4/2016 Diakonie für Sie Im Winter: Wenn das Zuhause ein Traum bleibt. www.diakonie-portal.de 2 Editorial Inhalt 3 4 4 Jugendhilfe: Beratungsstelle und Kreativwerkstatt 6 Standpunkt: „Mit Geld, Wohnungen und Aufmerksamkeit gegen Kinderarmut!“ 7 Titelthema Wohnungslosenhilfe: „Wohnungslosigkeit ist oft nicht sichtbar“ 8 Titelthema Wohnungslosenhilfe: Über das Dach über dem Kopf 9 Titelthema Wohnungslosenhilfe: Mit Kinderliedern ein Zuhause schaffen 10 10 Inklusion: Hindernisse gemeinsam überwinden 12 11 Demokratie: „Ich kann nicht die ganze Welt verändern“ es ist kalt in Berlin, bitterkalt. Ich stapfe in meinem Daunenmantel, mit Schal und Mütze durch die Straßen der Stadt und freue mich auf mein Zuhause. Für uns ist es selbst­ verständlich, nach der Arbeit, nach dem Einkaufen, nach einem Besuch bei Freunden in unsere eigenen vier Wände zurückzukehren. Für viele Menschen bleibt das eigene Zuhause aber ein weit entfernter Traum. Jetzt, zur kalten Jahreszeit widmen wir uns dem Thema Wohnungslosigkeit. In Berlin sind schätzungsweise 17.000 bis 20.000 Menschen wohnungslos. Sie leben längst nicht alle auf der Straße, aber sie haben keine eigene Wohnung. Auf der Seite 6 beantwortet unsere Fachfrau zum Thema Wohnungslosenhilfe, Ina Zimmermann, die Fragen der Leserinnen und Leser dazu. Wie Beratungsstellen der ­Diakonie sich um Wohnungslose kümmern, lesen Sie auf Seite 8. Auch Familien können wohnungslos werden. Wie die Mitarbeiterinnen in Berlins erster Notunterkunft für Familien versuchen, zu helfen, erfahren Sie auf der Seite 9. Eine sehr schöne Geschichte haben wir in einem Pflegeheim der Agaplesion Bethanien ­Diakonie in Berlin-Spandau entdeckt. Hier gehören Alpakas zur Grundausstattung. Die Vierbeiner besuchen einmal wöchentlich Bewohnerinnen und Bewohner. Wie die tier­ gestützte Therapie Demenzkranken und geistig behinderten Menschen hilft, erfahren Sie auf den Seiten 12 und 13. 12 Pflege: Geduldige Therapeuten mit vier Beinen 14 Diakonie: Echt Stephanus! 16 16 Brot für die Welt: Gesundes Essen für alle 19 Theologischer Beitrag: „Es ist normal, verschieden zu sein“ 20 Leser_innen fragen die Diakonie und Preisrätsel Die Segenswünsche zu Weihnachten kommen in dieser Ausgabe von unserem Bischof Dr. Markus Dröge. Seinen theologischen Beitrag unter dem schönen Titel „Es ist normal, verschieden zu sein“ lesen Sie auf der Seite 19. Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre, ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen guten Start in das neue Jahr. Pressesprecherin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V. Diakonie für Sie Herausgeber: Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V., Paulsenstraße 55/56, 12163 Berlin · Telefon: 030 8 20 97-0 · Verantwortlich: Lena Högemann · Redaktion: Birgit Coldewey · Gestaltung: W.A.F. · Druck: PieReg Druckcenter Berlin, gedruckt auf PrimaSet holzfrei, matt Bilderdruck, weiß Papier aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung · Die ­Diakonie für Sie erscheint viermal im Jahr und wird auf Wunsch kostenlos zugestellt. · Alle bisher erschienenen Ausgaben der Diakonie für Sie finden Sie auch zum Herunterladen auf www.diakonie-portal.de · Die nächste Ausgabe erscheint am 26. März 2017. · Fotonachweis: Titel und Seite 2: Friedrichstraße ©querbeet/iStock; Inhaltsverzeichnis: 10 ©Benjamin Kummer; 16 ©Florian Kopp/Brot für die Welt; Seite 16: Möhren ©bakar015/Freepik; Seite 19: Krippenfiguren ©nito/ fotolia; Seite 20: Familie ©aletia2011/fotolia; Seite 20: Schneemann ©Freepik 4 Jugendhilfe Jugendhilfe 5 Modellprojekt für Jugendliche: Beratungsstelle und Kreativwerkstatt Ob Obdachlosigkeit, Streit in der Familie, Schulden, Suchtoder psychische Probleme – das Rambler Studio ist ein niedrigschwelliges Angebot für junge Erwachsene zwischen 16 und 25 Jahren. Mit Designer_innen können sie ihre kreativen Talente entdecken und weiterentwickeln und mit Sozial­ arbeiter_innen der Neuen Chance Berlin e. V. an der Verbesserung ihrer Lebenssituation arbeiten. Die Neue Chance e. V. ist Mitglied der ­D iakonie und bringt junge Menschen in Notsitua­tionen im betreuten Wohnen unter. Oben: Die Straße macht kreativ. Die Mode der Jugendlichen wird im studioeigenen Shop verkauft. 2016 konnte sogar eine ganze Kollektion produziert werden. Zehn Prozent der Erlöse gehen an die Jungdesigner_innen. Links: Sarah und Ben, zwei kreative und engagierte Sozialpädagogen, beraten im Rambler Studio die Jugendlichen. Rechts: Dilara aus Berlin-Neukölln entwirft ein Motiv. Das fertige T-Shirt möchte sie ihrer Schwester schenken. Links: An Ideen mangelt es den Jugendlichen nicht. Dieses Design wurde dem S-und U-BahnLiniennetz der Berliner Verkehrs­betriebe nachempfunden. das Projekt an Schulen vor. Benjamin Siepmann: „Ich arbeite gerne hier. Es ist keine typische Sozialarbeit und sehr vielseitig. Da es ein Modellprojekt ist, ist es auch für uns ‚learning by doing‘. Sarah Skala ergänzt: „Ben und ich haben eine Weiterbildung für Siebdruck gemacht, damit wir die Maschine bedienen und unsere Besucher_innen bei dieser Technik unterstützen können. Das ist auch für uns bereichernd und interessant.“ Heute sind ein paar Jugendliche aus einer Maßnahme für Ein kleines Ladengeschäft nahe dem Bahnhof Ostkreuz. unter 18-Jährige der Agentur für Arbeit Berlin-Neukölln da. Hier stehen Schaufensterpuppen mit ausgefallenen Outfits, Dilara möchte sich orientieren und arbeitet konzentriert an Nähmaschinen und Schnittmuster herum, an Kleiderstän- einem Motiv. „Ich möchte das T-Shirt meiner Schwester dern hängen bedruckte T-Shirts und Taschen. Am Tisch sit- schenken“, sagt sie. Es herrscht kein Zwang, die jungen zen eine junge Frau und ein junger Mann und zeichnen kon- Menschen können sich ausprobieren und ihre Ideen mit zentriert Motiventwürfe auf Papier. Es sieht aus wie in einem anderen besprechen. Sie haben hier nach ein paar Stunden ein Ergebnis in der Hand, auf das sie Modeatelier. In den hinteren Räumen stolz sein können. Etwas, das sie selbst befindet sich eine Siebdruckmaschine. „Unser Wunschtraum ist, dass geschaffen und mal „zu Ende gemacht“ Eine Ausstellung an den Wänden zeigt der Modepart irgendwann die haben. Viele der Jugendlichen begindie bisherige Erfolgsgeschichte von Sozialarbeit finanzieren kann.“ Benjamin Siepmann, Sozialpädagoge nen in diesem Prozess über ihr Leben Rambler. nachzudenken. Oft ist das der erste Das Rambler Studio Berlin wird seit Mai 2016 als dreijäh- Schritt ins Arbeitsleben. „Wir kommunizieren ganz klar, dass riges Modellprojekt der Neuen Chance Berlin e. V. aus Stif- nicht jede_r eine Karriere als Modedesigner_in machen tungs- und Eigenmitteln finanziert. In Berlin gibt es viele kann“, erklärt Benjamin Siepmann. „Man darf nicht vergesjunge Menschen in prekären Lebenssituationen, die von den sen, dass wir in erster Linie eine Sozialberatungsstelle sind. klassischen Hilfeangeboten nicht erreicht werden. Die Idee Manche kommen auch nur zur Beratung und haben mit stammt aus Amsterdam. Dort gründeten die Designerin Mode und Design nichts am Hut.“ Carmen van der Vecht und der Unternehmensberater Tim Dekker im Jahr 2010 das erste Rambler Studio. Das Kon- Das Projekt wird mit einer Laufzeit von drei Jahren von der zept: Professionelle Designer_innen arbeiten mit jungen Aktion Mensch finanziert. Aktion Mensch übernimmt derzeit Menschen an der Entwicklung ihrer kreativen Fähigkeiten die Ladenmiete und die Personalkosten für die zwei Sozialund vermarkten daraus entstehende Mode-Designs. Der arbeiter. „Der Wunschtraum ist, dass sich die Marke RamErfolg in Amsterdam brachte Dekker und van der Vecht auf bler etabliert und irgendwann so bekannt ist, dass sie sich die Idee, das Konzept zu expandieren. Bei der Suche nach von alleine trägt und der Modepart die soziale Arbeit finaneinem Partner für die Sozialarbeit stießen sie auf die Neue zieren kann“, sagt Siepmann. BIRGIT COLDEWEY Chance Berlin. Sarah Skala und Benjamin Siepmann sind ausgebildete Sozialpädagogen. Sie kommen beide aus der Einzelfallhilfe und stehen hier im Zweier-Team Jugendlichen bei der Bewältigung ihrer Probleme zur Seite. Es kommen nicht nur Straßenkinder oder depressive und drogenabhängige Jugendliche hierher. Viele haben einfach keinen Zusammenhalt in der Familie. Die Sozialarbeiter vermitteln in weiterführende Hilfen wie Schuldnerberatung oder Therapie und begleiten auch mal zu Behörden. Sie möchten aber auch Jugendliche in der Phase ihrer beruflichen Orientierung ansprechen und stellen Kontakt: Das Rambler Studio bietet Gruppenworkshops für bis zu sechs Teilnehmende an, aber die Tür steht auch für spontane Besuche Montag bis Freitag von 11 bis 18 Uhr offen. Rambler Studio Berlin Projektleitung: Benjamin Siepmann Gryphiusstraße 9 | 10245 Berlin Telefon: 030 32 53 98 20 E-Mail: [email protected] Standpunkt Titelthema Wohnungslosenhilfe „Mit Geld, Wohnungen und Aufmerksamkeit gegen Kinderarmut!“ Nele ist ein fröhliches Kind. Ihre Mutter tut alles dafür, dass es so bleibt. Aber das ist nicht so einfach. Sie ist nämlich alleinerziehend und hat nur einen Halbtagsjob als Verkäuferin. Mehr geht nicht. Denn wenn die Kita geschlossen ist, hat sie niemanden für Neles Betreuung. Sie muss ihr Einkommen über das Jobcenter aufstocken, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter decken zu können. Das ist Kräfte raubend. Schon ein Defekt der Waschmaschine bringt sie zur Verzweiflung. Im Sommer kommt Nele in die Schule. Sie freut sich darauf, aber bei ihrer Mutter löst das neue Sorgen aus: die Einschulung kostet viel Geld: Schulranzen, Hefte, Stifte, Füller, Farbkasten, Turnschuhe ... Siebzig Euro wird sie dafür aus dem Bildungs- und Teilhabepaket bekommen. Aber das reicht nicht. Und eine Schultüte soll Nele doch auch bekommen. Nele brauchte auch einen Arbeitsplatz, einen Schreibtisch zumindest im Wohnzimmer der Zweiraumwohnung, die eigentlich viel zu klein ist. Neles Mutter sucht schon lange nach einer Alter- 7 „Wohnungslosigkeit ist oft nicht sichtbar“ native, weil die Fenster zugig sind und sich in einer Ecke Schimmel gebildet hat. Der Vermieter hat die Renovierung abgelehnt. Aber eine preiswerte Wohnung, die die Vorgaben des Jobcenters erfüllt, konnte sie nicht finden. Jedes dritte Kind in Berlin und jedes sechste in Brandenburg oder Sachsen wächst unter ähnlichen Bedingungen auf. Über die materiellen Einschränkungen hinaus belasten die sozialen Folgen. Die Eltern sind ständig unter Druck, weil ihre Kinder nicht mithalten können. Und tatsächlich sind Lehrer_ innen manchmal nicht armutssensibel, wenn sie beispielsweise Geld für die Klassenkasse einsammeln. Der Regelsatz für Kinder ist einfach zu knapp bemessen, nicht am Bedarf orientiert. Ungerecht ist außerdem, dass die staatliche Förderung für Kinder gutverdienender Eltern deutlich höher liegt, da die Steuerersparnis des Kinderfreibetrags über dem Kindergeld liegen kann. Dieses wird Neles Mutter ohnehin von den Leistungen des Jobcenters abgezogen. Kein Wunder also, dass Kinder aus Familien mit einem Armutsrisiko schlechte Startchancen haben und sich sozial isoliert fühlen. Und was kann man tun? Die Bundesregierung muss die finanzielle Basis dieser Familien verbessern und die Antragswege vereinfachen. Das Land Berlin und die Gemeinden in Brandenburg müssen den sozialen Wohnungsbau voranbringen. Da darf es keine Tabus geben, auch nicht beim Tempelhofer Feld oder der Elisabeth-Aue, angemessene Wohnungen haben Vorrang! Und wir alle sollten darauf achten, wie wir mit Menschen umgehen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, weil sie am Erwerbsleben nicht umfassend teilhaben können. BARBARA ESCHEN Direktorin des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V. Menschen, die auf der Straße leben, fallen auf. Viele Menschen fragen sich: Wo kommen die Menschen her und warum sind sie überhaupt auf der Straße? Ina Zimmermann ist Fachfrau für Wohnungslosigkeit bei der ­Diakonie und beantwortet heute Fragen unserer Leserinnen und Leser. Anspruch darauf, von der Kommune untergebracht zu werden. Die Unterkünfte müssen von den Wohnungslosen selbst bezahlt werden. Wer über kein ausreichendes Einkommen verfügt – und das sind die meisten – erhält die Unterkunftskosten vom Jobcenter oder Sozialamt. Eine Leserin aus Brandenburg fragt: Warum gibt es in Deutschland so viele Obdachlose? Ina Zimmermann: Armut und soziale Ungleichheit betreffen viele Menschen in Deutschland. Sozialabbau und die Arbeitsmarktreformen haben dazu geführt, dass viele Menschen „abgehängt“ werden. Für Menschen mit ge­ringem Einkommen ist es auf dem Wohnungsmarkt kaum noch möglich, Wohnungen zu finden. Die rigide Räumungspraxis vieler Vermieter und Investoren führt dazu, dass immer mehr Menschen ihre Wohnungen verlieren. Die Unterscheidung zwischen Wohnungslosen und Obdachlosen fällt vielen Menschen schwer. Können Sie das erklären und auch Auskunft darüber geben, wie viele Menschen betroffen sind? Zimmermann: Obdachlose sind der kleine Anteil wohnungsloser Menschen, die ohne jede Unterkunft auf der Straße leben. Nach den Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe sind in Deutschland ca. 335.000 Menschen wohnungslos. Davon leben ca. 39.000 Menschen auf der Straße. Eine andere Leserin fragt: Nach welchen Kriterien werden die Wohnungslosen aufgenommen und wie werden diese Unterbringungsmöglichkeiten finanziert? Zimmermann: Menschen, die kein Dach über dem Kopf haben, haben einen Was wissen die wenigsten Menschen über Wohnungslosigkeit? Was ist Ihnen wichtig, zu erklären? Zimmermann: Wohnungslosigkeit ist häufig nicht sichtbar, beispielsweise bei Frauen. Wohnungslose Frauen geben sich zumeist die größte Mühe, unauffällig zu bleiben, ihre Wohnungslosigkeit verdeckt zu leben und ihre Notlage zu verbergen. Die Gründe für Wohnungslosigkeit sind vielfältig. Partnerschaftskonflikte und Trennungen, die Kündigung des Arbeits­ verhältnisses und damit verbundene finanzielle Probleme sind häufige Auslöser, die schnell zu Wohnungslosigkeit führen können. Armut und Wohnungslosigkeit können jede_n von uns treffen. Das Interview führte ­Diakonie-Pressesprecherin LENA HÖGEMANN Ina Zimmermann ist Referentin für Armutsbekämpfung, Wohnungslosenhilfe und Soziale Dienste im Diakonischen Werk. Foto: DWBO/Nils Bornemann 6 8 Titelthema Wohnungslosenhilfe Titelthema Wohnungslosenhilfe Besuch der Immanuel Beratung Lichtenberg für Menschen in Wohnungsnot: Über das Dach über dem Kopf Wohnungslose Familien: Mit Kinderliedern ein Zuhause schaffen In Berlin leben rund 3,5 Millionen Menschen. Der Großteil von ihnen lebt in einer der 1,6 Millionen Mietwohnungen der Stadt. Nach einem Besuch bei der Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot erscheint die eigene Wohnung weit weniger selbstverständlich als noch zwei Stunden zuvor. Eine Familie auf der Straße? Das geht doch nicht – das ist bei vielen Menschen die erste Reaktion. Die Realität zeigt: Auch Familien mit Kindern landen auf der Straße. Die ­Diakonie hat reagiert und die erste Notunterkunft für Familien in Berlin eingerichtet, gefördert von den Senatsverwaltungen für Soziales und Jugend. das fünfköpfige Kollegium täglich alles in seiner Macht stehende, um den Menschen zu helfen, die ihren Weg in die Schottstraße 6 finden. Einige benötigen nur eine informative Beratung, Informationen und guten Zuspruch, andere brauchen mehr UnterstütKathrin Häselbarth leitet die Beratungsstelle Schottstraße zung. „Ich hatte hier schon Klient_innen, die mit der Tasche von Beratung + Leben in Berlin-Lichtenberg, bei der rund reinkamen und sagten ‚Ich wurde geräumt‘“, erzählt Häsel600 Klient_innen jährlich Unterstützung suchen: weil sie vom barth. Dann geht es darum, eine Notunterkunft zu finden, Vermieter gekündigt wurden, weil sie sich weiter zu vermitteln oder ihre Wohnung nicht mehr leisten können „Es ist gut für die Menschen zu wissen, auch ganz konkret bei der oder weil sie noch gar keine Wohnung dass es uns als Anlaufstelle gibt.“ Beantragung von Leistungen zu helfen. „Viele wissen gefunden haben. Jugendliche, Senio- Kathrin Häselbarth, Leiterin der Beratungsstelle rinnen und Senioren, Berliner Urgesteine gar nicht, welche Ansprüche und neu Zugezogene – das Klientel ist so vielfältig wie die sie haben.“ Und nicht wenige bringen neben der Sorge um Fragen, mit denen sie kommen. Gemeinsam ist ihnen die die Wohnung auch noch andere Themen mit in die Beratung: Sorge um ihre Wohnsituation in einer Stadt, in der sich die Suchtprobleme, psychische Leiden oder Schulden. „Da ist es Wohnungssuche immer schwieriger gestaltet: „Das hat sich gut für die Menschen zu wissen, dass es uns als Anlaufstelle in den vergangenen zehn Jahren extrem verschärft, inzwi- gibt“, sagt Häselbarth. „Egal, welches Problem ich habe, da schen kann man davon sprechen, dass wir einen wirklichen kann ich erst einmal hin.“ Notstand haben“, berichtet die Sozialpädagogin. Und so tut BENJAMIN KUMMER Die Taborstraße in Berlin-Kreuzberg: Direkt neben der großen Backsteinkirche ist der Eingang zur Notunterkunft für Familien. Cristiana Nistor öffnet die Tür. Die junge Frau hat zweieinhalb Jahre in Rumänien als Psychologin gearbeitet, jetzt ist sie für die Notunterkunft als Integrationslotsin tätig. „Cristiana war ein ech­ter Glücksgriff“, berichtet Viola Schröder, Leiterin der Familiennotunterkunft des Diakoni­schen Werkes BerlinStadtmitte. Kontakt: Immanuel Beratung Lichtenberg Beratungsstelle Schottstraße Schottstr. 6 10365 Berlin-Lichtenberg Telefon: 030 55 00 91 18 E-Mail: beratungsstelle.schottstrasse@ immanuel.de Internet: www.beratung.immanuel.de/ wo-wir-sind/berlin-lichtenberg Offene Sprechzeiten: Das Empfangs- und Beratungszimmer der Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot in Berlin Lichtenberg. „Wichtig ist, dass das Team stimmt“, sagt Kathrin Häselbarth (links), Leiterin der Immanuel Beratung Lichtenberg. Hier mit Ihrer Kollegin, Frau Krischker, im Empfang der Beratungsstelle. Fotos: Benjamin Kummer Di. und Do., 10 bis 13 Uhr und nach Vereinbarung das Team, Hilfe zu organisieren: Einen Platz in einem Wohnheim, vielleicht sogar eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz. Drei Wochen ist für eine Notunterkunft ein langer Aufenthalt, für die vielschichten Problemlagen der Familien reichen drei Wochen oft nicht aus. „Wir tun was wir können, aber oft sind uns die Hände gebunden“, berichtet Schröder. Zum Beispiel, wenn die Familie keine Leistungsansprüche in Deutschland geltend machen kann. Für Integrationslotsin Nistor zählt jeder Tag, an denen sie den Kindern etwas beibringen kann. Das Konzept einer Familiennotunterkunft ist neu. „Wir sind die einzige Notunterkunft, die den ganzen Tag geöffnet hat“, berichtet die Leiterin. Die Familiennotunterkunft ist immer voll „Wir wollen keine ausgebucht. „Wenn eine Viele der Familien sprechen Papiere sehen. Familie auszieht, steht die kein Deutsch, Cristiana Nis­ Wir helfen direkt nächste schon vor der Tür“, tor kann übersetzen, bera- und sofort.“ sagt Viola Schröder. In eiten, versucht zu helfen. Sie Leiterin Viola Schröder nem Jahr wird die neue Immobilie fertig sein. Dann kümmert sich vor allem um die Kinder. Von Wohnungslosigkeit kann das Team der Familiennotunterbedroht oder betroffen, freuen sich die kunft 30 Familienmitgliedern einen Kinder sehr über die Zuwendung der Schlafplatz bieten. Mitarbeiterinnen. „Wir hören deutschLENA HÖGEMANN sprachige Kinderlieder, das hilft sehr. Wir lesen Bücher, spielen, backen“, Die Familiennotunterkunft des Diaerzählt Nistor. Seit dem 1. September konischen Werkes Berlin-Stadtmitte gibt es zwölf Schlafplätze in drei Zimfreut sich sehr über Sachspenden mern für Familien, die sonst auf der für die Familien: Babynahrung, WinStraße leben würden. „Wir wollen keine deln, Lebensmittelspenden. Papiere sehen, keine Kostenübernahme vom Amt. Wir helfen direkt und sofort. Kontakt: Dann schauen wir, wie es weiter gehen Telefon: 030 61 07 32 56 E-Mail: notunterkunft.familien@ kann“, beschreibt Leiterin Schröder die diakonie-stadtmitte.de Arbeit. Drei Wochen dürfen die Familien Internet: www.diakonie-stadtmitte.de maximal bleiben. In dieser Zeit versucht Oben: Im hellen und bunten Spielzimmer können die Kinder für kurze Zeit ihre Not vergessen und einfach nur spielen. Mitte: Ein kleines Schild an der Wohnungstür weist den Weg. Unten: Cristiana Nistor (links) und Viola Schröder im größten Zimmer der Familiennotunterkunft. 9 10 Inklusion Demokratie 11 Fotos: Benjamin Kummer Links: Zuversicht vermittelt die Jobbrücke Inklusion: Die Klientinnen und Klienten bekommen Beratung, Ermutigung und handfeste Unterstützung. Links unten: Die Patin Frau Stark im Gespräch mit ihrer Klientin: Das vertrauensvolle Gespräch ist der Kern einer jeden Beratungssitzung. Rechts: Ein geschützter Raum: Die Jobpat_innen haben im Haus der ­Diakonie ein eigenes Beratungszimmer. Jobbrücke: Hindernisse gemeinsam überwinden Die Jobbrücke ist ein Projekt der Initiative Arbeit durch lungsgespräch eingeladen? Haben Sie Absagen bekomManagement/Patenmodell im Diakonischen Werk. men? Wo könnten Sie sich noch bewerben?“ So wichtig es Personal­ p rofis und Führungskräfte aus der Wirtschaft dabei ist, dass die Chemie zwischen der Klientin und ihrer unterstützen als ehrenamtliche Jobpatinnen & -paten Patin stimmt, so entscheidend ist die Professionalität des Arbeitsuchende bei der beruflichen Integration und versu- Begleitungsprozesses. Das heißt: Ziele definieren, Stärken chen das Problem der Lang­zeitarbeitslosigkeit zu bekämp- analysieren, einen Berufsplan erstellen und Bewerbungen fen. Um auf spezielle Anforderungen rausschicken. Aber das heißt auch: und Bedürfnisse eingehen zu kön- „Ich erzähle auch von meinen eigenen lernen mit Rückschlägen umzugenen, bietet die D ­ iakonie seit Som- Erfahrungen mit der Jobsuche.“ hen, an sich selbst zu glauben und mer 2016 die Jobbrücke Inklusion. Frau Stark, Patin weiter zu machen: „Ich erzähle dann auch von meinen eigenen Es ist Mittwochnachmittag, 16 Uhr in Berlin-Steglitz. Im Haus Erfahrungen mit der Jobsuche“, erklärt die Patin, „wichtig ist, der D ­ iakonie treffen sich heute zwei Frauen, die gut mitein­ zu vermitteln, dass es irgendwann klappt und wichtig ist ander können: die ehrenamtliche Integrationspatin Frau auch, dabei positiv zu bleiben“. Stark und ihre Klientin. Frau Stark hat einen Job, ihre Klientin BENJAMIN KUMMER wünscht sich einen. Und das ist auch der Grund ihrer Zusammenkunft: Nach Ausbildung und Praktika ist die junge Frau auf der Suche nach einer Anstellung. Sie sucht einen Job als Bürokauffrau, das ist ihr Ausbildungsberuf. Was für Kontakt: sie die Arbeitssuche noch erschwert, ist eine SprachbehinJobbrücke Inklusion derung. Wenn Frau Starks Klientin spricht, klingt es, als Projektkoordinatorin: Stefanie Alteheld Telefon: 030 92 21 35 71 wenn sie eine schwere Erkältung erwischt hat, ihre Stimme Mobil: 0176 49 44 31 98 ist leise und brüchig. „Mein Nachbar wusste von meiner Skype: Jobbrücke Inklusion Berlin Situation und hat mir einen Zeitungsausschnitt gegeben, da E-Mail: [email protected] Internet: www.jobbruecke.patenmodell.de/standorte/ stand das drin“, so erzählt sie davon, wie sie ihren Weg zur startseite-berlin/projekt-inklusion „Jobbrücke Inklusion“ gefunden hat. Seit September plant sie nun Woche für Woche mit Frau Stark ihren Einstieg in den Das Projekt wird gefördert durch: Arbeitsmarkt. Frau Stark, hauptberufliche Bildungsbegleiterin mit einer Weiterbildung zum Integrationscoach, fragt nach, motiviert und unterstützt ihre Klientin nach Kräften. Und dann geht es los: „Wie ist der Stand Ihrer Bewerbungen? Was kam an Rückmeldung? Wurden Sie zu einem Vorstel- Flüchtlingsbeauftragte als Demokratieberaterin: „Ich kann nicht die ganze Welt verändern“ Sophie Gündogdu arbeitet als Flüchtlingsbeauftragte des Evangelischen Kirchenkreises Nauen-Rathenow. Nebenbei ist die ordinierte Gemeindepädagogin zuständig für die Konfirmandenarbeit und hält auch Gottesdienste. ­Diakonie für Sie sprach mit Sophie Gündogdu über ihre Erfahrungen als Demokratieberaterin. Sie heißen Gündogdu. Werden Sie im Kontext Ihrer Arbeit darauf angesprochen? Sophie Gündogdu: Ich habe bereits meine Ausbildung im Kirchenkreis gemacht. Dadurch kannten viele meinen vorigen Namen. Die meisten Menschen waren sehr neugierig und zeigten sich lernbereit. Aber man kann die Auseinandersetzung mit dem Namen auch umgehen, indem man ihn dahin nuschelt statt noch einmal nachzufragen oder gleich auf das Du übergeht, ohne sich gemeinsam darauf zu einigen. Ich lebe mit meinem Mann in Spandau, dort ist es ein türkischer Name unter vielen. Was haben Sie in der Weiterbildung zur Demokratieberaterin gelernt? Gündogdu: Die Weiterbildung hat meine demokratische Grundhaltung geschärft und mich für das Thema Diskriminierung sensibilisiert. Die Sicherheit, sich zu positionieren, bekommt man durch Üben. Wir wurden darin geschult, aufmerksam zu sein und Netzwerke zu nutzen. Mussten Sie Ihr Wissen denn schon einsetzen? Gündogdu: Bei einem kirchlichen Treffen zum Thema Flüchtlinge berichtete eine Polizistin über angebliche Vorkommnisse mit Flüchtlingen, die auf mich sehr plakativ wirkten, wie zum Beispiel: „Die spülen doch alle ihre Papiere das Klo herunter, damit man nicht nachweisen kann, woher sie kommen.“ In solchen Gesprächen übe ich, mich nicht zu sehr von Emotionen leiten zu lassen. Fragt man hier zurück: Demokratieberaterin Sophie Gündogdu. „Haben Sie das selbst gesehen?“, reicht das oft schon aus, um Vorkommnisse aufzuklären. Die Stimmung im Land hat sich verändert, eine Reaktion auf die Flüchtlingskrise. Glauben Sie, dass ausländerfeindlichen Parolen allein mit Argumenten beizukommen ist? Gündogdu: Jeder Mensch darf eine Meinung haben. Doch wenn Menschen andere Menschen aufgrund ihrer Identität wie Herkunft, Religion oder Geschlecht abwerten, ist eine Grenze bereits überschritten. Ich fühle mich dann verpflichtet, zu zeigen: „Ich habe eine andere Grundhaltung als Du“ und „Deine Aussagen sind nicht Konsens unserer Gesellschaft“. Ich kann nicht die ganze Welt verändern. Aber ich kann in meinem Umfeld Position beziehen. Das Gespräch führte BIRGIT COLDEWEY Weitere Informationen zum Projekt gibt es unter: www.demokratie-gewinnt-brandenburg.de oder bei Dr. Ingmar Dette, Projektleitung „Demokratie gewinnt! In Brandenburg!“ Telefon: 030 820 97 254, 0172 58 91 265 E-Mail: [email protected] Das Projekt wird gefördert durch das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ des Bundesministerium des Innern. 12 Pflege Pflege 1 13 2 Alpakas im Pflegeheim: Geduldige Therapeuten mit vier Beinen Tiere wirken als Türöffner. In Berlin-Spandau werden vier Alpakas in der tiergestützten Therapie von Menschen mit chronischen psychischen Krankheitsbildern, Suchterkrankungen, Demenz oder geistiger Behinderung eingesetzt. Schwer psychiatrisch erkrankte Menschen, die sich sonst kaum mitteilen, fangen in Gegenwart von Tieren plötzlich zu sprechen an. Die Therapieabläufe sind so unterschiedlich wie die Diagnosen der einzelnen Bewohner. Einige Bewohner_innen helfen dabei, die Tiere zu füttern und das Gehege auszumisten. Sie übernehmen Verantwortung in der Pflege der Tiere und fühlen sich gebraucht. Vorsichtig, neugierig und ohne Vorbehalte gehen Alpakas auf Menschen zu. Sie werten nicht, ob jemand eine Behinderung hat oder „Ein Lächeln ist immer die nicht. Ein Alpaka ist in der Lage, sich unmissverständlichste Reaktion.“ dem jeweiligen Menschen, der SituaLinda Temizkan, Ergotherapeutin tion und der Stimmung anzupassen. Lucky, Fuchur, Aramis und Milli Vanilli recken ihre Hälse und laufen aufgeregt an den Zaun ihres Geheges. Sie heißen jeden Besucher und jede Besucherin willkommen. Die vier Alpakas leben seit 2010 in Radeland auf dem weitläufigen Gelände der Agaplesion Bethanien D ­ iakonie. Hier gibt es 171 Pflegeplätze. Die Alpaka-Therapie ist ein Angebot unter vielen. Kochen, Backen, Lesegruppen, Musik-, Kunst- und Bewegungstherapien gehören ebenso dazu. Das Alpaka ist ursprünglich in den südamerikanischen Anden zu Hause. Die Kamelart ist ein Herdentier, wurde vorwiegend ihrer Wolle wegen gezüchtet, ist robust, friedlich und menschenfreundlich. Linda Temizkan, Ergotherapeutin und ausgebildete Tiertherapeutin, ist mit ganzem Herzen dabei: „Jedes Alpaka hat seinen eigenen Charakter. Ich arbeite intensiv mit den Tieren zusammen und spüre, wenn es einem nicht gut geht.“ Gemeinsam mit ihren Kolleginnen ist Temizkan verantwortlich für die Haltung und Arbeit mit den Alpakas. Alpakas sind sehr pflegeintensiv: Ausmisten, Krallenpflege, Impfungen. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum bisher nur wenige Einrichtungen diese Tiere selbst halten. Heute geht es mit den Tieren zum Bewohner_innenbesuch. Es ist schon ein ungewohntes Bild, wenn zwei Alpakas aus dem Fahrstuhl steigen und über die Flure des Pflegeheims stolzieren. Die Tiere brauchen ein regelmäßiges Training mit einer Bezugsperson, die ihnen Sicherheit gibt. Sie hören auf ihre Namen, legen sich auf Kommando auf den Boden oder geben Küsschen. Bewohnerin Liselotte Dringenberg füttert ein Alpaka mit Pellets aus ihrer Hand: „Ich mag die großen Augen so gerne.“ Eine andere Bewohnerin lächelt über das ganze Gesicht, als ein Tier sie an ihrem Bett begrüßt. „Das Lächeln ist immer die unmissverständlichste Reaktion“, sagt Linda Temizkan. „Dann wissen wir, dass die Bewohner_innen zufrieden sind.“ Einmal im Jahr kommt der Alpakascherer. Dabei wird das Bauch-, Rücken- und Halsfell zur Produktion von Textilien genutzt. Jedes Tier produziert etwa 1,5 bis 5 Kilogramm Wolle. Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu Pferde- oder Katzenhaar ist Alpakafell völlig allergiefrei. „Der Kot der Tiere ist übrigens der beste Dünger. Die Besitzer der umliegenden Gärten fragen schon danach“, sagt Temizkan. Das Fell geht dann zum Züchter in die Uckermark, der es mit einer Wollmühle zu Wolle verspinnt oder filzt. Daraus schneiden die Bewohner unter anderem Einlegesohlen für Schuhe in verschiedenen Größen aus. Diese werden im hauseigenen RadeLandLädchen verkauft. Die Bewohner erleben so den gesamten Kreislauf mit. „Seit ich die Alpaka-Schuhsohlen trage, habe ich keine kalten Füße mehr“, lacht Linda Temizkan. BIRGIT COLDEWEY 3 4 1 Bewohnerin Liselotte Dringenberg füttert ein Alpaka mit Pellets aus ihrer Hand. 2 Linda Temizkan, Ergo- und Tiertherapeutin, trainiert täglich mit den Tieren. Auch Kunst­stückchen können sie lernen. 3 Da steht ein Alpaka auf dem Flur. Man muss zweimal hinschauen: Um die Bewohner_innen in den oberen Etagen des Pflegeheims zu besuchen, benutzt auch ein Alpaka den Fahrstuhl. 4 Bewohnerin Roswitha Pasell freut sich über den regelmäßigen Besuch der kuscheligen Vierbeiner. 5 Alpakas sind immer neugierig und gut gelaunt. Im Hintergrund helfen Bewohner_innen beim Ausmisten des Geheges. 5 Das RadeLandlädchen: Der Hofladen in Bethanien Radeland wird gemeinsam von Therapeut_innen und Bewohner_innen betrieben. Verkauft wird Selbstgemachtes, das im Rahmen der Therapie angefertigt wird. Geöffnet ist das RadeLandlädchen: Montag, Mittwoch und Samstag von 14 bis 17 Uhr Radelandstr. 199 | 13589 Berlin-Spandau Telefon: 030 37 03 - 0 E-Mail: [email protected] www.bethanien-diakonie.de 14 Diakonie Diakonie 15 „Ich arbeite gern bei der D ­ iakonie, weil ich dort meine Berufung zum Beruf machen konnte. ­Diakonie bedeutet für mich Arbeiten mit Herz inmitten von vielen engagierten Menschen.“ Sebastian Grytzka, Mitarbeiter in der Flüchtlingsarbeit, studierter Bautechniker im Hochbau und gelernter Tischler „Ich arbeite gerne hier in der Werkstatt, weil ich mit Holz arbeiten kann und tolle Kollegen habe.“ Dennis, Praktikant im Berufs­bildungsbereich der Stephanus-Werkstätten Ich arbeite gern hier, weil ich im Rahmen meiner Tätigkeit die Möglichkeit habe, individuell auf die Bedürfnisse jedes Einzelnen einzugehen und ihm so zu ermöglichen, ein erfülltes Leben zu führen.“ Alexander Krause, Heilerzieher, betreut Jugendliche, die besonders viel Unterstützung brauchen Fotos erzählen: Typisch wir. Echt Stephanus! Zusammen mit der Berliner Agentur kakoii fotografierte der Fotograf Sebastian Hänel sieben außergewöhnliche Motive. Sie zeigen Personen und Situationen, die im Alltag der StephanusStiftung echt und normal sind. Die Fotomotive geben Einblicke in einzelne Dienste der Stephanus-Stiftung. Hinter jedem Foto, hinter jeder Person steht eine ganz persönliche Geschichte. Die Kampagne zeigt Personen in ihrem Alltag – egal ob Bewohnerin, Beschäftigte oder Mitarbeiter. Hier können Sie die Kampagnen­fotos ansehen und die Geschichten der Protagonist_innen lesen: www.stephanus.org/aktuelles/kampagne-2016-echt-stephanus „Ich gehöre gerne zur Stephanus-Stiftung, weil ich hier eine eigene Wohnung bekommen habe. Ich kann leben wie es mir gefällt.“ Barbara Papenfuß, Bewohnerin, lebt wie ihre Zwillingsschwester Helga im Betreuten Einzelwohnen Alle Fotos: Stephanus Archiv/Sebastian Hänel „Diakonie bedeutet für mich, ohne Vorurteile alle Menschen gleich zu behandeln und ihnen mit Würde und Achtung entgegen­ zutreten. 16 Brot für die Welt Brot für die Welt 17 Links: Im Kindergarten „Branca de Neve“ wachsen die Kinder mit gesunden Lebensmitteln auf. Damit wird der Grundstein für ihr weiteres Leben gelegt. Rechts: Mittagessen im Kindergarten auf der Basis organischer Lebensmittel aus kleinbäuerlicher Produktion. Dem zweijährigen Derick Coutinho (rechts) schmeckt’s. Gesundes Essen für alle Brasilien. Aufgrund der Macht der Agrarkonzerne ist das größte Land Südamerikas Weltmeister in der Nutzung von Pestiziden. Doch es regt sich Widerstand: Ganz im Süden des Landes hat CAPA, eine Partnerorganisation von Brot für die Welt, ein Netzwerk von Öko-Betrieben aufgebaut. Dank erfolgreicher Lobbyarbeit versorgen diese inzwischen auch städtische Schulen und Kindergärten mit gesunden Lebensmitteln. „Hallo Tomate!“, sagt die grüne Handpuppe. „Hallo Apfel!“, entgegnet die rote. Was dann folgt, ist eine laute, nicht immer ganz verständliche Unterhaltung zwischen den beiden Filzgestalten, denen der zweijährige Derick fantasievoll Leben verleiht. So lustig kann das Thema gesunde Ernährung sein, zumindest wenn man so engagiert und einfallsreich ist, wie die Erzieherinnen im Kindergarten „Schneewittchen“ in der südbrasilianischen Kleinstadt Canguçu. Ein Klopfen an der Tür unterbricht das fröhliche Treiben. Die Mitglieder der Kooperative União sind wie jeden Dienstag gekommen und liefern ihre Waren für das Mittagessen frisch vom Feld an: Knackige Salate, Pfirsiche mit roten Bäckchen und frische Möhren werden in die Speisekammer getragen, wo Köchin Claudia Schiavon sie flink am richtigen Platz verstaut. Schiavon ist selbst auf dem Land groß geworden und weiß um die Unberechenbarkeit der Natur. Dass sie im Kindergarten Bioprodukte aus kleinbäuerlicher Landwirtschaft verarbeiten kann, findet sie großartig: „Sie sind immer frisch, haben mehr Nährstoffe und schmecken viel besser als das Zeug aus dem Supermarkt“, sagt Schiavon. „So lernen die Kinder von klein auf, sich gesund zu ernähren. Damit legen wir den Grundstein für ihr weiteres Leben.“ Regional und biologisch Das war längst nicht immer so. Doch seit 2009 gibt es in Brasilien ein Gesetz, wonach 30 Prozent der Lebensmittel für die öffentliche Schulspeisung aus der regionalen kleinbäuerlichen Landwirtschaft stammen müssen. „Früher“, erinnert sich Schiavon, „gab es für die Kleinen abgepackte Industrie-Cracker mit Marmelade und Reis mit Bohnen“. Eine ganze Generation wurde mit nährstoffarmem Billigessen abgespeist. Dass das ein Ende hatte, ist der Lobbyarbeit des Zentrums zur Unterstützung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft (Centro de Apoio ao Pequeno Agricultor, kurz CAPA) in Pelotas zu verdanken. Die im Schoß der lutherischen Kirche gegründete und von Brot für die Welt geförderte Organisation leistete Pionierarbeit. Seit Ende der 1970er Jahre unterstützt sie Bauernfamilien in Südbrasilien beim ökologischen Anbau, bei der Auffächerung, Weiterverarbeitung und Vermarktung ihrer Produkte. Mit Unterstützung von CAPA entstand in den drei südbrasilianischen Bundesstaaten Rio Grande do Sul, Santa Catarina und Paraná ein breites Netzwerk für eine alternative Versorgung mit Lebens­ ­ itteln: Kooperativen, Bauernmärkte, m vegetarische Restaurants und Bioläden gehören dazu. Doch erst das Schulspeisungsgesetz von 2009 katapultierte die Biolandwirtschaft aus der Nische heraus mitten in die Gesellschaft und machte gesunde Ernährung auch ärmeren Gesellschaftsschichten zugänglich. Wie auch der Familie von Iasmin Roloff: „Früher haben wir Tabak angebaut, aber dabei muss man so viel Gift spritzen, das hat mir nie gefallen“, erzählt die 18-Jährige. „Vor zwei Jahren haben wir umgestellt und bauen nun auf unseren fünf Hektar Land vor allem Gemüse an. Außerdem halten wir Rinder und Schweine.“ Es gibt nur Gewinner Jeden Dienstag fährt Iasmin nach Canguçu ins zentrale Lager der Kooperative União, lädt die Kisten auf den Kleinlaster der Kooperative und beliefert acht Kindergärten und Schulen in der Kleinstadt, deren Politiker sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt haben: Bis zum Ende der Amtszeit der aktuellen Stadtverwaltung im Jahr 2017 sollen 75 Prozent der Zutaten für die Schulspeisung aus kleinbäuerlicher Ökolandwirtschaft stammen. „Auf diese Weise schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe“, sagt der Dezernent für ländliche Entwicklung, Cleider da Cunha: „Wir versorgen die städtische Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln, und wir fördern die Kleinbauernfamilien, die das Rückgrat unserer lokalen Wirtschaft bilden.“ Da Cunha ist 38, arbeitete früher bei CAPA und ist ein Paradebeispiel für ein weiteres Arbeitsfeld der Organisation: die Förderung von Führungspersönlichkeiten und ihre Sensibilisierung für kleinbäuerliche Belange. Nicht nur um wirtschaftliche Fragen geht es, sondern auch um den Erhalt von Vielfalt und regionaler Kultur. Dem Teufelskreis der Armut entkommen „Es ist ein Schema der Abhängigkeit, das sich später wiederholte, erst mit den Konservenfabriken für Pfirsiche, dann mit dem Tabak. Und jetzt versuchen große Agrarkonzerne, den Bauernfamilien Monokulturen wie Soja oder Brot für die Welt Theologischer Beitrag Eukalyptus aufzuschwatzen“, sagt Rita Surita, Leiterin des Regionalbüros von CAPA in Pelotas. Die Vorgehensweise ist stets die gleiche: Die Konzerne stellen den Bauern ihre Technologiepakete zur Verfügung. Im Gegenzug garantieren sie ihnen die Abnahme der Ernte – allerdings nur zu einem von ihnen festgesetzten Preis. In den drei Bundesstaaten, in denen CAPA tätig ist, haben die Konzerne es aber längst nicht so einfach wie anderswo, denn hier wissen die Bauernfamilien dank CAPA, wie gefährlich diese Abhängigkeit ist. Und auch die Verbraucherinnen und Verbraucher sind anspruchsvoller. So wie Brunilda Coutinho, die Mutter von Derick, dem kleinen „Puppenspieler“ aus dem Kindergarten. Um sich und ihren Jüngsten über die Runden zu bringen, arbeitet die Witwe als Putzhilfe, Altenbetreuerin oder was immer sie sonst noch finden kann. Das Geld ist knapp, aber am Essen wird nicht gespart. Dericks inzwischen erwachsener älterer Bruder wurde mit Reis, Boh- nen, Erfrischungsgetränken und Keksen groß. Für ihren Nachkömmling hingegen kauft die 40-Jährige Obst und Gemüse, vieles auch auf dem Biomarkt. „Derick liebt Orangen, Tomaten und Gemüsesuppe, und ich sehe, wie gut ihm diese Dinge tun. Er ist viel aufgeweckter und weiter entwickelt als sein Bruder das damals war. Aber heute weiß ich eben auch viel besser über gesunde Ernährung Bescheid“, sagt Brunilda Coutinho. SANDRA WEISS Haben Sie Fragen zu Brot für die Welt? Dann wenden Sie sich gerne an: Christiane Albrecht Telefon: 030 820 97 203 E-Mail: [email protected] Sie möchten unsere Projekte im Bereich „Ernährung“ unterstützen? Dann überweisen Sie bitte Ihre Spende mit dem Stichwort „Ernährung“ auf folgendes Konto: Brot für die Welt IBAN: DE10 1006 1006 0500 5005 00 BIC: GENODED1KDB 19 „Es ist normal, verschieden zu sein“ Die Weihnachtskrippe im Stall von Bethlehem ist vielseitig und bunt. Da sind die Weisen aus dem Morgenland, die dem Kind ihre Geschenke bringen. Es gibt aber auch die einfachen Hirten, die vom Feld herbeieilen, um den neugeborenen König anzubeten. Ganz egal welche Hautfarbe, sozialen Status oder Schulabschluss sie haben: Die Liebe Gottes zu den Menschen gilt allen. Die Weihnachtsbotschaft unterscheidet nicht nach Herkunft oder Bildungsgrad. „Es ist normal, verschieden zu sein“, so hat der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker einmal gesagt. Dieser Ausspruch ist zu einem Leitsatz der Integrationsbewegung geworden. Er gilt aber auch für das, was wir heute Inklusion nennen: Jeder Mensch ist verschieden und verdient besondere Aufmerksamkeit. Nicht nur der Mensch mit einer diagnostizierten Besonderheit. Inklusion nimmt Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Begabung, Behinderung, Kultur, Ethnie und Religion als persönliche Besonderheiten würdigend in den Blick. Das Denken in normal und unnormal wird überwunden. Inklusion ist die gelebte Erkenntnis, dass jeder Mensch die Gesellschaft beleben und bereichern kann. Damit wird Inklusion Ausdruck unserer christlichen Überzeugung, dass jeder Mensch ein wertvolles Ebenbild Gottes ist und das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe hat. Im Stall von Bethlehem damals genauso wie bei uns heute. Dass Teile unserer Bevölkerung Verschiedenheit heute als fremd und unerwünscht erleben, ist erschreckend. Denn nie waren die Menschen in unserem bunten Land gleichartig und gleichförmig. Den Fehler, die Gleichheit der Menschen mit Ideologie und Macht erzwingen zu wollen, sollten wir nicht wiederholen. Es liegt auf der Hand, dass solche Versuche nur Unfrieden in die Welt tragen. Inklusion ist also eine bleibende Aufgabe für alle, die die Vision einer friedlichen und gerechten Welt nicht aufgeben wollen. Die Weihnachtskrippe in ihrer Vielseitigkeit und Buntheit stellt uns das vor Augen. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest! DR. MARKUS DRÖGE Bischof der Evangelische Kirche Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz Foto: EKBO Links oben: Jungbäuerin Iasmin Roloff (rechts) belädt den Kleinlaster ihrer Kooperative mit frischen Lebensmitteln. Rechts: Obst und Gemüse aus Stoff und Papier: Kreative Erzieherinnen erklären den Kindern im Kinder­garten was gesunde Ernährung bedeutet. Links unten: Besuch zu Hause bei Derick und seine Mutter Brunilda Coutinho. Derick ist durch die gesunde Ernährung viel aufgeweckter und weiter entwickelt als sein großer Bruder es damals war. Fotos: Florian Kopp/Brot für die Welt 18 20 Rubrik ... zum Thema Familie Familie ist der erste Ort, an dem der Mensch Liebe, Vertrauen und Geborgenheit erfahren und lernen kann. Aber die Familie birgt auch Konflikte und Probleme. Einrichtungen und Beratungsstellen der D ­ iakonie unterstützen Sie bei Schwierigkeiten im Bereich der Erziehungsund Familienberatung, Ehe- und Lebensberatung und Schwangerschaftskonfliktberatung. Was macht Familie aus? Wie kann man ein guter Vater, eine gute Mutter sein? Haben Sie Fragen zur Erziehung Ihres Kindes oder Enkelkindes? Leserinnen und Leser fragen die Diakonie … Ihre Fragen beantwortet in der nächsten Ausgabe eine Expertin der ­Diakonie. Schreiben Sie uns Ihre Fragen zum Thema Familie und/oder die Lösung des Preisrätsels: [email protected] oder postalisch an: DWBO | z. Hd. Birgit Coldewey Paulsenstraße 55/56 | 12163 Berlin Liebe Rätselfreundinnen und Rätselfreunde, wir haben das Gedicht „Weihnacht“ von Hans Brüggemann lückenhaft abgedruckt. Raten Sie mit! Ziehen Sie die fehlenden Buchstaben in der richtigen Reihenfolge zu einem Lösungswort zusammen. Auf die Gewinner warten tolle Buchpreise. Einsendeschluss ist der 30. Dezember 2016. Weihnacht (Strophen 1, 3, 4, 5) Wenn in des Jahres Lauf, dem allzeit gleichen, auf leisen Schwi 5 gen sich die 9 hristnacht naht, wenn Erd’ und Himmel sich die Hände reichen, dann schau’n wir dich, du größte Liebestat. Verlorne K 7 nder knien an deiner Krippe, von jener ersten Weihnacht an bis heut, es klingt von armer Sünder H 4 rz und Lippe ein jubelnd „ 10 alleluja!“ weit und breit. 6 ritt ein, du Spender aller Seligkeiten in unser Herz und Haus, in Volk und Land, hilf, dass wir gl 2 ubend Dir den Weg bereiten, und mit Dir wandern liebend Hand in Hand. 1 ib, dass wir hoffend in die Ferne 3 licken, auf Dich allein, dem wir zu eigen ganz: kein irdisch Ding soll uns das Ziel verrücken, bis wir Dich schaun in deines Reiche 8 Glanz. Hans Brüggemann, Bildhauer und Bildschnitzer (1480 –1540) Lösungswort: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Helfen Sie mit Ihrer Spende. Kontenübersicht Diakonische Aufgaben Diakonisches Werk Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz e. V. IBAN: DE18 1002 0500 0003 2019 00 BIC: BFSWDE33BER Bank für Sozialwirtschaft Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst Evangelisches Werk für ­Diakonie und Entwicklung e. V. IBAN: DE10 1006 1006 0500 5005 00 BIC: GENODED1KDB Bank für Kirche und ­Diakonie Diakonie Katastrophenhilfe Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung e. V. IBAN: DE68 5206 0410 0000 5025 02 BIC: GENODEF1EK1 Evangelische Bank eG