Depression im Alter Depression psychische Veränderungen besser verstehen 5.2.2015 Daniela Lutz Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie FMH [email protected] Inhalt und Ablauf • Depression – Allgemeines – Symptome – Behandlung – Behandlungs-unterstützung • Suizidalität – Umgang mit suizidgefährdeten Menschen 4-Ebenen-Aktionsprogramm Öffentlichkeitsarbeit, Aufklärung Kooperation mit Hausärzten Ziel: Bessere Früherkennung und optimierte Versorgungsstrukturen für depressiv Erkrankte Angebote für Betroffene und Angehörige Zusammenarbeit mit Multiplikatoren: z.B. Pfarrer, Lehrer, Altenpflegekräfte, Medien In % Häufigkeit der Depression 100 90 Allgemeinbevölkerung 80 in Privathaushalten lebend > 65 Jahre 70 in Alten- & Pflegeheimen lebend > 65 Jahre 60 50 25-45% 40 30 20 10 0 2-7% 5-10% Depressionen im Alter sind häufig eine Reaktion auf Verluste, wie etwa nachlassende geistige und körperliche Leistungsfähigkeit, nachlassendes Gedächtnis, Zunahme körperlicher Beschwerden wie Arthrose, Rheuma, Herz-KreislaufProbleme, Wegfall des sozialen Status durch Berentung, Tod des Partners, Einsamkeit, mangelnde Bestätigung, das Gefühl, nicht mehr wichtig zu sein und nicht mehr gebraucht zu werden, der Wegfall von Anerkennung und Bestätigung im Beruf durch Entlassung, in Rente gehen oder durch einen unfreiwilligen vorzeitigen Ruhestand kann als großer Verlust erlebt werden, auf den Betroffene mit einer Depression reagieren. D.h. wenn ältere Menschen unter Depressionen leiden, dann meist deshalb, weil sie nicht mit den körperlichen, geistigen und beruflichen Veränderungen und Einschränkungen, die das Alter und Älterwerden mit sich bringen kann, umgehen können. Typische Symptome Suizidgedanken Suizidale Handlungen Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven Schuldgefühle Vermindertes Selbstwertgefühl Verlust von Interesse u. Freude Depressive Stimmung Erhöhte Ermüdbarkeit Vermindertes Selbstvertrauen Appetitminderung Verminderte Konzentration Gefühl der Wertlosigkeit Schlafstörungen Verminderte Aufmerksamkeit Hinzu kommen oft Ängste, die um den Erhalt der Gesundheit kreisen, Angst zu verarmen oder nicht genügend Geld im Alter zu haben, Angst, ein Pflegefall zu werden, Angst auf fremde Hilfe und Pflegedienste angewiesen zu sein. Und jetzt kann man sich fragen, warum werden manche Menschen erst im Alter depressiv? Hat nicht das Leben schon vorher viele Herausforderungen an sie gestellt und haben sie diese nicht oft mit Tapferkeit überwunden? ODER Gab es vorher im Leben schon Episoden von Depressionen? Wurden sie bereits früher mal gegen Depressionen behandelt? Gibt es im weiteren Verwandtenkreis Personen die unter Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen, zum Beispiel unter Suchterkrankungen leiden? Oder ist es die Summe der Belastungen, die jetzt erst die Depression hervorrufen? Ausprägungen einer Depression • Gehemmte Depression • Agitierte Depression • Somatisierte Depression * • Wahnhafte Depression * besonders häufig im Alter Einflussfaktoren: Körperliche Erkrankungen • Endokrinologische Erkrankungen: (z. B. Hypothyreose) • Tumore • Chronische Schmerzstörung • Degenerative Hirnerkrankungen (z. B. Demenz, Morbus Parkinson) • Schlaganfälle • Entzündliche Systemerkrankungen (z. B. Lupus) • Entzündliche ZNS- Erkrankungen (z. B. Multiple Sklerose) • Medikamenteninduziert (z. B. Kortison) Behandlung der Depression Psychotherapie Pharmakotherapie Psychische Seite Körperliche Seite • Gespräche • Medikamente • Übungen Psychopharmakotherapie: Therapieverlauf Remission Vollständige Gesundung Rückfall Wiedererkrankung Gesundheit Symptom Krankheit Syndrom Ansprechen unbehandelt 3-4 Wochen Akuttherapie 4-6 Monate Erhaltungstherapie Monate-Jahre Langzeittherapie Psychopharmakotherapie: Wichtigste Medikamentengruppen • Antidepressiva – – – keine Veränderung der Persönlichkeit Nebenwirkungen meist nur mittel bis leicht keine Gewöhnung/keine Suchtgefahr • Beruhigungsmittel/Tranquillizer – – – wirken sehr schnell/wichtig für akute Krisen dämpfen und machen schläfrig Gewöhnungseffekt und bei längerer Anwendung Suchtpotential • Neuroleptika – – – werden bei Psychosen/Schizophrenien eingesetzt Dämpfen teilweise die Persönlichkeit häufig motorische Nebenwirkungen Anregungen für ein hilfreiches Gespräch • • • • Sich Zeit nehmen Aktiv Zuhören Gesprächspartner wertschätzen Auf Gefühle des Gesprächspartners eingehen (Empathie) • Keine vorschnellen Lösungen anbieten Empfehlungen im Umgang mit depressiven Menschen Was Sie vermeiden sollten • Aufforderung, „sich zusammenzureißen“ • Aufforderung, fröhlich zu sein • Verdrängung oder Verharmlosung der Symptome • Tabuisierung von Suizidgedanken Empfehlungen im Umgang mit depressiven Menschen Was Sie tun können • Sich über die Krankheit Depression informieren • Einfache Fragen stellen - Zeit lassen • Zuversicht und Vertrauen in die Genesung schaffen • Schrittweise Aktivierung • Klare, verlässliche Haltung • Entlastungen von Entscheidungen, keine weitreichende Entscheide treffen • Auf eigene Grenzen achten Tipps für Betreuende und Angehörige • • • • • • • Akzeptieren Sie die Depression als Erkrankung! Informieren Sie sich über die Erkrankung! Ziehen Sie den Arzt zu Rate! Bleiben Sie geduldig! Überfordern Sie sich nicht! Suchen Sie selbst Unterstützung! Seien Sie zurückhaltend mit gut gemeinten Ratschlägen! Risikofaktoren für suizidales Verhalten • Einsamkeit, soziale Isolation • soziale Randgruppen (z.B. Einwanderer) • chronische Schmerzen • andere chronische somatische Erkrankungen • suizidale Handlungen in Vorgeschichte • aktuelle Verlusterlebnisse (Tod des Partners, Umzug, etc.) • Komorbidität mit Suchterkrankungen Ungünstige Reaktionen auf vermutete Suizidalität • Suizidalität wird nicht angesprochen um den Betroffenen nicht erst recht auf den Gedanken zu bringen • Das Thema wird schnell beendet durch: – „Ausreden“ der Suizidalität – vorschnelle, unangemessene Lösungsvorschläge • Gefahr: Der Betroffene spürt Ungeduld und Überforderung und zieht sich zurück Optional Suizidalität: Umgang mit Betroffenen • Suizidankündigung ernstnehmen (als Notsignal verstehen) • Suizidalität offen ansprechen • Weitere Hilfen hinzuziehen (Arzt) • Hohe Betreuungsdichte sichern • Bei akuter Gefahr Einweisung auch gegen Wunsch des Betroffenen möglich Zusammenfassung Depression ist eine ernsthafte und häufige Erkrankung. Depression ist keine „verständliche“ Begleiterscheinung des Alters. Als Betreuende und Angehörige sind Sie wichtig bei der Erkennung der Depression. 25 www.berner-buendnis-depression.ch 3 Kernbotschaften Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 26