können Sie die aktuelle Ausgabe der Diakonie für Sie mit dem

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4/2016
Diakonie für Sie
Im Winter:
Wenn das Zuhause
ein Traum bleibt.
www.diakonie-portal.de
2 Editorial
Inhalt 3
4
4
Jugendhilfe:
Beratungsstelle und Kreativwerkstatt
6
Standpunkt:
„Mit Geld, Wohnungen und Aufmerksamkeit gegen Kinderarmut!“
7
Titelthema Wohnungslosenhilfe:
„Wohnungslosigkeit ist oft nicht sichtbar“
8
Titelthema Wohnungslosenhilfe:
Über das Dach über dem Kopf
9
Titelthema Wohnungslosenhilfe:
Mit Kinderliedern ein Zuhause schaffen
10
10 Inklusion:
Hindernisse gemeinsam überwinden
12
11 Demokratie:
„Ich kann nicht die ganze Welt verändern“
es ist kalt in Berlin, bitterkalt. Ich stapfe in meinem Daunenmantel, mit Schal und Mütze
durch die Straßen der Stadt und freue mich auf mein Zuhause. Für uns ist es selbst­
verständlich, nach der Arbeit, nach dem Einkaufen, nach einem Besuch bei Freunden in
unsere eigenen vier Wände zurückzukehren. Für viele Menschen bleibt das eigene
Zuhause aber ein weit entfernter Traum. Jetzt, zur kalten Jahreszeit widmen wir uns dem
Thema Wohnungslosigkeit. In Berlin sind schätzungsweise 17.000 bis 20.000 Menschen
wohnungslos. Sie leben längst nicht alle auf der Straße, aber sie haben keine eigene
Wohnung. Auf der Seite 6 beantwortet unsere Fachfrau zum Thema Wohnungslosenhilfe,
Ina Zimmermann, die Fragen der Leserinnen und Leser dazu. Wie Beratungsstellen der
­Diakonie sich um Wohnungslose kümmern, lesen Sie auf Seite 8. Auch Familien können
wohnungslos werden. Wie die Mitarbeiterinnen in Berlins erster Notunterkunft für
Familien versuchen, zu helfen, erfahren Sie auf der Seite 9.
Eine sehr schöne Geschichte haben wir in einem Pflegeheim der Agaplesion Bethanien
­Diakonie in Berlin-Spandau entdeckt. Hier gehören Alpakas zur Grundausstattung.
Die Vierbeiner besuchen einmal wöchentlich Bewohnerinnen und Bewohner. Wie die tier­
gestützte Therapie Demenzkranken und geistig behinderten Menschen hilft, erfahren
Sie auf den Seiten 12 und 13.
12 Pflege:
Geduldige Therapeuten mit vier Beinen
14 Diakonie:
Echt Stephanus!
16
16 Brot für die Welt:
Gesundes Essen für alle
19 Theologischer Beitrag:
„Es ist normal, verschieden zu sein“
20 Leser_innen fragen die Diakonie und Preisrätsel
Die Segenswünsche zu Weihnachten kommen in dieser Ausgabe von unserem Bischof
Dr. Markus Dröge. Seinen theologischen Beitrag unter dem schönen Titel „Es ist normal,
verschieden zu sein“ lesen Sie auf der Seite 19.
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre, ein gesegnetes Weihnachtsfest und einen
guten Start in das neue Jahr.
Pressesprecherin des Diakonischen Werkes
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V.
Diakonie für Sie Herausgeber: Diakonisches Werk Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V., Paulsenstraße 55/56, 12163 Berlin · Telefon:
030 8 20 97-0 · Verantwortlich: Lena Högemann · Redaktion: Birgit Coldewey · Gestaltung: W.A.F. · Druck: PieReg Druckcenter Berlin,
gedruckt auf PrimaSet holzfrei, matt Bilderdruck, weiß Papier aus nachhaltiger Waldbewirtschaftung · Die ­Diakonie für Sie erscheint viermal im
Jahr und wird auf Wunsch kostenlos zugestellt. · Alle bisher erschienenen Ausgaben der Diakonie für Sie finden Sie auch zum Herunterladen auf
www.diakonie-portal.de · Die nächste Ausgabe erscheint am 26. März 2017. · Fotonachweis: Titel und Seite 2: Friedrichstraße ©querbeet/iStock;
Inhaltsverzeichnis: 10 ©Benjamin Kummer; 16 ©Florian Kopp/Brot für die Welt; Seite 16: Möhren ©bakar015/Freepik; Seite 19: Krippenfiguren ©nito/
fotolia; Seite 20: Familie ©aletia2011/fotolia; Seite 20: Schneemann ©Freepik
4 Jugendhilfe
Jugendhilfe 5
Modellprojekt für Jugendliche:
Beratungsstelle und Kreativwerkstatt
Ob Obdachlosigkeit, Streit in der Familie, Schulden, Suchtoder psychische Probleme – das Rambler Studio ist ein
niedrigschwelliges Angebot für junge Erwachsene zwischen
16 und 25 Jahren. Mit Designer_innen können sie ihre kreativen Talente entdecken und weiterentwickeln und mit Sozial­
arbeiter_innen der Neuen Chance Berlin e. V. an der Verbesserung ihrer Lebenssituation arbeiten. Die Neue Chance e. V.
ist Mitglied der ­D iakonie und bringt junge Menschen in
Notsitua­tionen im betreuten Wohnen unter.
Oben: Die Straße macht kreativ. Die Mode der
Jugendlichen wird im studioeigenen Shop verkauft. 2016 konnte sogar eine ganze Kollektion
produziert werden. Zehn Prozent der Erlöse
gehen an die Jungdesigner_innen.
Links: Sarah und Ben, zwei kreative und
engagierte Sozialpädagogen, beraten im
Rambler Studio die Jugendlichen.
Rechts: Dilara aus Berlin-Neukölln entwirft
ein Motiv. Das fertige T-Shirt möchte sie ihrer
Schwester schenken.
Links: An Ideen mangelt es den Jugendlichen
nicht. Dieses Design wurde dem S-und U-BahnLiniennetz der Berliner Verkehrs­betriebe nachempfunden.
das Projekt an Schulen vor. Benjamin Siepmann: „Ich arbeite
gerne hier. Es ist keine typische Sozialarbeit und sehr vielseitig. Da es ein Modellprojekt ist, ist es auch für uns ‚learning
by doing‘. Sarah Skala ergänzt: „Ben und ich haben eine
Weiterbildung für Siebdruck gemacht, damit wir die Maschine
bedienen und unsere Besucher_innen bei dieser Technik
unterstützen können. Das ist auch für uns bereichernd und
interessant.“
Heute sind ein paar Jugendliche aus einer Maßnahme für
Ein kleines Ladengeschäft nahe dem Bahnhof Ostkreuz. unter 18-Jährige der Agentur für Arbeit Berlin-Neukölln da.
Hier stehen Schaufensterpuppen mit ausgefallenen Outfits, Dilara möchte sich orientieren und arbeitet konzentriert an
Nähmaschinen und Schnittmuster herum, an Kleiderstän- einem Motiv. „Ich möchte das T-Shirt meiner Schwester
dern hängen bedruckte T-Shirts und Taschen. Am Tisch sit- schenken“, sagt sie. Es herrscht kein Zwang, die jungen
zen eine junge Frau und ein junger Mann und zeichnen kon- Menschen können sich ausprobieren und ihre Ideen mit
zentriert Motiventwürfe auf Papier. Es sieht aus wie in einem anderen besprechen. Sie haben hier nach ein paar Stunden
ein Ergebnis in der Hand, auf das sie
Modeatelier. In den hinteren Räumen
stolz sein können. Etwas, das sie selbst
befindet sich eine Siebdruckmaschine. „Unser Wunschtraum ist, dass
geschaffen und mal „zu Ende gemacht“
Eine Ausstellung an den Wänden zeigt der Modepart irgendwann die
haben. Viele der Jugendlichen begindie bisherige Erfolgsgeschichte von Sozialarbeit finanzieren kann.“
Benjamin Siepmann, Sozialpädagoge
nen in diesem Prozess über ihr Leben
Rambler.
nachzudenken. Oft ist das der erste
Das Rambler Studio Berlin wird seit Mai 2016 als dreijäh- Schritt ins Arbeitsleben. „Wir kommunizieren ganz klar, dass
riges Modellprojekt der Neuen Chance Berlin e. V. aus Stif- nicht jede_r eine Karriere als Modedesigner_in machen
tungs- und Eigenmitteln finanziert. In Berlin gibt es viele kann“, erklärt Benjamin Siepmann. „Man darf nicht vergesjunge Menschen in prekären Lebenssituationen, die von den sen, dass wir in erster Linie eine Sozialberatungsstelle sind.
klassischen Hilfeangeboten nicht erreicht werden. Die Idee Manche kommen auch nur zur Beratung und haben mit
stammt aus Amsterdam. Dort gründeten die Designerin Mode und Design nichts am Hut.“
Carmen van der Vecht und der Unternehmensberater Tim
Dekker im Jahr 2010 das erste Rambler Studio. Das Kon- Das Projekt wird mit einer Laufzeit von drei Jahren von der
zept: Professionelle Designer_innen arbeiten mit jungen Aktion Mensch finanziert. Aktion Mensch übernimmt derzeit
Menschen an der Entwicklung ihrer kreativen Fähigkeiten die Ladenmiete und die Personalkosten für die zwei Sozialund vermarkten daraus entstehende Mode-Designs. Der arbeiter. „Der Wunschtraum ist, dass sich die Marke RamErfolg in Amsterdam brachte Dekker und van der Vecht auf bler etabliert und irgendwann so bekannt ist, dass sie sich
die Idee, das Konzept zu expandieren. Bei der Suche nach von alleine trägt und der Modepart die soziale Arbeit finaneinem Partner für die Sozialarbeit stießen sie auf die Neue zieren kann“, sagt Siepmann.
BIRGIT COLDEWEY
Chance Berlin.
Sarah Skala und Benjamin Siepmann sind ausgebildete Sozialpädagogen. Sie kommen beide aus der Einzelfallhilfe und
stehen hier im Zweier-Team Jugendlichen bei der Bewältigung ihrer Probleme zur Seite. Es kommen nicht nur Straßenkinder oder depressive und drogenabhängige Jugendliche
hierher. Viele haben einfach keinen Zusammenhalt in der
Familie. Die Sozialarbeiter vermitteln in weiterführende Hilfen
wie Schuldnerberatung oder Therapie und begleiten auch
mal zu Behörden. Sie möchten aber auch Jugendliche in der
Phase ihrer beruflichen Orientierung ansprechen und stellen
Kontakt:
Das Rambler Studio bietet Gruppenworkshops für bis zu
sechs Teilnehmende an, aber die Tür steht auch für spontane
Besuche Montag bis Freitag von 11 bis 18 Uhr offen.
Rambler Studio Berlin
Projektleitung: Benjamin Siepmann
Gryphiusstraße 9 | 10245 Berlin
Telefon: 030 32 53 98 20
E-Mail: [email protected]
Standpunkt
Titelthema Wohnungslosenhilfe „Mit Geld, Wohnungen
und Aufmerksamkeit gegen
Kinderarmut!“
Nele ist ein fröhliches Kind. Ihre
Mutter tut alles dafür, dass es
so bleibt. Aber das ist nicht
so einfach. Sie ist nämlich
alleinerziehend und hat nur
einen Halbtagsjob als
Verkäuferin. Mehr geht
nicht. Denn wenn die
Kita geschlossen ist,
hat sie niemanden für
Neles Betreuung. Sie
muss ihr Einkommen über
das Jobcenter aufstocken, um den Lebensunterhalt für sich und
ihre Tochter decken zu
können. Das ist Kräfte raubend. Schon ein Defekt der
Waschmaschine bringt sie zur
Verzweiflung. Im Sommer
kommt Nele in die Schule. Sie
freut sich darauf, aber bei ihrer
Mutter löst das neue Sorgen
aus: die Einschulung kostet viel
Geld: Schulranzen, Hefte, Stifte,
Füller, Farbkasten, Turnschuhe ...
Siebzig Euro wird sie dafür aus
dem Bildungs- und Teilhabepaket
bekommen. Aber das reicht nicht.
Und eine Schultüte soll Nele doch
auch bekommen. Nele brauchte auch
einen Arbeitsplatz, einen Schreibtisch
zumindest im Wohnzimmer der Zweiraumwohnung, die eigentlich viel
zu klein ist. Neles Mutter sucht
schon lange nach einer Alter-
7
„Wohnungslosigkeit
ist oft nicht sichtbar“
native, weil die Fenster zugig sind und sich in einer Ecke
Schimmel gebildet hat. Der Vermieter hat die Renovierung
abgelehnt. Aber eine preiswerte Wohnung, die die Vorgaben
des Jobcenters erfüllt, konnte sie nicht finden.
Jedes dritte Kind in Berlin und jedes sechste in Brandenburg
oder Sachsen wächst unter ähnlichen Bedingungen auf.
Über die materiellen Einschränkungen hinaus belasten die
sozialen Folgen. Die Eltern sind ständig unter Druck, weil ihre
Kinder nicht mithalten können. Und tatsächlich sind Lehrer_
innen manchmal nicht armutssensibel, wenn sie beispielsweise Geld für die Klassenkasse einsammeln. Der Regelsatz
für Kinder ist einfach zu knapp bemessen, nicht am Bedarf
orientiert. Ungerecht ist außerdem, dass die staatliche Förderung für Kinder gutverdienender Eltern deutlich höher
liegt, da die Steuerersparnis des Kinderfreibetrags über dem
Kindergeld liegen kann. Dieses wird Neles Mutter ohnehin
von den Leistungen des Jobcenters abgezogen. Kein Wunder also, dass Kinder aus Familien mit einem Armutsrisiko
schlechte Startchancen haben und sich sozial isoliert fühlen.
Und was kann man tun? Die Bundesregierung muss die
finanzielle Basis dieser Familien verbessern und die Antragswege vereinfachen. Das Land Berlin und die Gemeinden in
Brandenburg müssen den sozialen Wohnungsbau voranbringen. Da darf es keine Tabus geben, auch nicht beim Tempelhofer Feld oder der Elisabeth-Aue, angemessene Wohnungen haben Vorrang! Und wir alle sollten darauf achten,
wie wir mit Menschen umgehen, die auf Transferleistungen
angewiesen sind, weil sie am Erwerbsleben nicht umfassend
teilhaben können.
BARBARA ESCHEN
Direktorin des Diakonischen Werkes
Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e. V.
Menschen, die auf der Straße leben, fallen auf. Viele Menschen fragen sich: Wo
kommen die Menschen her und warum
sind sie überhaupt auf der Straße? Ina
Zimmermann ist Fachfrau für Wohnungslosigkeit bei der ­Diakonie und
beantwortet heute Fragen unserer Leserinnen und Leser.
Anspruch darauf, von der Kommune
untergebracht zu werden. Die Unterkünfte müssen von den Wohnungslosen selbst bezahlt werden. Wer über
kein ausreichendes Einkommen verfügt
– und das sind die meisten – erhält die
Unterkunftskosten vom Jobcenter oder
Sozialamt.
Eine Leserin aus Brandenburg fragt:
Warum gibt es in Deutschland so viele
Obdachlose?
Ina Zimmermann: Armut und soziale
Ungleichheit betreffen viele Menschen
in Deutschland. Sozialabbau und die
Arbeitsmarktreformen haben dazu
geführt, dass viele Menschen „abgehängt“ werden. Für Menschen mit
ge­ringem Einkommen ist es auf dem
Wohnungsmarkt kaum noch möglich,
Wohnungen zu finden. Die rigide Räumungspraxis vieler Vermieter und Investoren führt dazu, dass immer mehr
Menschen ihre Wohnungen verlieren.
Die Unterscheidung zwischen Wohnungslosen und Obdachlosen fällt vielen Menschen schwer. Können Sie das
erklären und auch Auskunft darüber
geben, wie viele Menschen betroffen
sind?
Zimmermann: Obdachlose sind der
kleine Anteil wohnungsloser Menschen,
die ohne jede Unterkunft auf der Straße
leben. Nach den Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe sind in Deutschland ca. 335.000
Menschen wohnungslos. Davon leben
ca. 39.000 Menschen auf der Straße.
Eine andere Leserin fragt: Nach welchen
Kriterien werden die Wohnungslosen
aufgenommen und wie werden diese
Unterbringungsmöglichkeiten finanziert?
Zimmermann: Menschen, die kein Dach
über dem Kopf haben, haben einen
Was wissen die wenigsten Menschen
über Wohnungslosigkeit? Was ist
Ihnen wichtig, zu erklären?
Zimmermann: Wohnungslosigkeit ist
häufig nicht sichtbar, beispielsweise
bei Frauen. Wohnungslose Frauen
geben sich zumeist die größte Mühe,
unauffällig zu bleiben, ihre Wohnungslosigkeit verdeckt zu leben und ihre
Notlage zu verbergen.
Die Gründe für Wohnungslosigkeit sind
vielfältig. Partnerschaftskonflikte und
Trennungen, die Kündigung des Arbeits­
verhältnisses und damit verbundene
finanzielle Probleme sind häufige Auslöser, die schnell zu Wohnungslosigkeit
führen können. Armut und Wohnungslosigkeit können jede_n von uns treffen.
Das Interview führte
­Diakonie-Pressesprecherin
LENA HÖGEMANN
Ina Zimmermann ist
Referentin für
Armutsbekämpfung,
Wohnungslosenhilfe
und Soziale Dienste
im Diakonischen
Werk.
Foto: DWBO/Nils Bornemann
6 8 Titelthema Wohnungslosenhilfe
Titelthema Wohnungslosenhilfe Besuch der Immanuel Beratung Lichtenberg
für Menschen in Wohnungsnot:
Über das Dach über dem Kopf
Wohnungslose Familien:
Mit Kinderliedern
ein Zuhause schaffen
In Berlin leben rund 3,5 Millionen Menschen. Der Großteil von
ihnen lebt in einer der 1,6 Millionen Mietwohnungen der
Stadt. Nach einem Besuch bei der Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot erscheint die eigene Wohnung weit
weniger selbstverständlich als noch zwei Stunden zuvor.
Eine Familie auf der Straße? Das geht
doch nicht – das ist bei vielen Menschen die erste Reaktion. Die Realität
zeigt: Auch Familien mit Kindern landen auf der Straße. Die ­Diakonie hat
reagiert und die erste Notunterkunft für
Familien in Berlin eingerichtet, gefördert von den Senatsverwaltungen für
Soziales und Jugend.
das fünfköpfige Kollegium täglich alles in seiner Macht stehende, um den Menschen zu helfen, die ihren Weg in die
Schottstraße 6 finden.
Einige benötigen nur eine informative Beratung, Informationen und guten Zuspruch, andere brauchen mehr UnterstütKathrin Häselbarth leitet die Beratungsstelle Schottstraße zung. „Ich hatte hier schon Klient_innen, die mit der Tasche
von Beratung + Leben in Berlin-Lichtenberg, bei der rund reinkamen und sagten ‚Ich wurde geräumt‘“, erzählt Häsel600 Klient_innen jährlich Unterstützung suchen: weil sie vom barth. Dann geht es darum, eine Notunterkunft zu finden,
Vermieter gekündigt wurden, weil sie sich
weiter zu vermitteln oder
ihre Wohnung nicht mehr leisten können „Es ist gut für die Menschen zu wissen,
auch ganz konkret bei der
oder weil sie noch gar keine Wohnung dass es uns als Anlaufstelle gibt.“
Beantragung von Leistungen zu helfen. „Viele wissen
gefunden haben. Jugendliche, Senio- Kathrin Häselbarth, Leiterin der Beratungsstelle
rinnen und Senioren, Berliner Urgesteine
gar nicht, welche Ansprüche
und neu Zugezogene – das Klientel ist so vielfältig wie die sie haben.“ Und nicht wenige bringen neben der Sorge um
Fragen, mit denen sie kommen. Gemeinsam ist ihnen die die Wohnung auch noch andere Themen mit in die Beratung:
Sorge um ihre Wohnsituation in einer Stadt, in der sich die Suchtprobleme, psychische Leiden oder Schulden. „Da ist es
Wohnungssuche immer schwieriger gestaltet: „Das hat sich gut für die Menschen zu wissen, dass es uns als Anlaufstelle
in den vergangenen zehn Jahren extrem verschärft, inzwi- gibt“, sagt Häselbarth. „Egal, welches Problem ich habe, da
schen kann man davon sprechen, dass wir einen wirklichen kann ich erst einmal hin.“
Notstand haben“, berichtet die Sozialpädagogin. Und so tut
BENJAMIN KUMMER
Die Taborstraße in Berlin-Kreuzberg:
Direkt neben der großen Backsteinkirche ist der Eingang zur Notunterkunft für
Familien. Cristiana Nistor öffnet die Tür.
Die junge Frau hat zweieinhalb Jahre in
Rumänien als Psychologin gearbeitet,
jetzt ist sie für die Notunterkunft als Integrationslotsin tätig. „Cristiana war ein
ech­ter Glücksgriff“, berichtet Viola
Schröder, Leiterin der Familiennotunterkunft des Diakoni­schen Werkes BerlinStadtmitte.
Kontakt:
Immanuel Beratung Lichtenberg
Beratungsstelle Schottstraße
Schottstr. 6
10365 Berlin-Lichtenberg
Telefon: 030 55 00 91 18
E-Mail: beratungsstelle.schottstrasse@
immanuel.de
Internet: www.beratung.immanuel.de/
wo-wir-sind/berlin-lichtenberg
Offene Sprechzeiten:
Das Empfangs- und Beratungszimmer der
Beratungsstelle für Menschen in Wohnungsnot
in Berlin Lichtenberg.
„Wichtig ist, dass das Team stimmt“,
sagt Kathrin Häselbarth (links), Leiterin der
Immanuel Beratung Lichtenberg. Hier mit Ihrer
Kollegin, Frau Krischker, im Empfang der
Beratungsstelle.
Fotos: Benjamin Kummer
Di. und Do., 10 bis 13 Uhr
und nach Vereinbarung
das Team, Hilfe zu organisieren: Einen
Platz in einem Wohnheim, vielleicht
sogar eine Wohnung oder einen Arbeitsplatz. Drei Wochen ist für eine Notunterkunft ein langer Aufenthalt, für die vielschichten Problemlagen der Familien
reichen drei Wochen oft nicht aus.
„Wir tun was wir können, aber oft sind
uns die Hände gebunden“, berichtet
Schröder. Zum Beispiel, wenn die Familie keine Leistungsansprüche in
Deutschland geltend machen kann. Für
Integrationslotsin Nistor zählt jeder Tag,
an denen sie den Kindern etwas beibringen kann.
Das Konzept einer Familiennotunterkunft ist neu. „Wir sind die einzige Notunterkunft, die den ganzen Tag geöffnet
hat“, berichtet die Leiterin. Die Familiennotunterkunft ist immer voll
„Wir wollen keine ausgebucht. „Wenn eine
Viele der Familien sprechen Papiere sehen.
Familie auszieht, steht die
kein Deutsch, Cristiana Nis­ Wir helfen direkt
nächste schon vor der Tür“,
tor kann übersetzen, bera- und sofort.“
sagt Viola Schröder. In eiten, versucht zu helfen. Sie Leiterin Viola Schröder
nem Jahr wird die neue
Immobilie fertig sein. Dann
kümmert sich vor allem um
die Kinder. Von Wohnungslosigkeit kann das Team der Familiennotunterbedroht oder betroffen, freuen sich die kunft 30 Familienmitgliedern einen
Kinder sehr über die Zuwendung der Schlafplatz bieten.
Mitarbeiterinnen. „Wir hören deutschLENA HÖGEMANN
sprachige Kinderlieder, das hilft sehr.
Wir lesen Bücher, spielen, backen“,
Die Familiennotunterkunft des Diaerzählt Nistor. Seit dem 1. September
konischen Werkes Berlin-Stadtmitte
gibt es zwölf Schlafplätze in drei Zimfreut sich sehr über Sachspenden
mern für Familien, die sonst auf der
für die Familien: Babynahrung, WinStraße leben würden. „Wir wollen keine
deln, Lebensmittelspenden.
Papiere sehen, keine Kostenübernahme
vom Amt. Wir helfen direkt und sofort.
Kontakt:
Dann schauen wir, wie es weiter gehen
Telefon: 030 61 07 32 56
E-Mail: notunterkunft.familien@
kann“, beschreibt Leiterin Schröder die
diakonie-stadtmitte.de
Arbeit. Drei Wochen dürfen die Familien
Internet: www.diakonie-stadtmitte.de
maximal bleiben. In dieser Zeit versucht
Oben: Im hellen und bunten Spielzimmer
können die Kinder für kurze Zeit ihre
Not vergessen und einfach nur spielen.
Mitte: Ein kleines Schild an der
Wohnungstür weist den Weg.
Unten: Cristiana Nistor (links) und
Viola Schröder im größten Zimmer
der Familiennotunterkunft.
9
10 Inklusion
Demokratie 11
Fotos: Benjamin Kummer
Links: Zuversicht vermittelt die Jobbrücke Inklusion:
Die Klientinnen und Klienten bekommen Beratung,
Ermutigung und handfeste Unterstützung.
Links unten: Die Patin Frau Stark im Gespräch mit ihrer
Klientin: Das vertrauensvolle Gespräch ist der Kern einer
jeden Beratungssitzung.
Rechts: Ein geschützter Raum: Die Jobpat_innen haben
im Haus der ­Diakonie ein eigenes Beratungszimmer.
Jobbrücke:
Hindernisse gemeinsam überwinden
Die Jobbrücke ist ein Projekt der Initiative Arbeit durch lungsgespräch eingeladen? Haben Sie Absagen bekomManagement/Patenmodell im Diakonischen Werk. men? Wo könnten Sie sich noch bewerben?“ So wichtig es
Personal­
p rofis und Führungskräfte aus der Wirtschaft dabei ist, dass die Chemie zwischen der Klientin und ihrer
unterstützen als ehrenamtliche Jobpatinnen & -paten Patin stimmt, so entscheidend ist die Professionalität des
Arbeitsuchende bei der beruflichen Integration und versu- Begleitungsprozesses. Das heißt: Ziele definieren, Stärken
chen das Problem der Lang­zeitarbeitslosigkeit zu bekämp- analysieren, einen Berufsplan erstellen und Bewerbungen
fen. Um auf spezielle Anforderungen
rausschicken. Aber das heißt auch:
und Bedürfnisse eingehen zu kön- „Ich erzähle auch von meinen eigenen lernen mit Rückschlägen umzugenen, bietet die D
­ iakonie seit Som- Erfahrungen mit der Jobsuche.“
hen, an sich selbst zu glauben und
mer 2016 die Jobbrücke Inklusion.
Frau Stark, Patin
weiter zu machen: „Ich erzähle
dann auch von meinen eigenen
Es ist Mittwochnachmittag, 16 Uhr in Berlin-Steglitz. Im Haus Erfahrungen mit der Jobsuche“, erklärt die Patin, „wichtig ist,
der D
­ iakonie treffen sich heute zwei Frauen, die gut mitein­ zu vermitteln, dass es irgendwann klappt und wichtig ist
ander können: die ehrenamtliche Integrationspatin Frau auch, dabei positiv zu bleiben“.
Stark und ihre Klientin. Frau Stark hat einen Job, ihre Klientin
BENJAMIN KUMMER
wünscht sich einen. Und das ist auch der Grund ihrer
Zusammenkunft: Nach Ausbildung und Praktika ist die junge
Frau auf der Suche nach einer Anstellung. Sie sucht einen
Job als Bürokauffrau, das ist ihr Ausbildungsberuf. Was für
Kontakt:
sie die Arbeitssuche noch erschwert, ist eine SprachbehinJobbrücke Inklusion
derung. Wenn Frau Starks Klientin spricht, klingt es, als
Projektkoordinatorin: Stefanie Alteheld
Telefon: 030 92 21 35 71
wenn sie eine schwere Erkältung erwischt hat, ihre Stimme
Mobil: 0176 49 44 31 98
ist leise und brüchig. „Mein Nachbar wusste von meiner
Skype: Jobbrücke Inklusion Berlin
Situation und hat mir einen Zeitungsausschnitt gegeben, da
E-Mail: [email protected]
Internet: www.jobbruecke.patenmodell.de/standorte/
stand das drin“, so erzählt sie davon, wie sie ihren Weg zur
startseite-berlin/projekt-inklusion
„Jobbrücke Inklusion“ gefunden hat. Seit September plant
sie nun Woche für Woche mit Frau Stark ihren Einstieg in den
Das Projekt wird gefördert durch:
Arbeitsmarkt. Frau Stark, hauptberufliche Bildungsbegleiterin mit einer Weiterbildung zum Integrationscoach, fragt
nach, motiviert und unterstützt ihre Klientin nach Kräften.
Und dann geht es los: „Wie ist der Stand Ihrer Bewerbungen?
Was kam an Rückmeldung? Wurden Sie zu einem Vorstel-
Flüchtlingsbeauftragte
als Demokratieberaterin:
„Ich kann nicht die
ganze Welt verändern“
Sophie Gündogdu arbeitet als Flüchtlingsbeauftragte des
Evangelischen Kirchenkreises Nauen-Rathenow. Nebenbei
ist die ordinierte Gemeindepädagogin zuständig für die
Konfirmandenarbeit und hält auch Gottesdienste. ­Diakonie
für Sie sprach mit Sophie Gündogdu über ihre Erfahrungen
als Demokratieberaterin.
Sie heißen Gündogdu. Werden Sie im Kontext Ihrer Arbeit
darauf angesprochen?
Sophie Gündogdu: Ich habe bereits meine Ausbildung im
Kirchenkreis gemacht. Dadurch kannten viele meinen vorigen Namen. Die meisten Menschen waren sehr neugierig
und zeigten sich lernbereit. Aber man kann die Auseinandersetzung mit dem Namen auch umgehen, indem man ihn
dahin nuschelt statt noch einmal nachzufragen oder gleich
auf das Du übergeht, ohne sich gemeinsam darauf zu einigen. Ich lebe mit meinem Mann in Spandau, dort ist es ein
türkischer Name unter vielen.
Was haben Sie in der Weiterbildung zur Demokratieberaterin gelernt?
Gündogdu: Die Weiterbildung hat meine demokratische
Grundhaltung geschärft und mich für das Thema Diskriminierung sensibilisiert. Die Sicherheit, sich zu positionieren,
bekommt man durch Üben. Wir wurden darin geschult, aufmerksam zu sein und Netzwerke zu nutzen.
Mussten Sie Ihr Wissen denn schon einsetzen?
Gündogdu: Bei einem kirchlichen Treffen zum Thema
Flüchtlinge berichtete eine Polizistin über angebliche Vorkommnisse mit Flüchtlingen, die auf mich sehr plakativ wirkten, wie zum Beispiel: „Die spülen doch alle ihre Papiere das
Klo herunter, damit man nicht nachweisen kann, woher sie
kommen.“ In solchen Gesprächen übe ich, mich nicht zu
sehr von Emotionen leiten zu lassen. Fragt man hier zurück:
Demokratieberaterin
Sophie Gündogdu.
„Haben Sie das selbst gesehen?“, reicht das oft schon aus,
um Vorkommnisse aufzuklären.
Die Stimmung im Land hat sich verändert, eine Reaktion
auf die Flüchtlingskrise. Glauben Sie, dass ausländerfeindlichen Parolen allein mit Argumenten beizukommen ist?
Gündogdu: Jeder Mensch darf eine Meinung haben. Doch
wenn Menschen andere Menschen aufgrund ihrer Identität
wie Herkunft, Religion oder Geschlecht abwerten, ist eine
Grenze bereits überschritten. Ich fühle mich dann verpflichtet, zu zeigen: „Ich habe eine andere Grundhaltung als Du“
und „Deine Aussagen sind nicht Konsens unserer Gesellschaft“. Ich kann nicht die ganze Welt verändern. Aber ich
kann in meinem Umfeld Position beziehen.
Das Gespräch führte
BIRGIT COLDEWEY
Weitere Informationen zum Projekt gibt es unter:
www.demokratie-gewinnt-brandenburg.de
oder bei Dr. Ingmar Dette, Projektleitung
„Demokratie gewinnt! In Brandenburg!“
Telefon: 030 820 97 254, 0172 58 91 265
E-Mail: [email protected]
Das Projekt wird gefördert durch das Programm „Zusammenhalt durch Teilhabe“ des Bundesministerium des
Innern.
12 Pflege
Pflege 1
13
2
Alpakas im Pflegeheim:
Geduldige Therapeuten mit vier Beinen
Tiere wirken als Türöffner. In Berlin-Spandau werden vier Alpakas in der tiergestützten Therapie von Menschen mit chronischen psychischen Krankheitsbildern, Suchterkrankungen,
Demenz oder geistiger Behinderung eingesetzt. Schwer psychiatrisch erkrankte Menschen, die sich sonst kaum mitteilen,
fangen in Gegenwart von Tieren plötzlich zu sprechen an.
Die Therapieabläufe sind so unterschiedlich wie die Diagnosen der einzelnen Bewohner. Einige Bewohner_innen helfen
dabei, die Tiere zu füttern und das Gehege auszumisten.
Sie übernehmen Verantwortung in der Pflege der Tiere und
fühlen sich gebraucht. Vorsichtig, neugierig und ohne Vorbehalte gehen Alpakas auf Menschen zu. Sie werten nicht, ob
jemand eine Behinderung hat oder
„Ein Lächeln ist immer die
nicht. Ein Alpaka ist in der Lage, sich
unmissverständlichste Reaktion.“
dem jeweiligen Menschen, der SituaLinda Temizkan, Ergotherapeutin
tion und der Stimmung anzupassen.
Lucky, Fuchur, Aramis und Milli Vanilli
recken ihre Hälse und laufen aufgeregt an den Zaun ihres Geheges. Sie
heißen jeden Besucher und jede
Besucherin willkommen. Die vier Alpakas leben seit 2010 in
Radeland auf dem weitläufigen Gelände der Agaplesion
Bethanien D
­ iakonie. Hier gibt es 171 Pflegeplätze. Die
Alpaka-Therapie ist ein Angebot unter vielen. Kochen,
Backen, Lesegruppen, Musik-, Kunst- und Bewegungstherapien gehören ebenso dazu.
Das Alpaka ist ursprünglich in den südamerikanischen Anden
zu Hause. Die Kamelart ist ein Herdentier, wurde vorwiegend
ihrer Wolle wegen gezüchtet, ist robust, friedlich und menschenfreundlich. Linda Temizkan, Ergotherapeutin und ausgebildete Tiertherapeutin, ist mit ganzem Herzen dabei:
„Jedes Alpaka hat seinen eigenen Charakter. Ich arbeite
intensiv mit den Tieren zusammen und spüre, wenn es einem
nicht gut geht.“
Gemeinsam mit ihren Kolleginnen ist Temizkan verantwortlich
für die Haltung und Arbeit mit den Alpakas. Alpakas sind sehr
pflegeintensiv: Ausmisten, Krallenpflege, Impfungen. Vielleicht ist auch das ein Grund, warum bisher nur wenige Einrichtungen diese Tiere selbst halten. Heute geht es mit den
Tieren zum Bewohner_innenbesuch. Es ist schon ein ungewohntes Bild, wenn zwei Alpakas aus dem Fahrstuhl steigen
und über die Flure des Pflegeheims stolzieren. Die Tiere
brauchen ein regelmäßiges Training mit einer Bezugsperson,
die ihnen Sicherheit gibt. Sie hören auf ihre Namen, legen
sich auf Kommando auf den Boden oder geben Küsschen.
Bewohnerin Liselotte Dringenberg füttert ein Alpaka mit Pellets aus ihrer Hand: „Ich mag die großen Augen so gerne.“
Eine andere Bewohnerin lächelt über das ganze Gesicht, als
ein Tier sie an ihrem Bett begrüßt. „Das Lächeln ist immer die
unmissverständlichste Reaktion“, sagt Linda Temizkan.
„Dann wissen wir, dass die Bewohner_innen zufrieden sind.“
Einmal im Jahr kommt der Alpakascherer. Dabei wird das
Bauch-, Rücken- und Halsfell zur Produktion von Textilien
genutzt. Jedes Tier produziert etwa 1,5 bis 5 Kilogramm
Wolle. Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu Pferde- oder Katzenhaar ist Alpakafell völlig allergiefrei. „Der Kot der Tiere ist
übrigens der beste Dünger. Die Besitzer der umliegenden
Gärten fragen schon danach“, sagt Temizkan. Das Fell geht
dann zum Züchter in die Uckermark, der es mit einer Wollmühle zu Wolle verspinnt oder filzt. Daraus schneiden die
Bewohner unter anderem Einlegesohlen für Schuhe in verschiedenen Größen aus. Diese werden im hauseigenen RadeLandLädchen verkauft. Die Bewohner erleben so den gesamten Kreislauf mit. „Seit ich die Alpaka-Schuhsohlen trage,
habe ich keine kalten Füße mehr“, lacht Linda Temizkan.
BIRGIT COLDEWEY
3
4
1 Bewohnerin Liselotte Dringenberg füttert ein Alpaka mit Pellets
aus ihrer Hand.
2 Linda Temizkan, Ergo- und Tiertherapeutin, trainiert täglich mit
den Tieren. Auch Kunst­stückchen können sie lernen.
3 Da steht ein Alpaka auf dem Flur. Man muss zweimal
hinschauen: Um die Bewohner_innen in den oberen Etagen
des Pflegeheims zu besuchen, benutzt auch ein Alpaka den
Fahrstuhl.
4 Bewohnerin Roswitha Pasell freut sich über den regelmäßigen
Besuch der kuscheligen Vierbeiner.
5 Alpakas sind immer neugierig und gut gelaunt. Im Hintergrund
helfen Bewohner_innen beim Ausmisten des Geheges.
5
Das RadeLandlädchen:
Der Hofladen in Bethanien Radeland wird gemeinsam
von Therapeut_innen und Bewohner_innen betrieben.
Verkauft wird Selbstgemachtes, das im Rahmen der
Therapie angefertigt wird.
Geöffnet ist das RadeLandlädchen:
Montag, Mittwoch und Samstag von 14 bis 17 Uhr
Radelandstr. 199 | 13589 Berlin-Spandau
Telefon: 030 37 03 - 0
E-Mail: [email protected]
www.bethanien-diakonie.de
14 Diakonie
Diakonie 15
„Ich arbeite gern
bei der D
­ iakonie,
weil ich dort meine
Berufung zum Beruf
machen konnte.
­Diakonie bedeutet
für mich Arbeiten mit
Herz inmitten von
vielen engagierten
Menschen.“
Sebastian Grytzka, Mitarbeiter
in der Flüchtlingsarbeit, studierter
Bautechniker im Hochbau
und gelernter Tischler
„Ich arbeite gerne
hier in der Werkstatt,
weil ich mit Holz
arbeiten kann und
tolle Kollegen habe.“
Dennis, Praktikant im
Berufs­bildungsbereich der
Stephanus-Werkstätten
Ich arbeite gern hier,
weil ich im Rahmen
meiner Tätigkeit die
Möglichkeit habe,
individuell auf die
Bedürfnisse jedes
Einzelnen einzugehen
und ihm so zu ermöglichen, ein erfülltes
Leben zu führen.“
Alexander Krause, Heilerzieher,
betreut Jugendliche, die besonders viel Unterstützung brauchen
Fotos erzählen:
Typisch wir. Echt Stephanus!
Zusammen mit der Berliner Agentur
kakoii fotografierte der Fotograf Sebastian Hänel sieben außergewöhnliche
Motive. Sie zeigen Personen und Situationen, die im Alltag der StephanusStiftung echt und normal sind. Die
Fotomotive geben Einblicke in einzelne
Dienste der Stephanus-Stiftung. Hinter
jedem Foto, hinter jeder Person steht
eine ganz persönliche Geschichte. Die
Kampagne zeigt Personen in ihrem Alltag – egal ob Bewohnerin, Beschäftigte oder Mitarbeiter.
Hier können Sie die Kampagnen­fotos
ansehen und die Geschichten der Protagonist_innen lesen:
www.stephanus.org/aktuelles/kampagne-2016-echt-stephanus
„Ich gehöre gerne zur
Stephanus-Stiftung,
weil ich hier eine
eigene Wohnung
bekommen habe.
Ich kann leben wie
es mir gefällt.“
Barbara Papenfuß, Bewohnerin,
lebt wie ihre Zwillingsschwester
Helga im Betreuten Einzelwohnen
Alle Fotos: Stephanus Archiv/Sebastian Hänel
„Diakonie bedeutet für
mich, ohne Vorurteile
alle Menschen gleich
zu behandeln und
ihnen mit Würde und
Achtung entgegen­
zutreten.
16 Brot für die Welt
Brot für die Welt 17
Links: Im Kindergarten „Branca de Neve“ wachsen
die Kinder mit gesunden Lebensmitteln auf. Damit
wird der Grundstein für ihr weiteres Leben gelegt.
Rechts: Mittagessen im Kindergarten auf der Basis
organischer Lebensmittel aus kleinbäuerlicher
Produktion. Dem zweijährigen Derick Coutinho
(rechts) schmeckt’s.
Gesundes Essen für alle
Brasilien. Aufgrund der Macht der
Agrarkonzerne ist das größte Land
Südamerikas Weltmeister in der Nutzung von Pestiziden. Doch es regt sich
Widerstand: Ganz im Süden des Landes hat CAPA, eine Partnerorganisation
von Brot für die Welt, ein Netzwerk von
Öko-Betrieben aufgebaut. Dank erfolgreicher Lobbyarbeit versorgen diese
inzwischen auch städtische Schulen
und Kindergärten mit gesunden Lebensmitteln.
„Hallo Tomate!“, sagt die grüne Handpuppe. „Hallo Apfel!“, entgegnet die
rote. Was dann folgt, ist eine laute, nicht
immer ganz verständliche Unterhaltung
zwischen den beiden Filzgestalten,
denen der zweijährige Derick fantasievoll Leben verleiht. So lustig kann das
Thema gesunde Ernährung sein, zumindest wenn man so engagiert und einfallsreich ist, wie die Erzieherinnen im
Kindergarten „Schneewittchen“ in der
südbrasilianischen Kleinstadt Canguçu.
Ein Klopfen an der Tür unterbricht das
fröhliche Treiben. Die Mitglieder der
Kooperative União sind wie jeden
Dienstag gekommen und liefern ihre
Waren für das Mittagessen frisch vom
Feld an: Knackige Salate, Pfirsiche mit
roten Bäckchen und frische Möhren
werden in die Speisekammer getragen,
wo Köchin Claudia Schiavon sie flink
am richtigen Platz verstaut. Schiavon
ist selbst auf dem Land groß geworden
und weiß um die Unberechenbarkeit
der Natur. Dass sie im Kindergarten
Bioprodukte aus kleinbäuerlicher Landwirtschaft verarbeiten kann, findet sie
großartig: „Sie sind immer frisch, haben
mehr Nährstoffe und schmecken viel
besser als das Zeug aus dem Supermarkt“, sagt Schiavon. „So lernen die
Kinder von klein auf, sich gesund zu
ernähren. Damit legen wir den Grundstein für ihr weiteres Leben.“
Regional und biologisch
Das war längst nicht immer so. Doch
seit 2009 gibt es in Brasilien ein Gesetz,
wonach 30 Prozent der Lebensmittel für
die öffentliche Schulspeisung aus der
regionalen kleinbäuerlichen Landwirtschaft stammen müssen. „Früher“, erinnert sich Schiavon, „gab es für die Kleinen abgepackte Industrie-Cracker mit
Marmelade und Reis mit Bohnen“. Eine
ganze Generation wurde mit nährstoffarmem Billigessen abgespeist. Dass
das ein Ende hatte, ist der Lobbyarbeit
des Zentrums zur Unterstützung der
kleinbäuerlichen Landwirtschaft (Centro
de Apoio ao Pequeno Agricultor, kurz
CAPA) in Pelotas zu verdanken. Die im
Schoß der lutherischen Kirche gegründete und von Brot für die Welt geförderte Organisation leistete Pionierarbeit. Seit Ende der 1970er Jahre
unterstützt sie Bauernfamilien in Südbrasilien beim ökologischen Anbau, bei
der Auffächerung, Weiterverarbeitung
und Vermarktung ihrer Produkte.
Mit Unterstützung von CAPA entstand
in den drei südbrasilianischen Bundesstaaten Rio Grande do Sul, Santa Catarina und Paraná ein breites Netzwerk für
eine alternative Versorgung mit Lebens­
­ itteln: Kooperativen, Bauernmärkte,
m
vegetarische Restaurants und Bioläden
gehören dazu. Doch erst das Schulspeisungsgesetz von 2009 katapultierte
die Biolandwirtschaft aus der Nische
heraus mitten in die Gesellschaft und
machte gesunde Ernährung auch
ärmeren Gesellschaftsschichten
zugänglich. Wie auch der Familie von
Iasmin Roloff: „Früher haben wir Tabak
angebaut, aber dabei muss man so viel
Gift spritzen, das hat mir nie gefallen“,
erzählt die 18-Jährige. „Vor zwei Jahren
haben wir umgestellt und bauen nun
auf unseren fünf Hektar Land vor allem
Gemüse an. Außerdem halten wir Rinder und Schweine.“
Es gibt nur Gewinner
Jeden Dienstag fährt Iasmin nach Canguçu ins zentrale Lager der Kooperative
União, lädt die Kisten auf den Kleinlaster
der Kooperative und beliefert acht Kindergärten und Schulen in der Kleinstadt,
deren Politiker sich ein ehrgeiziges Ziel
gesetzt haben: Bis zum Ende der Amtszeit der aktuellen Stadtverwaltung im
Jahr 2017 sollen 75 Prozent der Zutaten
für die Schulspeisung aus kleinbäuerlicher Ökolandwirtschaft stammen. „Auf
diese Weise schlagen wir zwei Fliegen
mit einer Klappe“, sagt der Dezernent
für ländliche Entwicklung, Cleider da
Cunha: „Wir versorgen die städtische
Bevölkerung mit gesunden Nahrungsmitteln, und wir fördern die Kleinbauernfamilien, die das Rückgrat unserer lokalen Wirtschaft bilden.“ Da Cunha ist 38,
arbeitete früher bei CAPA und ist ein
Paradebeispiel für ein weiteres Arbeitsfeld der Organisation: die Förderung von
Führungspersönlichkeiten und ihre Sensibilisierung für kleinbäuerliche Belange.
Nicht nur um wirtschaftliche Fragen
geht es, sondern auch um den Erhalt
von Vielfalt und regionaler Kultur.
Dem Teufelskreis der Armut entkommen
„Es ist ein Schema der Abhängigkeit,
das sich später wiederholte, erst mit
den Konservenfabriken für Pfirsiche,
dann mit dem Tabak. Und jetzt versuchen große Agrarkonzerne, den Bauernfamilien Monokulturen wie Soja oder
Brot für die Welt
Theologischer Beitrag Eukalyptus aufzuschwatzen“, sagt Rita
Surita, Leiterin des Regionalbüros von
CAPA in Pelotas. Die Vorgehensweise
ist stets die gleiche: Die Konzerne stellen den Bauern ihre Technologiepakete
zur Verfügung. Im Gegenzug garantieren sie ihnen die Abnahme der Ernte –
allerdings nur zu einem von ihnen festgesetzten Preis. In den drei Bundesstaaten, in denen CAPA tätig ist, haben
die Konzerne es aber längst nicht so
einfach wie anderswo, denn hier wissen
die Bauernfamilien dank CAPA, wie
gefährlich diese Abhängigkeit ist.
Und auch die Verbraucherinnen und
Verbraucher sind anspruchsvoller. So
wie Brunilda Coutinho, die Mutter von
Derick, dem kleinen „Puppenspieler“
aus dem Kindergarten. Um sich und
ihren Jüngsten über die Runden zu bringen, arbeitet die Witwe als Putzhilfe,
Altenbetreuerin oder was immer sie
sonst noch finden kann. Das Geld ist
knapp, aber am Essen wird nicht
gespart. Dericks inzwischen erwachsener älterer Bruder wurde mit Reis, Boh-
nen, Erfrischungsgetränken und Keksen
groß. Für ihren Nachkömmling hingegen
kauft die 40-Jährige Obst und Gemüse,
vieles auch auf dem Biomarkt. „Derick
liebt Orangen, Tomaten und Gemüsesuppe, und ich sehe, wie gut ihm diese
Dinge tun. Er ist viel aufgeweckter und
weiter entwickelt als sein Bruder das
damals war. Aber heute weiß ich eben
auch viel besser über gesunde Ernährung Bescheid“, sagt Brunilda Coutinho.
SANDRA WEISS
Haben Sie Fragen zu Brot
für die Welt? Dann wenden
Sie sich gerne an:
Christiane Albrecht
Telefon: 030 820 97 203
E-Mail: [email protected]
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im Bereich „Ernährung“ unterstützen? Dann überweisen
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dem Stichwort „Ernährung“
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19
„Es ist normal,
verschieden zu sein“
Die Weihnachtskrippe im Stall von Bethlehem ist vielseitig
und bunt. Da sind die Weisen aus dem Morgenland, die dem
Kind ihre Geschenke bringen. Es gibt aber auch die einfachen Hirten, die vom Feld herbeieilen, um den neugeborenen König anzubeten. Ganz egal welche Hautfarbe, sozialen
Status oder Schulabschluss sie haben: Die Liebe Gottes zu
den Menschen gilt allen.
Die Weihnachtsbotschaft unterscheidet nicht nach Herkunft
oder Bildungsgrad. „Es ist normal, verschieden zu sein“, so
hat der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker
einmal gesagt. Dieser Ausspruch ist zu einem Leitsatz der
Integrationsbewegung geworden. Er gilt aber auch für das,
was wir heute Inklusion nennen: Jeder Mensch ist verschieden und verdient besondere Aufmerksamkeit. Nicht nur der
Mensch mit einer diagnostizierten Besonderheit.
Inklusion nimmt Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung,
Begabung, Behinderung, Kultur, Ethnie und Religion als persönliche Besonderheiten würdigend in den Blick. Das Denken in normal und unnormal wird überwunden. Inklusion ist
die gelebte Erkenntnis, dass jeder Mensch die Gesellschaft
beleben und bereichern kann. Damit wird Inklusion Ausdruck unserer christlichen Überzeugung, dass jeder Mensch
ein wertvolles Ebenbild Gottes ist und das Recht auf gesellschaftliche Teilhabe hat.
Im Stall von Bethlehem damals genauso wie bei uns heute.
Dass Teile unserer Bevölkerung Verschiedenheit heute als
fremd und unerwünscht erleben, ist erschreckend. Denn nie
waren die Menschen in unserem bunten Land gleichartig
und gleichförmig. Den Fehler, die Gleichheit der Menschen
mit Ideologie und Macht erzwingen zu wollen, sollten wir
nicht wiederholen. Es liegt auf der Hand, dass solche Versuche nur Unfrieden in die Welt tragen. Inklusion ist also
eine bleibende Aufgabe für alle, die die Vision einer friedlichen und gerechten Welt nicht aufgeben wollen. Die Weihnachtskrippe in ihrer Vielseitigkeit und Buntheit stellt uns
das vor Augen.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest!
DR. MARKUS DRÖGE
Bischof der Evangelische Kirche
Berlin-Brandenburgschlesische Oberlausitz
Foto: EKBO
Links oben: Jungbäuerin Iasmin Roloff (rechts) belädt den
Kleinlaster ihrer Kooperative mit frischen Lebensmitteln.
Rechts: Obst und Gemüse aus Stoff und Papier: Kreative
Erzieherinnen erklären den Kindern im Kinder­garten was gesunde
Ernährung bedeutet.
Links unten: Besuch zu Hause bei Derick und seine Mutter Brunilda
Coutinho. Derick ist durch die gesunde Ernährung viel aufgeweckter
und weiter entwickelt als sein großer Bruder es damals war.
Fotos: Florian Kopp/Brot für die Welt
18 20 Rubrik
... zum Thema
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Einsendeschluss ist der 30. Dezember 2016.
Weihnacht (Strophen 1, 3, 4, 5)
Wenn in des Jahres Lauf, dem allzeit gleichen,
auf leisen Schwi 5 gen sich die 9 hristnacht naht,
wenn Erd’ und Himmel sich die Hände reichen,
dann schau’n wir dich, du größte Liebestat.
Verlorne K 7 nder knien an deiner Krippe,
von jener ersten Weihnacht an bis heut,
es klingt von armer Sünder H 4 rz und Lippe
ein jubelnd „ 10 alleluja!“ weit und breit.
6 ritt ein, du Spender aller Seligkeiten
in unser Herz und Haus, in Volk und Land,
hilf, dass wir gl 2 ubend Dir den Weg bereiten,
und mit Dir wandern liebend Hand in Hand.
1 ib, dass wir hoffend in die Ferne 3 licken,
auf Dich allein, dem wir zu eigen ganz:
kein irdisch Ding soll uns das Ziel verrücken,
bis wir Dich schaun in deines Reiche 8 Glanz.
Hans Brüggemann, Bildhauer und Bildschnitzer (1480 –1540)
Lösungswort:
1
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mit Ihrer Spende.
Kontenübersicht
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