LED-Winzlinge sollen Augenchirurgen die Arbeit erleichtern

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Klein statt klobig: LED-Winzlinge sollen
Augenchirurgen die Arbeit erleichtern
Ein neues Beleuchtungssystem für die Netzhautchirurgie, das auf kleine weiße Leuchtdioden
(LED ) setzt, verspricht Patienten mehr Sicherheit und Operateuren mehr praktischen
Nutzen. Ehe die Idee als Medizinprodukt auf den Markt gelangt, werden wohl noch drei Jahre
vergehen. Prototypen müssen optimiert, zugelassen und dann in der Frankfurter
Universitäts-Augenklinik auf Sicherheit und Funktionalität getestet werden.
Dr. Christian Lingenfelder, Geschäftsführer des Medizinprodukteherstellers alamedics GmbH &
Co. KG (Dornstadt) hat mit seinen Kooperationspartnern, Prof. Dr. Martin Heßling von der
Hochschule Ulm und Prof. Frank Koch von der Frankfurter Universitäts-Augenklinik, bereits
vielversprechende Ergebnisse vorgelegt. Patente wurden angemeldet, Versuche am
Schweineauge mit Prototypen verliefen erfolgreich. Jetzt sollen Versuche am menschlichen
Auge folgen.
Die europäische Fachgesellschaft EURETINA hat ihren Ansatz prämiert: Dr. Christian Lingenfelder, Prof. Frank Koch
und Prof. Martin Heßling (v.l.) © Hochschule Ulm
Fördermittel wird das interdisziplinäre Team, zu dem noch der Berliner LED -Spezialist EPIGAP
Optronic GmbH ins Boot geholt wurde, jetzt beim „Zentralen Innovationsprogramm
Mittelstand" (ZIM) beantragen. Damit sollen die bisherigen Resultate optimiert und Prototypen
zum Medizinprodukt entwickelt, zugelassen und nach einer klinischen Studie auf den Markt
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gebracht werden. Im September 2015 hat das Verbundprojekt (Arbeitstitel „SafeLED") den
Ritterschlag der europäischen Fachwelt erhalten, den mit 20.000 Euro dotierten EURETINA
Science & Medicine Innovation Award. In der Jury sitzen acht der weltweit führenden
Netzhautchirurgen, berichtet Lingenfelder. Die Kooperationspartner verstehen das als „einen
deutlichen Hinweis", das Projekt voranzutreiben.
„Wir müssen den auf sich alleine gestellten Chirurgen das Leben so einfach wie möglich
machen", umreißt Lingenfelder die Ausgangslage für den „radikal neuen Ansatz", den
Lingenfelder, Heßling und Koch im steten Abgleich mit den Erfordernissen der Augenchirurgie
entwickelt und am Schweineauge getestet haben. Allein in Deutschland (nach Zahlen des
Statistischen Bundesamts) summieren sich die Operationen an Netzhaut und Glasauge auf
200.000.
Auge muss vor bestimmtem Licht geschützt werden
Enge herrscht im Auge bei OPs. Unser Bild zeigt chirurgische Instrumente und einen Lichtleiter (2. von links). ©
Uniklinikum Frankfurt/Main
Wenn Chirurgen am kranken Auge eingreifen, müssen sie ihr Operationsgebiet ausleuchten.
Das menschliche Auge reagiert aber sehr empfindlich auf blaues, violettes oder UV-Licht, bei zu
hoher Intensität wird das Auge geschädigt. Rückt man dem Auge mit Licht zu nahe, kann das
Auge schon nach wenigen Minuten thermisch oder photochemisch geschädigt werden.
Besonders schutzbedürftig ist die menschliche Netzhaut, sie ist eines der Gewebe mit dem
höchsten Stoffwechsel. Die Norm (DIN EN ISO/DIS 15004-2:2014) gibt Grenzwerte zum Schutz
des Auges vor Licht vor. Strahlungsleistung, Einfallswinkel und Spektrum der Lichtquelle
müssen bekannt sein, um die maximale Dauer der Ausleuchtung zu bestimmen, ohne das Auge
zu schädigen.
Eingesetzt werden bislang in der Augenchirurgie häufig Xenon-Lichtquellen oder
Quecksilberdampflampen, die mit sterilen Einweg-Lichtleitern kombiniert werden. Diese gibt es
in zwei Varianten, entweder handgeführt mit starren Enden oder als sogenannte ChandelierEndoilluminatoren. Die Lichtleiter werden durch kleine Schnitte an der „pars plana" ins Auge
eingeführt, damit der Operateur freien Blick auf das Operationsgebiet hat. Die Schnittstelle
befindet sich im vorderen Bereich des Augapfels, der keine Netzhaut und auch kein
funktionelles Gewebe aufweist.
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Operateur soll beide Hände für Eingriff benutzen
Herkömmliche Beleuchtungssysteme sind in großen Kästen verbaut, gegen die sich LED-basierte Lösungen, wie sie
auf dem Foto die Hand hält, winzig ausnehmen. © Pytlik
Allerdings beleuchten die Lichtsonden dieser Lichtleiter den intraokularen Raum oft
unzureichend, sodass mehrere Lichtsonden eingesetzt, weitere handgeführte Lichtleiter
verwendet oder während der Operation die Lichtsonden umgesetzt werden müssen. In vielen
Fällen bedeutet dies, dass die eine Hand beleuchtet, die andere operiert. Für den Patienten
kann dies nachteilig sein, weil die Operation länger dauert und möglicherweise nicht so präzise
durchgeführt werden kann. Die herkömmlichen Lichtquellen (100 bis 300 Watt starke Xenonoder Quecksilberdampfleuchten) sind in großen kistenähnlichen Apparaten verbaut.
Weiße LED erobern gerade die Lichttechnik, sie beleuchten Smartphones und werden in
Autoscheinwerfern eingesetzt. 2014 haben drei Japaner für die Entwicklung der
zugrundeliegenden blauen LED den Physiknobelpreis erhalten. Der Physiker Heßling hält weiße
LED im Vergleich zu herkömmlichen Beleuchtungssystemen für die Augenchirurgie für
besonders geeignet. Ihr Lichtspektrum besitzt nur wenige für das Auge gefährliche Blau-Anteile
und stimmt gut mit der Empfindlichkeitskurve des menschlichen Auges überein. Außerdem
sind sie preisgünstig und um ein Vielfaches kleiner als konventionelle Beleuchtungssysteme.
Die Winzlinge (Durchmesser: 0,7 mm) liefern anders als konventionelle Lampen nur ein
Tausendstel der Leistung, die aber geht sowieso größtenteils im dünnen Lichtleiter der
herkömmlichen Lampen verloren.
Mini- LED mit angepasster Geometrie passen ins Auge und brauchen nur einen elektrischen
Anschluss und eine kleine Knopfbatterie: Diesen Kerngedanken haben Heßling, Koch und
Lingenfelder zu zwei alternativen Ansätzen entwickelt. Ein seit 2011 auf dem Markt befindliches
LED -Beleuchtungssystem sei, sagen die Kooperationspartner, uneffizient und gefährde die
Netzhaut, wenn ihr die Spitze des Lichtleiters zu nahe komme.
Kleiner, sicherer, effizienter
Die erste Alternative, ein Miniatur-LED -Endoilluminator mit Lichtsonde, verzichtet auf
Lichtleiter und leuchtet das Operationsgebiet im Auge besser als herkömmliche Systeme aus.
Die leicht konische LED verankert sich im Auge, sodass der Operateur beide Hände frei hätte.
Ein Teil des Lichts (bis zu 20 Prozent) dringt auch durch die Sklera (Lederhaut), sodass zwei
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Ein Prototyp des neuen Beleuchtungssystems mit Lichtsonde. © alamedics
Lichtquellen das Auge relativ gleichmäßig ausleuchten. Das Auge werde damit zum
Leuchtkörper, erläutert Lingenfelder.
Da das Emissionsspektrum der LED fast doppelt günstiger ist als das verglichener
Xenonlampen, ließe sich das Auge 13 Stunden ohne photochemische Schäden beleuchten. Für
die thermische Gefährdung errechnete Heßling eine weit unter dem Grenzwert (0,7 W/cm2)
liegende Zahl (0,1 mW/cm2). An der Kontaktfläche Auge/LED unterschritt die gemessene
Temperatur von 40,2 Grad Celsius den für das retinale Pigmentepithel kritischen Wert von 47
bis 57 Grad Celsius.
Die Messungen wurden an Schweineaugen vorgenommen mit einer 0,1 W LED . Von der neuen
Generation der Chandelier(frz.: Kerzenhalter)-LED -Endoillumination versprechen sich die
Verbundpartner mehr Effizienz und ein geringeres photochemisches Risikopotenzial. Winzige
LED mit 0,3 mm Durchmesser könnten die Größe des nach wie vor nötigen Einschnitts
verringern. Die patentierten Ideen sind noch nicht umgesetzt worden und bedürfen weiterer
Erforschung.
Beleuchtung ohne Eingriff
Ohne Einschnitt am Auge kommen transsklerale LED -Endoilluminatoren aus. Dabei wird die
LED von außen an das Auge gesetzt mithilfe eines Lidsperrers, einem Standardinstrument der
Augenchirurgie. Eingesetzt wird bei diesem nichtinvasiven Ansatz eine relativ schwache weiße
Lichtdiode, die keine Emissionen in den besonders netzhautschädigenden violetten und UVSpektralbereichen aufweist.
Die LED wird möglichst vorne seitlich an einer Stelle ans Auge gedrückt, an der sich keine
Netzhaut befindet („pars plana"). Das Licht gelangt durch Lederhaut (Sklera) und Aderhaut ins
Augeninnere, wo es teilweise absorbiert und teilweise gestreut wird. Der Ansatz nutzt die
Lichtdurchlässigkeit der Lederhaut aus. Diesen überraschenden Befund haben Messungen an
Schweineaugen erbracht, bei denen im Spektralbereich von 400-750 nm 10 bis 15 Prozent
Lichttransmission gemessen wurde. Diese steigt mit Wellenlänge und wachsendem Druck auf
die Augenwand. Das System ist als medizinisches Einwegprodukt gedacht, das der Chirurg
sterilisiert bezieht und das mindestens eine halbe Stunde lang das Operationsgebiet
ausreichend beleuchtet. Diese Beleuchtungsdauer wäre ein Fortschritt gegenüber vielen
kommerziellen Beleuchtungssystemen, die wegen stärkerer photochemischer
Netzhautbelastung nur eine geringere Einsatzdauer erlauben.
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Schemata der intraokularen Ausleuchtung bei operativem Eingriff. a: Herkömmliche Beleuchtung über starre
Lichtleiter oder Chandelier-Endoilluminatoren mit starrem Lichtleiter. b: Beleuchtung über Lichtsonde und
Lederhaut. c: Beleuchtung über eine anliegende LED und Lederhaut. © Hochschule Ulm
In Kürze Tests am menschlichen Auge
Die Untersuchungen an Schweineaugen stimmten weitgehend mit bereits publizierten
Resultaten an menschlichen Augen überein. Dort wurde bei einer Wellenlänge von knapp unter
600 nm eine Transmission der Lederhaut von 15 bis 20 Prozent ermittelt, bei steigendem
Druck von bis zu 40 bis 50 Prozent. Messungen zur Augensicherheit des transskleralen
Ansatzes erbrachten unter ungünstigen Annahmen weder eine photochemische noch eine
thermische Gefährdung. Die thermische Belastung lag mit 0,35 W/cm2 um die Hälfte niedriger
als der Grenzwert, auch die LED selbst erwärmte sich nur auf ungefährliche 30 Grad Celsius.
Die Resultate wurden mit einer chirurgischen Aufsatzlinse auf der Linse des Schweineauges
gemacht, da es keinen passenden Lidsperrer gibt. Mit dem in der Literatur genannten
Transmissionswert von 20 Prozent für die Augenwand, so Heßling, wäre eine mittlere
Beleuchtungsstärke im Augeninneren möglich.
Weiterführende Literatur:
Kölbl, P.S. et al.: An extraocular non-invasive transscleral LED-endoilluminator for eye speculum integration, Graefes Arch. Clin.
Exp. Ophthalmol., Berlin Heidelberg 2015, DOI: 10.100/s00417-015-3036-9
Heßling, M. et al.: Kleinste LED-Illuminatoren für die Netzhautchirurgie, BioPhotonik 1/2015, S. 32-35
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Fachbeitrag
16.12.2015
wp
BioRegionUlm
© BIOPRO Baden-Württemberg GmbH
Weitere Informationen
Hochschule Ulm
alamedics GmbH & Co.
KG
Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers
Medizintechnik - Technik für die Gesundheit
Medizintechnik
optische Technologien
Auge
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