Az angina pectoris jegyzet

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Ischämische Herzerkrankung,
stabile koronare Herzerkrankung (stabile KHK),
Angina pectoris
1. Einleitung, Epidemiologie
Mit dem Rückgang der Mortalität und Morbidität durch infektiöse Erkrankungen,
Unfälle und durch Gewalt, und durch die Verlängerung der Lebenserwartungen bzw. durch
die Alterung der Gesellschaft in den westlichen entwickelten Ländern, rückten die
chronischen Erkrankungen und deren Komplikationen als Ursachen der Mortalität in den
Fokus der medizinischen Tätigkeit. Kardiovaskuläre Erkrankungen sind für mehr als die
Hälfte dieser Mortalität verantwortlich, und 75% davon können mit der koronaren
Herzerkrankung (KHK) in Verbindung gebracht werden.
Die koronare Herzerkrankung ist eine führende Todesursache in den westlichen
Ländern und laut epidemiologischen Prognosen wird sie in der nahen Zukunft führende
Todesursache in den Entwicklungsländern ebenfalls darstellen. 17 Millionen Menschen
starben an kardiovaskulären Erkrankungen im Jahr 2001 in Europa, und diese Zahl kann
bis 2020 25 Millionen betragen. Die Behandlung der die Morbiditätsstatistiken ebenfalls
führende koronare Herzerkrankung und derer Komplikationen braucht extensive finanzielle
Ressourcen.
Die Prävalenz der Angina pectoris erhöht sich mit zunehmendem Lebensalter bei
beiden Geschlechtern. In der Altersgruppe zwischen 45-64 Jahren beträgt sie 4-7%, unter
den 65-74-jährigen schon 10-14%. Bei Personen mittleren Alters wird die Erkrankung
primär bei Frauen symptomatisch (insbesondere durch das höhere Vorkommen der
funktionellen Angina pectoris in dieser Gruppe), bei Personen höherer Altersgruppen ist
die männliche Prävalenz, und die Dominanz der mit signifikanten koronaren Stenosen
einhergehenden koronaren Herzerkrankung größer. Die Jahresmortalität der Erkrankung
beträgt 1,2-2,4%.
Die Prävalenz, Morbidität und Mortalität der Erkrankung weisen erhebliche regionale
Unterschiede durch genetische, lebensstilbedingte und sozialmedizinische Besonderheiten
auf. Das Risiko ist in West-Europa, im mediterranen und im skandinavischen Raum
niedriger, wobei das Risiko in Mittel- und Ost-Europa (Ungarn und Deutschland inklusive)
höher liegt. Die Prävalenz der Angina pectoris wird auf ca. 20 000 – 40 000 / Millionen
Einwohner geschätzt.
2. Risikofaktoren
Die koronare Herzerkrankung entwickelt sich überwiegend auf Grund einer
atherosklerotischen Koronarstenosierung, mit ähnlichen Risikofaktoren. Die folgenden
Faktoren werden in der Entstehung, in der Progression, in der Entwicklung der
Komplikationen für wichtig gehalten (die wichtigsten, „Maior” Risikofaktoren
fettgedruckt):
I.
Nicht beeinflussbare Faktoren:
- hohes Lebensalter
- männliches Geschlecht
- Genetik, familiäre Häufung
- schon nachweisbare Atherosklerose, anamnestische Ereignisse (Myokardinfarkt,
Stroke, periphere arterielle Verschlusskrankheit)
II. Beeinflussbare oder teilweise beeinflussbare Faktoren:
- Rauchen
- arterielle Hypertonie
- Diabetes mellitus
- Dyslipidämie (vor allem erhöhtes Gesamt-, LDL- und niedriges HDLCholesterin, erhöhte Triglyceride mit weniger Bedeutung)
- Adipositas und metabolisches Syndrom
- bewegungsarmer Lebensstil
- Stress, Depression
III. Neben den oben genannten klassischen Risikofaktoren, wurde die Bedeutung folgender
zusätzlicher Faktoren nachgewiesen:
- pathologische hämorheologische Parameter (Fibrinogen, Hämatokrit, Plasma- und
Vollblutviskosität, Leukozytenzahl)
- Hyperurikämie
- Hyperhomocysteinämie
- Infektionen, chronische Entzündungen (erhöhtes C-reaktives Protein)
- Mikroalbuminurie, niedrige GFR (chronische Nierenerkrankungen)
- erhöhter oxydativer Stress, Luftverschmutzung
- hohe Herzfrequenz
Das geschätzte 10-Jahres-Risiko eines fatalen kardiovaskulären Ereignisses kann in
der SCORE-Risikotabelle vom Geschlecht, Lebensalter, Raucherstatus, Blutdruck und
Cholesterinspiegel kalkuliert werden. Die Tabelle wurde für die Hochrisikoregionen
Europas (wie auch Deutschland und Ungarn) entwickelt.
Risikotabelle (SCORE)
Das geschätzte 10-Jahres-Risiko eines fatalen kardiovaskulären Ereignisses in den Hochrisikoregionen
Europas
(Marie Therese Cooney et al.: SCORE chart for use in high-risk European regions. Circulation.
2010;122:300-310. Reprinted from Cooney et al. with permission of the publisher. Copyright © 2003, the
Oxford University Press.)
Der Patient hat hohes kardiovaskuläres Risiko
- bei anamnestischem kardiovaskulärem Ereignis
- bei Diabetes mellitus-Typ 2 oder bei Typ 1 mit Mikro- bzw. Makroalbuminurie
- bei metabolischem Syndrom
- falls das durch die SCORE-Tabelle kalkulierte Risiko mindestens 5% erreicht
3. Definition und Pathophysiologie der Angina pectoris
Der Sammelbegriff Ischämische Herzerkrankung bezeichnet die Krankheiten und die
Syndrome, bei denen die Sauerstoffzufuhr dem Sauerstoffbedarf des Myokards nicht
nachkommt, und der aerobe Metabolismus in die Richtung eines energetisch ungünstigeren
anaeroben Stoffwechsels verschoben wird.
3.1. Die Konsequenzen der Ischämie
Die normalen myokardialen Funktionen werden durch den Energiemangel
beeinträchtigt. Diese Funktionsstörungen können parallel vorkommen, treten aber meistens
bei unterschiedlichem Energiemangel auf. Das aufeinanderfolgende Auftreten folgender
Symptome wird „Ischämische Kaskade” genannt:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Der Laktatspiegel des von der ischämischen Myokardregion kommenden venösen
Blutes erhöht sich als Zeichen des anaeroben Metabolismus, der extrazelluläre
Kaliumionenspiegel erhöht sich ebenfalls durch die Funktionsstörung der Na/KPumpe. Diese Veränderungen können in der vom Sinus coronarius gewonnener
Blutprobe nachgewiesen werden, im klinischen Alltag wird aber diese invasive
Technik nicht verwendet.
Die Auflösung der Aktin-Myosin-Verbindungen, die Muskelrelaxation sind
energiebenötigende Vorgänge. Als deren Störung kann die Beeinträchtigung der
diastolischen Funktion als frühes Zeichen einer Myokardischämie auch in der
klinischen Praxis nachgewiesen werden.
Die Störung der diastolischen Funktion wird durch die Beeinträchtigung der
systolischen Funktion gefolgt, und eine Hypo-Akinesie des betroffenen
Myokardbereiches und die Verminderung der Auswurffraktion bei einer
großflächigen Ischämie können beobachtet werden.
Durch die Störung des aktiven Ionentransports verändern sich die physiologischen
Ionengradienten, und es folgt eine Störung der Repolarisation, der Reizbildung und
der Erregungsleitung. ST-T-Verschiebungen, Veränderungen der QRS-Morphologie,
Rhythmusstörungen, Blöcke der Erregungsleitung können im EKG auftreten.
Ischämie bedeutet meistens neben der Verminderung der Sauerstoffversorgung, die
Verminderung der Blutströmung und der Ausspülung vom Gewebe. Die lokale
Anhäufung von metabolischen Zwischen- und Endprodukten lösen durch Stimulation
der Nervenendungen ischämische Schmerzen, Angina pectoris aus.
Als schwerwiegendste Form tritt eine mit dem zellulären Leben nicht mehr
vereinbare metabolische Störung, eine myokardiale Nekrose auf. Bei einer großen,
sich auf die ganze Wanddicke ausbreitender Nekrose, kann eine Wandruptur zustande
kommen. Nach Abheilung der Nekrose bleibt eine kontraktionsunfähige und
elektrisch inaktive Narbe zurück, mit einer den Druckverhältnissen entsprechenden
paradoxen Wandbewegung, mit Aneurysmenbildung und mit durch ein elektrisches
Fenster verursachten pathologischen Q-Wellen.
Eine sich wiederholende oder chronische Ischämie löst Adaptationsvorgänge aus,
durch die die Zellen eine spätere Ischämie besser tolerieren (Präkonditonierung). Durch
eine dauerhafte Beeinträchtigung der Blutversorgung verstärken sich die Kollateralgefäße,
durch die der betroffene Myokardbereich auch aus anderen großen Koronargefäßen seine
Blutversorgung bekommt. Gleichzeitig können durch degenerative Vorgänge und durch
Remodelling (pathologischer Umbau) elektrische und mechanische Funktionsstörungen
auftreten.
Degenerative Vorgänge der Reizbildung und Erregungsleitung können
Sinusbradykardie, Sick-Sinus-Syndrom, AV-Blöcke, Schenkelblöcke und faszikuläre
Blöcke, ventrikuläre Erregungsleitungsstörungen verursachen. Ektope Reizbildung (SVES,
VES) kann auftreten. Die Narbengewebe und die Fasern mit unterschiedlicher
Leitungsgeschwindigkeit können die anatomische Ursache von Reentry-Tachykardien
bilden (Vorhofflimmern/Vorhofflattern, ventrikuläre Tachykardie, Kammerflimmern).
Die mechanische Funktionsstörung manifestiert sich als Hypo-Akinesie, die
Pumpfunktion wird vermindert, die Ventrikel dilatieren nach längerer Zeit. Diese
Erweiterung kann sekundär Klappeninsuffizienz verursachen, welche durch eine
Papillarmuskeldysfunktion verschlechtert werden kann.
Bei einer akuten, schwerwiegenden, aber rechtzeitig reversiblen Ischämie kann ein
myokardiales Stunning ausgelöst werden. Das Myokard wird nicht nekrotisch, aber die
mechanische Funktion wird schwerwiegend beeinträchtigt. Dieser Zustand ist spontan
reversibel, die Kontraktilität wird innerhalb von Wochen spontan wieder hergestellt.
Bei einer chronischen Ischämie vermindert sich die mechanische und häufig auch die
elektrische Funktion des Myokards, der betroffene Bereich bleibt aber lebensfähig
(Vitalität). Die Funktion kann durch die Wiederherstellung der Blutversorgung
(Revaskularisation) verbessert werden.
3.2. Ursachen der Ischämie
Die Ischämie wird durch die Verminderung der Sauerstoffzufuhr, durch die
Erhöhung des Sauerstoffbedarfs und noch häufiger durch die Kombination der beiden
verursacht.
Die Sauerstoffzufuhr wird in den folgenden Fällen vermindert:
I.
durch Beeinträchtigung der Koronardurchblutung, weil
1. der Wiederstand der Koronargefäßen (der epikardialen großen Koronargefäßen,
oder der Mikrozirkulation) erhöht ist
durch atherosklerotische Stenose
durch Vasospasmus
durch die Entstehung eines Thrombus (vorübergehend oder permanent)
durch Embolie
durch die Erhöhung der Viskosität des strömenden Blutes (z.B. bei
Polyzythämie, bei Paraproteinämie)
2. sich das Minutenvolumen stark verringert
bei Herzrhythmusstörungen
- durch kritische Bradykardie
- durch mechanisch ineffektive Tachykardie (z.B. Kammertachykardie,
Kammerflimmern)
bei Vitien, z. B.
- bei stromlimitierenden Mitralklappen- und Aortenklappenstenosen
- bei bedeutenden Klappeninsuffizienzen, links-zu-rechts Shunts, welche
das effektive Minutenvolumen limitieren
3. sich die diastolische Durchblutung verschlechtert: die nutritive Durchblutung des
linken Ventrikels findet vorwiegend in der Diastole statt, die systolische
Wandspannung kann die intramuskuläre Gefäße komprimieren
bei Senkung des diastolischen Drucks
- durch Bradykardie
- durch Hypovoliämie
- durch arterielle Hypotonie
- durch Aortenklappeninsuffizienz
bei Verkürzung der diastolischen Zeit: z.B. durch Tachykardie, durch
bedeutende Extrasystolie
II. Senkung des Sauerstoffgehalts des zirkulierenden Blutes
1. bei arterieller Hypoxie, z.B. durch Lungenödem, durch Lungenerkrankungen
2. bei Senkung der Sauerstofftransportkapazität z.B. durch Anämie
3. bei Störung der Sauerstoffabgabe z.B. durch CO-Intoxikation, durch Alkalose,
durch Methämoglobinämie
Der Sauerstoffbedarf erhöht sich in den folgenden Fällen:
I.
Bei erhöhtem Bedarf an Minutenvolumen (physiologischer Herzfrequenz- und
Blutdruckanstieg)
1. körperliche Arbeit
2. Fieber
3. Hyperthyreose
4. Anämie
5. Schwangerschaft
6. sonstige sympathomimetische Wirkungen (z.B. psychischer Stress, manche
Drogen)
II. Bei erhöhter Herzfrequenz – Anteil der Systole nimmt zu (Kontraktion), diastolische
Zeit (Relaxation) verringert sich: bei allen Tachykardien
III. Bei zunehmender Wandspannung
1. arterielle Hypertonie
2. Aortenklappenstenose
3. Kammerdilatation (nach dem Gesetz von Laplace)
IV. Bei Zunahme der linksventrikulären Muskelmasse
1. adaptive Hypertrophie (z.B. bei arterieller Hypertonie)
2. hypertrophe Kardiomyopathie
Unter den Sauerstoffzufuhr-limitierenden Faktoren ist die atherosklerotische Stenose
der Herzkranzgefäße die weit häufigste Ursache.
Die Sauerstoffextraktion des Myokards ist im Gegensatz zu den Skelettmuskeln in der
Ruhe fast schon maximal. Einem erhöhten Sauerstoffbedarf kann lediglich durch die
Erweiterung der Arteriolen, durch die Erhöhung der Koronardurchblutung nachgekommen
werden. Bei Gesunden kann diese Erhöhung der Durchblutung bis auf das Fünffache der
Ruhewerte steigen (Koronarreserve-Kapazität). Die Koronardurchblutungsreserve ist bei
einer atherosklerotischen Stenose vermindert, auch weniger intensive Belastungen können
Ischämie auslösen.
Der subendokardiale Myokardbereich liegt am weitesten von den großen
subepikardial laufenden Koronargefäßen entfernt, er wird am spätesten und mit dem
niedrigsten Rest-Perfusionsdruck mit Blut versorgt, und die Kontraktion des Myokards
komprimiert die Durchblutung am längsten. Der subendokardiale Bereich wird bei einer
Ischämie typischerweise als erster beschädigt.
Die atherosklerotische Plaque kann rupturieren, das Gewebe unter dem Endothel
weist
thrombogene
Eigenschaften
auf.
Durch
eine
zunehmend
aktive
Thrombozytenaggregation kann ein Thrombus entstehen, mit einer sogar totaler Okklusion
des Gefäßes, und bei fehlender geeigneter Kollateraldurchblutung, mit schwerwiegender
akuter Ischämie der distalen Bereiche (siehe akutes Koronarsyndrom). Vom Gleichgewicht
der thrombotischen bzw. antithrombotischen Faktoren hängt das dauerhafte Bestehen oder
rechtzeitige Auflösen des Thrombus ab. Auch bei Auflösung des Thrombus ist eine
Progression der atherosklerotischen Plaque wahrscheinlich.
Die atherosklerotische Stenose bildet einen stabilen Widerstand, welcher durch die
Vasodilatation der distalen Bereiche nicht kompensiert werden kann. Falls in den
angrenzenden intakten Myokardbereichen Vasodilatation auftritt (z.B. bei Bedarf sich
erhöhender Durchblutung), verschiebt sich die Koronardurchblutung in Richtung eines
niedrigeren Wiederstands, und diese Verschiebung verschlechtert den Strom durch das
stenosierte Gefäß weiter (Steal-Effekt).
Meistens führt eine Kombination der erwähnten Ursachen zur Myokardischämie. Einige
Beispiele:
-
eine komplette thrombotische Okklusion des Gefäßes bei einer Ruptur der
stenosierenden Plaque, führt zur Nekrose (STEMI)
eine bei körperlicher Belastung zur Angina pectoris führende atherosklerotische
Stenose (stabile Angina pectoris)
eine Tachyarrhythmie bei Vorhofflimmern kann bei einer atherosklerotischen
Koronarstenose innerhalb von Tagen zu einer Herzinsuffizienz führen
eine Tachyarrhythmie bei Vorhofflimmern kann bei einer schwerwiegenden
atherosklerotischen Koronarstenose Lungenödem und myokardiale NekroseenzymErhöhung auslösen
4. Die Anatomie der Koronargefäße
Die Erkrankung spezifischer Koronaräste führt zur Perfusionsstörung spezifischer
Myokardbereiche und zu spezifischen Symptomen, EKG-Auffälligkeiten und
mechanischen Störungen. Diese Auffälligkeiten können auch bei der Entdeckung der
Culprit-Läsion (der für die Symptomatik verantwortliche Stenose) helfen.
Koronarast
Versorgungsgebiet
Hauptstamm der linken Koronararterie (left main – LM)
Ramus
interventricularis anterior (RIVA) (left Anterior Bereich des rechten
anterior descending – LAD)
- septale Äste
- diagonale Äste (D)
Ventrikels
vorderes 2/3 des Septums
Anteriorwand des linken
Ventrikels
linker und rechter Vorhof
Ramus circumflexus (RCX)
ein großer Teil der Lateralwand
- Marginaläste (obtuse marginal – OM)
des linken Ventrikels
Rechte Koronararterie (Right coronary artery –RCA)
rechter Vorhof
Sinusknoten
Lateralwand des rechten
Marginaläste (acute marginal – AM)
Ramus interventricularis posterior (RIP) (posterior Ventrikels
Posterior Region des Septums
descending artery - PDA)
AV-Knoten
Posteriorwand, Inferiorwand des
linken Ventrikels
Hinterwand des rechten
Ventrikels
Falls die rechte Koronararterie (RCA) den starken Ramus interventricularis posterior
(PDA) abgibt, wird über Rechtsdominanz gesprochen (70%). Seltener kommt dieser Ast
von dem RCX (Versorgungstyp: Linksdominanz, 10%), oder können RCA und RCX beide
einen PDA-Ast abgeben (Ausgeglichener Versorgungstyp oder Kodominanz, 20%).
Der Hauptstamm der linken Koronararterie geht in den RIVA und in den RCX über
(Bifurkation), gelegentlich wird aber ein dritter Ast, der Ramus intermedius (intermediate
branch - IM) ebenfalls abgegeben (Trifurkation), welcher zur Blutversorgung der
anterolateralen Region des linken Ventrikels beiträgt.
Bei chronischer Stenose der Koronargefäße, kann sich eine kollaterale Durchblutung
entwickeln (Homokollateralen – zwischen Äste derselben Koronararterie,
Heterokollateralen – zwischen Äste unterschiedlicher Koronargefäße)
-
Conus-Arterie, Verbindung zwischen RCA und LAD
septale Äste, Verbindung zwischen LAD und RCA-PDA (durch das Septum)
Verbindung zwischen LAD und RCA-PDA (über den Apex)
Verbindung zwischen RCA-PDA und RCX (beim Crux)
5. Klinische Manifestationen der koronaren Herzerkrankung
Vor allem muss zwischen instabiler und stabiler koronarer Herzerkrankung
unterschieden werden, weil der klinische Verlauf, die Gefahr und deshalb auch die
diagnostischen bzw. therapeutischen Vorgehensweisen unterschiedlich sind.
5.1. Akute Koronarsyndrome (ACS)
Die instabile koronare Herzerkrankung oder akutes Koronarsyndrom bedeutet eine
akute Verminderung der Koronardurchblutung und die Entstehung einer schwerwiegenden
akuten Myokardischämie. Ein auf Grund der atherosklerotischen Stenose entstehender
Thrombus oder ein Vasospasmus bilden meistens das akute Hindernis der Durchblutung.
Es geht mit Myokardnekrose oder deren Gefahr einher, kann zur Herzinsuffizienz, zu
lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen, zu plötzlichem Herztod führen. Die
Diagnostik und die anfängliche Therapie erfolgt als Notfallversorgung. Die Diagnose
„Akutes Koronarsyndrom“ ist eine auf Grund der bedrohlichen Symptome aufgestellte
Arbeitsdiagnose, welche nach Nekroseenzym-Werte und EKG-Auffälligkeiten weiter
klassifiziert wird.
5.1.1 Instabile Angina pectoris
Bei der instabilen Angina pectoris werden durch Plaque-Ruptur thrombogene und
vasoaktive Substanzen freigesetzt, als Folge treten Vasokonstriktion und Thrombose auf.
Ohne dauerhafte Okklusion entsteht keine Nekrose, sie kann aber ein Vorzeichen eines in
der nahen Zukunft drohenden myokardialen Infarktes sein.
An eine instabile Angina muss gedacht werden:
- bei der allerersten Angina-Episode (bis zum Ausschluss der Instabilität, und bis zum
begründeten Verdacht einer stabilen koronaren Herzerkrankung)
- bei Ruhe-Angina oder bei der geringsten Belastung entstehender Angina
- bei einer Angina mit veränderten Eigenschaften (Angina durch geringere Belastung,
stärkere Intensität, längere Dauer) (Crescendo-Angina)
- bei einem in der akuten bzw. subakuten Phase eines Myokardinfarktes, nach Besserung
der Symptomatik entstehenden Rezidiv der Angina pectoris (Postinfarkt-Angina)
Im EKG können ischämische Zeichen während der Angina pectoris auffallen,
meistens im Sinne von ST-T-Veränderungen, -Verschiebungen (ST-Senkungen, seltener
ST-Hebungen), Koronar-T-Welle oder Pseudonormalisierung der T-Welle). Ein leichter
Troponinanstieg kann in den Blutproben beobachtet werden, aber ohne begleitende CKMB, GOT, und LDH-Erhöhung.
5.1.2. Myokardinfarkt
Falls eine Myokardischämie zur Myokardnekrose führt, sprechen wir über einen
Myokardinfarkt. Die Blutergebnisse zeigen eine steigende, später senkende, typische
Nekroseenzym-Kinetik. Das kardiale Troponin steigt als erstes unter den Biomarkern, aber
in einer sehr frühen Phase kann dieses ebenfalls noch im Normbereich liegen, deshalb ist
eine Troponin-Kontrolle nach 3 Stunden wichtig.
Die Symptomatik wird durch eine mindestens 30 Minuten lang andauernde, auf
Nitrat-Gabe nicht reagierende Ruhe-Angina pectoris charakterisiert, welche durch
Symptome einer akuten Herzinsuffizienz (Dyspnoe, Lungenödem) und durch vegetative
Symptome begleitet werden kann (Schwitzen, Übelkeit, Erbrechen bei inferiorem
Myokardinfarkt, Tachykardie durch sympathische Aktivierung, Bradykardie (VagusAktivierung), Todesangst.
Auf Grund der EKG-Auffälligkeiten werden die folgenden Typen unterschieden:
5.1.3. ST-Hebungs-Myokardinfarkt (STEMI)
Der STEMI wird durch vollständige Okklusion einer großen subepikardialen
Koronararterie verursacht, mit der Konsequenz einer auf die ganze Wanddicke sich
erstreckenden (transmuralen) Nekrose. In mehreren, auf den gleichen Myokardbereich
gerichteten EKG-Ableitungen werden 0,1 mV übersteigende ST-Hebungen gefunden. Ein
neu entstehender Linksschenkelblock soll als Zeichen eines STEMI interpretiert werden.
Die Diagnose eines STEMI kann auf Grund des klinischen Bildes und des EKG aufgestellt
werden, man darf nicht auf die Bestimmung der Troponin-Kinetik warten, mit der Therapie
muss sofort begonnen werden!
5.1.4. Nicht-ST-Hebungs-Myokardinfarkt (NSTEMI, NSTE-ACS)
Im EKG sind keine ST-Hebungen zu finden, ST-Senkungen und T-Auffälligkeiten
sind möglich, aber nicht zwingend notwendig. Die Diagnose kann auf Grund der NekroseEnzyme aufgestellt werden. Eine geringfügige Durchblutung des betroffenen Bereiches
bleibt bei NSTEMI erhalten, die Nekrose erstreckt sich nicht auf den ganzen betroffenen
Bereich, die subendokardiale Region wird in der ersten Linie beschädigt. Mögliche
Mechanismen:
- Verschluss eines kleinen Koronarastes
- partieller Verschluss eines großen Koronarastes
- Verschluss eines großen subepikardialen Koronarastes bei gut entwickelter kollateraler
Durchblutung des betroffenen Bereichs
- Bei fortgeschrittenen Stenosen auftretende schwerwiegende, spontan nicht reversible
Schädigung des Herzens, z.B. durch Blutung, Schock, extreme Tachyarrhythmie.
5.2. Stabile koronare Herzerkrankung:
In der stabilen koronaren Herzerkrankung können transiente, spontan reversible, mit
der Gefahr einer Myokardnekrose nicht einhergehende Angina-Episoden, bzw. eine
langsame Beeinträchtigung der Herzfunktion vorkommen. Die schwerwiegenden
Komplikationen sind viel seltener, daher sind akute Diagnostik bzw. notfallmäßige
Versorgung nicht notwendig. Die Prognose ist gut, die Jahresmortalität beträgt 0,9-1,4%.
Falls Zeichen einer Instabilität auftreten, muss entsprechend einem akuten Koronarsyndrom
vorgegangen werden. Das jährliche Vorkommen des Myokardinfarktes ist 0,5-2,6% in
dieser Population.
Das Leitsymptom ist die Angina pectoris, welche einen thorakalen Dyskomfort, bzw.
einen thorakalen Druck, ein thorakales Brennen oder einen Schmerz bedeutet. Meistens
kommt sie in der retrosternaler Lokalisation vor, strahlt in den linken Arm, selten in den
Unterkiefer, in den Hals, in die Zähne aus. In schweren Fällen kann sie mit Dyspnoe,
Schwäche, Übelkeit und Unruhe einhergehen. Im Alltag wird sie durch körperliche
Belastung, emotionalen Stress, das Einatmen von kalter Luft, schwer verdauliche Speisen
provoziert, sie kann beim morgendlichen Aufstehen vorkommen, und sie kann ebenfalls
durch die vorher erwähnten pathophysiologischen Faktoren provoziert oder verschlechtert
werden. Die Angina-Schwelle kann bei der gleichen Person auch unterschiedlich sein. Der
Schmerz dauert selten länger als 10-15 Minuten, verbessert sich oder verschwindet in der
Ruhe, oder bei Nitrat-Gabe.
I.
Typische Angina pectoris wird festgestellt, falls die drei Hauptmerkmale des
Schmerzes (Charakter, Provozierbarkeit, Verschwinden) den oben genannten
entspricht.
So ist es bei der stabilen Angina pectoris (Heberden-Angina), vor dem
Hintergrund einer atherosklerotischen chronischen Koronargefäßstenose, welche die
myokardiale Durchblutung bei Belastung insuffizient macht.
Im typischen Fall verursachen immer die gleich intensiven Belastungen Angina, das
Auftreten, die Dauer, der Charakter, die Lokalisierung und das Aufhören der
Beschwerden sind vorhersagbar.
II. Untypische Angina ist eine Angina pectoris, welche nur zwei von den drei
Hauptmerkmalen der typischen Angina pectoris aufweist.
Bei der mikrovaskulären Angina pectoris ist der Schmerz in der Regel
belastungsabhängig, aber die Intensität korreliert nicht unbedingt mit dem Grad der
Belastung, häufig tritt sie verspätet, nach der Belastung auf. Häufig ist sie intensiver
und länger als die stabile Angina pectoris und ihre Dauer kann auch 30 Minuten
übersteigen. Die Reaktion auf Nitrat ist vermindert. Die Ursache ist die Erkrankung der
kleinen Gefäße, erhöhter vaskulärer Tonus, Gefäßspasmus ohne sichtbare
pathologische Auffälligkeiten an den großen Gefäßen.
Bei der vasospastischen Angina pectoris ist der Charakter der Schmerzen
typisch, aber sie werden gewöhnlich nicht durch Belastung provoziert, sie können auch
in der Ruhe auftreten. Sie fängt mit leichtem Schmerz an, verstärkt sich innerhalb von
einigen bis 15 Minuten langer, dann wird die Intensität stabil, und später verschwindet.
Die Reaktion auf Nitrat ist meistens gut. Die Ischämie wird durch eine durch
Vasospasmus verursachte dynamische Stenose ausgelöst. Die atherosklerotische
Stenose in sich ist nicht bedeutend, aber der Vasospasmus tritt meistens in der
Umgebung einer atherosklerotischen Plaque, seltener in einem intakten Gefäß auf.
Ein besonderer Typ ist die Prinzmetal-Angina (Engl.: variant angina), bei der
der Spasmus ein großes, epikardiales Gefäß betrifft, mit transienter transmuraler
Ischämie und mit ST-Hebungen. Die Beschwerden treten nachts, zur gleichen
Tageszeit, in der Ruhe auf und werden selten durch Belastung provoziert. Die Dauer
der Beschwerden kann länger sein als bei der stabilen Angina pectoris, und die
Reaktion der Patienten auf Nitrat-Gabe ist unterschiedlich. Häufig wird sie durch
Migräne-Beschwerden oder durch Raynaud-Phänomen begleitet.
III. Falls der Thoraxschmerz nur einem oder keinem der drei Hauptmerkmalen entspricht,
wird der Schmerz als nichtanginöser Schmerz bezeichnet und die Ursache ist häufig
extrakardial. Ein breites Spektrum kardialer, pulmonaler, mediastinaler,
muskuloskeletaler und gastrointestinaler Krankheitsbilder können solche thorakalen
Beschwerden verursachen.
IV. Bei Patienten mit Neuropathie, Diabetes mellitus oder bei älteren Personen ist nicht der
Schmerz das Leitsymptom der ischämischen Periode (er kann mild sein oder sogar
gänzlich fehlen), sondern es können sonstige Begleitsymptome der Myokardischämie,
wie z.B. Dyspnoe, Schwäche dominieren. Bei solchen zur Stummen Myokardischämie
(silent ischemia) neigenden Patienten können die vorher erwähnten Symptome für
Angina-Äquivalenten gehalten werden.
Gelegentlich werden die Leitsymptome der stabilen koronaren Herzerkrankung nicht
durch Angina pectoris, sondern durch anderweitige Konsequenzen der koronaren
Herzerkrankung geprägt.
1.
2.
Eine chronische Herzinsuffizienz kann sich durch die Beeinträchtigung der
Pumpfunktion bei einem Zustand nach abgelaufenem ausgedehntem Myokardinfarkt,
nach linksventrikulärer Aneurysmenbildung, bei hibernierendem Myokard und bei
Papillarmuskelschaden und dadurch entstehender Mitralklappenregurgitation
herausbilden.
Eine großflächige myokardiale Ischämie oder Ischämie des noch funktionierenden
Myokardbereiches, bzw. Papillarmuskeldysfunktion können bei einer globalen
3.
4.
5.
Ischämie oder bei einer schon anamnestisch verringerten linksventrikulären Funktion
akute Linksherzinsuffizienz auslösen.
Die Auswirkung der akuten Ischämie kann durch Stunning verlängert werden, kann als
„low output heart failure” eine Ermüdbarkeit des Patienten verursachen.
Wie früher schon erwähnt, können während der Angina-Episoden, oder davon
unabhängig, transiente oder chronische Herzrhythmusstörungen auftreten.
Als berechtigt am meisten gefürchtete Komplikation kann ein plötzlicher Herztod
durch
maligne
ventrikuläre
Rhythmusstörungen
(Kammertachykardie,
Kammerflimmern), durch akute bradykarde Rhythmusstörungen (Sinus-Arrest,
höhergradiger AV-Block) oder durch akute Herzinsuffizienz eintreten.
Über den oben erwähnten hinaus werden folgende Patienten ebenfalls als stabile Koronare
Herzerkrankung-Patienten betrachtet:
- Patienten nach dem Ablauf eines Myokardinfarktes
- Patienten, bei denen durch Revaskularisation oder durch medikamentöse Behandlung
eine Beschwerdefreiheit erreicht wurde
- symptomfreie Personen, bei denen lediglich durch Untersuchungsergebnisse das
Bestehen einer Ruheischämie, einer belastungsinduzierten Ischämie oder einer
signifikanten Koronarstenose nachgewiesen wurde.
6. Diagnostik der koronaren Herzerkrankung
6.1. Anamnese
Das Vorbestehen einer koronaren Herzerkrankung bzw. eines anamnestischen
Myokardinfarktes, frühere ausführliche kardiologische Untersuchungen, frühere perkutane
Koronarinterventionen, Herzoperationen müssen erörtert werden. Wichtig ist die
Zuverlässigkeit der Informationen zu prüfen (viele meinen einen „auf dem Fuße
ausgetragenen Myokardinfarkt“ erlitten zu haben, ohne eine entsprechende Diagnostik
bzw. adäquate Therapie).
Die Risikofaktoren sollen aufgedeckt werden (wie Rauchen, arterielle Hypertonie, Diabetes
mellitus, Dyslipidämie, Adipositas, familiäre Häufung, Stroke, periphere arterielle
Verschlusskrankheit, bewegungsarmer Lebensstil, Stress).
6.2. Beschwerden
Der Charakter, die Häufigkeit, die provozierenden und lindernden Faktoren der
thorakalen Beschwerden sollen erfragt werden. Entsprechen die Beschwerden einer
typischen, untypischen Angina oder einem nichtanginösen Thoraxschmerz? Gibt es
Hinweise auf eine Instabilität? Liegen Dyspnoe, Ermüdbarkeit, Angina-Äquivalenten oder
auf eine Herzinsuffizienz hindeutende sonstige Beschwerden vor? Gab es
Herzrhythmusstörungen (unregelmäßige, frequente spürbare Herztätigkeit; schnell,
langsam oder irregulär gefundener Puls)? Bei einem nichtanginösen Schmerz sollen gezielt
differentialdiagnostische Fragen gestellt werden.
Zur Beurteilung des Schweregrades und zur Klassifizierung der Angina pectoris
werden die funktionellen Klassen der Kanadischen Kardiovaskulären Gesellschaft
(Canadian Cardiovascular Society) verwendet:
CCS I.
Die alltägliche Aktivität verursacht keine Angina-Beschwerden, nur abrupte oder
große Belastungen.
CCS II.
Die gewöhnliche alltägliche Aktivität ist geringfügig eingeschränkt. Schnelles
Gehen, Treppensteigen, ein Stockwerk Steigung, postprandiale Bewegungen
lösen Angina aus.
CCS III Die gewohnte körperliche Aktivität beträchtlich eingeschränkt. Gehen im
normalen Tempo, oder langsames Bergauf-Gehen, bzw. Spaziergang auf der
Ebene verursachen Beschwerden.
CCS IV. Jegliche körperliche Aktivitäten verursachen thorakale Schmerzen, Angina bei
der geringsten Belastung oder in der Ruhe.
6.3. Körperliche Untersuchung
Es gibt keine für die koronare Herzerkrankung typischen Auffälligkeiten. In manchen
Fällen können das während einer Angina mit Papillarmuskelischämie vorübergehend
auftretende Geräusch einer Mitralklappeninsuffizienz, die Lungenstauung oder der
Galloprhythmus bei akuter Herzinsuffizienz auskultiert werden. Auf die Symptome der
Risikofaktoren und der Angina-provozierenden Faktoren muss fokussiert werden (Zeichen
einer Adipositas, einer arteriellen Hypertonie, von Herzrhythmusstörungen, einer
Herzinsuffizienz, evtl. fehlende periphere arterielle Pulse, Strömungsgeräusch, KnöchelArm-Index, Zeichen einer Anämie, Schilddrüsenknoten, Fieber).
6.4. Laboratorische und biochemische Untersuchungen
Biochemische Untersuchungen sind zur Diagnostik der koronaren Herzerkrankung
primär nicht geeignet. Die Nekroseenzyme – Troponin-T und -I, Kreatin-Kinase, GOT,
LDH – sind zur Bestätigung der Diagnose Myokardinfarkt, zur Bestimmung des akuten
oder subakuten Stadiums, zur Beobachtung des Verlaufs, zur Erkennung eines Reinfarktes
geeignet. Sie werden bei Verdacht auf die Instabilität der koronaren Herzerkrankung
untersucht. Die Kontrolle sonstiger Laborparameter dient zur Erkennung der
Risikofaktoren, zur Bestimmung der Wirksamkeit und der Nebenwirkungen der Therapie,
zur Identifizierung der Ischämie-provozierenden sonstigen Faktoren:
-
-
-
-
Elektrolyten: K, (Na), (Mg): Die Ionenstörungen können eine breite Palette der
Herzrhythmusstörungen verursachen. Bei Hypokaliämie und bei Hypomagnesiämie
treten primär Tachykardien und ektope Reizbildung, bei Hyperkaliämie bradykarde
Rhythmusstörungen und Erregungsleitungsstörungen auf. Zahlreiche kardiologische
Medikamente beeinflussen den Spiegel der Elektrolyten (Furosemid und ThiazidDiuretika senken den Kaliumspiegel, Spironolakton und Kaliumsupplementation
erhöhen das Kalium), und brauchen so eine regelmäßige Kontrolle.
Nierenfunktion (Harnstoff, Kreatinin, GFR): Die Niereninsuffizienz zählt zu den
kardialen Risikofaktoren. Eine Herzinsuffizienz kann die Beeinträchtigung der
Nierenfunktion verursachen. Mehrere Medikamente können die Nierenfunktion
verschlechtern (Spironolakton, ACE-Hemmer, ARB, übertriebene diuretische
Therapie), manche Medikamente sind bei Niereninsuffizienz kontraindiziert
(Spironolakton) oder eine Dosisreduktion kann erforderlich sein (LMWH, NOAK).
Leberfunktion (GOT, GPT, LDH): Auch nicht spezifische Nekroseenzyme können auf
Leberstauung hindeuten. Zahlreiche Medikamente (wie z.B. Statine, Amiodaron)
können hepatotoxische Wirkung haben.
Blutbild: Akute Infektion, Anämie, Polyzythämie (Hyperviskosität) können Ischämie
provozieren.
Kohlenhydratmetabolismus (Plasma Glukose, HBA1C, oraler Glukosetoleranztest): Zur
Erkennung eines Diabetes mellitus, bzw. zur Beurteilung der Therapiewirksamkeit, zur
Erkennung einer Hypoglykämie.
-
-
Lipide (Gesamt-, HDL-, LDL-Cholesterin, Triglyceride): Zur Erkennung einer
Dyslipidämie, zur Beurteilung der Wirksamkeit der Therapie.
Schilddrüsenfunktion (TSH, T3, T4): Hyperthyreose kann Rhythmusstörungen und eine
Kreislauf-Hyperkinesie verursachen. Hypothyreose kann zur beschleunigten
Atherosklerose führen.
BNP/NT-ProBNP: Marker der Herzinsuffizienz, bieten differentialdiagnostische Hilfe.
6.5. Gerätediagnostik
Die anatomischen bildgebenden Verfahren lassen durch Darstellung der großen
Koronargefäße auf das Ausmaß der Stenosierung und auf den erwarteten Schweregrad der
Erkrankung rückschließen. Mit ihrer Hilfe können die großen Wiederstand bedeutenden
kritischen Stenosen identifiziert werden, und zum Ziel einer Revaskularisierungstherapie
werden.
Die funktionellen Untersuchungen geben über das Ausmaß der Durchblutung, über
die Perfusion des Gewebes, über die elektrische und mechanische Dysfunktion des
Myokards Information. In den meisten Fällen ist die Sauerstoffzufuhr in der Lage, dem
Ruhe-Sauerstoffbedarf nachzukommen, eine Ischämie kommt nur bei steigendem Bedarf
zustande. Die funktionellen Untersuchungen können auch bei Belastung durchgeführt
werden, in Situationen, wo die Ischämie unter kontrollierten Verhältnissen provoziert und
festgehalten wird.
I.
Der Sauerstoffbedarf wird durch körperliche Belastung bei Bewegung erhöht.
Unterschiedliche Laufband- oder Fahrrad-Belastungsprotokolle existieren (seltener
auch Arm-Ergometer), durch die die Leistung des Patienten unter Belastung
eingeschätzt werden kann. Auf dieser Weise sind auch die physiologischen
Veränderungen während der Alltagstätigkeiten besser modellierbar, die Leistung und
sonstige physiologische Reaktionen (Blutdruck- und Pulsveränderungen) des Körpers
unter Belastung des Patienten besser messbar.
II. Bei einem Teil der Patienten kann eine körperliche Belastung durch Behinderungen,
Kooperationsschwierigkeiten oder durch niedrige subjektive Belastbarkeit nicht
durchgeführt werden, oder die notwendige Belastungsstufe nicht erreicht werden. In
anderen Fällen erlauben die Untersuchungsmethode oder die Untersuchungsumstände
keine intensive körperliche Bewegung. In solchen Situationen können
pharmakologische Belastungsmethoden verwendet werden.
Dobutamin ist eine positiv-chronotrope und -inotrope Substanz, erhöht die Arbeit
und den Sauerstoffbedarf des Myokards.
Dipyridamol und Adenosin haben Vasodilatator-Eigenschaften, und können durch
den vorher erwähnten Steal-Effekt Ischämie provozieren.
Die durch Belastungstests provozierte Ischämie kann, wenn auch mit geringer
Wahrscheinlichkeit (ca. 0,5-25/10000 Untersuchungen), zu lebensbedrohlichen
Rhythmusstörungen, oder fatalen Komplikationen führen, deshalb dürfen solche Tests
lediglich unter geeigneter Aufsicht, mit Defibrillatoren- und Reanimationsbereitschaft
durchgeführt werden.
6.5.1. EKG-Untersuchungen
Die durch Ischämie ausgelösten Repolarisations- und Depolarisationsstörungen, die
Schädigung der Reizbildungs- und Erregungsleitungssysteme können mittels EKG
detektiert werden. Die folgenden können auf eine Ischämie deuten, ihr Auftreten findet
aber nicht zwingend statt, ähnliche Veränderungen können auch durch andere Ursachen
herbeigeführt werden. Die Veränderungen in den spezifischen Ableitungen des 12Ableitung-EKGs können Hinweise auf die Lokalisation der Ischämie geben.
ST-Hebung: transmurale Ischämie, Aneurysma
ST-Senkung: subendokardiale Ischämie
Koronar-T-Welle (symmetrisch-negative T-Welle): Ischämie, abgelaufener Infarkt,
Wellen-Syndrom (tief negative T-Welle in V2-V3, Zeichen einer schwerwiegenden,
mit Okklusion drohender RIVA-Stenose)
T-Pseudonormalisierung: frühere Koronar-T-Wellen im Ruhe-EKG können sich bei
Ischämie ins Positive aufrichten
flache Ts
hyperakute T-Wellen (breitbasigere, leicht asymmetrische, hohe, gespitzte T-Wellen):
kann erstes Zeichen eines STEMI oder einer Prinzmetal Angina sein
pathologische Q-Welle: abgelaufener oder gerade ablaufender transmuraler Infarkt
R-Reduktion, nicht ausreichende R-Progression: nicht transmuraler Infarkt
Linksschenkelblock
- bei neu auftretendem Linksschenkelblock muss der Myokardinfarkt als STHebungs-Myokardinfarkt betrachtet werden
- die Q-Welle und die ST-T-Strecke können bei Linksschenkelblock nicht bewertet
werden, aber
- die Ausrichtung der ST-T-Strecke ist derer des QRS gegengesetzt (typischerweise
negative QRS-Hauptschwingung mit ST-Hebungen und positiven T-Wellen in V1,
negative QRS-Hauptschwingung mit ST-Senkung und mit negativen T-Wellen in
V6. Falls dieses Verhältnis des QRS und der ST-T umkippt, oder eine bedeutende
ST-T-Verschiebung sichtbar ist, besteht ein Verdacht auf Ischämie.
QRS-Morphologie, Verschiebung der frontalen QRS-Achse
Gehäufte ventrikuläre Extrasystolen, gekoppelte VES, nicht anhaltende ventrikuläre
Tachykardie, anhaltende ventrikuläre Tachykardie, Kammerflimmern
Vorhofflimmern
Sick-Sinus-Syndrom, AV-Blöcke
6.5.1.1. Ruhe-EKG
Bei allen Patienten mit Verdacht auf koronare Atherosklerose, soll ein 12-AbleitungRuhe-EKG durchgeführt werden. Das EKG soll, falls zur Verfügung steht, mit einem
früheren EKG verglichen werden. Das Ruhe-EKG bedeutet eine Referenz für den
Vergleich bei der Interpretation des EKGs bei Beschwerden bzw. bei Belastung, und für
die Verlaufskontrolle.
6.5.1.2. Belastungs-EKG
Die Ergometrie ist der häufigste Belastungstest. Bei dem am häufigsten verwendeten
Bruce-Protokoll geht bzw. läuft der Patient mit in 3 Minuten-Stufen sich erhöhender
Geschwindigkeit und Steigung. Die Untersuchung ist symptomlimitiert, wird nicht nur bis
zu einer vordefinierten Belastungsstufe, sondern in einem idealen Fall bis zur Grenze der
Leistungsfähigkeit (oder bis zur Grenze der Kooperation) der Person fortgeführt. Falls die
Fortführung gefährlich ist, der Patient durch eine muskuloskeletale Ursache, Claudication
oder Schwindel mit dem Laufband nicht Schritt halten kann, falls gravierende Angina
pectoris auftritt oder bedrohliche EKG-Auffälligkeiten, bzw. Zeichen einer
hämodynamischen Instabilität, oder eines extremen Blutdruckanstiegs beobachtet werden,
muss die Untersuchung abgebrochen werden.
Im Untersuchungsbefund sollen die erreichte Belastungsstufe, die Frequenz- und
Blutdruckantwort, die beobachteten Herzrhythmusstörungen, die Veränderungen der
Repolarisation erörtert werden. Eine 60-80 ms nach dem J-Punkt gemessene, bis maximal
0,1 mV (1 mm) horizontale oder deszendierende ST-Senkung in zusammenhängenden
EKG-Ableitungen, wird als signifikant gehalten. Die Auswertung wird durch eine
Signalverstärker,
die
Bewegungsund
Atmungsartefakte
herausfilternde
Aufarbeitungssoftware unterstützt, aber die Bewertung des „real-time“ EKGs bleibt
ebenfalls unentbehrlich. Insbesondere bei Kleingefäßerkrankungen kann vorkommen, dass
die Auffälligkeiten in der Erholungsphase nach der Belastung auftreten. Die bei der
Ergometrie beobachteten ST-Senkungen (im Gegensatz zu Ruhe-EKG) deuten lediglich auf
das Bestehen und nicht auf die Lokalisierung der Ischämie hin.
Die Untersuchungsmethode ist bei Auffälligkeiten der Ruhe-Repolarisation (wie z. B.
bei Linksschenkelblock, bei ventrikulärer Schrittmacherstimulation, bei WPW-Syndrom)
zur Beurteilung einer Ischämie ungeeignet, sie kann beschränkt sein, und bei einer
linksventrikulären
Hypertrophie,
Wandspannung,
bei
intraventrikulärer
Erregungsleitungsstörung, bei Elektrolytenstörungen, bei Vorhofflimmern oder bei
Digitalis-Wirkung falsch-positives Ergebnis bringen.
Falls der Patient mindestens 85% der auf Grund des Lebensalters kalkulierten
erwarteten Herzfrequenz nicht erreicht (bei Sinusrhythmus ist es 220 – Lebensalter), wird
ein unauffälliges Ergebnis bezüglich des Ausschlusses einer Ischämie nicht für konklusiv
gehalten, aber das auffällige Ergebnis ist aussagekräftig. Die antianginösen Medikamente
können das Provozieren einer Ischämie unterbinden, also falls das Ziel der Untersuchung
das Aufstellen der Diagnose einer koronaren Herzerkrankung ist, muss die Untersuchung in
einem medikamentenfreien Zustand durchgeführt werden: Beta-Blocker, Ca-Antagonisten,
Nitrate, das Trimetazidin und das Digitalis (letzteres beeinflusst die ST-Strecke) müssen
vor der Untersuchung abgesetzt werden. Falls das Ziel der Untersuchung die Beurteilung
der Therapiewirksamkeit und des klinischen Verlaufs bei einem Patienten mit bekannter
koronarer Herzerkrankung ist, müssen die Medikamente nicht abgesetzt werden.
6.5.1.3. 24-Stunden-EKG (Holter-EKG)
Mit der Verlängerung der Registrierungszeit des EKGs, mittels 24-Stunden-EKGUntersuchung können die bei Alltagsbeschäftigungen auftretenden Rhythmusstörungen und
ischämischen Perioden aufgedeckt werden. Ihre Bedeutung ist primär bei der Entdeckung
der mit Belastung weniger zusammenhängenden vasospastischen Anginen und stummen
Ischämien.
6.5.1.4. Transtelefonisches EKG
Das vereinfachte EKG-Gerät kann für eine längere Zeit dem Patienten gegeben
werden, und der Patient kann bei aktuellen Beschwerden das EKG aufzeichnen, und dieses
dann telefonisch ins Auswertungszentrum schicken. Mit Hilfe dieses EKG-s kann die
beschwerdeassoziierte Rhythmusstörung oder Repolarisationsstörung oder deren
Abwesenheit identifiziert werden.
6.5.2. Echokardiographie
Eine zweidimensionale Ruhe-Echokardiographie soll bei jedem Patienten mit
Verdacht auf koronare Herzerkrankung durchgeführt werden. Der Nachweis segmentaler
Wandbewegungsstörungen (Hypokinesie, Akinesie, paradoxe Wandbewegung) bzw. die
Verminderung der Auswurffraktion können den Hinweis für eine aktive Ischämie oder für
einen abgelaufenen Myokardinfarkt geben. Die Untersuchung kann sonstige
Auffälligkeiten (Hypertrophie, Klappenerkrankungen), die im Provozieren, in der
Verschlechterung einer Ischämie wichtige Rolle spielen, identifizieren, oder sie kann auf
den nicht-ischämischen Ursprung der thorakalen Beschwerden oder der Luftnot hinweisen.
Eine Stress-Echokardiographie kann sowohl mit körperlicher als auch mit
pharmakologischer Belastung durchgeführt werden. Durch die früher beschriebenen
Vorteile soll die körperliche Belastung bevorzugt werden, aber die Bildgebung ist
technisch komplizierter dabei. Mit solchen technischen Problemen der Bildgebung muss
bei pharmakologischen Belastungen nicht gerechnet werden. Eine pharmakologische
Belastung (primär mittels Dobutamin) wird bei bedeutenden Wandbewegungsstörungen in
der Ruhe, ebenfalls empfohlen. Die Qualität der Bildgebung kann mit Hilfe
echokardiographischer Kontrastmittel (eine Lösung mit Mikro-Luftbläschen) verbessert
werden.
Eine bei Belastung neu auftretende Wandbewegungsstörung (die Verminderung der
systolischen Wandverdickung) deutet auf eine Ischämie hin.
Mit der Anwendung von Kontrastmitteln kann neben den Wandbewegungsstörungen
auch die Gewebeperfusion beurteilt werden.
Eine diastolische Dysfunktion kann frühes Zeichen einer Ischämie sein, die neueren
Methoden, wie Gewebedoppler-Bildgebung und Untersuchung der „strain rate“
helfen in der genaueren Beurteilung.
Dobutamin-Belastung kann zur Beurteilung der Vitalität („viability“) der
akinetischen Bereichen helfen. Durch niedrigdosiertes Dobutamin in Bewegung
kommendes Wandsegment deutet auf ein vitales Myokard hin.
6.5.3. Myokardperfusionsszintigraphie
Die Patienten bekommen einen intravenösen Bolus Radionuklid, welcher sich im
Myokard perfusionsabhängig verteilt. Die Verteilung kann mittels SPECT-Methode
visualisiert werden, die Bereiche mit verminderter Aktivität deuten auf eine beschädigte
Perfusion hin. Das Radionuklid wird unmittelbar vor der Spitzenbelastung während eines
körperlichen oder medikamentösen Belastungstests verabreicht, und das so gewonnene
Bild mit dem Ruhebild verglichen. Ein permanenter, d.h. auf dem Belastungs- wie auch auf
dem Ruhebild sichtbarer Perfusionsdefekt deutet auf ein nekrotisiertes oder hibernierendes
Myokard hin. Ein transienter Perfusionsdefekt bedeutet in der Ruhe ausreichende, aber bei
Belastung insuffiziente Durchblutung.
Die Untersuchung wird in der Regel mit der Radionuklid-Verbindung 99mTc-MIBI,
welche das früher benutzte Thallium-201 ersetzt hat, durchgeführt. Durch die lange
Halbwertszeit des Thalliums ist die nützliche Aktivität bei der Bildgebung niedriger, die
Bildqualität schlechter, während dessen die Strahlenbelastung des Patienten und der
Umgebung größer ist. Weiterer Nachteil, dass nach der Verabreichung eine Redistribution
stattfindet, die Zellen der schwach perfundierten Bereiche das Isotop als Kalium-Analog zu
speichern beginnen, und deshalb das Timing der Isotopgabe und der Bildaufnahmen
kritisch ist. Durch diese Eigenschaft kann aber das Isotop Thallium das hibernierende aber
vitale Myokard darstellen, und so mit der Indikation der Vitalitätsprüfung weiter verwendet
werden.
Eine Myokardperfusionsszintigraphie kann ebenfalls mit Positronen-emittierenden
Isotopen und mit PET-Bildgebung durchgeführt werden. Die Bildqualität und der
diagnostische Wert der PET (Positronenemissionstomographie) ist besser, als die der
SPECT, aber durch die höheren Kosten und die begrenzte Verfügbarkeit wird sie meistens
nicht verwendet.
6.5.4. Herz-MRT (CMR)
Die Untersuchung ist zur Darstellung der Herzwände und der Herzhöhlen, zur
objektiveren Beurteilung der Wandbewegungen und der linksventrikulären Funktion
geeignet. In solchen Fällen, in denen mit der transthorakalen Echokardiographie die
geeignete Information nicht gewonnen werden kann (z.B. durch Besonderheiten des
Körperaufbaus, durch enges akustisches Fenster). Mit der Verwendung gadoliniumhaltiger
Kontrastmittel können die durch akuten oder früheren Infarkt nekrotisierten Bereiche,
welche das Kontrastmittel im Vergleich zu den intakten Geweben mit Latenz ansammeln,
dargestellt werden (delayed/late enhancement). Dies ist die einzige Untersuchung zur
quantitativen Beurteilung der Ausbreitung und der Transmuralität eines Myokardinfarktes,
und mit der Untersuchung der Wandbewegung kombiniert, die genaueste Methode zur
Beurteilung der Vitalität.
Die Dobutamin-CMR stellt eine Alternative der Stressechokardiographie in der
Beurteilung der neu entstehenden Wandbewegungsstörungen bei schlechter akustischer
Bedingungen dar. Die neue Methode, die Perfusions-CMR gibt Informationen über die
Blutversorgung des Gewebes, und ist damit eine Alternative der SPECT. Die theoretische
Möglichkeit für eine Koronar-MR-Angiographie ist gegeben, aber durch die schlechtere
räumliche Auflösung und die lange Untersuchungszeit wird sie nicht routinemäßig
verwendet.
Die CMR ist eine sich entwickelnde, sich zurzeit etablierende Methode, welche
multimodale Informationen über die Ischämie während einer einzigen Untersuchung geben
kann, sie wird aber durch die Kostenintensivität der Geräte leider nur im begrenzten Maße
verwendet.
6.5.5. Röntgen-Thorax
Die Röntgen-Thorax Untersuchung bietet keine unmittelbare Hilfe in der Detektion
der koronaren Herzerkrankung, aber ist in der Differentialdiagnostik der sonstigen
(pulmonalen oder muskuloskeletalen) Ursachen der Beschwerden nützlich, wie zum
Beispiel Thoraxschmerz oder Dyspnoe. Die Untersuchung wird bei jedem Patienten mit
solchen Beschwerden empfohlen.
6.5.6. Koronar-CT
Die moderne, Multidetektor-, mindestens 64-Schicht-CT-Geräte sind durch
ausreichende Geschwindigkeit und gute Auflösung zur Darstellung des Koronarsystems,
zur nicht-invasiven anatomischen Bildgebung geeignet.
Sie kann in der Differentialdiagnostik des Thoraxschmerzes und der Luftnot ebenfalls
helfen. Die „triple rule-out CT” kann die Möglichkeit einer koronaren Herzerkrankung,
einer Lungenembolie und einer Aortendissektion vor dem Hintergrund eines akuten
Thoraxschmerzes mit einer einzigen Untersuchung beurteilen.
Auch ohne Kontrastmittel kann das Ausmaß der Verkalkung der Herzkranzgefäße
(Agatson-Score) (auf Grund der Anzahl der Pixel über 130 Hounsfield-Einheiten)
dargestellt werden, welches auf die Ausbreitung der Atherosklerose hinweist, aber keine
Informationen über das Bestehen oder Fehlen signifikanter Koronarstenosen bietet.
Während einer mit Kontrastmittel durchgeführten Koronar-CT-Angiographie werden
die Gefäßwand und das Gefäßlumen dargestellt. Das Ausmaß der Stenosen kann bestimmt
werden, und die signifikanten Stenosen können identifiziert werden. Die Bildgebung
verwendet Daten mehrerer Herzzyklen und findet mit Hilfe des EKG-Gatings statt. Es ist
wichtig, dass der Patient sich nicht bewegt, und den Atem während der Untersuchung
anhalten kann. Zur Kombination der Bilddateien ist eine rhythmische, langsame
Herztätigkeit notwendig, ein Vorhofflimmern, eine bedeutende Extrasystolie, eine
Tachykardie können die Bildqualität erheblich verschlechtern (bei Bedarf kann auch ein
kurzwirksamer Beta-Blocker verwendet werden). Eine schwerwiegende Adipositas ist
ebenfalls Störfaktor der Untersuchung. Bei bedeutender Verkalkung (Agatson-Score von
über 400) der Herzkranzgefäße, nach einer Stentimplantation und bei Grafts der
Koronarbypassoperation (CABG) ist die quantitative Beurteilung der Stenosen ungenau.
6.5.7 Hybridtechniken: SPECT/CT, PET/CT, PET/CMR
Mit der Kombination mehrerer Methoden können in einer Untersuchung anatomische
und funktionelle Informationen gewonnen werden, ihre Zusammenhänge können ebenfalls
untersucht werden. (Ist die Perfusion trotz signifikanter Stenose ausreichend? Kann eine
funktionelle Auffälligkeit bei einer sonst nicht signifikanten Stenose visualisiert werden?)
Die zusätzlichen Informationen durch die kombinierte andere Methode kann auch die
Artefakte der ersten Methode herausfiltern (z.B. auf Grund des durch CT bestimmten
Thoraxaufbaus kann die in der SPECT fälschlicherweise als Perfusionsdefekt dargestellte,
durch Adipositas oder durch die Brust verursachte Strahlenabsorption korrigiert werden).
6.5.8. Koronarangiographie
Die Koronarangiographie, eine invasive anatomische bildgebende Methode, wird mit
dem Ziel der lediglichen Diagnostik nur selten verwendet. Das primäre Ziel der
Untersuchung ist die Ermessung der Notwendigkeit und der Möglichkeit einer
Revaskularisation, welche, falls möglich, in der gleichen Sitzung stattfinden kann.
Die Untersuchung wird unter Lokalanästhesie mit der Kanülierung der A. radialis
(wegen der selteneren Blutungskomplikationen wird dieser Zugang präferiert) oder der A.
femoralis durchgeführt, durch diesen Zugang wird ein Katheter eingeführt, und nach
selektiver Kanülierung der rechten und linken Koronararterie bzw. nach
Kontrastmittelgabe, werden die Herzkranzgefäße mit Röntgendurchleuchtung visualisiert.
Die anatomisch signifikanten Stenosen sind auf dem Bild identifizierbar: bei dem
Hauptstamm der linken Koronararterie bedeutet es eine 50%, bei sonstigen Koronargefäßen
eine 70% des Gefäßdurchmessers übersteigende Stenose.
Anatomisch noch nicht signifikante, aber langstreckige oder aneinanderfolgende
mehrfache Stenosen können ebenfalls erhebliche Beeinträchtigung der Durchblutung
verursachen, und hämodynamisch signifikant sein. Diese Signifikanz kann durch Messung
der FFR (fractional flow reserve), mit dem Vergleich der prästenotischen und des
poststenotischen Drucks bestätigt werden. Unter einer FFR von 0,8 wird die Stenose als
hämodynamisch signifikant betrachtet. Die Verwendung der Messung ist zunehmend
verbreitet, neuerdings werden die über 90%ige Stenosen für eindeutig signifikant gehalten,
bei Stenosen zwischen 50 und 90% wird die Messung der FFR empfohlen.
6.6. Die Strategie der Untersuchungen bei der koronaren Herzerkrankung
Ziel der Untersuchungen ist es, nicht nur die Diagnose einer koronaren
Herzerkrankung aufzustellen, sondern auch den Schweregrad der Krankheit, die
Risikostratifizierung des Patienten zu bestimmen, oder bei Kontrolle des Patienten, auch
die Effektivität der Therapie zu beurteilen.
Falls auf jeder Stufe der Untersuchungsreihe ein Verdacht auf eine Instabilität
besteht, sollen die dem akuten Koronarsyndrom entsprechende Diagnostik (Beschwerden,
EKG, Nekroseenzyme) und Therapie eingeleitet werden.
6.6.1. Die Aufstellung der Diagnose
Bei jedem Patienten mit Verdacht auf koronare Herzerkrankung sollen die Folgenden
durchgeführt werden:
- frühere Anamnese, und aktuelle Beschwerden, körperliche Untersuchung
- Blutuntersuchung zur genaueren Beurteilung der Risikofaktoren
- 12-Ableitung-EKG zum späteren Vergleich
- Ruhe-Echokardiographie
- Röntgen-Thorax bei aktuellen thorakalen Beschwerden mit differentialdiagnostischem
Ziel
Die Wahrscheinlichkeit einer koronaren Herzerkrankung kann auf Grund von
epidemiologischen Daten nach Geschlecht, Alter, Charakter der Beschwerden angegeben
werden (Pre-Test-Wahrscheinlichkeit - PTP). Durch Risikofaktoren und durch
pathologische Auffälligkeiten bei den Untersuchungen wird die Wahrscheinlichkeit weiter
erhöht.
Lebensalter
30-39
40-49
50-59
60-69
70-79
>80
Typische Angina
Untypische Angina
Mann
59
69
77
84
89
93
Mann
29
38
49
59
69
78
Frau
28
37
47
58
68
76
Frau
10
14
20
28
37
47
Nichtanginöser
Thoraxschmerz
Mann
Frau
18
5
25
8
34
12
44
17
54
24
65
32
Patienten mit typischer Angina pectoris und mit verminderter Auswurffraktion (unter
50%) haben ein hohes Risiko, eine invasive Abklärung ohne weitere nichtinvasive
Diagnostik ist indiziert.
Weiterführende Untersuchungen können helfen, die Diagnose zu bestätigen oder zu
verwerfen. Jede Untersuchung kann aber sowohl falsch-positive als auch falsch-negative
Ergebnisse bringen, welche die Aufstellung der Diagnose nachteilhaft beeinflussen.
I.
Falls schon die Pre-Test-Wahrscheinlichkeit einer koronaren Herzerkrankung hoch
(über 85%) liegt (typische Angina bei älteren Männern), haben weitere diagnostische
Untersuchungen keinen Sinn: ein positives Ergebnis trägt zur Diagnosestellung nicht
wesentlich bei, im Falle eines negativen Ergebnisses es ist wahrscheinlicher, dass ein
falsch-negatives Ergebnis vorliegt, als das Nichtbestehen einer koronaren
Herzerkrankung (Bayes-Theorem über die bedingte Wahrscheinlichkeit). Ein solcher
Patient soll für koronargefäßkrank gehalten werden. Eine Untersuchung kann zur
Risikostratifizierung und zur Gestaltung der Therapie indiziert sein.
II. Bei einer niedrigen (unter 15%) Pre-Test-Wahrscheinlichkeit (untypische Angina oder
nichtanginöser Thoraxschmerz bei jungen Frauen) ist eine koronare Herzerkrankung
nicht wahrscheinlich, keine weiteren Untersuchungen sind indiziert. Andere mögliche
Ursachen eines Thoraxschmerzes sollen erwogen werden. Bei rezidivierenden,
pektanginösen Beschwerden kann an die Möglichkeit einer funktionellen koronaren
Herzerkrankung (Vasospasmus, Kleingefäßerkrankung) gedacht werden.
III. Bei einer Pre-Test-Wahrscheinlichkeit (PTP) von 15-85% sind weitere
Untersuchungen indiziert, von den lokalen Protokollen, von den personalen und
infrastrukturellen Voraussetzungen und von den Eigenschaften des Patienten abhängig.
Die oben erwähnten Limitationen der Untersuchungen müssen berücksichtigt werden.
Körperliche Belastung bei schwer gehbehinderten Patienten, EKG-basierte
Untersuchung bei Linksschenkelblock, Stress-Echokardiographie bei schlechtem
akustischem
Fenster,
Koronar-CT
bei
Vorhofflimmern,
MRT
oder
Myokardszintigraphie bei Klaustrophobie sind keine gute Wahl.
Ergometrie ist eine verfügbare und leicht durchführbare Untersuchung. Bei einer PTP
von 15-65% und bei einem körperlich fähigen Patienten ist dies die präferierte Methode.
Durch ihre gute Spezifität und schlechtere Empfindlichkeit und die dadurch entstehenden
falsch-negativen Fälle, wird sie zu diagnostischen Zwecken bei einer PTP von 65-85% nur
dann empfohlen, wenn keine andere Methode erreichbar oder anwendbar ist.
Stress-Echokardiographie, Belastungsmyokardszintigraphie, seltener BelastungsCMR sind ebenfalls wählbare Methoden, falls die Durchführung einer Ergometrie nicht
möglich ist oder nicht empfohlen wird.
Die Koronar-CT-Angiographie besitzt einen ausgezeichneten negativen prädiktiven
Wert, und kann zum Ausschluss einer koronaren Herzerkrankung bei niedrigem bis
mittlerem Risiko (PTP 15-50%) sogar eine in erster Linie wählbare Methode darstellen. Da
aber durch die Untersuchung bei einem Agatson-Score über 400, oder bei einer fokalen
Verkalkung das Ausmaß der Stenose falsch beurteilt werden kann, wird die Untersuchung
bei höherer PTP nicht empfohlen, und zur anatomischen Bildgebung soll eine
Koronarangiographie herangezogen werden.
Ein pathologisches Ergebnis bestätigt die Diagnose der koronaren Herzerkrankung.
Falls das Ergebnis unsicher, widersprüchlich oder nicht beurteilbar ist, kann eine zweite
Untersuchung (ein Belastungstest oder eine Koronar-CT-Angiographie), oder bei Bedarf
(z.B. falls der Patient für andere Untersuchungen nicht geeignet ist) eine
Koronarangiographie auch durchgeführt werden.
6.6.2. Risikostratifizierung
Neben der Diagnosestellung helfen die oben erwähnten Untersuchungen in der
Beurteilung des Patientenrisikos, die zur Gestaltung der therapeutischen Strategie
notwendig ist.
Auf ein erhöhtes Risiko weisen bei der Ergometrie eine verminderte Belastbarkeit,
eine Angina oder eine ST-Senkung hin. Diese werden im Duke-Treadmill-Score
zusammengefasst:
Duke-Treadmill-Score = T – 5 x STmax – 4 x Angina-Index
T: Belastungsdauer in Minuten
STmax: maximale ST-Senkung in mm
Angina-Index: 0: keine Angina
1: Angina, die nicht zum Abbruch der Belastung geführt hat
2: Angina, die zum Abbruch der Belastung geführt hat
≥+5
-10 – +4
≤ -11
niedriges Risiko
mittleres Risiko
hohes Risiko
Es wird von einem hohen Risiko ausgegangen, wenn der ischämische Bereich 10%
des linksventrikulären Myokards übersteigt (10% bei der Szintigraphie, eine Erstreckung
der induzierbaren Wandbewegungsstörung auf mindestens 3 Myokardsegmente bei der
Stress-Echokardiographie oder bei der Belastungs-CMR). Niedrig ist das Risiko, falls keine
Ischämie nachweisbar ist.
Bei einer signifikanten Hauptstammstenose, proximalen RIVA-Stenose und bei einer
proximalen Dreigefäßerkrankung wird das Risiko für hoch gehalten, bei signifikanten
Stenosen sonstiger Lokalisationen ist das Risiko mittelgradig erhöht.
Das niedrige Risiko deutet auf eine Jahresmortalität unter 1%, das mittlere Risiko auf
1-3%, das hohe Risiko auf über 3% hin.
Bei der vorher erwähnten Einschätzung müssen noch sonstige Risikofaktoren und
Symptome, wie arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Rauchen, Dyslipidämie,
chronische Nierenerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Stroke, früher
abgelaufener Myokardinfarkt, Symptome einer Herzinsuffizienz, und besonders die
Intensität, die Häufigkeit der Angina pectoris, und eine schlechte Antwort auf die Therapie
berücksichtigt werden. Auf Grund dieser Faktoren kann für aggressivere diagnostische und
therapeutische Schritte entschieden werden (z.B. bei einer Auswurffraktion unter 50% und
bei typischer Angina pectoris ist eine Koronarangiographie unmittelbar indiziert).
7. Therapie der stabilen koronaren Herzerkrankung
Durch die enorme Entwicklung der medikamentösen und gerätgestützten Therapie in
den letzten Jahrzehnten, konnte die kardiovaskuläre Mortalität und die MyokardinfarktMorbidität gesenkt werden, die Symptome, die Lebensqualität und die Lebenserwartungen
verbessert werden. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die koronare Herzerkrankung
eine progressive Krankheit ist, und die Progression mit der Beseitigung der Risikofaktoren
verlangsamt werden kann. Die Behandlung der beeinflussbaren Risikofaktoren ist so in der
primären wie auch in der sekundären Prävention sehr wichtig.
7.1. Veränderung des Lebensstils
Zur effektiven Behandlung der Erkrankung müssen die Gewohnheiten und Attitüde
des Patienten bezüglich Rauchen, Ernährung, Bewegung, Medikamenteneinnahme
langfristig geändert und eine ausreichende Compliance aufrechterhalten werden.
Patientenschulung, die Krankheit, die Komplikationen, die Therapie, den Lebensstil
betreffend, ärztliche Informationsgabe, Stressbekämpfung, Aufklärung über psychosoziale
Risikofaktoren werden empfohlen, ihre Verwirklichung unter Einbeziehung weiterer
Gesundheitsfachkräfte (Pfleger, Psychologen, Diätberater) ist erwägungswert.
1.
Bei der kardiologischen Rehabilitation, der Schulung des Patienten, der Bekämpfung
der Risikofaktoren, der Optimierung der medikamentösen Therapie hinausgehend,
erfolgt die Bestimmung der körperlichen Belastbarkeit des Patienten und deren
Verbesserung unter kontrollierten Bedingungen, nach einem Trainingsplan. Es ist nicht
nur für Patienten nach einem abgelaufenen Myokardinfarkt, oder nach einer
Revaskularisation, sondern für alle, unter chronischer Angina pectoris leidenden
Patienten empfehlenswert.
2.
Rauchen: Das Rauchen ist wohl der aggressivste, aber am einfachsten bekämpfbare
Risikofaktor, sein endgültiges und vollständiges Absetzen ist von grundlegender
Bedeutung. Alle rauchenden Patienten sollen zum Abgewöhnen motiviert, zur
Beratung geschickt werden, bis hin zum Anbieten einer medikamentösen Hilfe
(Bupropion, Vareniclin) zum Erreichen der Nikotinkarenz. Eine NikotinersatzTherapie ist verwendbar und sicher. Das passive Rauchen soll ebenfalls vermieden
werden.
3.
Diät: Eine geeignete Diät hilft in der Gewichtsreduktion, in der Optimierung des
Lipidprofils bzw. des Kohlenhydrathaushalts und auch in der Blutdrucksenkung. Die
Energieaufnahme soll den Anforderungen entsprechen, die das Erreichen eines
optimalen Gewichts erzielen. Höchstens 10% sollen von gesättigten Fettsäuren
repräsentiert werden, mehrfach ungesättigte Fettsäuren sollen bevorzugt werden. Als
geeignete Quelle werden wöchentlich zwei Fischmahlzeiten empfohlen. Gesättigte
Trans-Fettsäuren sollen auf die kleinstmögliche Menge reduziert werden, möglichst
auf unter 1%. Die tägliche Salzzufuhr soll 5 g nicht übersteigen. Eine tägliche
Aufnahme von 30-45 g Ballaststoffen, in Form von Vollkornprodukten, Gemüse und
Obst wird empfohlen. Gemüse und Obst sollen täglich 2-3 Mal verzehrt werden. Einer
mediterranen Diät zu folgen, Olivenöl extra vergine zu verwenden und Ölsaaten zu
verzehren, ist vorteilhaft. Mäßiger Alkoholkonsum, insbesondere in Form vom
Rotwein ist von Vorteil, aber bei Männern sollte er die 20 g (2 Gläser) und bei Frauen
die 10 g (1 Glas) Tagesmenge nicht übersteigen.
4.
Körperliche Aktivität: eine regelmäßige körperliche Aktivität hilft in der
Gewichtsreduktion, verbessert die Dyslipidämie, kann die Insulinunabhängige
Glukoseaufnahme fördern, reduziert den Blutdruck, erhöht die Belastungstoleranz.
Mindestens wöchentlich 3 aerobe Aktivitäten je 30 Minuten, von mittlerer Intensität
werden empfohlen. Bei Patienten mit sitzender beruflicher Tätigkeit, wird die
Einleitung eines Trainingsprogramms niedriger Intensität empfohlen. Bei Patienten mit
abgelaufenem Myokardinfarkt, mit durchgemachter PCI, CABG, mit stabiler Angina
pectoris oder mit chronischer Herzinsuffizienz kann die sichere Belastungsstufe auf
Grund kontrollierter Belastungstests (z.B. Ergometrie) bestimmt werden.
Die sexuelle Aktivität als körperliche Belastung entspricht ca. 6 MET, aber der
Blutdruck- und Pulsanstieg kann im Verhältnis größer sein. Bei Koronargefäßkranken
kann Angina provoziert werden, mit einer Nitratgabe vor der sexuellen Aktivität kann
sie gelindert oder vorgebeugt werden. Bei Herzinsuffizienz, bei Angina pectoris kann
eine vorhergehende Bestimmung der sicheren körperlichen Belastungstoleranz
notwendig sein. Die Gefäßerkrankung wird häufig durch erektile Dysfunktion
begleitet, in solchen Fällen können die PDE5-Hemmer Potenzsteiger (Sildenafil,
Tadalafil, Vardenafil) meistens gut verwendet werden. Sie werden bei hypotensiven
Patienten, in den Stadien NYHA III-IV, nach kürzlich abgelaufenem kardiovaskulärem
Ereignis und bei einer refraktären Angina nicht empfohlen. Ihre Nutzung ist bei
gleichzeitiger Nitrattherapie streng kontraindiziert, da ihre synergistische Wirkung
schwere Hypotonie verursachen kann. Bei Patienten mit PDE5-Hemmer-Behandlung
dürfen Nitrate bis zur vollständigen Ausscheidung des Medikamentes (24-48 Stunden)
nicht gegeben werden.
5.
Gewichtsreduktion: Die Annäherung an ein ideales Körpergewicht beeinflusst den
Blutdruck, die Dyslipidämie und den Kohlenhydratmetabolismus vorteilhaft. Eine
Gewichtsabnahme wird bei übergewichtigen und adipösen Patienten empfohlen. Das
Ziel ist das Erreichen und das Aufrechterhalten eines Gewichts im BMI-Bereich von
20-25 kg/m2, eines Taillenumfangs unter 80 cm bei Frauen und unter 94 cm bei
Männern.
6.
Lipideinstellung: Die Senkung des LDL-Cholesterins unter den Zielwert von 1,8
mmol/l, oder auf mindestens 50% des Ausgangswertes wird empfohlen. Eine
bedeutende Hypertriglyceridämie soll ebenfalls behandelt werden. Falls mittels
Statintherapie das Ziel nicht erreicht werden kann, kann eine ergänzende Therapie (wie
Ezetimib, Fibrate, Nikotinsäure) verwendet werden. Bei Patienten unmittelbar vor
einer PCI wird vor dem Eingriff eine hochdosierte Statintherapie empfohlen.
7.
Blutdruckeinstellung: Im Allgemeinen kann ein systolischer Wert von unter 140
mmHg und ein diastolischer Wert unter 90 mmHg als Ziel gesetzt werden, in der
diabetischen Population wird ein Zielblutdruck unter 140/85 mmHg empfohlen. In
erster Linie werden die im weiteren ausführlich erklärten, das Überleben
verbessernden und antianginöse Wirkung besitzenden Medikamente empfohlen (ACEHemmer / ARB, Beta-Blocker, Ca-Kanal-Blocker).
8.
Einstellung des Diabetes mellitus und des Kohlenhydratmetabolismus: Eine gute
glykämische Einstellung ist von grundlegender Wichtigkeit. Ziel ist ein stabiles
HbA1C unter 7% (6,5-6,9%). Bei guter Toleranz sollen ACE-Hemmer und BetaBlocker als Nierenschutz gegeben werden.
9.
Psychosoziale Faktoren: Bei klinisch relevanten depressiven oder AngstSymptomatik, bzw. bei Hostilität kommt die Einbeziehung eines Psychologen oder
Psychiater, eine psychotherapeutische Behandlung in Frage, und eine medikamentöse
Therapie ist erwägenswert.
10. Grippeschutzimpfung wird bei Koronargefäßkranken, insbesondere bei älteren
Patienten jährlich empfohlen.
11. Hormonersatztherapie: Auf Grund epidemiologischer Daten wurde eine protektive
Wirkung des Östrogens vermutet, aber in großen multizentrischen Studien über eine
Hormonersatztherapie bei Frauen über 60 Jahren konnte keine Verbesserung, sondern
eine Verschlechterung der Mortalität nachgewiesen werden. Eine präventive
Hormonersatztherapie ist kontraindiziert.
7.2. Medikamentöse Behandlung
Die medikamentöse Behandlung der stabilen koronaren Herzerkrankung hat zwei
Ziele: einerseits die Verbesserung der Prognose durch die Vorbeugung des
Myokardinfarktes und der kardialen Mortalität, andererseits die Verbesserung der
Lebensqualität durch die Senkung der Intensität und der Häufigkeit der Beschwerden.
7.2.1. Antianginöse Medikamente
Die antianginösen und antiischämischen Medikamente senken den Sauerstoffbedarf
oder verbessern die Perfusion des Myokards.
I.
Nitrate sind die schon seit längstem verwendeten wirksamen Mittel. Als NODonatoren erweitern sie die Herzkranzgefäße, lösen den Vasospasmus, verbessern die
Perfusion. Durch ihre Preload- und Afterload-senkende Wirkung verringern sie den
Sauerstoffbedarf des Myokards.
Kurzwirksame sublinguale Nitratpräparate werden zur sofortigen Linderung einer
Belastungs- oder vasospastischen Angina, oder zur Prävention einer erwarteten Angina
(z.B. vor der sexuellen Aktivität) verwendet. Am häufigsten werden Nitroglyzerin (0,30,6 mg/Stoß in 5-Minuten-Abständen, bis maximal 1,2 mg) und Isosorbiddinitrat (5
mg) benutzt.
Ziel der Verwendung langwirksamer Nitrate ist die Vorbeugung der AnginaEpisoden. Eine anhaltende und kontinuierliche Anwendung führt zur Toleranz, deshalb
wird eine Medikamentenpause von mindestens täglich 10-12 Stunden empfohlen.
Hierhin gehören Isosorbidmononitrat, Isosorbiddinitrat, und das transdermal
verwendete Nitroglycerin.
Häufigste Nebenwirkungen sind arterielle Hypotonie und Kopfschmerzen. Sie
dürfen mit PDE5-Hemmer Potenzsteigern nicht zusammen gegeben werden. Vorsicht
wird geboten bei der Anwendung schnellwirksamer Nitrate bei einer das
Minutenvolumen limitierenden Aortenklappenstenose, bei einer hypertrophobstruktiven Kardiomyopathie, weil durch einen Ganzkörper-Steal eine zerebrale
Perfusionsminderung bzw. Kollaps herbeigeführt werden kann.
II. Beta-Blocker vermindern den Sauerstoffbedarf des Herzens durch ihre negativinotrope und –chronotrope Wirkung, verbessern die Sauerstoffversorgung des Herzens
durch eine verlängerte diastolische Perfusionszeit. Sie sind nicht nur antianginöse
Mittel, sondern senken auch die Mortalität, wobei ihre antiarrhythmische Wirkung
ebenfalls eine Rolle spielt. Bei Postinfarktpatienten und bei Patienten mit
Herzinsuffizienz ist die Anwendung bei fehlender Kontraindikation obligatorisch, sie
sind Medikamente der ersten Wahl, aber sie können bei allen Herzkranzgefäßpatienten
empfohlen werden.
Die am häufigsten verwendeten Vertreter dieser Gruppe sind Metoprolol,
Atenolol, Bisoprolol, Nebivolol und das Carvedilol. Von einer niedrigen Dosis
angefangen sollen Beta-Blocker bis zur tolerierbaren Grenze auftitriert werden. Der
erwünschte Zielwert der Herzfrequenz bei der stabilen koronaren Herzerkrankung
beträgt ca. 55-60/Minute, bei schwereren Angina Beschwerden kann sogar bis unter
50/min gesenkt werden, falls die Bradykardie keine Beschwerden verursacht, bzw.
falls kein AV-Block entsteht.
Nebenwirkungen: Beta-Blocker können durch die Erhöhung des vaskulären Tonus
die Symptome einer vasospastischen Angina oder einer schwerwiegenden
Extremitäten-Ischämie verschlechtern, in solchen Situationen kann das eine zusätzliche
direkte Vasodilatatoren Eigenschaft aufweisende Nebivolol angewandt werden. Bei
COPD oder Asthma kann der Bronchospasmus erschwert werden, durch die
Verwendung selektiverer Mittel (z.B. Nebivolol) kann dies beseitigt werden. Sie
können Bradykardie, AV-Block verursachen, bei einer Kombination mit sonstigen
bradykardisierenden Mitteln wird Vorsicht geboten. Kalte-Extremitäten-Syndrom,
Ermüdbarkeit, Depression, und sexuelle Dysfunktion können ebenfalls selten
vorkommen.
III. Die Kalziumkanal-Blocker (CCB) erweitern die Koronarien, öffnen die
Kollateralgefäße, verbessern die Blutversorgung des ischämischen Bereiches. Sie
senken den Blutdruck, den Afterload, und so auch den Sauerstoffbedarf des Myokards.
Die Dihydropyridin-Kalziumkanal-Blocker (Nifedipin, Amlodipin, Lercanidipin,
Felodipin, Lacidipin) wirken auf die glatte Muskulatur der Gefäße, sie
beeinflussen das Myokard nicht wesentlich.
Die Nicht-Dihydropyridin Kalziumkanal-Blocker (Verapamil, Diltiazem) wirken
zusätzlich auf Gefäße, auch auf die Kalziumkanäle des Myokards. Sie weisen eine
antihypertensive und antiarrhythmische Wirkung auf. Bradykardie und AV-Block
können verursacht werden, eine Kombination mit Beta-Blocker ist kontraindiziert.
Durch ihre negativ-inotrope Wirkung sollen sie bei verminderter Auswurffraktion
nicht verwendet werden.
Häufige Nebenwirkung der Kalziumkanal-Blocker ist das Knöchelödem, welches
durch die Gabe von ACE-Hemmer vermindert werden kann.
IV. Ivabradin ein selektiver If-Kanalblocker senkt die Reizbildungsfrequenz des
Sinusknotens, bradykardisiert und damit verlängert auch die Diastole. Sonstige
Wirkungen und Nebenwirkungen sind nicht bekannt, der Blutdruck und die
Kontraktionskraft werden nicht beeinflusst. Zur Verwendung wird ausschließlich bei
Sinusrhythmus, bei einer trotz Beta-Blocker-Behandlung (oder bei Beta-Blocker
Kontraindikation) höher als 70/Min Ruhe-Herzfrequenz geraten.
V. Trimetazidin ist ein metabolisch aktives Mittel, hemmt die Fettsäurenoxidation,
verschiebt den Metabolismus in Richtung Glukose-Oxidation, welche die gleiche
Energie mit wenigerem Sauerstoffverbrauch herstellen kann, so ist es bei einer
Ischämie vorteilhaft.
VI. Ranolazin ist ein später-Natriumstrom-Hemmer, mit dem der intrazelluläre KalziumSpiegel, die Muskelkontraktion und die Wandspannung gesenkt werden. Wegen seiner
QT-verlängernden Wirkung kann es neben sonstigen, die QT-Zeit ebenso
verlängernden Medikamente nur vorsichtig gegeben werden.
VII. Nicorandil stimuliert die ATP-abhängige Kaliumkanäle, damit erweitert es die
Koronarien. Eine plaquestabilisierende Wirkung wird ebenfalls vermutet.
VIII. Molsidomin ist ein direkter NO-Donor, Vasodilatator. Eine nitratähnliche Toleranz
wurde nicht beschrieben.
7.2.2. Präventive, ein Ereignis vorbeugende Medikamente
Die Lebenserwartungen können durch die Prävention der akuten thrombotischen
Ereignisse und durch die Erhaltung der ventrikulären Funktion verbessert werden.
I.
Die Thrombozytenaggregationshemmer unterbinden die Bildung des auf der
Oberfläche einer rupturierten Plaque entstehenden, das Lumen okkludierenden
Thrombus. Sie werden in der Prävention des Myokardinfarktes, der TIA, des Strokes
und der peripheren arteriellen Verschlüsse verwendet. Als Nebenwirkung muss leider
mit einer erhöhten Blutungsgefahr gerechnet werden (Magen-Darm-, Intrakranial-,
Hautblutungen).
Die Effektivität der Thrombozytenaggregationshemmer kann mittels
laboratorischer Methoden untersucht werden, bei einer großen Anzahl der Patienten
wird eine nicht-ausreichende therapeutische Antwort beobachtet (Nonresponder).
Diese Methoden können in einigen Fällen zur Auswahl des Medikamentes beitragen,
ihre routinemäßige Anwendung hat aber die Prophylaxe der thrombotischen Ereignisse
nicht verbessert, daher werden sie nicht empfohlen.
Die Acetylsalicylsäure ist ein irreversibler Cyklooxygenase-(COX)-1-Hemmer,
durch die Hemmung der Thromboxan-A2-Synthese verhindert sie die
Thrombozytenaktivierung. Ihre kardioprotektive Wirkung wird schon bei viel
kleineren Dosen (75-150 mg/Tag) als die notwendig zur analgetischen Wirkung
sind, entfaltet, eine weitere Dosissteigerung erhöht lediglich die
Wahrscheinlichkeit der Nebenwirkungen.
Die Thienopyridine, wie Ticlopidin und Clopidogrel blockieren irreversibel den
P2Y12-Rezeptor der ADP, und hemmen die Amplifikation der
Thrombozytenaggregation. Durch seine bedeutenden Nebenwirkungen
(gastrointestinale Nebenwirkungen, Hautausschlag, Neutropenie / aplastische
Anämie / Thrombozytopenie) rückt Ticlopidin zunehmend in den Hintergrund.
Die dauerhafte Anwendung von Clopidogrel wurde gering wirksamer gefunden
als die von Acetylsalicylsäure, aber durch Kosteneffizienz und Sicherheitsprofil ist
er Mittel der zweiten Wahl, und wird bei Intoleranz oder Nichtansprechen auf
Acetylsalicylsäure empfohlen.
Prasugrel ist ein Thienopyridin der neuen Generation, er besitzt eine
zuverlässigere Pharmakokinetik als seine Vorgänger. Ticagrelor ist ebenfalls ein
neuer, reversibler ADP-Rezeptorenblocker. Beide wurden in der Behandlung und
in der sekundären Prävention von STEMI für effektiver als das Clopidogrel (wenn
auch mit mehr Blutungskomplikationen) gefunden. Ihre Nutzung ist in speziellen
Fällen des STEMI indiziert.
II. Die Beta-Blocker sind nicht nur antianginöse Mittel, sondern durch sie wird die
Mortalität ebenfalls vermindert, eine detailliertere Beschreibung siehe im
vorhergehenden Absatz.
III. Statine (Fluvastatin, Simvastatin, Atorvastatin, Rosuvastatin) haben eine pleiotrope
Wirkung: senken den Cholesterinspiegel, verlangsamen die Progression der
atherosklerotischen Plaque, und stabilisieren sie, üben eine antioxidante und
antiinflammatorische Wirkung aus. Durch die vorher Erwähnten wird ihre
Verwendung auch bei einem normalen Cholesterinspiegel empfohlen.
Zu den Nebenwirkungen gehören Myopathie, selten Rhabdomyolyse und
Leberinsuffizienz (besonders bei Hypothyreose, bei Alkoholkrankheit, bei Einnahme
von Antimykotika), weshalb eine regelmäßige Kontrolle der Leberfunktion und der
CK empfohlen wird.
IV. Die Hemmung des Renin-Angiotensin-Aldosteron Systems. Die AngiotensinConverting Enzyme (ACE)-Hemmer und die Angiotensin-Rezeptoren-Blocker (ARB)
weisen neben der Blutdruck- und Nachlastsenkung zahlreiche vorteilhafte
Eigenschaften auf (hemmen den myokardialen und vaskulären Remodelling, haben
antiproliferative / antiatherogene Wirkung, stabilisieren die Koronarplaques,
verbessern die Endothelfunktion, steigern die Fibrinolyse). Sie werden als Mittel der
ersten Wahl bei der koronaren Herzerkrankung, insbesondere bei arterieller
Hypertonie, bei Diabetes, bei Niereninsuffizienz oder bei Herzinsuffizienz mit
verminderter Auswurffraktion, empfohlen. Die Verwendung der ACE-Hemmer (z.B.
Perindopril, Ramipril, Enalapril, Captopril, Fosinopril, Quinapril) wird präferiert, sie
können bei Intoleranz (z.B. Reizhusten) mit ARBs ersetzt werden (z.B. Losartan,
Valsartan, Telmisartan, Irbesartan). Ihre Kombination mit CCBs verbessert die
Prognose weiter, eine Kombination von ACE-Hemmer und ARB geht aber mit keinen
weiteren Vorteilen einher, aber sie erhöht die Gefahr einer Niereninsuffizienz. Die
Verwendung der Mineralokortikoid-Rezeptoren-Antagonisten (Spironolakton,
Eplerenon) wird bei Postinfarktpatienten mit niedriger Auswurffraktion neben ACEHemmern und Beta-Blockern, besonders bei Symptomen eines Diabetes mellitus oder
einer Herzinsuffizienz, empfohlen.
7.2.3.
Die Strategie der medikamentösen Behandlung einer stabilen koronaren
Herzerkrankung
1.
Veränderung des Lebensstils und Behandlung der Risikofaktoren
2.
Zur Vorbeugung kardiovaskulärer Ereignisse:
- Thrombozytenaggregationshemmer: Aspirin, bei Intoleranz Clopidogrel
- Statin: Ziel ist eine LDL-Cholesterin-Senkung auf unter 1,8 mmol/l oder
mindestens auf 50% des Ausgangswertes
- ACE-Hemmer, falls bei dem Patienten arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus,
Niereninsuffizienz, früher abgelaufener Myokardinfarkt, eine unter 40%ige
Auswurffraktion oder Herzinsuffizienz vorliegt (also bei den meisten
Koronarkranken)
Zur Linderung der Angina-Symptomatik:
- bei Bedarf können kurzwirksame Nitrate verwendet werden
- als Medikamente der ersten Wahl:
o Beta-Blocker oder bradykardisierende CCB (falls der eine nicht effektiv ist,
kann auf den anderen gewechselt werden)
o Beta-Blocker und Dihydropyridin CCB kombiniert
- als Medikamente der zweiten Wahl:
o Ivabradin
o langwirksame Nitrate
o Trimetazidin
o (Nicorandil, Ranolazin: in Ungarn nicht registriert)
3.
Spezielle Situationen:
I.
Eine duale Thrombozytenaggregationshemmer-Therapie ist 1 Jahr lang nach einem
akuten Koronarsyndrom, 3-12 Monate lang nach PCI und Stentimplantation, neben
einer Standardtherapie mit Acetylsalicylsäure und mit Clopidogrel notwendig (in
speziellen Fällen kann anstatt Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor gegeben werden)
II. Mikrovaskuläre Angina:
- Beseitigung der Risikofaktoren
- bei Bedarf kurzwirksame Nitrate (meistens nur teilweise wirksam)
- als Medikamente der ersten Wahl: Beta-Blocker, bei Bedarf mit CCB und mit
langwirksamen Nitraten ergänzt
- CCB als Medikamente der ersten Wahl, falls die Angina-Schwelle wechselhaft ist
- ACE-Hemmer / ARB
- Alfa-Blocker können gelegentlich wirksam sein
- (Nicorandil, Ranolazin)
- Statine
- Xanthinderivate (Aminophyllin) können die pektanginösen Schmerzen durch
Blockierung der Adenosin-Rezeptoren lindern
III. Vasospastische Angina:
- 24-Stunden-EKG (und transtelefonisches EKG) können in der Diagnostik helfen
-
Beseitigung der Risikofaktoren (insbesondere das Verzichten auf Rauchen und auf
Drogenkonsum)
Aspirin
bei Bedarf kurzwirksame Nitrate
als Medikamente der ersten Wahl: CCB
langwirksame Nitrate
Beta-Blocker sollen vermieden werden (sie können den Spasmus stärken), falls
notwendig, wird Nebivolol präferiert)
bei therapieresistenten Fällen
o hochdosierte CCB und Nitrate
o antiadrenerge Mittel (Guanethidin, Clonidin)
o eine Stentimplantation an der Stelle des Spasmus
o chemische oder chirurgische Sympathektomie
7.3. Myokardrevaskularisierung
Ziel der Revaskularisierung ist die Verbesserung der myokardialen Durchblutung
durch die Beseitigung der Stenosen oder Okklusionen, durch ihre Erweiterung oder durch
ihre Umgehung. Invasive komplikationsträchtige Verfahren, die aber bei geeigneter
Anwendung die Lebensqualität und die Lebenserwartungen der Kranken verbessern.
Bei wem kommt eine Invasivität in Frage?
- Eine invasive Behandlung ist bei Patienten ohne Aussicht auf eine Verbesserung der
Lebenserwartungen (z.B. Patienten im Endstadium einer Tumorerkrankung), oder der
Lebensqualität (hochbetagte, chronisch bettlägerige, oder kognitiv eingeschränkte
Patienten) nicht sinnvoll.
- Nach geeigneter Informationsgabe unterstehen die Einwilligung bzw. die Ablehnung
eines invasiven Eingriffs oder die Annahme einer bestimmten Invasivitätsstufe (PCI
oder CABG) der Entscheidung des Patienten.
Die informierte Entscheidung kann später in eine positive oder negative Richtung
geändert werden (z.B. nach früherer Ablehnung eines geplanten invasiven Eingriffs
willigt der Patient bei einem akuten Infarkt in die invasive Diagnostik und Therapie
ein).
- Falls bei dem Patienten keine Revaskularisierung in Frage kommt (wie oben erklärt),
hat eine Koronarangiographie ebenfalls keinen Sinn, nicht einmal bei einem akuten
Koronarsyndrom.
Bei wem kann die Invasivität empfohlen werden?
Bei der stabilen koronaren Herzerkrankung ist eine invasive Behandlung nicht
immer vorteilhafter als die optimale medikamentöse Behandlung, aber deren
Komplikationen können den Zustand des Patienten im Vergleich zu früher
verschlechtern. Diese Linie sollte nur in begründeten Fällen gewählt werden, auch dann
nur nach der Einleitung einer optimalen medikamentösen Therapie.
Der erste Schritt einer invasiven Therapie ist die invasive Diagnostik, die
Koronarangiographie. Eine Koronarangiographie ist in den folgenden Fällen indiziert:
- eine Auswurffraktion unter 50% mit typischer Angina pectoris
- hohe Prätest-Wahrscheinlichkeit und gravierende Beschwerden
- hohes Risiko auf Grund der nichtinvasiven Untersuchungen (prognostizierte
Jahresmortalität >3%)
- bei einem mittleren Risiko (kardiovaskuläre Jahresmortalität 1-3%) kann nach
Präferenz des Patienten eine Koronarangiographie empfohlen werden, oder kann bei
einer medikamentösen Behandlung verblieben werden. Bei einem niedrigen Risiko
(erwartete kardiovaskuläre Jahresmortalität unter 1%) soll die medikamentöse
Therapie präferiert werden
- falls trotz medikamentöser Behandlung und trotz deren Intensivierung keine
Verbesserung der als Angina pectoris interpretierten Beschwerden erreicht wird
(therapierefraktäre Angina), wird eine Koronarangiographie empfohlen
Es lohnt sich nur ein vitales Myokard revaskularisieren. Bei Zweifel (Zustand nach
abgelaufenem STEMI, akinetische Wandsegmente) soll ein Vitalitätstest durchgeführt
werden.
Je größer der ischämische Bereich ist, desto größer kann der Vorteil einer
Revaskularisierung sein. Bei geringem gefährdetem Myokard übersteigt die
Komplikationsgefahr den zu erwartenden Nutzen, anstatt Revaskularisierung soll die
medikamentöse
Therapie
weitergeführt
werden.
Nach
Ergebnissen
der
Koronarangiographie wird eine Revaskularisierung empfohlen:
-
bei einer signifikanten Stenose des Hauptstammes der linken Koronararterie
bei einer signifikanten proximalen RIVA-Stenose
falls der ischämischer Bereich des linken Ventrikels 10% übersteigt
bei signifikanten Stenosen von 2 oder 3 Gefäßen und dem gleichzeitigen Bestehen
einer verminderten linksventrikulären Funktion (EF<40%)
bei signifikanter Stenose irgend eines Gefäßes, bei einer therapierefraktären
limitierenden Angina
Signifikant wird eine Stenose bei einer über 90%ige Diameterstenose oder bei einer
50-90%ige Stenose mit einer FFR<0,8 gehalten. (Früher wurden die 50%igen
Diameterstenosen des Hauptstammes und die 70%ige Stenosen sonstiger Gefäße für
signifikant gehalten). Nichtsignifikante Stenosen sollen nicht revaskularisiert werden, da
keine Vorteile davon resultieren, die Gefahr der Komplikationen bleibt unverändert.
7.3.1. Perkutane Koronarintervention (PCI)
perkutane transluminale Koronarangioplastie (PTCA)
I.
Die invasive Koronarangiographie identifiziert die signifikanten Stenosen des
Gefäßsystems. PCI bietet eine Möglichkeit zur Lösung solcher Stenosen in der
gleichen Sitzung, mit dem gleichen arteriellen Zugang.
Komplikationen:
- An der Stelle des arteriellen Zugangs können Blutungen (besonders bei der
gleichzeitigen Nutzung von Thrombozytenaggregationshemmern), Hämatom, eine
Dissektion oder ein Pseudoaneurysma entstehen. Zur Vorbeugung soll ein
Kompressionsverband für mehrere Stunden nach dem Eingriff angelegt werden.
- Aortendissektion
- Kontrastmittelnephropathie, akute Niereninsuffizienz, bei Metformin-Therapie
Laktatazidose können auftreten.
- Kontrastmittelallergie
II. Bei POBA (plain old balloon angioplasty) wird unter Röntgendurchleuchtung, mittels
Führungsdraht durch die Stenose ein Ballon positioniert und mit großem Druck (4-20
Atmosphären) aufgeblasen werden, dadurch wird die Plaque in die Gefäßwand
gepresst und das Lumen erweitert.
Komplikationen:
- Während des Aufblasens ist das Gefäß verschlossen, es kann Anginabeschwerden,
und Troponinerhöhung verursachen. In schwerwiegenden Fällen können
definitiver
Infarkt,
akute
Herzinsuffizienz
und
lebensbedrohliche
Herzrhythmusstörungen auftreten.
- Die Ruptur der Plaque bietet eine thrombogene Oberfläche und kann einen
postprozeduralen
Infarkt
auslösen.
Eine
duale
Thrombozytenaggregationshemmung ist daher nach dem Eingriff wichtig.
- Gefäßwanddissektion, und dadurch eine Okklusion können entstehen.
- Koronarruptur
- Durch die elastischen Komponenten der Gefäßwand kann das erweiterte Segment
sich wieder verengen (Restenose).
III. Nach Vordehnung mit einem Ballon, oder in einem gemeinsamen Schritt mit der
Dehnung ergibt sich die Möglichkeit zur Setzung eines die Gefäßwand mechanisch
von Innen stabilisierenden Netzes, eines Stents (direktes Stenting). Grundtyp ist der
gewöhnliche Metallstent (bare metal stent, BMS). Der Stent stürzt die Gefäßwand,
verhindert die elastische Wiederverengung. Bei einer Dissektion stabilisiert er den
„Intima Flap“.
Komplikationen:
- Stent-Thrombose: der Stent ist eine thrombogene Oberfläche, ein totaler
Verschluss, Myokardinfarkt kann entstehen.
- In-Stent-Restenose: das Endothel wächst langsam den Stent ein (damit verringert
sich die Wahrscheinlichkeit einer Thrombose), aber kann das Lumen verengen.
Der Stent kann die Gefäßwand durch die Aufrechterhaltung einer chronischen
Entzündung irritieren, welche diesen Vorgang verstärken kann.
- Bei einer Stent-Malposition: bei der Anwendung eines Stents in einer kurvigen
Gefäßstrecke, auf einer verkalkten Plaque, in einer Verzweigung, oder bei der
Anwendung nicht-idealer Ballon- oder Stentgröße, kann evtl. vorkommen, dass
sich der Stent an die Gefäßwand nicht anlehnt, und die entstehende Spalte die
Gefahr einer Thrombose erhöht. Ein Seitenast kann verschlossen werden. Ein
junger Patient kann den Stent „auswachsen”.
IV. Von den Medikament-freisetzenden Stents (drug eluting stent, DES) wird ein
zytostatisches Mittel in die Gefäßwand freigesetzt, welches das Hineinwachsen des
Endothels verlangsamt. Damit wird die Gefahr einer Restenose vermindert, aber eine
thrombogene Oberfläche wird länger aufrechterhalten, es besteht Thrombosegefahr für
eine längere Zeit.
V. Bei der Verwendung eines medikamentfreisetzenden Ballons (drug eluting balloon,
DEB) kommt es nicht zur Stentimplantation, sondern beim Aufblasen des Ballons wird
die Gefäßwand mit Zytostatika imprägniert, welche die Reendothelisierung in der
kritischen Zeitspanne hemmt. Die Nachteile durch Stentthrombose, Stent-Malposition
können so beseitigt werden.
VI. Bei der Implantation von biodegradablen, selbst auflösenden Stents der zweiten
Generation benehmen sich diese als DES, geben der Gefäßwand geeignete Stütze.
Später wird das Material des Netzes aufgebrochen, die physiologische
Vasokonstriktion und –Dilatation ermöglichend, und dann, im Laufe der Jahre wird der
Stent vollständig absorbiert. Damit wird die Gefahr einer späten Stentthrombose oder
einer Malposition beseitigt, bei einer späten Restenose wird der Stent kein Hindernis
bei einem erneuten Eingriff bedeuten.
VII. Bei einem vollständigen Gefäßverschluss (chronic total occlusion, CTO) ist eine
gewöhnliche Erweiterung nicht möglich, weil der Führungsdraht nicht durch die
Okklusion durchgeführt werden kann. Spezielle Techniken, wie spezieller
Führungsdraht, Rotablator, die Anwendung von Laser ermöglichen das Durchbohren
der Okklusion, die Dilatation kann durchgeführt werden, die Erfolgsrate ist aber im
Vergleich zu den gewöhnlichen Stenosen schlechter.
Nach einer PCI ist durch die Endothelverletzung und durch die thrombogene
Stentoberfläche, eine duale Thrombozytenaggregationshemmung notwendig:
- 12 Monate lang nach einem akuten Koronarsyndrom mit oder ohne PCI
- mindestens 1 Monat lang nach geplanter PCI und BMS-Implantation
- mindestens 6 Monate lang nach geplanter PCI und DES-Implantation
- bei hohem thrombotischem und bei niedrigem Blutungsrisiko, sogar länger als oben
erwähnt
- bei einem erhöhten Blutungsrisiko oder bei relativ dringenden aber nicht akuten
Eingriffen, mindestens 3 Monate lang nach DES-Implantation
Danach kann Clopidogrel abgesetzt werden, Aspirin wird aber lebenslang weiter
verabreicht. Ein vorzeitiges Abbrechen der dualen Thrombozytenaggregationshemmung
erhöht die Gefahr einer Stentthrombose erheblich, welche Gefahr in den Wochen
unmittelbar nach dem Eingriff am größten ist, später verringert sie sich. Eine StentThrombose bedeutet meistens einen Myokardinfarkt (gewöhnlich STEMI), mit hoher
Mortalität, der Patient kann in einen schlechteren Zustand, als vor dem Eingriff geraten.
7.3.2. Koronarbypassoperation
Bei einer Koronarbypassoperation (coronary artery bypass grafting – CABG oder
aorto-coronary bypass graft – ACBG) wird die Stenose überbrückt, ein die gute
Durchblutung sichernder Graft wird mit der Mündung hinter der Stenose implantiert. Es
kann ein venöser Graft, meistens mit der Nutzung der V. saphena magna (VSG oder SVG),
welche aus der Aorta ascendens mündet, verwendet werden. Als arterieller Graft kann die
linke oder rechte A. thoracica interna (left/right internal mammary artery – LIMA, RIMA)
mit erhaltenem ursprünglichem Abgang, oder mit dem in der Aorta gemündeten A.
radialis-Graft verwendet werden. Die Grafts können mit der Zeit stenosieren, sich
verschließen, diesbezüglich ist die Lebensdauer der arteriellen Grafts länger, die arteriellen
Grafts werden auf die „wichtigere Gefäße“ implantiert. Bei einem stenosierten Graft ist
eine PCI ebenfalls möglich.
Die CABG ist eine mit Thorax-Öffnung einhergehende große Operation, ist mit
großer Belastung und mit zahlreichen möglichen gravierenden Komplikationen assoziiert,
und wird als Hochrisiko-Operation eingestuft. Bei der klassischen Technik wird nach
Herstellung eines kardiopulmonalen Bypass (Herz-Lungen-Maschine) das Herz mit eisiger
Lösung angehalten, dann nach der Operation wieder in Gang gesetzt (On-Pump Operation).
Bei den neueren Off-Pump Operationen ohne Herz-Lungen-Maschine, auf schlagendem
Herzen, mit Stabilisierung des aktuell operierten Bereiches erfolgt das Annähen der Grafts;
mit geeigneter Übung hat dies im Vergleich zu den On-Pump Operationen gewöhnlich
weniger Komplikationen.
7.3.3. Die Auswahl der Technik der Revaskularisierung
PCI als Revaskularisierung kann leichter, billiger und schneller durchgeführt werden,
sie bedeutet viel weniger Belastung für den Patienten, und geht mit wenigen
Komplikationen einher, deshalb rückt sie zunehmend in den Vordergrund, mit der
Entwicklung der Technik können zunehmend viele Läsionen mit Kathetertechnik behandelt
werden. Gewisse Stenose-Typen können aber weiterhin nicht damit gelöst werden, oder
zeigen bei der PCI ein stark erhöhtes Risiko, bzw. schlechtere Langzeitergebnisse, als bei
der CABG. In solchen Fällen wird weiterhin die letztere präferiert, falls der Patient
überhaupt zu einer Operation noch geeignet ist. Bei der Entscheidung über PCI bzw.
CABG müssen die lokalen Protokolle, die technische Umgebung, die lokalen Erfahrungen,
die Eignung des Patienten für eine Operation, und auch die klinische Situation (akuter /
dringender / elektiver Eingriff) berücksichtigt werden, gelegentlich wird eine Konsultation
des interventionellen Kardiologen, des Herzchirurgen und sonstiger Fachärzte (z.B.
Anästhesisten) benötigt (heart team). Ohne detaillierte Erörterung, sind Folgende die
wichtigen Elemente einer Entscheidung:
PCI ist kontraindiziert, falls das Aufblasen des Ballons, oder eine periprozedurale
Komplikation eine lebensbedrohliche globale Ischämie auslösen könnte (z.B. neben
einer signifikanten RCA-Stenose PCI des LM). Läsionen des LM und des proximalen
RIVA bedeuten ein erhöhtes Risiko. Ebenfalls ist das Risiko der Patienten mit stark
beeinträchtigter linksventrikulärer Funktion höher.
CABG wird bei komplexen anatomischen Situationen, zu derer Lösung eine PCI
technisch erschwert ist, mehrere Stents benötigt würde, mit mehreren
Komplikationen einhergehen könnte, empfohlen. Der SYNTAX-Score fasst dieses
Bild zusammen, dabei wird die Position der Stenosen berücksichtigt (LM und
proximaler RIVA wichtiger, als z.B. ein sekundärer CX-Ast), und sonstige
komplizierende Faktoren (Ausmaß der Stenose oder Anwesenheit einer CTO,
Stenose in einer Abzweigung, langstreckige Stenose, kurvige Stenose, verkalkte
Stenose).
In einem nicht komplizierten Fall (bei einem niedrigen SYNTAX-Score) kann sogar
der Hauptstamm oder eine Dreigefäßerkrankung mit PCI behandelt werden.
Bei einer Mehrgefäßerkrankung von Diabetikern kann CABG vorteilhafter sein.
Bei Patienten, ausgewählt für CABG, aber bei mangelnder Eignung kann ebenfalls
eine PCI erwogen werden, und, wenn möglich, mindestens eine
Teilrevaskularisierung durchgeführt werden (palliative PCI).
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