Arbeitnehmer, Integration von Migranten, die Betreuung von Kleinkindern, der Ausbau der Universitäten –
die Möglichkeiten sind zahlreich. Die Verkehrsinfrastruktur hätte Verbesserungen ebenfalls dringend
nötig. So gelten von 13.000 km des deutschen Autobahnnetzes 8,5 % als in schlechtem und 8 % in sehr
schlechtem Zustand, von 39.500 km Bundesstraßen
sind sogar 15 % in schlechtem und 19,6 % in sehr
schlechtem Zustand. Bekannt sind auch die Probleme
in der Bahninfrastruktur. Angeblich stammt jede dritte
Brücke im Schienennetz der Bahn noch aus »Kaisers
Zeiten«. Wenn nicht jetzt, zu diesen niedrigen Zinssätzen investiert wird, wann dann?
Keine »Brücken ins Nichts«!
Allerdings sind Investitionen kein »Selbstläufer«.
Flankieren andere Politikbereiche diese öffentlichen
Investitionen nicht, dürften auch an sich sinnvolle
Maßnahmen ohne Rendite bleiben. Eine erkleckliche
Zahl teils kurioser Beispiele ohne sichtbaren Nutzen,
die berühmten »Brücken ins Nichts«, wird alljährlich
im Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler aufgelistet. Aber auch das Beispiel Japans mit seiner nun
schon zwei Dekaden andauernden Stagnation zeigt,
dass Investitionen in Infrastruktur im ungünstigen Fall
nichts anderes sind als die Verschwendung von Steuergeldern im großen Stil. Am Ende, man kann es
kaum oft genug wiederholen, sind es private Investitionen, die für Konjunktur und Wachstum den Ausschlag geben. Passen die für die Unternehmen ausschlaggebenden wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen nicht und ist die diesbezügliche Unsicherheit
der Unternehmen groß, so haben diese auch keinen
Anreiz zu investieren.
Die politische Machbarkeit von Investitionen ist von
hoher Bedeutung.
Um die Erwartungen noch etwas zu dämpfen: Investitionen – öffentliche wie private – werden voraussichtlich auch 2017 die Konjunktur stützen, aber den privaten Konsum nicht in seiner Bedeutung als Konjunkturfaktor ablösen können. Zudem ist die fiskalpolitische Linie der Bundesregierung ohnedies eine andere
als etwa von IWF und EZB propagiert. Deutschland
steht mit Blick auf die öffentlichen Schuldenstände
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
35
relativ besser als da die meisten Länder Europas, ist
aber keineswegs eine Insel der Seligen. Auch hierzulande liegt der Schuldenstand jenseits der MaastrichtMaßstäbe und die Herausforderungen der Demographie mit steigenden Kosten der Systeme der sozialen
Sicherung zeichnen sich bereits ab. Es ist daher vorerst nicht zu erwarten und auch nur bedingt sinnvoll,
dass Deutschland von seiner Linie abweicht.
Vor dem Hintergrund der politischen Machbarkeit
würden wir deshalb für einen denkbaren Mittelweg
votieren. In Anerkennung der bestehenden Größenverhältnisse sollten öffentliche Investitionen nur dort
gesteigert werden, wo es sinnvoll und geboten ist. In
erster Linie müssen aber die Rahmenbedingungen für
private Investitionen verbessert werden. Hierzu zählt
eine Wiederaufnahme der strukturellen Reformdynamik, wie sie auch der Sachverständigenrat angemahnt
hat. Die Dauerbrenner im Forderungskatalog sind
allgemein bekannt: Der Arbeitsmarkt muss flexibel
bleiben, die Bürokratie sollte das notwendige Maß
nicht übersteigen, Unternehmen und private Haushalte
brauchen Planungssicherheit auf allen zentralen Gebieten. Von der Sozialpolitik über die Energieversorgung
bis zum Schutz des Privateigentums und der Umweltgesetzgebung.
36
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Zu den Rahmenbedingungen zählt ohne Zweifel auch
das Steuerrecht. So können private Investitionen durch
entsprechende verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten, wie z.B. höhere degressive Abschreibungen, gefördert werden. Und dort, wo es geboten ist, sollte der
Staat Private ins Boot holen. Das teilmarode Straßennetz wurde bereits angesprochen. Warum nicht über
eine Kooperation des öffentlichen mit dem privaten
Sektor nachdenken? Private Betreiber könnten im Auftrag des Staates Straßen bauen und unterhalten. Davon könnten sogar gleich drei Beteiligte profitieren:
Der Staat schont seine Finanzen, privaten Investoren
böte sich ein »alternatives Investment« mit langfristiger Perspektive und den Verkehrsteilnehmern stünden
bezahlbare und sichere Verkehrswege zur Verfügung.
Man kann freilich auch Felder identifizieren, auf denen
der Staat unmittelbar gefordert sein könnte; so im
Bereich »Verkehr und Umwelt«. Der von der europäischen Politik angestrebte Umstieg vom Verbrennungsmotor auf den abgaslosen elektrischen Antrieb
wird ohne entsprechende öffentliche Investitionen und
Förderungen nicht zu bewältigen sein. Die Vorbereitungen dafür sollten besser heute beginnen als morgen.
37
4 Langfristige Chancen und
Risiken.
Wie wird die Welt 2025
aussehen? Auf diese Frage gibt
es zwar keine sicheren Antworten, doch für uns ist klar, dass
die Themen dieses Sonderthemas die nächsten Jahre prägen werden. 2017 wird ein Jahr
der Entscheidungen, wie wir mit
diesen Trends umgehen wollen.
Wir beleuchten im folgenden
Kapitel Chancen und Risiken der
Globalisierung, der Digitalisierung, der Solidarität in Europa
und der lockeren Geldpolitik.
4.1 Ist die Globalisierung in Gefahr?
»Globalisierung muss für alle Bevölkerungsschichten und nicht nur für die
oberen Schichten positiv sein.«
Dr. Guido Zimmermann
Tendenziell ja, wenn die Politik die Dinge weiter wie
bislang laufen lässt.
Zumindest traditionelle Maße für das Welthandelsvolumen sprechen eine klare Sprache: Auch wenn sich
das Welthandelsvolumen nach dem massiven Einbruch
in der Finanzkrise wieder erholt hat, so zeigen doch
die Daten, dass die Dynamik des Welthandels seit der
Finanzkrise abgenommen und sich auch zuletzt weiter
verlangsamt hat. Gleichzeitig nehmen protektionistische Tendenzen wieder zu.
Die Ursachen für die zögerliche Entwicklung des Welthandels sind nicht wirklich klar. Ein Grund ist sicherlich die globale Wachstumsschwäche – und hier v. a.
die enttäuschende Entwicklung in Europa und China.
Wenn der Außenhandel aber vergleichsweise kapitalintensiv ist, gleichzeitig aber weniger investiert wird, so
ist auch klar, dass die weltweite Investitionsschwäche
sich in eine Schwäche der Handelsdynamik übersetzt.
Aber auch strukturelle Gründe sind hierfür verantwortlich. So versucht China zunehmend, seine Wirtschaft
weniger auf Exporten und mehr auf den Konsum zu
stützen. Die USA sind derweil zu einem Nettoenergieexporteur geworden und die US-Industrie verlagert
wieder Teile der Produktion zurück in die USA. Die
sinkenden Rohstoffpreise haben zudem bewirkt, dass
die Importe der rohstoffexportierenden Länder zurückgegangen sind. Gleichzeitig sind neue Phänomene
in der Produktion zu konstatieren, die Ausdruck einer
zunehmenden Digitalisierung sind.
Neue Produktionsweisen wie 3D-Druckverfahren
machen es möglich, auf die Verschiffung von Waren
zu verzichten. Auch nimmt der Handel immer weniger physische denn digitale Formen an. Schlussendlich ist zu sagen, dass die Ursachen für die niedrigere
Dynamik des Welthandels nicht wirklich klar sind.
Entscheidend ist, dass die Politik sich protektionistischen Tendenzen entgegenstemmt.
Nein, wenn die Politik handelt.
Denn der Protektionismus speist sich ja nicht nur aus
branchenspezifischen Partikularinteressen, sondern
v. a. auch aus einem Unwohlsein der sog. »Globalisierungsverlierer«. Eine Lehre aus dem »Brexit« Großbritanniens aus der EU ist z. B, dass die Globalisierung
für alle Bevölkerungsschichten und nicht nur für die
oberen Einkommensschichten positiv sein muss. Es ist
daher verstärkt über Reformen in der Sozialpolitik
nachzudenken. Zwar hat die Globalisierung Milliarden
von Menschen in den Schwellenländern in den letzten
Jahrzehnten aus der Armut gehoben, aber in den (unteren) Mittelschichten der entwickelten Länder hat
dieser Prozess durchaus Verlierer generiert. Zwar gibt
es hierfür sicher noch wesentlich wichtigere Gründe als
den Freihandel – die zunehmende Automatisierung ist
hier wohl bedeutsamer –; als Fazit bleibt aber, dass in
Bezug auf die Ungleichheit in der Einkommens- und
Vermögensverteilung innerhalb der entwickelten Länder ein starker Anstieg zu verzeichnen ist.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
39
4.2 Sind unsere Arbeitsplätze durch
Roboter bedroht?
»Deutschland steht mit an der Spitze
dieser neuen industriellen Revolution
der Industrie 4.0.«
Dr. Guido Zimmermann
Ja, wenn wir uns nicht weiterbilden.
Wie viele Stellen sind potenziell durch die zunehmende
Automatisierung von Tätigkeiten bedroht? Die empirische Evidenz hinsichtlich der Effekte der Digitalisierung auf die Arbeitsmärkte ist sehr uneinheitlich und
mit einer großen Spreizung in den Schätzungen versehen. Hinzu kommt, dass aufgrund unterschiedlicher
Datenabgrenzungen und Unterschiede in den Strukturen der Arbeitsmärkte diesbezügliche Schätzergebnisse international kaum miteinander verglichen werden
können. So haben in den USA und Deutschland gleiche
Berufe unterschiedliche Tätigkeitsprofile.
Fertigungsberufe haben in Deutschland die höchste
Wahrscheinlichkeit, unter Automatisierung zu leiden,
soziale und kulturelle Dienstleistungen die geringsten.
Aber auch in der Fertigung sind sehr unterschiedliche
Automatisierungswahrscheinlichkeiten anzutreffen.
Prinzipiell haben Tätigkeiten, die Nichtroutinecharakter aufweisen, die geringste Wahrscheinlichkeit, automatisiert zu werden. Allerdings dürfte sich die Struktur
des Arbeitsmarkts wesentlich stärker ändern als das
Niveau der Beschäftigung insgesamt. Bis 2030 dürften
nach Schätzungen rund 850.000 Stellen durch die sog.
Industrie 4.0 Veränderungen unterliegen. Wirklich
wegfallen dürften wohl lediglich rund 100.000 Stellen.
Die Arbeitnehmer müssen ihr Augenmerk daher verstärkt auf eine gute Aus- und Weiterbildung richten,
um flexibel genug auf die neuen Herausforderungen
reagieren zu können.
Nein, wenn wir die Digitalisierung als Chance
Entscheidende Erkenntnis ist, dass nicht Berufe per se,
sondern einzelne Tätigkeiten innerhalb eines Berufs
automatisiert werden. Nach den verfügbaren Schätzungen weisen in Deutschland zwischen 9 und 15 %
der Arbeitsplätze Tätigkeitsprofile mit einer relativ
hohen Automatisierungswahrscheinlichkeit auf. Ob
diese Tätigkeiten dann auch tatsächlich ersetzt werden,
hängt nicht nur von der technischen Machbarkeit ab.
40
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
begreifen.
Deutschland steht mit an der Spitze dieser neuen
industriellen Revolution der Industrie 4.0. Gleichzeitig
sucht die Welt für eine wachsende Bevölkerung dringend technologische Lösungen für fundamentale Probleme wie die zunehmende Urbanisierung und den
Klimawandel – Lösungen, die Deutschland anzubieten
vermag. Mit ausreichenden Anstrengungen in Ausund Weiterbildung der Arbeitnehmer dürfte die Digitalisierung des Arbeitslebens für Deutschland eher
Chance denn Risiko darstellen.
4.3 Führt die Geldpolitik der EZB zu
einer Assetpreisblase?
»Eine Blase in Echtzeit zu erkennen,
ist leider auch für die Zentralbanken
sehr schwierig bis unmöglich.«
Dr. Jens-Oliver Niklasch
Nein, wenn es einen großen Mangel an sicheren
Aktiva gibt.
Eine Preisblase entsteht typischerweise dann, wenn der
Preis eines Vermögenswerts (Assets) so stark steigt,
dass die Bewertung des Assets nicht mehr durch die
Fundamentaldaten gerechtfertigt werden kann. Sobald
Zweifel an der Bewertung der Assets aufkommen,
platzt eine solche Blase.
Die Geldpolitik bestimmt über das kurze Ende der
Zinskurve maßgeblich die Preise an den verschiedenen
Segmenten der Finanzmärkte. Die Leitzinsen bestimmen in erster Linie die Preise für Anleihen, aber auch
von Immobilien und von Aktien. Ziel einer expansiven
Geldpolitik war schon immer, über eine Veränderung
der relativen Preise am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve Assetpreissteigerungen auszulösen, um so die
Wirtschaft anzukurbeln. Die entscheidende Frage ist
nun, wann gibt es ein »Zuviel« der expansiven Geldpolitik bzw. wann eine expansive Geldpolitik zu Verzerrungen an den Finanzmärkten führt.
Die Zinsen sind derzeit nicht nur aufgrund eines günstigen Inflationsklimas niedrig, sondern auch weil es
einen Mangel an sicheren Aktiva gibt. Zumindest aus
dieser Sicht sind die derzeitig herrschenden Anleihenpreise auch nicht exzessiv.
Ja, wenn Zentralbankankäufe selbst zu
Überbewertung von Assetpreisen beitragen.
Auf der anderen Seite tragen die massiven Ankäufe
der Zentralbanken von Anleihen selbst zu dem Mangel
an sicheren Aktiva bei – denn es bleibt ja weniger
Angebot für die privaten Anleger übrig. Das Niedrigzinsniveau treibt gleichzeitig die institutionellen Anleger verstärkt in risikoreichere Assetklassen, denn die
Investoren müssen ja ihre Renditeziele erreichen.
Fazit: Zentralbanken im Zielkonflikt zwischen
Preisstabilität und Finanzmarktstabilität.
Eine Blase in Echtzeit zu erkennen, gar zu therapieren,
ist selbst für Zentralbanken sehr schwierig bis unmöglich. Denn die sog. makroprudenzielle Regulierung
steckt ungeachtet aller Fortschritte auf diesem Gebiet
mit ihren Instrumenten hier noch in den Kinderschuhen. Wir vermuten, dass die expansive Geldpolitik sehr
wohl zu Verzerrungen an den Finanzmärkten führt, die
sich in unbestimmter Zukunft eruptiv an den Märkten
entladen könnten – dies gilt insbesondere dann, wenn
eines Tages einmal die expansive Geldpolitik zurückgefahren werden sollte.
Die Zentralbanken sind jedenfalls nicht zu beneiden,
denn der Zielkonflikt, einerseits für Preisstabilität in
Europa als Ganzes zu sorgen, was eine Niedrigzinspolitik impliziert, und gleichzeitig mit dieser Politik möglicherweise Risiken für die Finanzmarktstabilität zu
generieren, ist nicht von der Hand zu weisen. Das
Problem der Zentralbanken ist, dass ihr Instrumentenkasten wohl derzeit nicht ausreicht, beiden Zielen
gerecht zu werden.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
41
4.4 Droht das Ende der Solidarität in
Europa?
»Investoren sind jedenfalls gut
beraten, die Entwicklung im Auge
zu behalten.«
Dr. Jens-Oliver Niklasch
Nein, denn der politische Wille zur Einigung Europas
ist zu stark.
Schon zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) Ende der 50er Jahre war das Ziel
eher politischer Natur, nämlich durch eine enge wirtschaftliche Verflechtung künftige Kriege in Europa
unmöglich zu machen. Der Gleichschritt von Wirtschaft
und Politik hat seit damals deswegen lange Jahre gut
funktioniert, weil das Wohlstandsversprechen in den
Gründerstaaten der Europäischen Gemeinschaft(en)
(EG) in den vergangenen Jahrzehnten eingelöst wurde.
Ja, wenn »Brüssel« nicht wieder mehr auf die Sorgen
der Bürger hört.
Tempi passati, denn die Gleichung mehr Integration
bedeutet mehr Wohlstand, scheint vor allem für den
Mittelstand der Gründerstaaten Frankreich, Deutschland und Italien nicht mehr aufzugehen. Ob gerechnet
oder gefühlt ist dabei eigentlich egal. Mit Großbritannien hat sich das erste Land aus der EU verabschiedet,
nur die Formalitäten sind noch zu klären. In Italien,
Frankreich und Deutschland stehen in den kommenden zwölf Monaten ebenfalls Richtungsentscheidungen an, bei denen es (auch) um die Zukunft der EU
oder des Euros geht. Italien entscheidet noch in diesem Jahr am 4. Dezember über eine Verfassungsreform, in Frankreich wird im Mai ein neues Staatsoberhaupt gewählt und in Deutschland steht im Herbst die
Bundestagswahl auf der Tagesordnung.
42
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Es ist derzeit nicht gänzlich auszuschließen, dass am
Ende dieses Wahltriathlons die Regierung Renzi gescheitert ist, Frankreich mit Marine Le Pen erstmals
eine Präsidentin hat, die als europafeindlich anzusehen
ist, und in Deutschland selbst eine Große Koalition
keine Regierungsmehrheit mehr zusammenbekommt.
In der weiteren Folge könnte die bereits heute sichtbar
brüchige Solidarität im Euroraum gänzlich verschwinden. In Italien würden wachstumsfördernde Reformen
in weite Ferne rücken, Frankreich könnte seine EUMitgliedschaft zur Disposition stellen und Deutschland
das Eingehen weiterer finanzieller Risiken ablehnen.
Fazit: Weiterwursteln der EU wahrscheinlich.
Investoren sind jedenfalls gut beraten, die Entwicklung
im Auge zu behalten. Denn auch eine Teilentsolidarisierung in Europa könnte schon teuer werden. Die EUPolitik muss daher die wirtschaftlichen Sorgen der
Bürger ernster nehmen, die europäischen Institutionen
reformieren und dem Prinzip der Subsidiarität mehr
Geltung verleihen. Nur dann kann Europa gelingen.
Davon ist aber bislang nicht viel zu sehen. In vielen
Dingen fährt die EU auf Sicht. Beispielhaft sei hier die
Umsetzung des sog. »gehärteten« Stabilitätspaktes
genannt, in dem offensichtlich auch langjährige Defizitsünder nach wie vor keine Sanktionen befürchten
müssen. Nach aller Erfahrung wird die EU erst einmal
auf diesem Weg des »Durchwurstelns« bleiben. Etwas
mehr Entschiedenheit dürfte ihr aber langfristig besser
bekommen.
43
5 Unsere Prognosen für 2017.
Die Geldpolitik wird auch 2017
eine wichtige Größe bei all unseren Prognosen sein. Angesichts
der anstehenden Anpassungen
bei der europäischen und
amerikanischen Geldpolitik
müssen Anleger reagieren – je
früher desto besser. Basierend
auf unserem »großen Bild«
haben wir Prognosen für das
Jahr 2017 erarbeitet, die in
diesem letzten Teil des Jahresausblicks erläutert und zu einem
Gesamtbild mit konkreten
Handlungsempfehlungen
zusammengeführt werden.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Wachstumsprognosen.
1,3 %
Unsere Wachstumsprognose
für die Eurozone 2017
1,5 %
Unsere Wachstumsprognose
für Deutschland 2017
2,5 %
Unsere Wachstumsprognose
für USA 2017
3,3 %
Unsere Wachstumsprognose
für die Welt 2017
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
45
5.1 Zinsen.
Tapering könnte für Unruhe
aber auch für Einstiegsgelegenheiten sorgen.
»Einen Renten-Crash sehen wir
gleichwohl nicht am Horizont«
Elmar Völker
In den letzten Jahren war die Frage nach einer
Trendumkehr der seit der Finanzkrise anhaltenden
und nur in jeweils kurzen Zeitphasen unterbrochenen
Abwärtsbewegung der Langfristrenditen an den großen Anleihemärkten ein ständig wiederkehrendes
Thema in Analysen und Ausblicken zur Zinsentwicklung – nicht nur in unseren eigenen. Und in ebensolcher Regelmäßigkeit hat die Realität die Erwartungen
immer wieder Lügen gestraft: Es ging eben doch immer noch tiefer. Das laufende Jahr erscheint hierbei
geradezu als Musterbeispiel, denn nach dem starken
Renditeaufwärtsschub bei Bundesanleihen vom Frühjahr 2015 und der Entscheidung der US-Notenbank
vom vergangenen Dezember, nach langem Zögern
endlich die erste Leitzinserhöhung nach sieben Jahren
Nullzinsphase zu vollziehen, drängte sich eine Wendekonstellation geradezu auf. Tatsächlich wurde das Jahr
2016 dann allerdings gleich in den ersten Handelstagen und -wochen wieder in eine rentenfreundliche
Richtung gelenkt, als sich eine Welle von Sorgen vor
einem Wachstumseinbruch in China am Finanzmarkt
Bahn brach, die Energiepreise neue mehrjährige Tiefstände ausloteten und unerwartet schwache USKonjunkturdaten die soeben begonnene Leitzinswende
der Fed sofort wieder in Zweifel zogen. Dieses Gemisch aus weltwirtschaftlichen Risiken und Sorgen vor
anhaltend niedriger Inflation, das im Frühsommer
noch durch das unerwartete »Brexit«-Votum der Briten
ergänzt wurde, hat sowohl die Finanzmarktentwicklung als auch das Handeln der Notenbanken weithin
bestimmt: Die EZB hat ihre bereits Ende 2015 erkennbare Bereitschaft zu einer weiteren Lockerung ihrer
46
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Geldpolitik entschieden umgesetzt und ihr Anleihekaufprogramm nicht nur durch eine Anhebung des
monatlichen Kaufvolumens, sondern auch durch eine
Ausweitung auf Unternehmensanleihen umgesetzt. Sie
hat damit der Knappheitsdebatte am Euro-Staatsanleihemarkt einen zusätzlichen Schub verliehen und
die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen noch unter die
Tiefs vom Frühjahr 2015 gedrückt. Bundesfinanzminister Schäuble konnte sich seither sogar für 10 Jahre
mehrmals Geld zu Negativzinsen leihen, der Anteil von
Anleihen mit Negativzinsen am Euro-Staatsanleihemarkt stieg über 50 %. Selbst einzelne Unternehmen
können inzwischen zu Negativzinsen emittieren, die
Anleger treibt die EZB zudem mit ihrer noch breiteren
Marktintervention immer weiter auf der Credit-Kurve
hinauf, wenn diese noch nennenswert positive Renditen erzielen wollen. Eine Gegenbewegung der Renditen
nach oben nach dem Motto »buy the rumour, sell the
fact« wie im Jahr 2015 blieb überdies dank der Unsicherheit wegen des »Brexit«-Votums in den Anfängen
stecken. Und mit Blick auf die US-Geldpolitik wurde
den Marktbeobachtern deutlich vor Augen geführt,
dass sich die Fed trotz wiederholt vorgebrachter Normalisierungs-Rhetorik nicht ganz allein gegen den
»Niedrigzinssog« stemmen kann, wenn über die EZB
und die japanische Notenbank (BoJ) bis zur Bank of
England (BoE) alle anderen großen Notenbanken ihre
Geldpolitik weiter lockern. Den US-Währungshütern
blieb daher gewissermaßen nichts anderes übrig, als
ihre eigenen Leitzinsprojektionen immer weiter zu
senken, was die Teilnehmer am Finanzmarkt in einer
Feedback-Schleife darin bestärkt hat, auch für die
Zukunft allenfalls sehr sporadische Leitzinsschritte
nach oben zu erwarten. Am US-Rentenmarkt hat sich
daher die Zinsstrukturkurve auch ohne einen einzigen
weiteren Zinsanhebungsschritt im laufenden Jahr weiter deutlich abgeflacht – parallel zur Zinskurve im
Euroraum – sodass die Rendite 10-jähriger Treasuries
im Sommer ihre Tiefstände des Jahres 2012 ungeachtet einer komplett anderen geldpolitischen Ausgangslage in den USA zeitweise noch unterbieten konnte.
Notenbanken nicht komplett unabhängig.
Die Erkenntnis, dass die großen Notenbanken hinsichtlich ihres geldpolitischen Aktionsradius‘ aneinander
gekoppelt sind, bestimmt ganz wesentlich den Ausblick für die Zins- und Renditeentwicklung in den
kommenden zwölf Monaten. Die EZB, die im laufenden
Jahr mit einer Ausweitung ihres monatlichen Anleihekaufvolumens um 20 Mrd. EUR den größten Lockerungsimpuls gegeben hat und mithin einen wesentlichen Beitrag zum globalen Renditerückgang geliefert
haben dürfte, sehen wir dabei wiederum in einer
Schlüsselrolle. Die Währungshüter im Euro-Tower
werden zwar nicht müde zu betonen, dass ihr Spielraum für geldpolitische Lockerungen noch nicht ausgereizt sei, sollte dies aufgrund der Konjunktur- und
Inflationsentwicklung notwendig werden. Allein, es
setzt sich am Markt zunehmend die Einschätzung
durch, dass die Mittel der Geldpolitik weitgehend
ausgereizt sind. Die etwas obskure Neuausrichtung
ihrer geldpolitischen Instrumente, welche die BoJ im
Wege der Einführung einer »Zinskurvenkontrolle«
beschlossen hat, spricht hierfür Bände. Mit dem Ende
der Sommerpause hat nun auch mit Blick auf die EZB
eine Debatte über den Ausstieg aus der ultralockeren
Geldpolitik ihren Anfang genommen. Wir halten die
konjunkturellen Gegebenheiten für passend, dass die
EZB in den kommenden Monaten tatsächlich einen
solchen Ausstiegsprozess in Form eines sogenannten
Taperings der Anleihekäufe in Gang setzt, denn das
»Brexit«-Votum hat die Weltwirtschaft anscheinend
nicht wie befürchtet zusätzlich zurückgeworfen und
die Inflation begibt sich nach zwei Jahren mit Negativschocks nun endlich auf einen Pfad der Erholung. Wir
erwarten, dass das monatliche Anleihekaufvolumen ab
dem kommenden Frühjahr stufenweise zurückgefahren wird. Angesichts der Erfahrung vom USRentenmarkt aus dem Jahr 2013 ist das Wort »Tapering« am Rentenmarkt ein Reizwort, zumal viele Marktteilnehmer ausweislich der im ersten Halbjahr deutlich
gestiegenen Kurse noch auf weiter sinkende Renditen
ausgerichtet sein dürften. Der Renditeschock, der die
Renditen 10-jähriger US-Treasuries im Frühjahr 2013
innerhalb von gut drei Monaten um mehr als
100 Basispunkte nach oben katapultiert hat, stellt,
übertragen auf die 10-jährige Bundrendite, nach unserer Ansicht zwar eher einen Worst Case für die kommenden Monate dar. Klar ist für uns aber auch, dass
mit der Ankündigung eines Taperings ein Teil der
Knappheitsspekulation am Staatsanleihemarkt, der
zuvor die Renditen nach unten gedrückt hat, umgekehrt werden dürfte. Mit deutlich erhöhten Marktschwankungen ist auf jeden Fall zu rechnen, zumal
vom Staatsanleihemarkt bis zum Markt für Unternehmensanleihen alle Rentenmarktsegmente von einer
schwindenden Marktliquidität betroffen sind, die eine
Verstärkung von Marktausschlägen in Stressphasen
fördert. Da mit anziehenden Staatsanleiherenditen
zudem wiederum der Knappheitsdruck innerhalb des
EZB-Anleihekaufprogramms zurückgeht, könnte eine
Renditebewegung nach oben überdies eine sich selbst
verstärkende Dynamik entfalten.
Renditeanstieg bedeutet nicht gleich Crash am
Rentenmarkt.
Einen Renten-Crash sehen wir gleichwohl nicht am
Horizont, denn hierzu sind weder die sich abzeichnende Dynamik der Konjunktur noch jene bei der
Erholung der Inflation überzeugend genug, als dass
die EZB einen schnellen Weg des geldpolitischen Ausstiegs wählen müsste. Vielmehr dürften die Währungshüter bestrebt sein, mit den ihnen zur Verfügung
stehenden kommunikativen Mitteln (Forward Guidance;
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
47
Tapering auf »Widerruf«; Betonung, dass Käufe über
Wiederanlage fälliger Anleihen noch lange weiterlaufen)
allzu extreme Marktkapriolen, die wiederum ein Risiko
für die Konjunkturerholung darstellen würden, zu
verhindern.
LBBW Research Prognose für Staatsanleihen 10jähriger Laufzeit in %: Deutschland und USA.
3,5
3,5
3,0
3,0
2,5
2,5
2,0
2,0
1,5
1,5
1,0
1,0
0,5
0,5
0,0
0,0
-0,5
-0,5
Jan 13 Jul 13 Jan 14 Jul 14 Jan 15 Jul 15 Jan 16 Jul 16 Jan 17 Jul 17 Jan 18
10Y Bund
LBBW-Prognose 10Y Bund
Quellen: Bloomberg, LBBW Research
In der Summe sehen wir daher auf Sicht der nächsten
12 Monate keinen starken nachhaltigen Renditeanstieg,
sondern einen moderaten Renditeaufwärtstrend bei
langlaufenden Euro-Staatsanleihen. Das heißt also
zweierlei: Renditeanstiege im Zuge eines beginnenden
Taperings werden einerseits nicht ausufern oder einen
Ausbruch aus dem übergeordneten Niedrigzinsumfeld
markieren. Hierzu bleibt der Anlagedruck auf breite
Anlegerschichten einfach zu stark – man dürfte mithin
Renditeschübe nach oben, die sowohl bei Staatsanleihen der Peripherie als auch bei höherverzinslichen
Unternehmensanleihen entlang der Kette geringerer
Marktliquidität mit einer Spreadausweitung einhergehen dürften, als Einstiegsgelegenheit nutzen. Es gilt
dann also, nicht die Nerven zu verlieren und ebenfalls
nach diesen günstigeren Einstiegsgelegenheiten Ausschau zu halten. Andererseits sollte sich nach unserer
Auffassung jedoch gleichsam das Muster des Jahres
48
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
2015 nicht wiederholen, als ein zwischenzeitlicher
Renditeanstieg anschließend komplett korrigiert und
sogar von neuen Allzeittiefs gefolgt wurde. Es steht ja
nun perspektivisch die Fed nicht mehr alleine in ihrem
Wunsch, vorsichtig aus dem ultra-expansiven geldpolitischen Umfeld auszusteigen. Ein Tapering des EZBAnleihekaufprogramms dürfte den US-Währungshütern
vielmehr helfen, ihren eigenen Normalisierungskurs
umzusetzen. Wir erwarten, dass die Fed ihren geldpolitischen Normalisierungsprozess im Dezember wieder
aufnimmt und dass letzterem zwei weitere Zinsanhebungen bis Jahresende 2017 folgen. Im historischen
Vergleich bleibt dies ein überaus flacher Leitzinspfad,
aber es ist mehr als der Marktkonsens ausweislich der
Terminsätze am Geldmarkt auf der Rechnung hat,
welche auf Sicht der nächsten drei Jahre im Schnitt nur
einen Anhebungsschritt pro Jahr einpreisen. Ein etwas
strafferes Normalisierungstempo der Fed, ermöglicht
u. a. durch die EZB, gibt dann in der Summe auch den
Langfristzinsen am US-Rentenmarkt etwas Luft nach
oben, wobei wir davon ausgehen, dass der transatlantische Renditespread am langen Ende im Großen und
Ganzen stabil bleiben dürfte, während sich am kurzen
Ende die Zinsdifferenz kontinuierlich weiter zu Gunsten des US-Dollarraums vergrößert. Mithin sollte die
EUR-Zinskurve auf Sicht der kommenden 12 Monate
auf jeden Fall steiler werden und zwar vor allem im
hinteren Segment. Bei der USD-Zinskurve ist die Konstellation ambivalent: Wir sehen hier aus fundamentaler
Sicht durchaus ebenfalls einiges an Potenzial für eine
Versteilerung; so dürfte sich etwa ein Anstieg der
weiterhin extrem niedrigen langfristigen Inflationserwartungen einstellen, sobald die Finanzmarktteilnehmer feststellen, dass die Teuerung, anders als in den
beiden vorangegangenen Jahren, tatsächlich anzieht.
Ein temporäres Überschießen der Langfristzinsen nach
oben im Zuge einer verstärkten Tapering-Debatte im
Euroraum dürfte ebenfalls in Richtung Versteilerung
wirken. Durch eine Umschichtung in inflationsgeschützte Anleihen können sich Anleger partiell gegen
die negative Wirkung dieses erwarteten (Nominal-)
Renditeanstiegs auf ihr Portfolio wappnen. Wenn die
Fed andererseits ihr geldpolitisches Normalisierungstempo etwas anzieht, wirkt dies klassischerweise
in Richtung Kurvenverflachung, sodass sich die Steilheit der USD-Zinskurve in der Summe auf Sicht von
12 Monaten seitwärts entwickeln könnte.
Auch dieses Mal kann natürlich alles wieder ganz
anders kommen als gedacht, etwa weil neue politische
Krisenherde oder Schocks aus dem gebeutelten Finanzsektor den verletzlichen globalen Konjunkturaufschwung zunichtemachen oder weil sich die EU über
»Brexit«-Verhandlungen und einen fortgesetzten Aufstieg populistischer Kräfte komplett auseinanderdividiert. Bleibt dies aus, dann dürfte das Umfeld an den
großen Rentenmärkten aber tatsächlich in den kommenden 12 Monaten etwas anders aussehen als im
laufenden Jahr. Angesichts niedriger oder negativer
laufender Renditen in weiten Teilen des Euro-Staatsanleihemarkts und bei »sicheren« Unternehmensanleihen wirkt sich jeder signifikante Renditeanstieg zunächst sofort schmerzhaft auf die Performance aus.
Ganz ohne solche Einschnitte wird der von uns erwartete »Einstieg in den Ausstieg« aus der ultra-lockeren
Geldpolitik trotz aller Glättungsanstrengungen der EZB
wohl nicht ausgehen. Da es sich jedoch nach unserem
Dafürhalten angesichts der fundamentalen Rahmenbedingungen nur um eine Trendumkehr innerhalb
eines noch für lange Zeit fortbestehenden Niedrigzinsumfelds handeln dürfte, sollte die Entscheidung der
Anleger letztlich dahingehend fallen, sich nicht grundsätzlich aus riskanteren Anlageklassen zurückzuziehen, sondern im Anschluss an deutliche, eventuell
zum Überschießen neigende Marktbewegungen nach
neuen Einstiegsgelegenheiten Ausschau zu halten. Im
Peripheriesegment des Euro-Staatsanleihemarkts halten wir derzeit italienische Staatspapiere infolge der
deutlichen relativen Schwäche des laufenden Jahres für
relativ attraktiv, die am Markt vor dem im Dezember
anstehenden Referendum eskomptierte politische
Unsicherheitsprämie könnte im Falle einer politischen
Beruhigung die Basis für eine Outperformance legen.
Die auch in signifikantem Umfang in das EZBAnleihekaufprogramm einbezogenen Unternehmensanleihen könnten in einem »Tapering«-Szenario zunächst Kursverlusten ausgesetzt sein, zu stark waren
die positiven Wirkungen, die das EZB-Programm seit
seiner Ankündigung auf die Assetklasse hatte. In einem Umfeld schwacher Marktliquidität erscheint ein
kurzzeitiges Überschießen daher durchaus denkbar.
Aufgrund der weitgehend soliden Fundamentaldaten
europäischer Unternehmen und konjunkturell moderat
positiven Aussichten sehen wir hier jedoch durchaus
Einstiegschancen. In der Schwächephase die Nerven zu
behalten, könnte sich im Nachgang – wenn sich der
Staub des ersten Tapering-Schocks gelegt hat – durchaus auszahlen. Dabei bieten u. E. Hochzinsanleihen
weiterhin attraktive Gelegenheiten, insbesondere da
diese im Falle steigender Renditen von höheren Risikoaufschlägen – die sozusagen als Performance-Puffer
dienen – profitieren können. Anleihen aus dem Financials-Sektor stehen wir weiterhin eher zurückhaltend
gegenüber. Ertragsschwäche, rechtliche Risiken, Konkurrenz von Fintech-Unternehmen und anhaltender
Druck von regulatorischer Seite sorgen für eine ungünstige Gemengelage, auch wenn ein anziehendes
Renditeniveau und eine höhere Kurvensteilheit etwas
Druck von den Banken nehmen könnten.
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
49
5.2 Währungen.
Notenbanken und die Politik
bestimmen das Geschehen.
»Auf längere Frist halten wir eine
Aufwertung des Euro ggü. dem USDollar für wahrscheinlicher als eine
weitere ausgeprägte Euro-Schwäche.«
Martin Güth
Die Weichenstellungen für die großen Währungen
werden 2017 wohl von den Notenbanken und von
politischer Seite vorgenommen werden. Anlass zu
Entscheidungen haben vor allem die Politiker des
Vereinigten Königreichs. Premierministerin Theresa
May hat angekündigt, dass sie spätestens im März den
Antrag auf den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union stellen wird. Großbritannien und die
EU dürften dann zügig in die Verhandlungen einsteigen, wie der Austritt und die künftigen Beziehungen
zueinander geregelt werden. Bislang ist die Rhetorik
zwischen beiden Seiten recht unversöhnlich. Da das
Thema Zuwanderung bei dem am 23. Juni 2016 abgehaltenen Referendum offenbar eine wichtige Rolle
gespielt hat, will May die Zuwanderung künftig begrenzen. Die EU zeigt sich in dem Fall aber nicht willens, Großbritannien einen ungehinderten Zugang zum
Binnenmarkt zu gewähren. Diese Konstellation lastet
derzeit auf der Marktstimmung für das Britische Pfund
und ist verständlicherweise erheblich stärker im Fokus
der Marktteilnehmer als die überraschend guten Konjunkturdaten der letzten Monate.
Klassische Bewertungsmaßstäbe wie die Zinsdifferenz
und die Kaufkraftparität deuten darauf hin, dass das
Britische Pfund derzeit sehr niedrig bewertet ist. Nach
unseren Berechnungen liegt der Kaufkraftparitätenwechselkurs des Pfund zum Euro derzeit bei 0,78
EURGBP und zum US-Dollar bei 1,60 GBPUSD. Eine
niedrige Bewertung der Währung ist aus unserer Sicht
zwar angesichts der großen Unsicherheiten und der zu
erwartenden Belastungen für die britische Wirtschaft
50
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
angemessen. Die bei den Austrittsverhandlungen zu
bewältigenden Probleme sind zudem so groß, dass
wohl kein rascher Durchbruch zu erwarten ist. Entsprechend nervös dürfte die Marktlage für das Britische Pfund auf absehbare Zeit bleiben. Trotz der bisherigen Rhetorik dürfte sich in den Verhandlungen
aber letztlich der Pragmatismus durchsetzen. Angesichts dieser Erwartung und in Anbetracht des bereits
erreichten Kursniveaus gehen wir davon aus, dass das
Britische Pfund eine längere Phase der Stabilisierung
vor sich hat, an die sich letztlich eine gewisse Erholung
anschließen sollte. Nach einem Kurs von 0,88 EURGBP
zum Jahresende 2016 gehen wir für Ende 2017 von
einem Wechselkurs von 0,85 EURGBP aus.
Mit Blick auf das Zins- und Renditeniveau spricht bereits der derzeitige Renditevorsprung der USA ggü.
dem Euroraum für leichtes Aufwertungspotenzial des
US-Dollars. Starke weitere Impulse erwarten wir von
dieser Seit aber nicht, da sowohl die amerikanische als
auch die europäische Notenbank perspektivisch den
Fuß etwas vom Gaspedal nehmen dürfte – die amerikanische Fed in Form von moderaten Zinserhöhungen
und die EZB in Form einer Drosselung ihrer Anleihekäufe. Diese Maßnahmen versprechen Unsicherheit
und eine höhere Volatilität am Markt als im nun ablaufenden Jahr 2016. Der unterliegende Trend wird unseren Prognosen zufolge mit Kursen um 1,07 EURUSD im
Jahresverlauf 2017 aber lediglich seitwärts zeigen. Der
niedrige Kurs des Euros zum US-Dollar wurde bereits
im Jahr 2015 wiederholt erreicht. Mit voranschreitender Erholung der Wirtschaft im Euroraum dürfte es
dem US-Dollar trotz der Zinserhöhungen der Fed aber
schwerfallen, darüber hinaus gegenüber dem Euro
zuzulegen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der bereits jetzt vorliegenden hohen Bewertung
des US-Dollars. Auf längere Frist halten wir daher eine
Zinsstrukturkurve hat die Bank of Japan jüngst geldpolitisches Neuland betreten. Wir gehen davon aus, dass
die Notenbank auf absehbare Zeit um eine möglichst
expansive Geldpolitik bemüht sein wird.
Aufwertung des Euro für wahrscheinlicher als eine
weitere ausgeprägte Euro-Schwäche.
Schweizer Franken in ruhigen Bahnen.
Der Schweizer Franken bewegte sich 2016 in ausgesprochen ruhigen Bahnen und wir sehen wenig Gründe,
warum sich dies bald ändern sollte. Wir teilen die Einschätzung der Schweizerischen Nationalbank (SNB),
dass der Franken auf dem aktuellen Niveau hoch bewertet ist. Gleichwohl zeigen die fortgesetzten Devisenmarktinterventionen der Notenbank, dass der Franken noch immer unter Aufwertungsdruck steht. Sollte
die EZB wie von uns erwartet im Frühjahr 2017 damit
beginnen, ihr Anleihekaufprogramm langsam auslaufen
zu lassen, so sollte dies aber eine gute Nachricht für
die SNB sein und Aufwertungsdruck vom Franken nehmen. Schließlich waren die sich abzeichnenden Anleihekäufe der EZB ein wesentlicher Auslöser dafür gewesen, dass die SNB im Januar 2015 kapitulierte und ihren
Mindestwechselkurs von 1,20 EURCHF aufgab. Vor
diesem Hintergrund gehen wir davon aus, dass der
Schweizer Franken 2017 leicht schwächer zum Euro
tendieren wird. Mit einer Prognose von 1,12 EURCHF
per Jahresende 2017 erwarten wir gleichwohl keine
starke Kursbewegung.
Politischen Gegenwind sehen wir auch für eine Reihe
weiterer Währungen. In Südafrika, Brasilien und der
Türkei tritt er zudem im Verbund mit großen wirtschaftlichen Problemen auf, weshalb wir für 2017 eine
Abwertung dieser Währungen erwarten. In Polen und
Ungarn spricht die wirtschaftliche Entwicklung hingegen für eine festere Währung. Unsere Einschätzung
zum Polnischen Zloty und dem Ungarischen Forint
wird aber durch die wenig berechenbare und demokratische Prinzipien aushöhlende Politik in den beiden
Ländern getrübt. Eine mutige Entscheidung steht der
Tschechischen Notenbank bevor. Gemäß ihrer eigenen
Einschätzung wird sie sich zur Jahresmitte 2017 von
ihrem bisherigen Mindestwechselkurs von 27 EURCZK
verabschieden. Dies ist auch unsere Erwartung, deckt
sich aber nicht mit dem Markt- oder Analystenkonsens.
Entsprechend spannend verspricht die Marktreaktion
zu werden, wenn es so weit ist. Wir erwarten eine
Aufwertung der Tschechischen Krone.
Für den Japanischen Yen bleiben wir negativ gestimmt,
da uns die Reformmaßnahmen der Regierung Abe
nach wie vor nicht überzeugen. Anstatt sich für mutige
Strukturreformen zu entscheiden, die das Investitionsklima der japanischen Unternehmen nachhaltig verbessern würden, liegt der Fokus der Politik noch immer auf einer expansiven Geld- und Fiskalpolitik. Der
Staat hat aber ohnehin bereits einen überbordenden
Schuldenberg aufgetürmt, so dass durch diese Politik
die Bonität Japans leidet. Hiervon dürfte der Yen genauso belastet werden wie von der immer weiter gelockerten Geldpolitik. Mit ihrer direkten Kontrolle der
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
51
5.3 Rohstoffmarkt.
2017: Talsohle durchschritten.
»Die mehrjährige Talfahrt an den
Rohstoffmärkten ist gestoppt.«
Dr. Frank Schallenberger
ten Jahr weiter anziehen. Von den Niveaus des Jahres
2011 sind die Rohstoffpreise schließlich noch sehr
weit entfernt. Was den weltweiten Rohstoffbedarf
betrifft, so dürfte dieser auch im nächsten Jahr weiter
steigen, da die Weltwirtschaft mit soliden Raten wächst.
In den USA sollte sich das Wachstum beschleunigen.
Darüber hinaus dürfte eine Reihe von SchwellenlänGesamtmarkt.
dern die Talsohle durchschritten haben und auch in
Die mehrjährige Talfahrt an den Rohstoffmärkten ist
China wächst die Nachfrage nach Rohstoffen trotz
gestoppt. Vorausgesetzt, dass es bis zum Jahresende
abnehmender Dynamik weiter an. Wesentliche Impulse
zu keinen gravierenden Preisveränderungen mehr
für die Preisentwicklung werden auch 2017 von der
kommt, ist der marktbreite Bloomberg Commodity
Angebotsseite ausgehen. Rückläufige Investitionen
Index auf gutem Wege, das Jahr 2016 erstmals wieder
mit einem deutlich positiven Vorzeichen abzuschließen. und Kapazitätsanpassungen haben bereits im laufenden Jahr zur Verringerung des überschüssigen AngeDabei ziehen sich die steigenden Notierungen durch
bots bzw. zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage
alle Rohstoffsektoren hindurch. Gemessen an den
auf einzelnen Basismetallmärkten geführt. Dieser
jeweiligen Subindizes des Bloomberg Commodity
Trend sollte sich auch im nächsten Jahr fortsetzen. Auf
Index stiegen die Energiepreise bis Mitte Oktober um
durchschnittlich rund 40 %, die Edelmetallpreise um 20 % dem Rohölmarkt zeichnet der jüngste Strategieschwenk der OPEC dafür verantwortlich, dass sich eine
und die Notierungen der Basismetalle um 10 %.
ausgeglichene Marktbilanz womöglich etwas früher
einstellt, als bislang erwartet. In Summe sprechen die
Bloomberg-Rohstoffindex.
550
Fundamentaldaten daher in der Tat dafür, dass wir im
500
Januar diesen Jahres den Tiefpunkt an den Rohstoff450
märkten gesehen haben und sich der Aufwärtstrend
400
auch im nächsten Jahr – wenngleich mit einer voraus350
300
sichtlich geringeren Dynamik – fortsetzt.
250
200
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
Bloomberg Spot Commodity Index
Quelle: Bloomberg
Mit dem Ausblick auf das Jahr 2017 stellt sich nun die
Frage, ob die Entwicklung in diesem Jahr nur eine
temporäre Erholung im Kontext weiter tendenziell
rückläufiger Rohstoffpreise darstellt, oder ob das Jahr
2016 tatsächlich eine nachhaltige Trendwende an den
Märkten markiert und die Notierungen auch im nächs52
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Ölpreis.
Diskussionen um Förderkürzungen waren 2016 das
große Thema an den Ölmärkten. Nachdem die Preise
im Januar unter die 30-US-Dollar-Marke für ein Barrel
Brent fielen, wurden die Belastungen für die Förderländer offenbar zu groß. Selbst für das solide finanzierte Saudi-Arabien wurde die Lage ungemütlich.
Doch erst im September einigte man sich in einem
außerplanmäßigen Treffen der OPEC-Staaten in Algier
auf eine Senkung der Fördermenge auf 32,5 bis
33 Mio. Barrel pro Tag. Der Überraschungseffekt ge-
lang und die Ölpreise legten kräftig zu. Diese Pläne
dürften während des turnusmäßigen OPEC-Meetings
am 30. November konkretisiert werden, wenn über
individuelle Länderquoten gesprochen wird. Ohne eine
solche Aufteilung der Lasten auf die Kartellmitglieder
wird eine Umsetzung der Beschlüsse von Algier kaum
realisierbar sein. Ohnehin sind etwa Libyen und Nigeria, die erst einmal Probleme im eigenen Land lösen
müssen, außen vor. Auch Iran und Irak werden u. E.
hart verhandeln. Bisweilen wird vor allem Iran als Stolperstein in den Verhandlungen genannt, wir gehen
jedoch davon aus, dass vor allem Irak wenig kompromissbereit sein wird.
So dürften am Ende die Saudis die meiste Last tragen.
Sie haben inzwischen auch ein gesteigertes Interesse
an höheren Ölpreisen, da sie den Börsengang des
staatlichen Ölkonzerns Saudi-Aramco planen. Ob sich
allerdings das bedeutendste Nicht-OPEC-Mitglied Russland tatsächlich an Förderkürzungen beteiligen wird,
ist trotz vollmundiger Willensbekundungen Putins
mehr als fraglich.
Es genügte also im Verlauf des Jahres 2016 bloße
Rhetorik, um die Preise zu bewegen. Wenn auf die
medienwirksam inszenierten Worte allerdings keine
Taten folgen, dürften die Marktteilnehmer ihre Sichtweise und Positionierung rasch wieder korrigieren.
Daher bergen Preise von deutlich über 50 US-Dollar je
Barrel Brent wieder Korrekturpotenzial. Außerdem
dürfte die US-Schieferölproduktion dank höherer Preise
vor dem Comeback stehen. Darauf deuten die sogenannten Rig Counts, die Zahl der in Betrieb befindlichen Bohranlagen, hin. Diese legen bereits seit Mai
wieder zu. Langfristig ist angesichts der rückläufigen
Investitionen jedoch der Weg für steigende Notierungen bereitet.
Edelmetalle.
Für das wichtigste Edelmetall Gold endet 2016 voraussichtlich eine dreijährige Talfahrt. Im Januar und Februar dieses Jahres führte zunächst die Angst vor einer
weltweiten Rezession zu einem deutlichen Preisanstieg.
Die Goldnotierung kletterte von rund 1.060 USD je
Feinunze bis auf 1.250 USD. Ein zweiter Schub nach
oben brachte das »Brexit«-Referendum im Juni. Der
Goldpreis verteuerte sich in der Folgezeit auf mehr als
1.360 USD. Und selbst nach der leichten Korrektur
Anfang Oktober ist Gold in diesem Jahr eine der Anlageklasse mit der besten Wertentwicklung.
Die allgemeine Verunsicherung zu Jahresbeginn und
nach dem Entscheid der Briten zum Austritt aus der EU
wirkte sich auch indirekt auf das Edelmetall aus: Die
Fortsetzung der im Dezember 2015 begonnenen Leitzinserhöhungen durch die US-Notenbank schien zunächst in weite Ferne gerückt zu sein. Dieses Bild
bekam in den vergangenen Wochen jedoch Risse, und
wie bereits im vorliegenden Jahresausblick geschildert,
ist eine Fortsetzung der Zinserhöhungen durch die Fed
wahrscheinlich. Außerdem könnte in Europa eine
schrittweise Absenkung der Anleihenkäufe durch die
EZB einen Anstieg der Kapitalmarktrenditen mit sich
bringen. Endet die bislang noch kurze Gold-Rallye
deshalb bald genau so zügig, wie sie begann?
Grundsätzlich gilt, dass steigende Zinsen auf sichere
Anlagen Gift für zinslose Investments wie Gold sind.
Entscheidend ist jedoch weniger der Nominalzins,
sondern der Realzins, also die Rendite abzüglich Inflation. Und da die Geldentwertung in den USA wie auch
jene im Euroraum 2017 voraussichtlich zulegen dürfte,
verlieren etwaige Zins- und Renditeanstiege auf
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
53
beiden Seiten des Atlantiks ihren Schrecken. Werden
beispielsweise US-amerikanische und deutsche Staatsanleihen mit 10-jähriger Restlaufzeit als Maßstab für
sichere Anlagen betrachtet, dann ist selbst bei einem
Anstieg von deren Renditen um jeweils einen halben
Prozentpunkt bis Ende kommenden Jahres ein Abtauchen des Realzinses in negatives Terrain wahrscheinlich. Goldanleger können der Entwicklung deshalb
vorerst gelassen entgegensehen.
Schwerer wiegt allerdings die durch den Preisanstieg in
diesem Jahr ausgelöste Kaufzurückhaltung der Asiaten.
In der Vergangenheit entfielen rund 40 % der weltweiten Goldnachfrage auf indische und chinesische Privathaushalte. Im ersten Halbjahr 2016 brachen die Käufe
in China jedoch um 18 % gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein und in Indien sogar um 55 %. Vor diesem
Hintergrund hat der leichte Rückgang des Goldpreises
unter die Marke von 1.300 USD im Oktober auch eine
positive Seite: Er führte nämlich zu einer Belebung der
Schmuck- und Investmentkäufe in Asien und damit zu
einem guten Start in die Festsaison 2016/17.
In der Summe rechnen wir mit einer Fortsetzung des
Goldpreisanstiegs im kommenden Jahr, wenn auch mit
deutlich gebremster Dynamik. Ein Profiteur dieser
Entwicklung dürfte Silber sein, das sich zuletzt wieder
spürbar verbilligte. Bislang galt die Regel, wonach sich
Veränderungen des Goldpreises überproportional
stark in den Silbernotierungen bemerkbar machen –
mit einer Ausnahme: Im Fall eines Konjunktureinbruchs wie 2008 wog der Charakter von Silber als
Industriemetall stärker und führte zu einem Preiseinbruch, während Gold gleichzeitig als »sicherer Hafen«
profitierte. Möglicherweise tritt dieses Muster zukünftig nicht mehr in Erscheinung, da Silber in der Gunst
der Anleger deutlich gestiegen ist, während die Industrienachfrage eher stagniert. Der Anteil der Investoren
54
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
an der gesamten Silbernachfrage stieg von weniger als
6 % im Jahr 2005 auf derzeit fast 30 %.
Basismetalle.
Auch auf den Basismetallmärkten wurde der mehrjährige Preisrückgang in diesem Jahr gestoppt. Zu Beginn
des Jahres fiel der LME-Index, der die Preise an der
London Metal Exchange abbildet, zwar noch auf das
niedrigste Niveau seit Mitte des Jahres 2009. Begleitet
von einer Stabilisierung der chinesischen Wirtschaftsentwicklung sowie zunehmenden Anpassungen auf
der Angebotsseite konnten sich die Metallpreise im
weiteren Jahresverlauf jedoch deutlich erholen. Dabei
zeichnet sich in diesem Jahr ein sehr heterogenes Bild
unter den einzelnen Basismetallen ab. Während der
Zinkpreis in Erwartung eines knapperen Angebots
stark angestiegen ist, bewegt sich der Kupferpreis nur
unweit des Jahresanfangsniveaus. Für das Jahr 2017
erwarten wir angesichts einer weiterhin um die 3 %
wachsenden Weltwirtschaft eine insgesamt stabile
Nachfrage auf den Basismetallmärkten. Wie immer
wird das Augenmerk dabei insbesondere auf die Entwicklung der chinesischen Konjunktur gerichtet sein,
da China für nahezu die Hälfte der Nachfrage auf den
jeweiligen Metallmärkten steht. Auf der Angebotsseite
dürften sich die unterschiedlichen Tendenzen fortsetzen. Mit geringeren Produktionsmengen ist auf den
Nickel- und Zinkmärkten zu rechnen. Beim Aluminium
ist angesichts des gestiegenen Preisniveaus das erneute Anlaufen von Kapazitäten in China zu erwarten.
In Summe sollte sich auch im nächsten Jahr eine sehr
differenzierte Preisbildung auf den Basismetallmärkten
ergeben. Das geringste Preispotenzial sehen wir dabei
gegenwärtig bei Aluminium, während die Fundamentaldaten bei Nickel unserer Einschätzung nach weitere
Preissteigerungen erwarten lassen.
5.4 Aktien.
Reicht es für Aktien aus, nur
»alternativlos« zu sein?
»In den vergangenen Jahren
erodierte das langfristige reale
Gewinnwachstum sukzessive.«
Uwe Streich
Schwache Gewinndynamik im laufenden Jahr.
Da die Indizes der Deutschen Börse – und damit auch
der DAX – im Unterschied zu den internationalen
Usancen als Performance- und nicht als Kursindizes
konstruiert sind, steigen ihre 12-Monats-ForwardGewinne Jahr für Jahr zusätzlich um die Höhe der
Dividendenrendite. Um die tatsächliche Gewinnentwicklung sichtbar zu machen, muss der Dividendeneffekt deshalb wieder herausgerechnet werden.
DAX: Gewinntrend (LBBWe).
ne ist seither nämlich deutlich geschrumpft. Dies hatte
seine Ursache nicht zuletzt darin, dass sich die – der
Finanzkrise folgende – Euro-Schuldenkrise in den
Ländern Südeuropas deutlich stärker bemerkbar machte als hierzulande. Aber auch branchenspezifische
Besonderheiten spielten bei den fallenden Gewinnen
eine nicht geringe Rolle. So fällt der Anteil der Banken
im Euro Stoxx 50 mit ca. 13 % weit höher aus als im
DAX. Und auch die im Euro Stoxx 50 mit gut 7 %, im
DAX jedoch gar nicht vertretenen Ölgesellschaften
trugen ihren Teil an dieser unschönen Entwicklung bei.
International: Langjähriges Gewinnwachstum.
14 %
14 %
12 %
12 %
10 %
10 %
8%
8%
6%
6%
4%
4%
2%
2%
240%
240%
0%
0%
220%
220%
-2 %
-2 %
-4 %
-4 %
-6 %
200%
200%
-6 %
180%
180%
-8 %
1998
160%
160%
140%
140%
120%
120%
100%
100%
80%
2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016
80%
-8 %
2000
2002
2004
2006
2008
2010
2012
2014
2016
DAX zehnjähriges reales geometrisches Gewinnwachstum p.a. auf Forward-Basis (ex Dividendeneffekt)
Euro Stoxx 50 zehnjähriges reales geometrisches Gewinnwachstum p.a. auf Forward-Basis
S&P 500 zehnjähriges reales geometrisches Gewinnwachstum p.a. auf Forward-Basis
TOPIX zehnjähriges reales geometrisches Gewinnwachstum p.a. auf Forward-Basis
Quellen: Thomson Reuters, LBBW Research
DAX: 12M Forward Gewinn (rückwärtig um den Dividendeneffekt bereinigt) indexiert
Euro Stoxx 50: 12M Forward Gewinn indexiert
Quelle: LBBW Research
Dadurch erkennt man, dass die auf Indexebene aggregierten Gewinne der DAX-Mitglieder aktuell um ca. 4 %
unter dem Gewinnhoch aus der Zeit vor der Finanzkrise liegen. Nur im Sommer 2015 konnte der DAXGewinn dieses Niveau kurzfristig leicht übertreffen.
Seither ruderten die Analysten bei ihren Gewinnschätzungen jedoch wieder etwas zurück. Verglichen mit
dem Euro Stoxx 50 schneidet der DAX allerdings sehr
passabel ab. Das Gewinnniveau des Index der Eurozo-
DAX und Euro Stoxx 50 sind dabei keine Einzelfälle,
sondern befinden sich leider in »schlechter« Gesellschaft. In den vergangenen Jahren erodierte das langfristige reale Gewinnwachstum sukzessive. Berechnet
auf Zehnjahreszeiträume lag dieses seit 1988 für den
DAX im Median bei 6,5 % p. a. Und auch die Gewinne
der Titel des Euro Stoxx 50 (5,9 % p. a.), der US-BlueChips (6,7 % p. a.) sowie der größten Werte Japans (6,4 %
p. a.) legten im Median in ähnlicher Größenordnung zu.
Hiervon ist zuletzt allerdings wenig übrig geblieben.
Die Gewinne der US-Blue-Chips stiegen nur noch mit
einer Rate von 3,2 % p. a. Damit wuchsen sie jedoch
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
55
immer noch etwas stärker als bei den DAX-Unternehmen (2,9 % p. a.) sowie den größten Titeln Japans
(0,9 % p. a.). Im Euro Stoxx 50 schrumpfte der Indexgewinn zuletzt sogar mit einer Rate von – 3,6 % p. a.
Auch 2017 Gewinnstagnation zu befürchten.
Mit Blick auf das kommende Jahr erwarten die Analysten zwar wieder Gewinnwachstumsraten um die 10 %.
In den vergangenen Jahren waren sie zunächst jedoch
ähnlich optimistisch gewesen. Im weiteren Verlauf
mussten sie ihre Schätzungen dann jedoch sukzessive
nach unten revidieren. Trotzdem blieb in den vergangenen Jahren – Euro Stoxx 50 ausgenommen – am
Ende zumeist noch ein kleines Gewinnplus übrig.
Derzeit sieht es allerdings danach aus, als würden die
2016er Gewinne bestenfalls das 2015er Niveau erreichen. Angesichts des für 2017 mit Ausnahme der USA
von uns leicht niedriger erwarteten BIP-Wachstums und
des sich dann wohl materialisierenden »Brexit« Effekts,
kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass das
Gewinnniveau auch im kommenden Jahr – trotz der
aktuell hohen Wachstumserwartungen – stagniert.
Absolute und relative Bewertung sprechen jedoch
weiterhin für Aktien.
Im Gegenzug dürfte jedoch die Bewertung von Aktien
noch nicht ausgereizt sein. Nach dem »Brexit«-Votum
war der DAX temporär sehr günstig bewertet. Sein 12Monats-Forward-KGV hatte dabei fast den Bereich der
10 % günstigsten Bewertungsniveaus seit seinem Start
1988 erreicht. Die darauffolgende Erholungsrally ließ
das DAX-KGV dann jedoch wieder zügig ansteigen.
Trotzdem liegt es noch immer leicht unterhalb des
historischen Medians von 13,2, welcher die 50 % günstigsten von den 50 % am teuersten bewerteten Tage
trennt. Angesichts der relativen Attraktivität von Aktien im Vergleich zu Bonds würden zudem auch über-
56
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
durchschnittliche Bewertungsniveaus noch kein Kopfzerbrechen verursachen.
Die relative Attraktivität ist dabei nicht nur das zentrale Argument, welches weiterhin für ein Aktienengagement spricht. Verglichen mit den Vorjahren wurde
diese Position sogar noch gestärkt.
DAX-Dividendenrendite versus Rendite zehnjähriger
Bundesanleihen.
10
10
8
8
6
6
4
4
2
2
0
0
-2
-2
-4
-4
-6
1988
-6
1991
1994
1997
2000
2003
2006
2009
2012
2015
Dividendenrendite in Prozentpunkten über/unter Bund-Rendite
DAX-Dividendenrendite
Rendite zehnjähriger Bundesanleihen
Quellen: Thomson Reuters, LBBW Research
Während die DAX-Dividendenrendite über alle Jahre
hinweg relativ stabil in einem Band um die 3 %-Marke
herum pendelte, fielen parallel hierzu die Anleiherenditen immer geringer aus. Die Rendite zehnjähriger
Bundesanleihen lag dabei bis zum Jahr 2009 durchgängig über der Dividendenrendite. Seither ist dies
genau umgekehrt. Dabei fällt der Renditeaufschlag
von Aktien aktuell so hoch aus wie noch nie zuvor. So
lange die Anleiherenditen weiter sanken, blieben
Bonds aufgrund der hierdurch entstandenen Kursgewinne weiter attraktiv. Nun dürfte jedoch der Einstieg
der EZB in das »Tapering« vor der Tür stehen.
Trotz fortgeschrittenem Zyklus noch begrenztes
DAX: Einzeltitel-Kursziele »bottom-up«-aggregiert.
Potenzial.
Seit dem Finanzkrisentief im Frühjahr 2009 konnten
die Anleger jedoch auch mit Aktien gut verdienen.
Während sich S&P 500 und DAX-Kursindex seither im
Kurs praktisch verdoppelten – die zusätzlich erhaltenen Dividenden sind hier also noch nicht einmal mitgezählt – kam es im amerikanischen Technologieindex
Nasdaq 100 in dieser Zeit sogar fast zu einer Verfünffachung. Nur über die tendenzielle Seitwärtsentwicklung des Euro Stoxx 50 konnten sich die Anleger nicht
so richtig freuen. Mehr als sieben Jahre in der Tendenz
steigende Aktienkurse bedeuten aber auch, dass der
Zyklus bereits jetzt schon – nicht zuletzt aufgrund der
Flutung der Märkte durch billiges Notenbankgeld –
weit überdurchschnittlich lange dauert und daher in
einer Reifephase angelangt sein dürfte. Die Luft dürfte
deshalb deutlich dünner geworden sein. Daher stellt
sich die Frage, ob der aktuelle Zyklus auch noch ein
weiteres Jahr verträgt.
Wie die LBBW-Unternehmensanalysten diesbezüglich
denken, lässt sich visualisieren, indem man aus den
Kurszielen der 30 DAX-Mitglieder ein »bottom-up«aggregiertes Index-Kursziel berechnet. Tut man dies,
kommt man derzeit auf knapp 11.600 DAX-Punkte.
Dies lässt auf mittlere Sicht weiteres – wenn auch nicht
allzu üppiges – DAX-Potenzial erwarten.
13.000
135%
12.000
120%
11.000
105%
10.000
90%
9.000
75%
8.000
60%
7.000
45%
6.000
30%
5.000
15%
4.000
0%
3.000
2006
-15%
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
2016
2017
Lücke zwischen Bottom Up erwartetem und tatsächlichem DAX-Kurs in % - rechte Skala
Verbleibendes Bottom-Up-Potenzial
DAX 30
Bottom-Up-Aggregierte-Einzeltitel-Kursziele (um 6 Monate in die Zukunft verschoben)
Quelle: LBBW Research
Ein weiterer Weg, anhand dessen wir versuchen, die
Frage nach dem verbleibenden DAX-Potenzial zu beantworten, ist das von uns entwickelte »Gewinn-DAX«Konzept. Dieses unterstellt, dass der DAX-Gewinn unter
Langfristaspekten die zentrale Determinante für die
Entwicklung des Markts ist. Der Pfad, welcher den »typischen« Weg des DAX skizziert, ergibt sich dabei, wenn
man den 12-Monats-Forward-Gewinn mit dem historischen Median aller täglichen DAX-KGVs multipliziert.
»Gewinn-DAX« mit Revisionsszenarien.
14000
14000
13000
13000
12000
12000
11000
11000
10000
10000
9000
9000
8000
8000
7000
2013
2014
2015
2016
2017
7000
2018
DAX
»Gewinn-DAX« (Basis = Median-KGV seit 1988)
starke Aufwärtsrevisionen (+ 10 %)
deutliche Aufwärtsrevisionen (+ 5 %)
kein Revisionsbedarf
deutliche Abwärtsrevisionen (– 5 %)
starke Abwärtsrevisionen (– 10 %)
extreme Abwärtsrevisionen (– 20 %)
gerade noch »normale« Abweichung (Obergrenze)
gerade noch »normale« Abweichung (Untergrenze)
Quelle: LBBW Research
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
57
Da die Anleger am neutralen DAX-Niveau Aktien gegenüber weder »bullish« noch »bearish« sind – was in
der Praxis selten der Fall ist – weicht der DAX zumeist
etwas von diesem Niveau ab. Die Differenz zwischen
DAX und »Gewinn-DAX« bewegt sich dabei jedoch in
aller Regel in einem fest definierten Band. Im Falle
eines Überschießens an seinen Rändern – was sich als
eine deutliche temporäre Fehlbewertung interpretieren
lässt – erfolgt typischerweise eine Gegenreaktion der
Anleger. Seit Mitte 2015 nutzte der DAX sein volles
Bewertungsband allerdings nicht mehr aus, sondern
bewegte sich seither nahezu ausschließlich in der
unteren Hälfte. Durch Fortschreibung des »GewinnDAX« bis Ende 2017 lässt sich der künftige DAX-Pfad
tendenziell antizipieren. Während sich die Teilkomponenten Substitutionseffekt (= sukzessiver Ersatz der
2017er durch 2018er Gewinnschätzungen im Jahresverlauf, um weiterhin den 12-Monats-Blick nach vorne
zu haben) und Dividendeneffekt auf Basis der aktuellen Gewinn- und Dividendenschätzungen weitgehend
herleiten lassen, sind die derzeit noch unbekannten
Gewinnrevisionen im Verlauf des kommenden Jahres
nur über Szenarien abbildbar. Richtung und Ausmaß
der Revisionen bestimmen dabei den Verlaufspfad
wesentlich. Revisionen in ähnlichem Umfang wie dieses Jahr stünden dabei für einen DAX-Stand von ca.
11.300 DAX-Punkten per Jahresende 2017.
Aktienindizes: LBBW-Prognosen.
31.12.2016
DAX
Euro Stoxx 50
Dow Jones
Nikkei 225
11.000
3.100
18.500
17.500
Indexprognosen
30.06.2017
31.12.2017
11.000
3.100
18.500
17.500
Quelle: LBBW Research
58
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
11.500
3.150
19.000
18.000
Beide von uns favorisierten Ansätze zusammengenommen sprechen daher dafür, dass der DAX per Ende
2017 nochmals leicht höher stehen dürfte als derzeit.
Mit einer DAX-Jahresendprognose von 11.500 Punkten
(Euro Stoxx 50 3.150; Dow Jones 19.000 und Nikkei
18.000) sehen wir das Potenzial von Aktien allerdings
begrenzt. Mit dem entweder noch dieses Jahr oder
Anfang kommenden Jahres erfolgenden nächsten
Leitzinserhöhungsschritt der Fed sowie dem von uns
erwarteten vorsichtigen Ausstieg der EZB aus ihrem
Anleihekaufprogramm stehen demnächst nämlich
geldpolitische Maßnahmen auf der Agenda, welche
den Aktionären eher nicht gefallen dürften und in
einer ersten Reaktion daher wohl auch zu fallenden
Kursen führen sollten. Die Leitzinserhöhung der Fed
sowie das von uns bald erwartete »Tapering« der EZB
signalisieren den Anlegern jedoch auch, dass die Notenbanken die Wirtschaftslage nun längst nicht mehr
so negativ sehen wie noch in den Jahren zuvor. Daher
dürften die Chancen dafür, dass sich die Kurse alsbald
wieder erholen, alles andere als schlecht stehen. Da im
kommenden Jahr jedoch diverse richtungsweisende
Wahlen (Niederlande März, Frankreich April und
Deutschland September) anstehen, bei denen die Anleger insbesondere auf das Abschneiden der zuletzt
immer mehr erstarkten populistischen Parteien achten
werden, müssen temporäre Rückschläge genauso
einkalkuliert werden wie höhere Marktschwankungen.
Dies gilt umso mehr, weil letztere zuletzt eher unterdurchschnittlich stark ausfielen. Zwischen DAXJahrestief und -hoch lagen im historischen Mittel gut
34 Prozentpunkte. Im laufenden Jahr waren es bisher
jedoch weniger als 19. Reines »buy and hold« dürfte
daher im kommenden Jahr wohl nicht die beste Alternative sein. Gewinnmitnahmen im Zuge temporär
starker Marktphasen dürften vielmehr genauso angezeigt sein, wie »bottom fishing« nach zwischenzeitlichen Kurseinbrüchen.
59
6 Fazit.
Wer sind die Gewinner und wer
sind die Verlierer der globalen
Niedrigzinspolitik? Welche
Anlagesegmente versprechen
noch messbare Renditen bei
überschaubarem Risiko? Reale
Assets profitieren von den
niedrigen Zinsen, außerdem
sehen wir für 2017 Edelmetalle
und Rohstoffe als Chance und
erwarten eine Zunahme des
Angebots an neuen, alternativen
Investmentlösungen.
60
6.1 Fazit.
Die Gewinner und die Verlierer
der Niedrigzinspolitik.
Schuldtitel, Nullzinspolitik und quantitative Lockerung
der Notenbanken, …).
»Die Wirtschaftspolitik steht im
Moment an einem Scheideweg.«
Dr. Markus Herrmann
Die Ertragsperspektiven für Anleger in der aktuellen
Null- oder sogar Negativzinswelt erscheinen zugegebenermaßen mehr als düster. Die Renditen für festverzinsliche Anlagen sind weltweit auf historischen Tiefständen und werden, wenn überhaupt positiv, in wenigen Basispunkten bzw. Hundertstel eines Prozents
gemessen. Für Sie als Anleger stellt sich also die Frage:
wollen Sie zu den Verlierern oder den Gewinnern dieser so noch nie dagewesenen Niedrigzinspolitik gehören? Welche Anlagealternativen versprechen denn
überhaupt noch messbare Renditen bei überschaubarem Risiko?
Für die großen, an den globalen Leitmärkten den Ton
angebenden Notenbanken in Washington, Frankfurt,
London und Tokio ist die (nahe-) Nullzinspolitik weltweiter Konsens und lediglich in den USA werden die
Leitzinsen – in homöopathischen Dosen – im nächsten
Jahr leicht ansteigen. Der Erfolg dieser Politik, gemessen an Inflationsrate und Wachstum, bleibt indessen in
Europa, und in Japan sowieso, bislang fragwürdig und
verlangt zunehmend nach Alternativen.
Aus Sicht des LBBW Research gibt es zahlreiche strukturelle Gründe, die dafür sprechen, dass zumindest
die realen Renditen, nach Abzug der Inflationsrate,
auf lange Zeit niedrig bleiben werden. Dazu zählen:
Gesunkenes Potenzialwachstum in den Industriestaaten, weltweiter Sparüberschuss, geringere Investitionsneigung, gesunkenes Inflationsrisiko, ein Mangel
an »sicheren« Anlagealternativen, Elemente einer
»finanziellen Repression« (Bevorzugung staatlicher
Allerdings sind auch die Wachstumsraten niedriger als
früher und auch hierfür gibt es vielerlei strukturelle
Gründe (Demographie, die Suche nach nachhaltigem
Wachstum, Messproblematik von qualitativem Wachstum u. a.). Damit stellt sich die Frage, ob die Aussage
»Die Inflation ist tot« für immer gilt? Die gemessene
Inflation der statistischen Warenkörbe liegt aktuell
tatsächlich, analog zu den Renditen und Zinsen, nur
wenige Zehntel Prozentpunkte über null.
Die Wirtschaftspolitik steht im Moment an einem
Scheideweg: entweder wird die monetäre Stimulation
im Rahmen der fortgesetzten Ankaufprogramme und
langfristig niedriger Leitzinsen doch noch von Erfolg
gekrönt, oder es gibt einen Politikwechsel bzw. eine
Ergänzung durch den Einsatz der Fiskalpolitik zur
Ankurbelung der Wirtschaft. Welcher Weg zum Ziel
führt, wird von den Marktteilnehmern aktuell intensiv
diskutiert, bislang ohne klar erkennbaren Konsens.
Reale Assets profitieren von niedrigen Zinsen.
Wir beobachten, dass die Preise bestimmter realer
Vermögensklassen in letzter Zeit sehr stark angestiegen sind, sodass manche schon wieder von einer Blasenbildung sprechen. So sind z. B. die Preise für
Wohnimmobilien in Deutschland in den letzten Jahren
überdurchschnittlich stark angestiegen, ausgehend
von den Großstädten und Ballungszentren inzwischen
auf breiter Front. Allerdings ist der deutsche Immobilienmarkt im internationalen Vergleich (z. B. England)
nicht sehr hoch bewertet und die jüngste Preisbewegung erscheint eher als eine Nachholreaktion. Gewinner sind also die Vermögensbesitzer, die in realen
Werten wie Immobilien, aber auch Aktien oder Beteiligungen investiert sind. Denn auch die Unternehmen
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
61
konnten bislang von den gesunkenen Zinsen profitieren, indem sich ihre Kreditkosten verringert haben,
wohingegen die Erträge der Banken aufgrund der
Margenerosion zunehmend leiden.
Auch wenn die Kurse schon weit gelaufen sind, steht
im Vordergrund unserer Empfehlungen nach wie vor
die Anlagealternative Aktie: Dividenden statt Renten!
Die durchschnittliche Dividendenrendite z. B. der DAXWerte schlägt aktuell die der Anleiherenditen bei weitem und ist im historischen Vergleich relativ stabil
geblieben. Die Dividenden- bzw. Ausschüttungspolitik
der Aktiengesellschaften ist typischerweise sehr langfristig angelegt, die Konzerne streben Kontinuität an,
um bei Anlegern nachhaltig attraktiv zu bleiben. Klar
ist auch: Langfristig steigen die Kurse parallel zu den
Gewinnen – und diese mit der Konjunktur. In den
kommenden Jahren dürften Aktien daher die meisten
Anleihen im Investmentertrag schlagen. Die nach wie
vor vorhandene Überschussliquidität der Zentralbanken stützt weiterhin die Kurse und die aufkommende
Diskussion um einen schrittweisen Ausstieg aus dem
EZB-Kaufprogramm scheint den marktbreiten Optimismus bislang nicht zu trüben. Im Anleihebereich
sehen wir gute Renditechancen, auf selektiver Basis,
im High Yield Segment.
Edelmetalle und Rohstoffe als Chance.
Daneben sind Rohstoffe eine hoch attraktive Anlageklasse: Die Preise sind unweit des tiefsten Standes seit
1998/99. Wir erwarten einen Wendepunkt im Zyklus,
der Preissteigerungen mit hoher Wahrscheinlichkeit
erwarten lässt. Und die weltweite Nachfrage wird sukzessive anziehen, zwar im Rahmen eines im Vergleich
zur Vergangenheit strukturell sehr viel flacheren
Wachstumspfads, aber globale Wachstumserwartungen von um die 3 % sind ja nun einmal nicht null!
62
Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
Ein Engagement in Rohstoffen ist in beiden wirtschaftspolitischen Szenarien – (1) wirtschaftlicher
Impuls durch Erfolg der Geldpolitik oder/und (2) Fiskalpolitik – aus unserer Sicht sinnvoll. Durch strategische Investments in den Markt der Commodities wird
nämlich eine Risikoreduktion erreicht. Bei Szenario (1)
aufgrund der historisch erwiesenen Qualität von Edelmetallen als sicherem Hafen und Schutz gegen die
Abwertung der Währung. Bei Szenario (2) als Schutz
gegen die durch Staatsausgaben potenziell induzierte
Inflation sowie aufgrund steigender Nachfrage nach
physischen Rohstoffen für die Umsetzung des fiskalischen Impulses in z. B. Infrastrukturprojekten (Zement,
Kupfer etc.). Da es noch unklar ist, in welche Richtung
es gehen wird bzw. ob sich die beiden geschilderten
Szenarien letztlich komplementär ergänzen, wäre u. E.
ein diversifiziertes Rohstoffengagement, z. B. im Rahmen eines indexbasierten Fonds, die aus unserer Sicht
zu bevorzugende Alternative.
Alternative Anlagen.
Darüber hinaus gibt es weitere Alternativen zur Zinsanlage, die es bei einer diversifizierten Anlagestrategie
zu bedenken gilt. So sind im Zuge der von uns erwarteten Staatsinvestitionen z. B. private (Ko-)Finanzierungen von Infrastrukturprojekten (erneuerbare Energien, Breitband Internet etc.) eine zunehmend ins
breitere Blickfeld rückende Anlageklasse. Dies kann
sowohl ein Investment in Eigenkapital als auch in
Fremdkapital bedeuten. Hier erwarten wir für 2017
eine Zunahme des Angebots an neuen Strukturen und
Investmentlösungen, die es Ihnen als Anleger erlaubt,
eine gute Streuung hinsichtlich verschiedener Anlagetypen, Fristigkeiten, Risiko- und Renditetreibern in
Ihrem Portfolio zu verwirklichen. Und diese ist ja bekanntermaßen für den nachhaltigen Investmenterfolg
unerlässlich!
Impressum
Redaktion:
Landesbank Baden-Württemberg
Research
Am Hauptbahnhof 2
70173 Stuttgart
Redaktionsschluss: 9.11.2016
Fotoquellen: ThinkStock, Landesbank Baden-Württemberg
Inhouse produziert mit firesys
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Landesbank Baden-Württemberg – Ausblick 2017
63
Landesbank Baden-Württemberg
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