Prof. Dr. Thomas Wolff Fachrichtung Chemie Material zur Vorlesung „Organische und Anorganische Chemie“ für Verfahrenstechniker (1. Semester, WS 2010/2011) 1. Einführung 1.1 Allgemeines 1.2 Was ist Chemie? 1.3 Geschichte der Chemie 1.4 Bücher 1.5 Konstanten, Symbole 2. Atombau und Periodensystem 2.1 Allgemeine Begriffe 2.2 Größe und Masse der Atome 2.3 Subatomare Teilchen 2.4 Verteilung der Elementarteilchen im Atom 2.5 Zahl der Elementarteilchen im Atom 2.6 Aufbau des Atomkerns 2.7 Aufbau der Elektronenhülle 2.8 Periodensystem der Elemente 3. Chemische Bindung und chemische Formeln 3.1 Eigenschaften von Verbindungen mit unterschiedlichen chemischen Bindungen 3.2 Ionische Bindung 3.3 Kovalente Bindung 3.4 Metallische Bindung 3.5 Aufbau von Festkörpern 3.6 Chemische Formeln 3.7 Stoffmenge und Stöchiometrie 4. Reaktionen und Reaktionsgleichungen 4.1 Triebkraft von Reaktionen 4.2 Reaktionsgleichung 4.3 Stöchiometrie 4.4 Reaktionen aus der Anorganischen Chemie 5. Gase 5.1 Gasgesetze 5.2 Partialdruck 5.3 Kinetische Gastheorie 5.4 Reale Gase 6. Kinetik und Reaktionsmechanismus 6.1 Kinetik und Stabilität chemischer Verbindungen 6.2 Definition der Reaktionsgeschwindigkeit 6.3 Reaktion 2. Ordnung 6.4 Reaktion 1. Ordnung 6.5 Reaktionsmechanismus 6.6 Temperaturabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante 6.7 Katalyse 7. Thermodynamik 7.1 Gleichgewichtsreaktion und Massenwirkungsgesetz 7.2 Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtslage 7.3 Prinzip vom kleinsten Zwang 7.4 Messverfahren für Wärmemengen 7.3 Reaktionsenthalpie und -entropie/ Triebkraft von Reaktionen 8. Elektrochemie 9.1 Leitfähigkeit und Elektrolyse 9.2 EMK 9. Organische Chemie 9.1 Funktionelle Gruppen und Nomenklatur 9.2 Einfache Reaktionsmechanismen 9.2.1 Radikalische Substitution 9.2.2 Elektrophile Substitution 9.2.3 Substitution am Aromaten 9.2.4 Reaktionen von Carbonylverbindungen 2 1. Einführung 1.1 Allgemeines Aufbau der Vorlesung Übung, Klausur 1.2 Was ist Chemie? Einigermaßen zutreffend: Chemie ist die Lehre von den Eigenschaften, dem Aufbau und den Reaktionen der Stoffe. Diese Definition impliziert eine Stoffbegriff: Stoffe: Steine, tierische und pflanzliche Lebewesen, Flüssigkeiten, Gase stoffliche Eigenschaften: Festigkeit, Geruch, Masse, Druck, Temperatur – können sich ändern nichtstoffliche Eigenschaften: Schönheit, Verständlichkeit, Moral Teilgebiete der Chemie Spezialgebiete (Auswahl) Analytische Chemie Atmosphärenchemie Anorganische Chemie Kernchemie Organische Chemie Lebensmittelchemie Physikalische Chemie Pharmazeutische Chemie Technische Chemie Photochemie Theoretische Chemie Polymerchemie Strahlenchemie Biochemie Makromolekulare (Polymer-)Chemie 1.3 Geschichte der Chemie Ganz kurze Darstellung, bei Interesse: www.chemieplanet.de → Geschichte Anfang ist schwierig zu definieren: Erste Kenntnisse nicht durch planmäßiges Experimentieren wie heute, sondern durch Zufälle und Probieren. Vorgeschichtlich: Feuer Steinzeit: Gerben, Töpfern, Färben 3500 v.Chr. Bier, Wein, Herstellung von Kupfer durch Reaktion von Malachit in Ägypten, später Zinn, Bronze, vermutlich erstmalig in Ur (Mesopotamien, Sumerer) 3500 v.Chr. Glas in Ägypten 2 3 2500 v.Chr. Eisen in Ägypten (Cheopspyramide) 2200 v.Chr. Elementbegriff in China 1500 v.Chr. Färbung von Stoffen mit Indigo, Purpur, Alizarin (Ägypten, Kreta), weitere Metalle O H OH OH N N H blau 600 v.Chr. O rot Porzellanherstellung in China Elementbegriff in Griechenland 0-1500 n.Chr. in Europa Alchemie Versuche zur Herstellung von Gold und Silber Mittels der Arbeiten der Alchemisten versuchte man ein Elixier zu gewinnen, das Unsterblichkeit mit sich bringen sollte, Erfolg dieser Arbeiten gering. Es wurde hierbei eine Basis für die Chemie geschaffen. Zusammen mit den Kenntnissen der Handwerker, Metallurgen und Bergleute bestand jetzt z.B. die Möglichkeit eine Reihe von Metallen, Salzen und Säuren zu gewinnen. nach 1500 Paracelsus (süddeutsche Länder) erkennt die Unmöglichkeit der alchemistischen Idee; medizinische Präparate: Opium, Quecksilberverbindungen 1556 DE RE METALLICA von Agricola – ein grundsätzliches Buch über die Metallurgie 17. Jahrhundert Boyle (London): Gasgesetze; später: Boyle, Berzelius (Österrei- cher, Stockholm): Elementbegriff, Stoffbegriff 18. Jahrhundert Lavoisier (Paris): Massen- und Volumenänderungen bei chemischen Reaktionen J. Dalton (Manchester): Zusammensetzung chemischer Verbindungen, Atombegriff 1824 Oxalsäure durch Wöhler, Göttingen erste Synthesen 1826 Anilin aus Indigo durch organischer Verbindungen 1828 Harnstoffsynthese durch Wöhler 1840 Liebig (Gießen): künstliche Düngung 3 4 1865 Kekulé (Bonn): Benzolformel 1870 L. Meyer (Tübingen), Mendelejew (Petersburg): Periodensystem 1880 v. Baeyer (Leverkusen): Indigosynthese 1896 Becquerel (Paris): Radioaktivität 1900, 1905 Planck, Einstein (Berlin, Zürich): Quantentheorie 1906 Emil Fischer: Untersuchung des Eiweißes, Peptidbegriff 1910 Haber-Bosch-Verfahren zur Ammoniakherstellung (Berlin, später Cambridge) 1912 v. Laue (Berlin), Bragg (London), Debye, Scherrer (Berlin): Röntgenverfahren zur Strukturaufklärung 1913 Bohr (Kopenhagen), Rutherford (Manchester): Atommodell 1939 Hahn, Strassmann (Berlin): Kernspaltung (eigentlich keine Chemie) Danach wird der Überblick schwer wegen der riesigen Mengen neuer Ergebnisse. 1953 Eigen (Göttingen): Untersuchung schneller Reaktionen t < 10–9 s um 1960 Woodward, Fischer: Synthese komplizierter Naturstoffe wie Chlorophyll, Hämin, Strychnin 1960 Maiman: Laser→ Medizin, Schneidetechnik, Drucker, ChipHerstellung 1961 Calvin: Photosynthese-Mechanismus 1962 Hoppe, Bartlett: Synthese von Edelgasverbindungen, z.B. XeF2 1967 Nobelpreis Eigen (Göttingen) u.a.: Untersuchung schneller Reaktionen folgende Jahre Spektroskopische Analysenmethoden verbessert und vereinfacht: UV, IR, NMR, Röntgen; wichtige Erkenntnisse in der Biochemie: biochemische Mechanismen, Peptidsynthese, Kristallisation und Röntgenstrukturen von Proteinen; Funktionspolymere → moderne Kunststoffe; Oberflächenanalyse: Raster-Elektronenmikroskopie, Raster-Kraft-Mikroskopie (AFM) → Auflösung bis zu einzelnen Atomen→ Oberflächenanalyse→ Katalyse; Nanotechnologie, Fullerene Umweltschutz, Sonnenenergie 1985 Nobelpreis Bednorz (Zürich): Hochtemperatur-Supraleiter 2007 Nobelpreis Ertl (Berlin) – Elementarschritte der heterogenen Katalyse *** 4 5 Zur Materialfülle in den letzten Jahren: Chemical Abstracts (kurze Inhaltsangaben): jedes Jahr mehrere Meter in der Bücherei, inzwischen kaum noch ohne Computerrecherchen zu beherrschen. 1.4 Bücher und Bücherei SLUB Führungen, Lehrbuchsammlung: Ebene 0 Stoff sollte stets aus mehreren Büchern erarbeitet werden (Stil, Stoffbeschränkungen, Niveau...). Neue Forschungsergebnisse in Fachzeitschriften! Viele Informationen im Internet (Vorsicht!) Literatur zur Vorlesung: L. Pauling „Grundlagen der Chemie“ sehr gut Verlag Chemie, Weinheim 1973 A. Blaschette „Allgemeine Chemie“ I und II gut Akad. Verlagsges. Wiesbaden 1979 J.A. Campbell „Allgemeine Chemie“, 2. Aufl. C.E. Mortimer sehr gut Verlag Chemie, Weinheim 1980 nur PC „Chemie“, 8. Aufl. sehr gut Thieme, Stuttgart 2003 – Vorlesung teilweise analog W. Schröter, K.H. Lautenschläger „Chemie“ nicht ausreichend VEB Fachbuchverlag, Leipzig 1970 R. Christen „Struktur und Energie“ nicht ausreichend Diesterweg, Frankfurt 1980 „Chemie“ zu wenig physik. Chemie Diesterweg, Frankfurt 1984 R.S. Becher, W.E. Wentworth „Allgemeine Chemie“ nicht ausreichend Thieme, Stuttgart 1976 5 6 G.S. Hammond, J. Osteryoung, u.a. „Modellvorstellungen in der Chemie“ zu elementar W. de Gruyter, Berlin 1976 1.5 Werte der Fundamentalkonstanten, Einheiten und Symbole Atommasseneinheit u = L-1 g/mol = NA-1 g/mol = 1,6605655·10-27 kg Avogadro-Konstante NA = 6,022045·1023 mol-1 (= Loschmidt-Zahl L) Bohr-Magneton µB = eh/(4πme) = 9,274078·10-24 J/Tesla Boltzmann-Konstante kB = 1,380662·10-23 J/K Elektrische Feldkonstante ε0 = 8,85418782·10-12 A2s2/(Jm) Elektronenmasse me = 9,109534·10-31 kg Elementarladung e =1,6021892·10-19 As = 1,6021892·10-19 C Erdbeschleunigung g = 9,81 m/s2 (Mittelwert) Faraday-Konstante FF = L·e = 96484,56 As/mol Gaskonstante R = L·kB = 8,314472 J/(mol K) Gravitationskonstante G = 6,6720·10-11 m3/(kgs2) µK = eh/(4πmp) = 5,050824·10-27 J/Tesla Kern-Magneton Lichtgeschwindigkeit c = 2,99792458·108 m/s (im Vakuum) Magnetische Feldkonstante µ0 = 4π·10-7 Vs/(Am) Planck-Konstante h = 6,626176·10-34 Js Protonenmasse mp = 1,6726485·10-27 kg Diese Konstanten werden nicht alle in dieser Lehrveranstaltung benötigt. Im Allgemeinen reicht es aus, mit 4-5 Dezimalstellen zu rechnen. Basisgrößen und –einheiten des SI-Systems (SI = Système international d´unites) Länge m Stromstärke A Masse kg Zeit Stoffmenge mol (Lichtstärke s Temperatur K cd) Abgeleitete Einheiten, z.B. Kraft N = Kg m/s2 Energie (früher 1 cal = 4,184 J) Druck Pa = N/m 2 Feldstärke V kg m = m s3 A Ladung C=As J = Nm = Ws Leistung kg m 2 W = J/s = = Nm/s s3 → el.Spannung V = kg m 2 s3 A Konvention in den meisten Lehrbüchern und Journalen: kursiv gesetzt werden Symbole, steil gesetzt werden Zahlen, Einheiten, Operatoren, Indices (sofern nicht selbst Symbole). Beispiele: Masse m = 1,67 g; Volumen v = 2,1 m3; molares Volumen V = 22,24 dm3/mol; 6 7 Zahl e; dy/dx; exp(-EA/RT); m1, m2 KZ (Zentrifugalkraft; aber Kp: Gleichgewichtskonstante); EMK als abgekürzter Name, EMK als Symbol.. Die Symbole selbst sind oft unterschiedlich, z.B. in der Vorlesung Kraft K, oft aber Kraft F (force). Symbole müssen deshalb beim ersten Gebrauch definiert werden. Mehrfachverwendungen sind in größeren Abhandlungen nicht zu vermeiden, da es mehr Größen als Buchstaben gibt, auch einschließlich des griechischen Alphabets. Buchstabe groß_ klein A α B β Γ γ ∆ δ Ε ε Ζ ζ Η η Θ θ,h Ι ι Κ κ Λ λ Μ µ Ν v Ξ ξ Ο ο Π π Ρ ρ,k Σ σ,ς* T τ Υ υ Φ n Χ χ Ψ ψ Ω ω Name Alpha Beta Gamma Delta Epsilon Zeta Eta Theta Iota Kappa Lambda My Ny Xi Omikron Pi Rho Sigma Tau Ypsilon Phi Chi Psi Omega Aussprache altgriechisch neugriechisch a a b w g g d th (weich) e e ds ds ä i t (th) th (hart) i i k k l l m m n n ks ks o o p p r r s s t t ü i f f ch ch ps ps oh oh *am Wortende zusammengesetzte Vokale αι ει ευ αυ oυ ai eï eu au u ai i ef af u angehauchte Vokale © º Ê ß Ò ñ 4... ha he hä hi hü ho hoo hai ... 7 8 2. Atombau und Periodensystem 2.1 Allgemeine Begriffe Die Materie kommt in 3 verschiedenen Aggregatzuständen vor. Gas, gasförmig: Form und Volumen (v) hängen von äußeren Bedingungen ab. Flüssigkeit, flüssig: Volumen (v) hängt nur wenig von Druck (p) und Temperatur (T) ab, Form dagegen von äußeren Bedingungen – Flüssigkeiten nehmen die Form des Behälters an. Festkörper, fest: v und Form hängen nur wenig von p und T ab. Umwandlungen sind sowohl mit ∆p als auch mit ∆T möglich Eine andere Art der Einteilung bezieht sich auf den Mischungszustand. MATERIE REINE SUBSTANZEN ELEMENTE MISCHUNGEN VERBINDUNGEN HOMOGENE HETEROGENE MISCHUNGEN MISCHUNGEN (LÖSUNGEN) Unterschied Element – Verbindung Ein Element ist eine Substanz, die sich nicht mehr in weitere Substanzen zerlegen lässt. Eine Verbindung ist eine Substanz, die aus mindestens zwei Elementen aufgebaut ist. 2.2 Größe und Masse der Atome Ist die Materie (Elemente und Verbindungen) kontinuierlich oder aus diskreten Bausteinen aufgebaut? Dazu kann man zunächst versuchen, die Materie mechanisch, z.B. mit Messer zu teilen und zu untersuchen, kommt dabei aber nicht weit. Moderne Mikroskopiermethoden ermöglichen die Auflösung von atomaren Dimensionen (Raster-Tunnel- oder Raster-KraftMikroskop (AFM)). 8 9 Silizium Graphit Natürlich hat man versucht, diese Teilchen noch weiter zu zerteilen, sie z.B. mit anderen kleinen Teilchen zu beschießen, sie mit sehr energiereichem Licht zu bestrahlen. In allen Fällen ergab sich, dass, wenn eine weitere Zerlegung erfolgt, die Eigenschaften des Siliziums verändert werden. → Man sieht hier die kleinsten Bausteine des Siliziums bzw. des Graphits – die Atome. Atome sind die kleinste, nicht mehr teilbare Einheit der Elemente. Macht man das gleiche Experiment mit Verbindungen, so erhält man die Moleküle. Moleküle sind die kleinste, nicht mehr teilbare Einheit der Verbindungen. Zerlegung der Moleküle → Atome Moleküle sind also aus den Atomen aufgebaut Die Materie ist diskontinuierlich, also aus diskreten Bausteinen aufgebaut. Die Größe der Atome und Moleküle ist prinzipiell aus obigen Aufnahmen (Elektronenmikroskopie) abschätzbar.Es gibt aber sehr viel einfachere und genauere Verfahren, z.B. Röntgenbeugung ( Folien!) –→ Abstände in der Größenordnung von 100 – 200 pm bei Atomen. (Namen: v. Laue, Bragg) Moleküle sind entsprechend größer, i.a. einige Hundert bis einige Tausend pm, extrem große Moleküle der organischen Chemie auch darüber. Masse der Atome und Moleküle Direktes Wiegen scheidet aus, da Masse zu gering, geht aber mit den oben beschriebenen Verfahren – z.B. 1 cm3 eines Elements Röntgenbeugung → Abstände der Atommittelpunkte 9 10 → Zahl der Atome in 1 cm3, dann Wägung → Masse dieser Zahl von Atomen (Dichte ρ) → Masse eines Atoms (Achtung: verschiedene Gittertypen) So ergibt sich z.B. für Aluminium 4,489·10–23 g, für Gold 3,27·10–22 g. Moleküle können entsprechend schwerer sein. Das Rechnen mit diesen kleinen Zahlen ist sehr unhandlich, daher bezieht man die Werte auf „atomare Masseneinheit“ u: 1 u = 1,6605655 · 10–24 g = 1 m (12 C) 12 In dieser Einheit ist die Masse eines Aluminiumatoms durch 26,89 u gegeben. Tabelle: Relative Atommassen m aus Dichte ρ und Elementarzellendimension a Element a / pm ρ / g/cm3 m/u Silber 407,76 10,568 107,87 Gold 407,02 19,403 196,97 Platin 391,42 21,61 195,1 Kupfer 360,8 8,987 63,55 Nickel 351,7 8,964 58,71 Blei 494,1 11,41 207,2 Elektron 0,000 549 u Proton 1,007 276 u Neutron 1,008 665 u 2.3 Subatomare Teilchen Atome können mit bestimmten Methoden in subatomare Teilchen zerlegt werden, sie verlieren dabei jedoch ihre stoffliche Identität. 2.3.1 Elektronen Röhre des Fernsehers (stirbt jetzt schnell aus): Wird die Wendel geheizt, treten Teilchen aus, die zur positiven Anode fliegen und dort auf dem Schirm eine Lichterscheinung ergeben. Wendel = negativer Pol = Kathode Schirm = positiver Pol = Anode 10 11 Teilchen fliegen von der Kathode zur Anode – das kann man durch den Schattenwurf eines eingebauten Metalls feststellen. Die Teilchen sind negativ geladen, da sie in Richtung +-Pol fliegen. Teilchen bekommt den Namen Elektron (e). Das Elektron ist negativ geladen. Größe der Ladung? – Millikan 1906 Zerstäubung von Öltröpfchen → Öltröpfchen mit 1,2,3 fehlenden/überschüssigen Elektronen Beobachtung der Bewegung in einem elektrischen Feld q = –1,602 · 10–19 C (Coulomb) = –1,602 · 10–19 As (auch Elementarladung e, diskret!) Masse? – Thomson 1897 Bewegung des Elektrons in einem Magnetfeld Magnetfeld H der Feldstärke B Lorentz-Kraft K = e w · B, ⊥ zu B und zur Bewegungsrichtung mw 2 = ewB r Masse und Zentralbeschleunigung = Zentrifugalkraft aus dem Radius e/m → e bekannt → me = 9,11 · 10–28 g = 0,000 549 u 2.3.2 Protonen Voriges Experiment etwas abgeändert: 11 12 Röhre enthält etwas Wasserstoff (H2). Hoch beschleunigte Elektronen stoßen auf H2, erzeugen H-Atome, stoßen auf diese, schlagen Elektronen heraus. Positive Teilchen werden frei und fliegen durch die Kathode hindurch. Diese Teilchen heißen Protonen, p. Experimente in Magnetfeldern und elektrischen Feldern → Ladung q = +1,602 · 10–19 Coulomb, d.h. Elementarladung e mit pos. Vorzeichen; mP = 1,6726 · 10–24 g = 1,007 276 u 2.3.3 Neutronen von Chadwick 1932 beschrieben Radium sendet α-Strahlung aus – das sind keine Elementarteilchen (Heliumkern enthält 2 Protonen und 2 Neutronen) α-Strahlung auf Berylliumpulver → neue Strahlung, die Glas und Metalle durchdringt. Die Protonen- und Elektronenstrahlung wird dagegen absorbiert. → Strahlung besteht aus ungeladenen Teilchen, sicherer Nachweis durch Nichtablenkbarkeit mit H und E, daher Neutron, n. Bestimmung der Masse: γ-Strahlung > 2,21 MeV (Massenequivalenz = mγ) auf Deuterium-Kerne: Deuterium (D) zerfällt in Elementarteilchen. mD + mγ = mp + me + mn mn = 1,6747 · 10–24 g = 1,008 665 u → Die Masse entspricht etwa der des Protons, ist aber nicht identisch. Als freies Teilchen nicht stabil, sondern zerfällt mit einer Halbwertszeit von 10,6 Minuten nach n = p + e + weiteres Teilchen + Energie, daher auch verschiedene Massen. Massen und Ladungen von Elementarteilchen eines Atoms Teilchen Masse Ladung Elektron me = 9,11 · 10–28 g q = –1,602 · 10–19 C = –1,602 · 10–19 As Proton mp = 1,6726 · 10–24 g q = +1,602 · 10–19 C = +1,602 · 10–19 As Neutron mn = 1,6747 · 10–24 g 12 0 13 2.4. Verteilung der Elementarteilchen im Atom (Rutherford 1911) α-Strahlung (Helium-Kerne ca. 4 u, 2+) aus radioaktivem Zerfall fliegen auf auf dünne Metallfolie: Ist die Folie einige µm dick, so tritt der Hauptteil der α-Strahlung ohne Streuung durch die Folie hindurch. Nur 1 ‰ Teilchen wird abgelenkt. Deutung: Aus früherem Experiment: Elektronen müssen sich außen befinden. Wenn andere Verteilung der Teilchen im Atom bestünde, müssten viel mehr Teilchen abgelenkt werden. Rutherford zog daraus (und auch aus anderen Experimenten) den richtigen Schluss: das Elektron reißt ein α-Teilchen nicht aus der Bahn: Massenverhältnis 1 (= Fußball / Fliege). 4 ⋅ 1836 ∅ Atom ≈ 100 – 200 pm ∅ Atomkern ≈ 0,01 pm → Materie besteht im wesentlichen aus leerem Raum, in dem sich die „punktförmigen (!)“ Elektronen bewegen. Der Atomkern aus Protonen und Neutronen vereinigt den weitaus größten Teil der Masse in sich: me 1 ! und ist winzig klein. = m p 1836 Zum Beispiel 1000 m3 Eisen = 1012 mm3 Eisen entspricht 8000 Tonnen; 1 mm3 Atomkerne entspricht auch 8000 Tonnen! 2.5 Zahl der Elementarteilchen im Atom Größere Mengen Materie müssen neutral sein, sonst entstehen riesige Potentiale gegenüber der Umgebung. Das Neutron ist neutral, daher gilt für ein neutrales Atom Protonenzahl (PZ) = Elektronenzahl (EZ) 13 14 Jedes einzelne Element hat nun eine bestimmte Zahl von Protonen. Das ist eine Definition des Elementbegriffs auf atomarer Basis: Elemente werden aus Atomen gleicher Protonenzahl gebildet. Die Chemie eines Elements ist eine Funktion seiner Elektronenzahl (bzw. der Protonenzahl) wichtiger Begriff: Ordnungszahl des Elements (Z) Ordnungszahl = Protonenzahl weiterhin Einteilung nach Massenzahl (MZ) = Neutronenzahl + Protonenzahl, d.h. = Zahl der schweren Teilchen im Kern Protonenzahl = Ordnungszahl Elektronenzahl = Ordnungszahl (bei neutralen Teilchen) Neutronenzahl = Massenzahl – Ordnungszahl (MZ – Z) Massenzahl eines Elements kann schwanken. Zusammengefasst: Protonenzal PZ Elektronenzahl PZ = EZ EZ Z = PZ = EZ NeutronenzahlNZ MZ = PZ + NZ Ordnungszahl Z Massenzahl MZ Reinelemente MZ Z EZ PZ NZ (MZ-Z) Natrium Na 23 11 11 11 12 Aluminium Al 27 13 13 13 14 Gold 197 79 79 79 118 6 3 3 3 3 7 3 3 3 4 Au Mischelement Lithium Li Es gibt Reinelemente, die aus Atomen einer Massenzahl aufgebaut sind, z.B. Natrium MZ = 23, Z = 11, EZ = 11, PZ = 11, NZ = MZ–Z = 12 Aluminium: MZ = 27, Z = 13 Gold MZ = 197, Z = 79 Die meisten sind jedoch Mischelemente, d.h. ihre Atome enthalten zwar die gleiche Protonenzahl, aber verschiedene Neutronenzahlen. Durch geeignete Verfahren kann man die Mischelemente in die verschiedenen Atomsorten mit unterschiedlichen Neutronenzahlen aufspalten. 14 15 Diese Atomsorten werden als Isotope bezeichnet. Isotope sind also Elemente mit gleicher Protonenzahl aber verschiedenen Neutronenzahlen. Mischelemente bestehen aus mehreren Isotopen, Reinelemente bestehen aus einem Isotop. Der größte Teil der Elemente sind Mischelemente, teilweise überwiegend aus einem Isotop bestehend, teilweise eine komplizierte Mischung. z.B. Wasserstoff 99,99% MZ = 1 / 0,01 % MZ = 2 (Isotop mit MZ = 2 hat sogar einen anderen Namen bekommen = Deuterium) Chlor 75,5 % MZ = 35 / 24,5 % MZ = 37 Zinn Mischung aus 10 Isotopen Isotope eines Elements unterscheiden sich nicht in den chemischen Eigenschaften. 2.6 Aufbau des Atomkerns → Kernphysik Bisherige Feststellungen: Atomkern ist sehr klein, enthält Protonen und Neutronen. Das schwerere und energiereichere Neutron kann sich in ein Proton umwandeln. Warum hält der Kern zusammen? 4 Arten von Wechselwirkungen: 1. Gravitation → spielt hier keine Rolle, da sehr klein 2. elektrostatische Wechselwirkung → wirkt entgegengesetzt, Kern müsste auseinanderfliegen 3. schwache Wechselwirkung (β-Zerfall der Atome, trifft hier nicht zu) 4. starke Wechselwirkung. Die sogenannte starke Wechselwirkung ist eine der klassischen Physik nicht bekannte Wechselwirkung, die den Atomkern zusammenhält. Ein klassischer Versuch zur Deutung sind die Austauschkräfte entsprechend n1 + p 2 p1 p1 + n2 , d.h. Austausch der Ladungen. → jedenfalls sehr große Energie → Kernfusion 2.7 Aufbau der Elektronenhülle entscheidet über das chemische Verhalten der Atome 2.7.1 Klassische Vorstellungen Bisher ist die Frage offen: Was hält die Elektronen in einem Abstand von etwa 100 pm vom Atomkern entfernt? 15 16 Starke und schwache Wechselwirkungen sind es nicht, sie wirken nur über sehr kleine Abstände (< 1 pm). Gravitation ? – viel zu klein. Elektrostatische Wechselwirkung? wirkt auf jeden Fall – Elektron würde in den Atomkern hineinfallen. Experiment zeigt, dass dieses nun nicht der Fall ist. Daher Annahme: Elektronen bewegen sich auf Kreisbahn um den Kern – Zentrifugalkraft Kz und Kraft der elektrostatischen Anziehung Ke halten sich die Waage. Soweit ist dieses Modell in sich konsistent. Nun Elektronen auf verschiedenen Radien: Berechnung der Energie des Elektrons auf einer Kreisbahn mit Radius r – Annahme: Kern ruht, da sehr viel schwerer; Beispiel H (Wasserstoff) enthält 1 Proton, 1 Elektron, kein Neutron; dafür lassen sich 4 Beziehungen aufstellen 1) K e = e2 Ke ~ 4πε 0 r 2 q1q2 r allgemein: K e = q1q2 4πε 0 r 2 Coulombsches Gesetz → elektrostatische Anziehung 2) K z = m bz = m w2 r Geschwindigkeit w = Kraft K = m · b m = Elektronenmasse 3) E kin bzw. 1 = mw 2 ( = e ⋅ U ) 2 K = m⋅ Beschleunigung dw s w 2 b= = = dt t 2 s mit U = el. Spannung = Potenzial-Differenz, ε0 = Dielektrizitätskonstante des Vakuums = 8,854·10–12 A s V–1 m–1 4) E pot = − s s2 → w2 = 2 t t e2 4πε 0 r (bei r = ∞ ist Epot = 0 16 w t 17 Ein stabiles Atom erfordert die Gleichheit der Kräfte Ke = Kz ; e2 4πε 0 r 2 = mw 2 r ( bei r ≠ 0) und auch der entsprechenden Energien: E = ∫ K dr → Ekin = 1 1 e2 mw 2 = 2 2 4πε 0 r E = E kin + E pot d.h. E ~ − 1 e2 e2 1 e2 = − =− 2 4πε 0 r 4πε 0 r 2 4πε 0 r 1 r Je kleiner r, um so tiefer die Energie. Bei großen r liegt Epot hoch, Ekin niedrig 0-Punkt = Energie des Elektrons im Vakuum. Nach den bisherigen (unvollständigen) Vorstellungen könnte das Wasserstoffatom unter diesen Annahmen innerhalb gewisser Grenzen jeden beliebigen Energiebetrag aufnehmen, indem der Abstand Kern – Elektron entsprechend gewählt wird. Wie kann man die Atome dazu bringen, Energie aufzunehmen? → siehe Stoßexperimente in Kap. 2.3.2: Elektron flog heraus, entspricht vielleicht E über der Null-Linie. Wir wollen ein ähnliches Gedankenexperiment machen, wobei die Änderung des Radius zunächst beliebig sein soll: * Atom fällt in den Grundzustand zurück unter Aussendung von Licht. Für diesen Prozess müsste also gelten: 17 18 Eang. = Egrund + Energie des ausgesendeten Lichts Licht gibt es nur in Quanten, das sind Energiepakete der Größe E = hv = h ⋅ c λ mit c = 3 · 108 m/s (Lichtgeschwindigkeit), h = Plancksches Wirkungsquantum = 6,6262 · 10–34 J·s, v = Frequenz des ausgesandten Lichts λ = Wellenlänge des ausgesendeten Lichts. Unserer bisherigen Kenntnis nach sollte also Folgendes beobachtbar sein: Durch die verschiedenen Stöße → verschiedene Anregungszustände → Zurückfallen in (vielleicht auch verschiedene) Grundzustände → Aussendung von Licht mit allen möglichen Wellenlängen ∆E = hv Folien mit Wasserstofflampenspektrum → Modell falsch, da Energieniveaus diskret, d.h. nur einige, bestimmte Energiezustände sind möglich! Das Modell hält auch einem 2. Argument nicht stand: Satz: Bewegt sich eine Ladung beschleunigt, so wird Strahlung ausgesendet (siehe Antenne: entspricht beschleunigter Bewegung auf Kreis) → Atome müssten dauernd Licht (elektromagnetische Strahlung) aussenden → Energieabstrahlung bedeutet Verminderung des Bahnradiusses → Elektron landet zum Schluss im Kern → Atom kaputt. Dieses war der Stand der Dinge als Bohr im Jahre 1913 auf einen genialen Gedanken kam. Das Ergebnis dieses Gedankens ist heute unter dem Namen Bohrsches Atommodell bekannt. Hierzu eine kurze Bemerkung. Heute formuliert man die Vorgänge im atomaren Bereich, so z.B. den Aufbau der Elektronenhülle, in der Sprache der Quantenmechanik. Normalerweise bedient man sich dabei einer Gleichung, die von Schrödinger 1926 aufgestellt wurde – eben der Schrödinger-Gleichung. Die Handhabung dieser Gleichung ist aber leider außerordentlich kompliziert. Man kann das vielleicht daran erkennen, dass sich die meisten Untersuchungen aus der theoretischen Chemie mit der Anwendung dieser Gleichung auf molekulare Systeme befassen. Für uns hier ist das alles zu kompliziert. Im Anschluss an die Diskussion des Bohrschen Modells werden wir uns mit den Ergebnissen der Quantenmechanik auf einer nichtmathematischen, modellhaften Ebene beschäftigen. Auch das wird noch kompliziert sein. Deswegen davor noch der Gedankengang von Bohr, der mit den Ergebnissen der Quantenme- 18 19 chanik nicht in allen Teilen übereinstimmt, aber sehr anschaulich ist – Übung im Umgang mit Modellen: obwohl Modelle nicht immer Wahrheit, kann man richtige Vorhersagen machen. 2.7.2 Bohrsches Atommodell Aufnahme des Gedankenganges von vorhin. Das Atom konnte kontinuierlich Energie aufnehmen, E ~ − 1 . Die kreisenden Elektronen sollten nach klassischer Vorstellung Energie r abstrahlen. Bohr postulierte nun Folgendes: Wenn sich die Elektronen auf bestimmten Bahnen, die einem Drehimpuls von P = n h ent2π sprechen (n = 1,2,3...), wird keine Strahlung ausgesendet. Nur diese Bahnen sind für die Elektronen zulässig. Die Energiedifferenz zwischen Zuständen mit verschiedenen n wird als Licht ausgesendet oder aufgenommen. P=n h 2π n = 1,2,3... (natürliche Zahlen) ∆E = hv = hc/λ Berechnung des Radiusses des Elektrons im H-Atom Definition des Drehimpulses: dr P = m w r = m ⋅r dt (entspricht dem Impuls der linearen Bewegung bei Kreisbewegung) Bohr: (1) m w r = n⋅ → w= 1. Gleichung zwischen w und r nh 2π m r e2 (2) h 2π 4πε 0 r = m w2 2. Gleichung zwischen w und r aus der Gleichheit der Kräfte n 2h 2 → w = 4π 2 m 2 r 2 2 n 2h 2 e2 | ⋅m → mw = 2 2 = 4π m r 4πε 0 r 2 19 20 ε0 n2h2 → r= π m e2 n = 1 ; m = Masse des Elektrons h = 6,6262 · 10–34 J·s ε0 h2 r= = 53 pm π m e2 r= Bohrscher Radius 8,854 ⋅10 −12 (6,6262 ⋅ 10−34 ) 2 As J 2 s 2 π ⋅ 9,11 ⋅ 10−31 (1,602 ⋅ 10 ) 2 Vm kg A s s 2 r = 5,29 ⋅ 10 −11 = 5,29 ⋅10 −11 s A2 V2 s2 V m kg A s2 N m s 2 kg m = 5,29 ⋅10 −11 2 = 52,9 ⋅10 −12 m = 52,9 pm m kg s kg Berechnung der Energie des Elektrons aus 2.7.1 1 e2 1 e2 π m e2 E=− =− 2 4πε0 r 2 4πε0 ε 0 n 2 h 2 m e4 E = − 2 2 2 → ermöglicht die Berechnung der Energie des Elektrons des Wasserstoff8ε 0 h n atoms in verschiednen Zuständen n. Aus 2.7.1 ist bekannt, dass nicht alle Energien zugelassen sind, sondern nur noch bestimmte Werte – Energie ist gequantelt, n ist eine Quantenzahl (heißt später Hauptquantenzahl). Energieschema: n = 1 ist der energetisch tiefste Zustand, der sog. Grundzustand. n kann auch höhere Werte annehmen, diese entsprechen dann höherer Energie, d.h. angeregten Zuständen (siehe links für Wasserstoff-Atom). 20 21 Jetzt Emission (Aussendung) von Licht E2 –E1 = hv andere Linien bei n = 3 → 2 656,3 nm 4 → 2 486,1 nm n2 5 → 2 434,0 nm n1 6 → 2 410,2 nm m e4 8ε 02 h 2 1 1 2 − 2 = hv n1 n2 hν = Energie des Lichts, proportional zu Frequenz ν, aber mit Wellenlänge verknüpft: hv = h c λ 8ε 02 h 2 hc 8ε 02 h 3c λ= = 1 1 1 4 1 m e 2 − 2 m e 4 2 − 2 n1 n2 n1 n2 λ= n=4→n=2 8 ⋅ (8,854 ⋅ 10 −12 ) 2 (6,6262 ⋅ 10 −34 ) ⋅ 3 ⋅ 10 8 (= 0,1875) 1 − 31 −19 4 1 9,11 ⋅ 10 1,602 ⋅ 10 2 − 2 4 2 ( ) λ = 4,86 · 10–7 m = 486 nm Genau die Emission dieser Linien beobachtete man bei der Anregung des Wasserstoffs. Ei- m e4 1 1 nerseits war die Kombination 2 − 2 richtig, andererseits ist die Konstante auf 1 ‰ 8ε 02 h 3 n1 n2 genau bestimmt; bei Berücksichtigung der Kernbewegung noch genauer, d.h. innerhalb der experimentellen Genauigkeit. Bei Anwendung dieser Theorie auf komplizierter aufgebaute Atome, gibt das Bohrsche Modell gibt die experimentellen Ergebnisse nicht mehr richtig wieder. 2.7.3 Qualitative Erklärung des Aufbaus der Elektronenhülle mit der Schrödinger-Gleichung Welle oder Teilchen? Menschliche Erfahrung reicht für das vollständige Erfassen der Eigenschaften kleinster Teilchen nicht aus – gehört eben nicht zum normalen Erfahrungsbereich und kann nur modellhaft verstanden werden. 21 22 Beispiel Licht 1) Interferenz an Gittern → Welle 2) Licht auf Metalloberflächen → Elektronen treten aus Beispiel Elektron 1) Bewegung in einem elektrischen Feld (Fernsehröhre) → Teilchen 2) Schnelle Elektronen auf Metallfolie → Bewegungsbild wie bei Röntgenstrahlen auf die Metallfolie → Welle Masse und Geschwindigkeit (Impuls) sind bei Elektronen im Atom gerade so, dass keines der beiden Modelle /Welle/Teilchen) allein zutrifft. Das mittlere Bild beschreibt die Schrödinger Gleichung. Beobachtungsunschärfe / ein Experiment dazu: Spaltgröße 1cm...→ 1 nm ... usw. (großer Spalt) erzuegt scharfe helle Bereiche auf dem Schirm. Erst bei Spaltbreiten im Bereich µm-nm wird die Schattenkante des Spalts unscharf und bei sehr kleinen Spalten (Herstellung? Metallfolien!) beobachtet man auf dem Leuchtschirm Beugungsbilder: 1. Argumentation Welle / Teilchen 2. Festlegung des Ortes a) unscharfer Ort ( = großer Spalt) – Teilchen fliegen glatt hindurch b) scharfer Ort (= schmaler Spalt) – Teilchen werden zur Seite hin abgelenkt, Impuls wird verändert. Genau dieses sagt die Unschärferelation von Heisenberg: Ort und Impuls eines Teilchens können gleichzeitig nur mit beschränkter Genauigkeit gemessen werden. Formelmäßig: ∆x · ∆(mw) ≥ h (= 6,6262·10–34 Js) ∆x = Ortsunschärfe ∆(mv) = Impulsunschärfe 22 23 Was hat das alles mit unserem Elektron zu tun? Welle / Teilchen Unschärfe Masse und Geschwindigkeit des Elektrons Unsere Beobachtung soll das Atom nicht stösind im Atom gerade so, dass keines der bei- ren, d.h. die Impulsunschärfe der Elektronen den Modelle allein zutrifft. Das mittlere Bild darf nicht so groß werden, dass sie z.B. hiist die Schrödinger-Gleichung. nausfliegen aus dem Atom. Berechnung zeigt: die Ortsunschärfe ist dann etwa so groß wie die Atome selbst. Unsere Frage: Wo befindet sich ein Elektron zu einem bestimmten Zeitpunkt im Atom darf nicht gestellt werden. Konsequenz: Man darf nicht – wie im Bohrschen Modell – der Bewegung des Elektrons gleichzeitig einen festen Impuls und eine definierte Bahn zuordnen. Was darf überhaupt gefragt werden? Es darf gefragt werden nach der Wahrscheinlichkeit W, ein Elektron in einem bestimmten Volumenelement des Raums zu finden. W = ψ2 ∆v W über den ganzen Raum = 1 in ∆v ein Teil davon 0,1, 0,2, ... oder für differentielle Größen dW = ψ2 dv = ψ2 dx dy dz ψ selbst nennt man die Wellenfunktion. (Modell: Elektron wird einem Bündel von Sinuswellen zugeordnet, die sich zu einem Wellenpaket überlagern.) Die Schrödinger-Gleichung ist eine partielle Differentialgleichung für ψ. Umgekehrt: Schrödinger hat eine partielle Differentialgleichung für die Wellenfunktion ψ angegeben. Die Lösungen ergeben, quadriert, die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für die Elektronen in einem bestimmten Volumenelement. Wir wollen nun nicht nach Lösungen der Schrödinger-Gleichung suchen, sondern uns die von den Theoretikern angegebenen Lösungen ansehen. Beispiel Wasserstoffatom Mehrere, verschiedene Lösungen der Schrödinger-Gleichung, die von den Quantenzahlen abhängen. Eine – die Hauptquantenzahl n kennen wir bereits, sie findet auch hier wieder Verwendung und gibt – wie im Bohrschen Modell – die Reihenfolge im durchschnittlichen Abstand zum Atomkern an und grob die Energie. 23 24 Fall n = 1 ψ= 1 πa 3 0 e −r / a0 a0 = Bohrscher Radius W = 4πr2ψ2 = Wahrscheinlichkeit, das Elektron zwischen r und r+dr zu finden. Weiterhin Kugelsymmetrie - Räumliche Darstellung ist schwierig: 3 Koordinaten und ψ2. Üblich ist folgendes Verfahren: Punkte mit gleichen ψ2 werden verbunden und die Fläche (von den vielen) wird gezeichnet, die 90 % einschließt (→ warum nicht 100 % ?). Fall n = 2 ψ = r 2 − e − r / 2 a0 a0 4 2πa 03 1 24 (a0 entspricht dem Bohr-Radius) 25 Höhere s-Orbitale: Radial Distribution Plot ( 4πr2 ψ2 vs. r) r is in atomic units (a0) Für n = 2,3,.. kommt eine zweite Quantenzahl ins Spiel: die Nebenquantenzahl l. Woher kommt diese?: Bei der Lösung der Schrödinger-Gleichung zeigt sich, dass in den Gleichungen Zahlen auftreten, die nur gewisse Werte annehmen dürfen, z.B. n = 1,2,3... Für die Nebenquantenzahl l ist die Bedingung noch härter: l ist ganzzahlig, positiv unter Einschluss der Null, aber < n, d.h. für den Fall n = 1 kommt nur l = 0 in Frage Wenn l = 0 → immer Kugelsymmetrie. n = 2, l = 1 → m –1, 0, +1 für den Fall n = 2 kommt l = 0 und l = 1 in Frage, d.h. man findet hier für ein n verschiedene ψ3-Funktionen, die beim Wasserstoffatom – und nur beim Wasserstoffatom – gleiche Energien aufweisen. Schwieriger wird der Fall n = 2, l = 1, denn dann kommt eine 3. Quantenzahl, die magnetische Quantenzahl m. Sie unterliegt der Bedingung –l ≤ m ≤ l, m ist ganzzahlig, d.h. für unseren Fall l = 1, m = –1,0,+1 m und l ändern nun die Winkelabhängigkeit der ψ-Funktion und zwar gibt l die Zahl der Knotenebenen und m die Richtung der Knotenebenen an. 25 26 n = 1, l = 1 3 Stück: geordnet nach Quantenzahl m –l ≤ m ≤ +l Was bedeuten diese Keulen? Zum Beispiel die untere: In Richtung der z-Achse (und entgegengesetzt) viel ψ2 Entfernt man sich von der z-Achse: weniger ψ2. In Richtung der x- und y-Achse oder in der x,y-Ebene: nichts, d.h. die x,y-Ebene ist eine Knotenebene, d.h. l = 1 entspricht einer Knotenebene. Das war bisher nur die Richtung. Diese überlagert die r-Abhängigkeit. → Modelle oder Bilder vorzeigen – daran auch die d-Funktion mit 2 Knotenflächen diskutieren. Noch einmal: l = 0 → kugelsymmetrische Elektronendichteverteilung l = 1 → bevorzugte Verteilung in den Achsenrichtungen Oft wird an dieser Stelle die Frage gestellt: Oberhalb und unterhalb der x,y-Ebene hat das Elektron eine gewisse Aufenthaltswahrscheinlichkeit. Auf einer Seite kann aber das Elektron nicht bleiben. Wie kommt es nun auf die andere Seite durch die Knotenebene hindurch, wenn eine Knotenebene dazwischen liegt? 1) Diese Frage darf man nicht stellen, da man kein entsprechendes Experiment machen kann. Die Quantenmechanik macht nur Aussagen über wirklich ausführbare Experimente. 26 27 2) Die „normale“ Quantenmechanik, d.h. die Schrödinger-Gleichung ist nur eine Näherung: Klassische Mechanik, Schrödinger-Gleichung, Diracsche Theorie. In den genaueren Theorien verschwindet die Knotenebene. Für den sprachlichen Gebrauch auch Namen: Atomorbitale, das ist nichts anderes als ein neues Wort für Wellenfunktion der Atome, wird auch für räumliche Darstellung (90 % W) benutzt. l=0 s-Orbital (Die Buchstaben s, p, d, f rühren l=1 p-Orbital von Bezeichnungen für die Licht- l=2 d-Orbital emission her: s = sharp, p = principal l=3 f-Orbital d = diffuse, f = fundamental) Wasserstoff hat nur ein 1s-Orbital. Für n = 2 gibt es 2s- und 2p-Orbitale ±½ Orbitalname 1s volle Unterschale 1s2 Σ Elektronen Unterschale 2 0 ±½ 2s 2s2 2 1 –1,0,+1 ±½ 2p 2p6 6 3 0 0 ±½ 3s 3s2 2 3 1 –1,0,+1 ±½ 3p 3p6 6 3 2 –2,–1,0, +1,+2 ±½ 3d 3d10 10 n l m s 1 0 0 2 0 2 Σ Elektronen Schale 2 8 18 Die vierte Spalte enthält die vierte und letzte Quantenzahl: die Spinquantenzahl s. Sie sorgt dafür, dass jedes Orbital 2 Elektronen aufnehmen kann, denn Elektronen eines Atoms müssen sich in mindestens einer Quantenzahl unterscheiden. Spin ist der Eigendrehimpuls des Elektrons. Bewegte Ladung → (Analogon zum Elektromagnet) → Magnet (nicht Dipol sagen). Quantenmechanik zeigt, dass es für diese Magnete dann nur 2 Lagen – parallel und antiparallel zum Feld – gibt. s = +½ heißt Spin parallel zum Feld s = –½ heißt Spin antiparallel zum Feld. Schwache Felder durch bewegte Ladungen gibt es immer, daher gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, wie sich der Spin einstellen kann; diese beiden Zustände werden durch s = +½ und –½ gekennzeichnet. 27 28 Jetzt das eigentliche Ziel dieser Überlegungen: Aufbau der Elektronenhülle bei mehreren Elektronen – auf welche Quantenzustände verteilen sich die Elektronen? Das erfolgt nach drei Prinzipien 1) Energien der Elektronenzustände: natürlich werden zuerst die Zustände mit der niedrigsten Energie, dann die höheren besetzt. Dieses Schema wurde ermittelt aus Experimenten wie Na-Linie, HLinie, usw. (siehe oben) Energie-Unterschiede s – p diskutieren / 4s, 3d – Abstand diskutieren! Würde dieses Prinzip nur allein gelten, landeten alle Elektronen im 1s Orbital Daher gibt es ein zweites Ordnungsprinzip, das 2) Pauli-Prinzip (aus Quantenmechanik) Zwei Elektronen in einem Atom müssen sich mindestens durch eine Quantenzahl unterscheiden oder jedes Quantenzahlensystem n l m s darf nur einmal vorkommen. Begriffe Schale, Unterschale Berechnung der vollbesetzten Schale, dabei 2p2; 2px 2py usw. diskutieren. Das dritte Prinzip ist die 3) Hundsche Regel 2.8 Periodensystem der Elemente 1870 L. Meyer / D. Mendelejew Fangen wir mit der Ordnungszahl Z = 1 an. 28 29 Name: Wasserstoff, chemisches Symbol H von Hydrogenium (lat.) (O = Oxygenium / H = Hydrogenium / N = Nitrogenium) Z = 1 → Zahl der Elektronen = 1, Zahl der Protonen = 1 Das einzelne Elektron besetzt das tiefste Niveau → Elektronenzustand 1s. Z = 2 / Name: Helium, Symbol He (2 Buchstaben wegen H = Wasserstoff) EZ = Zahl der Elektronen = 2 PZ = Zahl der Protonen = 2 zusätzlich 2 Neutronen, daher Massenzahl M = 4 1. Elektron 1s l = 0, m = 0, s = +½ 2. Elektron 1s l = 0, m = 0, s –½ → Elektronenzustand 1 s2 Z = 3 Name: Lithium, Symbol Li Zahl der Elektronen = 3 Zahl der Protonen = 3 Massenzahl 6 und 7 (überwiegend), d.h. 3 und 4 Neutronen Elektronen: 1s2 wie bei He ist voll → 1s2 2s 2s: n = 2, l = 0, s = +½ Nun wird hier im chemischen Verhalten etwas passieren! Die Chemie – d.h. die Eingriffe der chemischen Bindung in die Elektronenhülle – spielen sich jeweils nur in den äußeren Schalen ab. Beim Helium ist gerade die Schale n = 1 voll. Es wird kaum ein Elektron aufnehmen können, da der 2s-Zustand sehr hoch liegt. Umgekehrt, warum sollte es ein Elektron abgeben, da die 1er-Schale ist voll und damit irgendwie abgeschlossen, die Quantenmechanik zeigt auch diese Stabilität. Beim Lithium jetzt ganz anders: Hier sitzt ein Elektron in einem energetisch relativ hohen Zustand und kann wahrscheinlich relativ leicht abgegeben und von einem Reaktionspartner aufgenommen werden. Diese leichte Abgabe von Elektronen ist typisch für die Metalle. Wir beginnen daher hier mit einer neuen Gruppe – die I. Gruppe. Jetzt ein Sprung zum Element 9, F, Fluor. 9 Elektronen: 1s2 2s2 2p5 2 ( 2p x 2p 2y 2p z ,) Welches fehlt? – Weiß man nicht, Atome sind rund!) Was könnte Fluor machen für eine chemische Bindung? 5 oder 7 Elektronen abgeben? → energetisch ungünstig. → 1 Elektron aufnehmen und 1s2 2s2 2p6 bilden: F- ist sehr stabil, 29 30 F hat damit die Eigenschaft eines typischen Nichtmetalls. Das nächste Element: Z = 10, Ne, Neon - 1s2 2s2 2p6 das ist so stabil. Bisher sind weder vom Neon noch vom Helium chemische Verbindungen bekannt: Edelgase. Stabilität bei vollständig gefüllten Schalen (auch spürbar bei vollbesetzten Unterschalen, bei halbbesetzten Schalen) Wir erkennen jetzt auch den Witz der Einteilung im Periodensystem: Untereinander stehen jeweils die chemisch ähnlichen Elemente. I. Gruppe – typische Metalle, Alkalimetalle Li : 1s2 2s Na: 1s2 2s2 2p6 3s K: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s Rb: . 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6 5s VII. Gruppe – typische Nichtmetalle, Halogene F: 1s2 2s2 2p5 Cl: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p5 Br: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p5 I: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6 4d10 5s2 5p5 VIII. Gruppe, Edelgase He: 1s2 Ne: 1s2 2s2 2p6 Ar: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 Kr: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6 Xe: 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 3d10 4s2 4p6 4d10 5s2 5p6 Hauptgruppenelemente – Nebengruppenelemente s- und p-Schalen (Übergangselemente, d-Schalen, nur Metalle) Übergangselemente: d-Schalen werden aufgefüllt, zweitäußerste Schale nicht entscheidend für chemisches Verhalten. Nur Metalle – zahlreiche Oxidationsstufen Es fehlt noch eine große Gruppe von Elementen: Bisher Aufbau von s, p, d-Unterschalen. Ab der Schale n = 4 kann auch l = 3 sein, d.h. es können f-Elektronen auftreten. Diese inneren 30 31 (was heißt hier inneren?) Elektronenschalen werden in den Lanthaniden und den Actiniden aufgebaut – chemisch daher sehr ähnlich und schwer voneinander zu trennen. Die reinen Metalle (Lanthaniden) sind teilweise erst nach 1940 dargestellt worden. Zusammenfassung Periodensystem Periode: Aufbau der gleichen Schale, systematische Änderung der Eigenschaften Metall → Nichtmetall Gruppe: ähnliche Chemie Hauptgruppenelemente: wenig stabile Oxidationsstufen, mehr Nichtmetalle Nebengruppenelemente: zahlreiche Oxidationsstufen, nur Metalle zum Beispiel -Vergleich der Elemente V. Hauptgruppe V. Nebengruppe Symbol des Elements Ordnungszahl molare Masse kennen wir noch nicht (hat etwas mit der Masse des Atoms zu tun.) Isotope Elektronenkonfiguration Verweis auf Lehrbücher für Details Periodensystem lernen - typische Frage: können Sie Schach spielen? 31 32 32 33 3. Chemische Bindung und chemische Formeln 3.1 Eigenschaften von Verbindungen mit unterschiedlichen chemischen Bindungen Die Elemente treten i.a. nicht so als chemische Elemente auf, sondern gehen Bindungen mit anderen Elementen ein und führen so zu den Molekülen und den Verbindungen, die die Vielfalt unserer Umwelt unter Einschluss von Fauna und Flora bilden. Die historisch bedingte Einteilung Anorganische Chemie Organische Chemie Chemie aller anderen Elemente Chemie der Kohlenstoffverbindungen ist nicht mehr streng haltbar wegen zahlloser Überschneidungen. 1. Festkörper 1.1 Als erstes einige Metalle Typisch: metallischer Glanz → Leitfähigkeit (unabhängig vom Aggregatzustand!) (Glanz oft nur auf frischen Schnittflächen weg Rostbildung u.ä.) Eigenschaften sehr variabel a) Aggregatzustand: flüssig meist aber fest b) Dichte, Hg, Schmelzpunkt bei –39 °C W, Schmelzpunkt über 3400 °C Li schwimmt auf n-Hexan mit ρ = 0,66 g cm–3, Hg geht unter Substanz ρ / g cm–3 Osmium Quecksilber Eisen Aluminium Lithium c) Härte: 22,5 13,5 7,9 2,7 0,53 Stahl ←→ Lithium (kann mit Messer geschnitten werden) 1.2 Weitere Festkörper aus der anorganischen Chemie Salze Steinsalz (NaCl), farblos a) Aggregatzustand: fest, Schmelzpunkte einige 100 °C b) Dichte: meistens einige g cm–3 c) Härte: gering (zermörserbar) Bergkristall, Siliziumdioxid, Kristall = 1 Molekül Diamant, C, extreme Härte Granit, wichtigstes Gestein, Mischung aus 3 Verbindungen Glas, nichtkristalliner Festkörper, unterkühlte Schmelze 33 34 1.3 Festkörper aus der organischen Chemie a) Schmelzpunkte meist niedrig (oder sogar flüssig) b) Dichte: gering – 1 - 2 gcm–3 c) Härte: gering Molekülkristalle (Anthracen, Naphthalin), Polymere, z.B. Nylonwürfel relativ weich – Funktionspolymere (Karosserieteile aus Kunststoff) relativ hart 2.Flüssigkeiten 2.1 Anorganische Flüssigkeiten Wasser (H2O), Schwefelsäure (H2SO4) 2.2 Organische Flüssigkeiten n-Hexan (n-C6H14), Paraffin (CnH2n+2) flüssig / fest), Ethanol (CH3CH2OH), Benzol (C6H6, auch Benzen), Formaldehyd (CH2O) 3. Gase 3.1 Anorganische Gase Stickstoff (N2), Sauerstoff (O2), Kohlendioxid (CO2), Chlor (Cl2) 3.2 Organische Gase Methan (CH4), Acetylen (C2H2, auch Ethin)) 3.2 Ionische Bindung Dieser Typ von Bindung war schon kurz beim Aufbau des Periodensystems erwähnt worden – Beispiel Natriumchlorid. Beim Aufbau dieser Verbindung passiert folgendes: 1 Na-Atom gibt das äußerste s-Elektron (3s) ab und wird dadurch zu einem Natriumion. Ion erklären: geladenes Atom, Kation: positives Ion/Anion: negatives Ion Die Elektronenverteilung des Na-Ions: 1s2 2s2 2p6 entspricht Neon, (Elektronenkonfiguration eines Edelgases) ist sehr stabil → Na-Kation mit der Elektronenverteilung von Neon. Chlor nimmt ein Elektron auf→ Chloranion (negatives Ion heißt Anion. 1s2 2s2 2p6 3s2 3p5 → 1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 entspricht Argon, auch sehr stabil. Die Frage, die wir beantworten müssen, ist die nach dem energetischen Ablauf dieser Reaktion. 34 35 Natrium + Chlor → Natriumchlorid Vom Experiment her weiß man, dass das unter starker Energieabgabe abläuft. (Experiment: Na + Cl2, heftige Wärmeentwicklung) In einem Gedankenexperiment wollen wir den Reaktionsablauf in folgende 3 Stufen unterteilen und energetisch untersuchen 1) Na ergibt Na+ + e 2) Cl + e ergibt Cl– 3) Na+ + Cl– ergibt Natriumchlorid 1. Teilreaktion: Die notwendige Energie, um aus einem Natriumatom ein Elektron herauszuschlagen, nennt man das Ionisierungspotential IP des Natriums. Im allgemeinen wird man bei diesem Energie aufwenden müssen: siehe elektrostatische Verhältnisse. Die Messung dieses „Ionisierungspotentials“ ist relativ einfach. Man beschießt das Metall in der Gasphase mit immer kürzerwelligem Licht. Unterhalb einer bestimmten Wellenlänge λ (= oberhalb einer Energieschwelle) fliegen die Elektronen aus dem Atom heraus. Energie des Ionisierungspotential: hv = hc/λ Die Edelgas- und die Alkalireihe rutschen langsam nach unten! Diskussion: Metalle der 1. Gruppe – Edelgase (Extrempunkte) Dazwischen fast glatter Verlauf. 35 36 Mit abnehmendem Radius r nimmt IP in einer Periode zu, in einer Gruppe nimmt r zu, also nimmt IP ab. → Um das Na-Atom zu ionisieren, benötigen wir eine Energie von etwa 8 · 10-19 J. Kurz: 1. Nebengruppe – Cu, Ag, Au – 4s2 3d1 1-wertig: abgeschlossene 4s Unterschale 3-wertig: abgeschlossene 3p Unterschale 2-wertig: 4s-Orbital entleert Zur 2. Teilreaktion Cl + e–→ Cl– Die bei dieser Reaktion umgesetzte Energie wird als Elektronenaffinität bezeichnet. Ein entsprechendes Experiment zur Bestimmung dieser Größen wie beim Ionisierungspotential gibt es nicht. Möglich sind theoretische Berechnungen und Berechnungen aus thermodynamischen Daten. Ergebnis: bei der obigen Reaktion werden 6,5 · 10–19 J frei. Bei 2) wird (im Falle des Chlors) Energie frei! Vergleich mit Elektronenaffinitäten anderer Elemente: → Werte sehr viel kleiner, teilweise muss sogar Energie aufgewendet werden. Element Elektronenaffinität / kJ mol–1 J/Atom F –380 Cl –390 Br –366 O +697 S +334 –19 Trotzdem: 8 · 10 J hineingesteckt, 6,5 ·10–19 gewonnen, –6,3 · 10–19 –6,5 · 10–19 –6,1 · 10–19 +11,6 · 10–19 +5,6 · 10–19 → insgesamt ≈ 2 · 10–19 J bisher hineingesteckt. Diagramm Elektronenaffinität als Funktion der Ordnungszahl: 1 J = 6,24151·1018 eV (Elektronvolt) 36 37 Es verbleibt noch der Schritt 3) Annahme: Natriumchlorid als Kristall, Aufbau: Gitter Dort starke elektrostatische Wechselwirkung (Gitterenergie) = 13,3 · 10–19 J (nach Moore, S. 1081: 800 kJ mol–1 = 1,33 · 10–18 J) d.h. bei der Reaktion 3) wird diese Energie frei. Insgesamt (2 · 10–19 - 13,3 · 10–19 ≈ - 11 · 10–19) J Energiegewinn ≈ 11 · 10–19 J (→ ein “Natriumchlorid-Molekül“ gibt es nicht in kondensierter Phase) Noch einmal zusammengefasst: 1) Zusammenhalt des Kristalls: elektrostatische Wechselwirkung der Ionen 2) NaCl ist energetisch stabiler als Na-Metall und Halogen-Gas: Energiegewinn durch die elektrostatischen Wechselwirkungen Weitere Beispiele dazu: K+ Br–, Ca2+ 2Cl–, 2Na+ O2– 3.3 Kovalente Bindung Etwas komplizierter als die ionische Bindung, die noch klassisch verständlich ist. Der kovalente Bindungstyp ist am einfachsten beim Wasserstoff, wie er normalerweise vorliegt, zu diskutieren. Bei einer Vielzahl von elementaren Gasen ist nachgewiesen, dass nicht z.B. H, O, N, Cl sondern Moleküle aus 2 x H, 2 x O, 2 x N, 2 x Cl vorliegen. Einatomige Gase gibt es auch: He, Ne... (Edelgase), Hg (Metalldämpfe). Es liegt also ein Molekül aus 2 x H vor. Warum tun die sich zusammen? Ein einzelnes H-Atom ist elektrisch neutral, rund – man sieht auf den ersten Blick keinen Grund. Das ist auch die Schwierigkeit. Mit den Vorstellungen der klassischen Physik kommen wir hier nicht weiter. Den Weg der theoretischen Chemiker über die Schrödinger-Gleichung können wir nicht 37 38 gehen, da zu kompliziert. Wir müssen uns im Verständnisniveau darunter ansiedeln. Vorstellung – die Elektronen bewegen sich sehr langsam, wir können sie verfolgen (ist natürlich falsch!) In obenstehender Skizze sind die beiden Wasserstoffkerne (Protonen) mit p und die Elektronen mir e bezeichnet. Die Situationen 1 und 2 sind wegen Abstoßung sicher schlecht für den Zusammenhalt des Moleküls. Situation drei vermeidet Abstoßung, es gibt aber keinen grund für den Zusammenhalt. Einen solchen lassen am ehesten die Situationen 4 und 5 vermuten Es sind vom elektrostatischen Standpunkt her immer die Lagen gut, bei denen sich ein Elektron zwischen den Protonen befindet (Ekin müsste auch untersucht werden). Das andere Elektron wird sich dann weiter außen befinden. Wie wird die Aufenthaltswahrscheinlichkeit dort sein? → So, als ob nur der nähere Wasserstoffkern da ist, da der andere weit weg ist. Eine weitere wichtige Feststellung ist, dass die Elektronen nicht unterscheidbar sind. Ein Versuch einer Darstellung der Elektronendichtefunktion ist: Das ist die Aufenthaltswahrscheinlichkeit für jedes einzelne e. Mathematische Darstellung, es drängt sich auf: ψ = ψ1 + ψ2 (ψ1 = Wellenfunktion für das Elektron des Kerns 1) Querschnitt durch die p1 – p2-Richtung: Wir schaffen also aus den beiden 1s-Funktionen eine neue Funktion ψ, die2 Elektronen mit s = ± ½ aufnehmen kann. Je stärker die Überlappung, desto stärker die Bindung. Damit ist das Problem der kovalenten Bindung grundsätzlich, aber nicht im Detail gelöst. ψ = ψ1 + ψ2 ist auch keineswegs exakt! Der Chemiker möchte nun nicht diese Elektronendichte-Bilder immer zeichnen, sondern etwas schnelleres ver38 39 wenden. Eine Möglichkeit: H:H. Die beiden Punkte zwischen den H stellen die beiden Elektronen dar, die die Bindung erzeugen. Man kann auch sagen, sie kennzeichnen das Gebiet höherer Elektronendichte dieser beiden Elektronen. Vielfach schreibt man auch noch einfacher H–H. Der Strich sind dann diese beiden Elektronen. Ein Strich ist immer ein Elektronenpaar in einer Wellenfunktion ψ (oder in einem Orbital) mit s = ± ½. Diese Bindung hat auch einen Namen bekommen. Man nennt sie σ-Bindung. σ-Bindungen sind Bindungen, die Zylindersymmetrie um die Bindungsachse aufweisen. (Näher erklären!) H:H Punkte sind 2 Elektronen (Elektronenpaar) mit s = ± ½ H–H Strich bedeutet 2 Elektronen (Elektronenpaar) mit s = ± ½ in einem Orbital (Molekülorbital). Bindung heißt σ-Bindung oder Einfachbindung. σ-Bindungen haben Zylindersymmetrie um die Bindungsachse. Weiterhin spricht man von einer Einfachbindung, da nur ein Elektronenpaar an der Bindung beteiligt ist. Beispiele für solche Einfachbindungen: H–H, Li–Li, Na–Na (in der Gasphase) Hybridisierung Chlorgas (Cl2) besteht aus Molekülen, die zwei Chloratome enthalten. 1s2 2s2p6 3s2p5 (n = 1 und 2 uninteressant) Man könnte jetzt daran denken, dass je ein p-Elektron fehlt und – entsprechend der Überlagerung der s-Orbitale beim H2 – sich jetzt 2 p-Orbitale zu einem bindenden Molekülorbital überlagern. Die Natur macht das nicht, weil – nach Pauling – die „Überlappung“ der Orbitale möglichst stark sein sollte, sie macht die Stärke der Bindung aus. Die Überlappung von zwei normalen p-Orbitalen geht hier schlecht, da sich dann die Chloratome und ihre weiteren p-Orbitale zu nahe kommen. Es passiert etwas anderes: eine Kombination aus s- und p-Orbitalen, sog. Hybridisierung. 39 40 Energieunterschied zwischen s- und p? → Wird bei der Bindungsbildung wieder zurückgewonnen! Name: sp-Hybrid-Orbital -x s, –px s, +px (Verständnis: Die Zahl der Orbitale wird nicht erhöht, aus zwei Atomorbitalen werden zwei Hybridorbitale) Überlappung (= Bindungsstärke) geht jetzt viel besser: ψ = (s–px)1+(s+px)2 Man erreicht so folgendes: viel Ladungsdichte zwischen den Cl-Atomen und dementsprechend viel außerhalb. Übrig bleiben 3 Elektronenpaare, die auf die bereits gezeichnete Keule und die beiden restlichen p-Orbitale in der Tafelebene und senkrecht dazu verteilt werden. Bindung wird auch σ-Bindung genannt wegen der Rotationssymmetrie. Weiterer Hybridtyp: sp3 Beispiel aus der organischen Chemie: Methan Kohlenstoffatom von 4 Wasserstoffatomen umgeben, 109,5 ° (Tetraederwinkel) Röntgen- und Neutronenbeugung → H in den 4 Ecken eines Tetraeders C 1s2 2s2 p2 Aufnahme von 4 Elektronen in Bindungen, um Neon-Schale zu erreichen. → 2s 2px py pz Energieverbrauch? wird zurückgewonnen sp3-Hybrid (s,pz soll heißen: eine Linearkombination aus s und pz, d.h. ψ = c1 · ψs + c2 · ψpz 40 41 1) s, pz 2) s, –pz, px 3) s, –pz, –px, +py 4) s, –pz, –px, –py → sp3-Hybrid mit den maximalen Elektronendichten in den Ecken eines Tetraeders Jetzt Überlappung mit den 1s-Orbitalen vom H → σ-Bindungen 4mal → relativ starke Bindungen wegen guter Überlappung → CH4 ist bindungstheoretisch erklärt. 41 42 sp2-Hybrid Ethen (Ethylen): 2 C-Atome, 4 H-Atome H C H H C H Winkel etwa 120 ° Wieder: 2s 2px py pz sp2 3 Atomorbitale machen 3 Hybridorbitale Es entstehen 3 Hybrid-AOs aus Anteilen von je 1/3 2s, und px und py: zeigen in die Ecken eines Dreiecks in der x,z-Ebene 1) s, px 2) s, +px, –pz 3) s, –px, +pz 42 43 → 1 σ-Bindung zwischen den beiden C-Atomen und 4 σ-Bindungen zwischen den 4 HAtomen und den restlichen Hybridorbitalen der C-Atome. Es bleiben aber noch die pzOrbitale und jeweils ein Elektron übrig. sp2: alle 4 H-Atome in einer Ebene Mehrfachbindungen Überlappung der pz-Elektronendichte oberhalb und unterhalb der Molekülebene. → nicht mehr rotationssymmetrisch um die Bindungsachse (sondern Funktion ändert ihr Vor- Insgesamt (oben und unten): 2e zeichen). Dieser Bindungstyp heißt π-Bindung, die Summe aus σ- und π-Bindung heißt Doppelbindung. Alle Elektronen des Ethylens verteilt: 1 x C-C 4 x C-H 1 x C-C Geometrie σ-Bindung σ-Bindung π-Bindung 2 8 2 12 2xC 4xH 4 8 12 und vereinfachte Darstellung: 43 44 Ethin (Acetylen): 2 x C; 2 x H 2s 2px py pz sp-Hybrid wie bei Cl2 – eine σ-Bindung zwischen jeweils einem sp-Hybrid der beiden C-Atome – jeweils eine σ-Bindung zwischen den jeweiligen anderen sp-Hybrid und dem 1s der H-Atome – py und pz bleiben übrig. → über der Einfachbindung zwei um 90 ° versetzte π-Bindungen = Dreifachbindung ≠ 3 x Einfachbindung (aus Bindungslängen). Längen von C-Bindungen Bindung Länge [pm] C–C 153 C=C 134 C≡C 121 Beispiel 44 45 Folien: Orbitale d-Orbitale Bindungen im Methan sp3-Hybridorbitale 45 46 Hybridisierung des einen 2s mit den drei 2p-Elektronen auf das Energieniveau 2 sp3 unter Absenkung und Vereinheitlichung der Energie: Hybridisierungsablauf zu 4 Bindungspartnern der Kohlenstoff: (www.fbv.fh-frankfurt.de) 46 47 Mehrfachbindungen, π-Bindungen 47 48 Übergänge zwischen ionischer und kovalenter Bindung Sitzen die Bindungselektronen „in der Mitte“ zwischen den Bindungspartnern? Extrembeispiele: H–H und Na+ Cl– Chlorwasserstoff in der Gasphase: H Cl Zwei Möglichkeiten: 1) H+ Cl– in der Gasphase unwahrscheinlich, da kein Energiegewinn durch Gitterenergie 2) H–Cl σ-Bindung mit 1s von H und sp-Hybrid von Cl Rest? freie oder einsame Elektronenpaare im 2. sp-Hybrid, py und pz-Orbital. Beide Formulierungen ergeben für Cl und H Edelgaskonfiguration. Beides sind nun extreme Formulierungen. Die Mitte dazwischen dürfte richtig sein, d.h. wir müssen uns eine kovalente Bindung vorstellen, bei der die bindenden Elektronen mehr auf der Cl-Seite sitzen. Dieses mittlere Bild nennt sich polarisierte kovalente Bindung. kovalent polarisierte Bindung ionisch Diese Tendenz eines Atoms, Elektronen in einer Bindung zu sich herüberzuziehen heißt Elektronegativität (EN) und wird als dimensionslose Größe aus Reaktionswärmen berechnet, ein Diagramm der EN als Funktion der Ordnungszahl läuft ähnlich wie Ionisierungspotential. 48 49 Diagramm der Elektronegativitäten nach Pauling als Funktion der Ordnungszahl (läuft ähnlich wie Ionisierungspotenzial): Nachweis für die Polarität ergibt sich aus dem Vorhandensein eines Dipolmoments µ, das ein Maß für die Unsymmetrie der Ladung ist . µ = qr [µ] = Cm = Asm (früher 1 Debye = 3,33564 10-30 As m = 3,33564 10-30 C m) - kann mit geeigneten Geräten gemessen werden (auf Umwegen) - H–Cl zeigt ein solches Dipolmoment in der richtigen Größenordnung. Methoden zur Erstellung eines Elektronegativitätsmaßstabes: 1) Mittelwert aus Ionisierungspotential und Elektronenaffinität 2) Differenz der Bindungsenergien von 2-atomigen Molekülen der Bindungspartner (z.B. H– H, Cl–Cl für H–Cl), dann Unterschied zur tatsächlichen Bindungsenergie des H–Cl, die größer ist. Alle Methoden führen zu ähnlichen Maßstäben. 49 50 Kompliziertere Verbindungen Reihe: CO2 H2O, NO2,SF6 - kann man nicht über einen Kamm scheren: CO2 (Kohlenstoffatom + 2 Sauerstoffatome) farbloses Gas, Röntgenografie: linear aufgebaut: O C O, kein Dipolmoment Kohlenstoff: sp-Hybrid Sauerstoff 2s2 2p4, d.h. 2 e fehlen in den p-Orbitalen → sp2-Hybrid, pz übrig Valenzstrichformel: H2O: Wasser = 2 Wasserstoffatome + 1 Sauerstoffatom farblose Flüssigkeit ≈ 106 ° Dipolmoment ! O ist elektronegativ sp3-Hybrid (verzerrt) 50 51 Sauerstoff 2s2 2p4 → 2sp3 → sp3 Warum nun 106° und nicht 109,5°? Verbindung ist nicht so symmetrisch wie CH4! Einsame Elektronenpaare benehmen sich anders als bindende. - stark negative Ladungswolke - drückt Bindungselektronen stärker weg, als H herangezogen wird - → 106°! Stickstoffdioxid NO2; 1 x N + 2 x O, braunes Gas 132 ° Abzählen der Elektronen → ungerade, d.h. ein Orbital muss entweder mit einem oder mit 3e besetzt werden. Besondere magnetische Eigenschaften: paramagnetisch! sp2 Sogenannte Grenzstrukturen, Mesomerie (s. Organische Chemie), tatsächlicher Zustand dazwischen, durch die Formeln nicht beschreibbar. - nicht allzu ernst nehmen! - Grenzen dieser einfachen Theorie: Valenzstrichformeln nicht ausreichend! - Winkel! - Dimerisation zu farblosem Distickstofftetroxid (s-Bindung der beiden freien einzelnen (Radikal-)Elektronen 51 52 SF6 Schwefelhexafluorid – farbloses Gas Man erkennt sofort die Schwierigkeit: Mit s- und p-Elektronen maximal 4 Bindungen – hier aber 6! Für S in der 3. Periode mit n = 3 sind auch auch d-Elektronen möglich S ........... 3 s2 3 p4 3d0 (möglich, können besetzt werden, können Hybridorbitale bilden) Passende Linearkombinationen von s, px py, pz, dz2, dx2-y2 ergibt 6 Keulen in die Ecken eines Oktaeders gerichtet (≠ p-Orbitalen!) sp3 d2-Hybrid vom Schwefelatom und diese 6 Hybirdorbitale ergeben 6 σ-Bindungen mit 6 sp-Hybriden vom Fluor → extrem stabil, kann als Inertgas verwendet werden. 52 53 3.4. Metallische Bindung Zu erklären: - Härte von Metallen (teilweise) → starke Bindungen - Glanz der Metalle → leicht verschiebbare Ladungen, elektrische Leitfähigkeit Erklärung durch Weiterentwicklung der kovalenten Bindung: Darstellung der kovalenten Bindung in einem Energiediagramm: H2 Energie H H2 H Es gab einen Energiegewinn bei der Reaktion H + H → H2 (Erinnerung: Bildung zweier Molekülorbitale aus zwei 1 s Atomarbitalen, das MO bei höherer Energie wird nicht besetzt). In Metallen sind nicht zwei sondern viele Atome gebunden. In den beispielen Beispiel Lithium und Natrium haben isolierte Atome die Elektronenkonfiguration Li 1s2 2 s Na 1s2 2 s2 2p6 3s Und die Lage der Energie Niveaus ist scharf, so auch bei vielen Atome in großer Entfernung zueinander. Bei hinreichender Annäherung der Atome beginnen insbesondere die 2s-Bahnen, sich zu durchdringen. Die einzelnen Elektronen sind dann den einzelnen Kernen gar nicht mehr zuzuordnen, müssen jedoch aus quantenmechanischen Gründen leicht unterschiedliche Energien Leitungsband haben. So ergeben „Energiebänder“ (links für Lithium). Valenzband 53 sich schließlich 54 Während die unteren Bänder mit Elektronen gefüllt sind (die deshalb ihren mehr oder weniger bestimmten Platz im Metall haben: Valenzband), sind die Elektronen in im oberen, nicht ganz gefüllten Band frei beweglich, sind delokalisiert (Leitungsband). Man spricht auch von einem „Elektronengas“ (vorher bei getrennten Li-Atomen: Beschreibung auf der entsprechenden Elektronenbahn). Damit ergibt sich die - Erklärung für elektrische Leitfähigkeit - Erklärung für Glanz: die leicht beweglichen Elektronen wirken als Spiegel für die elektromagnetische Strahlung - Erklärung für die Stabilität = metallische Bindung. Ähnlich wie bei der kovalenten Bindung durch Elektronendichte zwischen den Kernen hier jetzt Elektronendichte zwischen allen Kernen! Überlegung, wie wir sie bei der kovalenten Bindung durchgeführt haben, zeigen, dass das günstiger ist. Nicht-metallische Festkörper zeigen diese Eigenschaften nicht. Bei ihnen gibt es keine Elektronen im Leitungsband. Elektronen können jedoch (häufig) durch Zufuhr von Energie (im Betrag des Abstands zwischen Valenz- und Leitungsband; durch angelegte Spannung oder durch Lichtabsorption) in das Leitungsband angehoben werden. Man spricht deshalb von Halbleitern. Zwischentypen: Metalle in polaren kovalenten Bindungen (Dimethylquecksilber, Butyllithium) oder ionisch in Salzen mit ggf. organischen Anionen (Silberacetat). Rückblick zu Bindungstypen Ionenbindung: Aufnahme und Abgabe von Elektronen → Edelgasschale d.h. bei Metallen: Ladung des Kations: Gruppennummer bei Nichtmetallen: Ladung des Anions = 8 – Gruppennummer Kovalente Bindung: gemeinsame Elektronenpaare – 2 Stück bei H (1. Periode) 4 Stück in der 2. Periode (4x2 Elektr. → Oktettregel) 6 Stück in der 3. Periode (SF6) Metallbindung: alle Elektronen gemeinsam, delokalisiert im oberen Band. Verständnisfragen hierzu beantworten können! Definieren Sie Elektronegativität, Elektronenaktivität, .... 54 55 3.5. Aufbau von Festkörpern 3.5.1 Metalle - metallische Bindung durch den ganzen Körper - Verformbarkeit – Schichten verschiebbar→ verformbar 3.5.2 Atomkristalle beispielsweise Diamant räumlicher Aufbau ein Kristall ist ein Molekül → nicht verformbar. 3.5.3 Ionenkristalle beispielsweise Natriumchlorid - jedes Na+ von 6 Cl– umgeben und umgekehrt - nicht verformbar, wasserlöslich 3.5.4 Molekülkristalle a) polare Molekülkristalle beispielsweise HCl-Kristalle - H–Cl-Einheiten erkennbar - Dipol-Dipol-Wechselwirkung b) unpolare Molekülkristalle - H–H wird auch einmal fest (14 K) - sehr geringe Wechselwirkung ggf. nur induzierte, fluktuierende Dipol-Dipol-Wechselwirkung 3.6 Chemische Formeln 3.6.1 Verbindungen mit kovalenten Bindungen Schwefelhexafluorid Ethylen 55 56 Strukturformel SF6 C2H4 Summenformel Index: Zahl des entsprechenden Atoms im Molekül → oft auch Indizes für Gruppen von Atomen, z.B. C(CH3)4 Strukturformel C5H12 Summenformel Überschneidung von Struktur- und Summenformel Frage: SF6 oder S2F12? entsprechend Molekül in der Gasphase oder im Molekülkristall Was aber bei Quarz? ein Kristall = ein Molekül auf ein Siliciumatom kommen nur 2 Sauerstoffatome. In solchen Fällen benutzt der Chemiker immer die kleinste in ganzen Zahlen schreibbare Einheit, also hier SiO2 als Summenformel. 3.6.2. Verbindungen mit Ionenbindungen Die Cl– sind dann auch von 6 Na+ umgeben. Strukturformeln schreibt man hier nicht auf, sondern verfährt wie bei Quarz. Ergebnis: NaCl KBr Natriumchlorid Kaliumbromid CaCl2 Calciumchlorid Na2O Natriumoxid Na2SO4 Natriumsulfat 56 57 NH4Cl Ammoniumchlorid 3.6.3. Gemischte Verbindungen Strukturformel Essigsäure Natri- umacetat CH3-COO– Na+ CH3COONa Namen chemischer Verbindungen: Nur an Beispielen, Systematik ist zeitlich sehr aufwändig. anorganisch: PbCl4, KCl, KClO, KClO2, KClO3, KClO4, Na2S, Na2SO3, Na2SO4 Bleitertrachlorid. Kaliumchlorid, Kaliumchlorit, Kaliumchlorat, Kaliumperchlorat, Natriumsulfid, Natriumsulfit, Natriumsulfat. 3.7. Stoffmenge und Stöchiometrie Für den Chemiker sind Massenangaben oft nicht das richtige Mittel. Beispiel: Eine Reaktion aus der organischen Chemie soll mit einer analogen Verbindung nachvollzogen werden. Dann ist es viel wichtiger zu wissen, dass 1 Molekül A z.B. mit 2 Molekülen von B reagiert, als dass 1 g A mit 7 g B reagiert, weil man dann auch weiß, dass 1 Molekül der Analogverbindung A´ mit 2 Molekülen B reagiert. Natürlich ist eine Umrechnung möglich, eine Angabe auf molekularer Basis aber einfacher. Nun sind Atommassen und Molekülmassen sehr unhandliche Zahlen → daher Definition aus einer sehr großen Anzahl von Atomen oder Molekülen: Unter einer Stoffmenge versteht man eine bestimmte Anzahl Teilchen. Definition: Unter der Stoffmenge 1 mol einer Verbindung oder eines Elements versteht man die Menge, die die gleiche Zahl von Teilchen enthält, wie sich in 12 g des Kohlenstoffisotops mit der Massenzahl 12 befinden. Definitionsgemäß entsprechen daher 12 g 12C einem Mol. Und als weitere Definition: Die Masse der Stoffmenge 1 mol wird als molare Masse M bezeichnet. Die molare Masse M des Kohlenstoffisotops 12C beträgt daher M = 12 g mol–1. 57 58 (mol als Einheit klein geschrieben, als Begriff groß geschrieben) Wieviele Teilchen befinden sich nun in einem Mol? Das Messverfahren sei am am Diamant erläutert: Röntgenografie → C-Abstände 12 g 12C = 1 mol; Dichte bekannt → 1 mol entspricht einem bestimmten Volumen → 1 mol entspricht einer bestimmten Teilchenzahl. Diese Zahl beträgt 6,0225 · 1023 und heißt Avogadrosche Konstante NA. (auch Loschmidtsche Zahl L); NA = 6,0225 · 1023 mol–1. Molare Massen anderer Elemente? Wie oben oder zu ermittelen aus der Massenspektrometrie: z.B. ein Na-Atom ist 1,9158 mal schwerer m Na = 1,9158 m 12 C → MNa = 1,9158 · 12 = 22,9896 g mol–1 schwieriger bei Mischelementen: auch massenspektrometrisch + Angabe im Periodensystem (MC = 12,01 - mit 1,1 % 13C) Wichtige Beziehungen: 1) Masse eines Atoms m= M NA 2) Molare Masse von Verbindungen: additiv aus den Elementen 3) Stoffmenge n= m M Beispiele dazu: Ermittlung der Masse eines durchschnittlichen CO2-Moleküls: M = 12,01 g/mol + 2 · 16 g/mol = 44,01 g/mol mMolekül 44,01g·mol-1 = = 7,307·10 −23 g 23 -1 6,023·10 mol Frage: Welcher Stoffmenge n entsprechen 25 g NaCl? MNa MCl 22,990 g/mol +35,453 g/mol 58 59 MNaCl 58,443 g/mol n= 25 g = 0,428 mol 58,44g mol -1 Berechnung der Zusammensetzung von Mischungen und chemischen Verbindungen aus der Formel mit Hilfe xi = ni ∑n xi = 100 gi = Stoffmengenanteil. Mengenanteil, Molenbruch: 0 ≤ x ≤ 1 / 0 bis 1, ausgesprochen nützlich als Konzentrationsmaß, da dimensionslos ni ∑n Molprozent mi ∑m g i = 100 mi ∑m Massenanteil, -bruch, Gewichtsprozent Dazu einige Beispiele 1) Herstellung einer Lösung von 1 Mol-% Natriumchlorid in Wasser: 0,01 mol NaCl: 0,01 · (22,99 + 35,45) = 0,5844g NaCl 0,99 mol H2O: 0,99 · (2 · 1,01 + 16,00) = 17,84 g H2O ggf. Mehrfache oder Teile davon 2) Wieviel Mol-% Fe enthält Fe2O3? → 40 Mol-% 3) Wieviel Gewichtsprozent Fe enthält Fe2O3? wi = 100 mi 2 M Fe 2·55,85 = 100 = 100 = 69,94 Gew. − % 2 M Fe + 3M O 2·55,85 + 3·16,00 ∑m 4) Wieviel Eisen lässt sich aus einer Tonne eines Eisenerzes gewinnen, das 40 Gew.-% Fe2O3 enthält? m = 1000·0,4 2 M Fe kg = 279 kg Eisen 2 M Fe + 3M O 59 60 Umrechnungsmatrix für Konzentrationsangaben in binären Lösungen (Index 1 für Lösemittel, 2 für Gelöstes): Massenanteile Konzentrationen (Molaritäten) g2 = m2 / Σm c2 = n2 / v (in mol/dm3) Mengenanteile (Molenbrüche) Molalitäten x2 = n2 / Σn b2 = n2 / m1 (dimensionslos) (in mol/kg) Dichte einer Lösung molare Masse ρ= Mi = mi / ni (in g/cm3 oder kg/dm3) (in kg/mol) mittlere molare Masse Mm = Σmi / Σni (in kg/mol) Σmi / v g2 c2 x2 b2 g2 g2 M2c2 / ρ M2x2 / [M1 + (M2 – M1) x2] M2b2 / (1 + M2b2 ) c2 ρ g2 / M2 c2 ρ x2 / Mm ρb2 / (1 + M2b2 ) x2 M1g2 / [M1g2 + M2 (1–g2)] Mm c2 / ρ x2 M1b2 / (1 + M1b2 ) b2 g2 / [M2 (1–g2)] c2 / (ρ – M2c2) x2 / [M1 (1–x2)] b2 60 61 4. Reaktionen und Reaktionsgleichungen 4.1 Triebkraft von Reaktionen Einige Definitionen: Ausgangsstoffe, Reaktanden, Edukte, Produkte Wann läuft eine Reaktion ab? Bisherige Argumentation war rein energetisch: H + H ergibt H2 / Na + Cl2 ergibt NaCl Produkte sind energieärmer als die Edukte?! Wenn möglich zwei Experimente 1) Zn + Na2O2 + H2O → ZnO + Na2O (Abgabe des Sauerstoffs aus dem Peroxid) Reaktionsprodukte: Na2O + ZnO (wasserfreie Zinkate gibt es nicht) Flammenerscheinung: gewaltige Energieabgabe 2) CoCl2·6H2O (fest) + 6 SOCl2 (fl.)→CoCl2 + 12 HCl (g) + 6 SO2 (g) (SOCl2 heißt Thionylchlorid) Vorführung mit Thermometer: Drastische Temperaturerniedrigung, trotzdem Ablauf der Reaktion; Kristallwasser des CoCl2 reagiert mit SOCl2; aus SOCl2 werden dabei die Gase Chlorwasserstoff (HCl) und Schwefeldioxid (SO2) Folgerung: Die Wärmeabgabe bei einer Reaktion allein ist kein Maß für die Ablauffähigkeit. Was dann? (Historische Bemerkungen: Hierbei mechanische Analogie.) Bei der Reaktion entweichen in großen Mengen Gase. Die Komponenten, die diese Gase bilden, waren vorher fest oder flüssig. Wir stellen fest, dass in dem System die Unordnung stark zunimmt. Die Chemiker und Physiker haben diesen Unordnungsbegriff sehr viel schärfer gefasst und haben eine Messgröße für die Unordnung eingeführt: die Entropie. Dazu folgendes Gedankenexperiment: Durchmischung! A, B sind Gase, die nicht miteinander reagieren, d.h. kein Energiegewinn, aber Entropiegewinn Eine Zunahme der Entropie bei Reaktionen bebefördert die Ablauffähigkeit. Insgesamt gibt es jetzt 2 Prinzipien: 1) möglichst niedriger Energiegehalt der Produkte, d.h. Wärmeabgabe, 62 2) möglichst hohe Unordnung (Entropie) der Produkte, d.h. Unordnungszunahme. Beide Größen sind dann in einer Formel zusammengefasst worden: g=h–Ts Vorzeichen diskutieren! g = freie Enthalpie (Triebkraft) h = Enthalpie, Wärmemaß T = absolute Temperatur s = Entropie, Unordnungsmaß Die freie Enthalpie hat nun genau die gesuchte Eigenschaft: Bei einer freiwillig ablaufenden Reaktion nimmt g ab unter bestimmten äußeren Bedingungen. Eine Reaktion, bei der g zunehmen würde, läuft freiwillig nicht ab. Ablauffähigkeit ist damit geklärt: Enthalpie- und -Entropieänderungen bei der Reaktion (∆Rh und ∆Rs) in die obige Formel einsetzen (∆Rg = ∆Rh – T ∆Rs) worden1:→ Vorzeichen von ∆g gibt die Ablauffähigkeit oder Triebkraft an. Gegebene Ablauffähigkeit besagt nicht, 1) dass die Reaktion tatsächlich abläuft, und 2) wie schnell sie abläuft. Rückblick auf die Wasserstoffverbrennung H2 + O2 nebeneinander → passiert nichts Zündung: Explosion! oder: trockenes Holz an Luft / Benzin an Luft → passiert nichts Anbrennen: Verbrennung Offensichtlich ist eine gewisse Zufuhr von Anfangsenergie (el. Zündung, Erwärmung) notwendig, um die Reaktion ablaufen zu lassen, weitere Wärmeerzeugung bei der Reaktion selbst (∆Rh) ergibt dann den Nachschub. Ablauffähigkeit ist in diesen Fällen bei allen T gegeben! Begriff: kinetische Hemmung 1 Formel gilt streng bei konstantem Druck (z.B. Atmosphärendruck) und konstanter Temperatur (z.B. Raumtemperatur oder siedendes Gemisch) 63 4.2. Reaktionsgleichung 1. Frage: Welche Produkte aus welchen Edukten? Kann niemals durch Berechnung mit einer Reaktionsgleichung bestimmt werden → immer Experiment oder Gedankenexperiment 2. Frage: Wieviel A reagiert mit B, wievel C entsteht? Das kann beantwortet werden. Beispiel für eine Reaktionsgleichung A+B→2C sprich: A plus B ergibt 2 C oder A reagiert mit B zu 2 C Begriffe: Reaktanden; Produkte, Edukte Koeffizienten: 1 Teilchen A (H2) reagiert mit einem Teilchen B (Cl2) zu 2 Teilchen C (2 HCl). Pfeil entspricht einem =, daher heißt es Reaktionsgleichung (wird in der organischen Chemie nicht immer streng beachtet). Zahl der Atome (und Ladungen) der Edukte und Produkte stimmen überein. Nur die Bindungen ändern sich. Gilt nicht in der Kernchemie! Aus Obigem folgt: Gesetz von der Erhaltung der Masse bei chemischen Reaktionen: Bei einer chemischen Reaktion ist die Gesamtmasse der Edukte gleich der Gesamtmasse der Produkte. Ebenso Art und Zahl der Atome und ggf. der Ladungen, Reaktionspfeil ist Gleichheitszeichen! Was beschreibt eine Reaktionsgleichung? z.B. H2 + Cl2 → 2 HCl 1) Wasserstoff und Chlor reagieren unter Bildung von Chlorwasserstoff (qualitativer Aspekt). 2) 1 Molekül (oder 1 Mol) Wasserstoff und 1 Molekül (bzw. 1 Mol) Chlor reagieren unter Bildung von 2 Molekülen (oder 2 Mol) Chlorwasserstoff (quantitativer Aspekt) → stöchiometrische Berechnungen → Ausbeute: 100 erhaltene Stoffmenge Produkte theoretisc h mögliche Stoffmene Prokte Reaktionsgleichungen lassen sich unter Wahrung der angegebenen Regeln (gleiche Atomzahlen rechts und links) für beliebige Reaktionen umschreiben. Ablauf bleibt aber fraglich. z.B. H2 + Cl2 → 2 HCl reagiert nach Zündung, zum Ablauf siehe Kap.6.5. 2 HCl → H2 + Cl2 ist von der Reaktionsgleichung her richtig, hat aber keine Triebkraft. 64 Bestimmung der Koeffizienten einer Reaktionsgleichung 1) Ethan wird mit Sauerstoff zu Kohlendioxid und Wasser verbrannt. C2H6 + O2 → CO2 + H2O entspricht Gleichheitszeichen! erst Verhältnis CO2 : H2O ermitteln, dann O2 dazu C2H6 + O2 → 2 CO2 + 3 H2O C2H6 + 3,5 O2 → 2 CO2 + 3 H2O ganzzahlig machen! 2C2H6 +7 O2 → 4 CO2 + 6 H2O 2) Auflösung von Aluminium in H2SO4: Was entsteht? → Muss man vorher wissen! 2 Al + 3 H2SO4 → 3) +4 –2 Al2(SO4)3 + 3 H2 0 +5 –2 4 NO2 + 2 H2O + O2 → 4 HNO3 Teilweise ist die Aufstellung sehr kompliziert, besonders bei Redoxgleichungen. Was ist das? Oxidation im klassischen Sinn: 2 Li + ½ O2 → Li2O Reaktion mit Sauerstoff Reduktion im klassischen Sinn: Li2O → 2 Li + ½ O2 Abgabe von Sauerstoff Erweiterung des Begriffs SO2 + ½ O2 → SO3 Erweiterung des Begriffs Li → Li+ soll auch eine Oxidation sein d.h. Zuführung positiver Ladung = Abgabe von e– Li+ → Li soll eine Reduktion sein d.h. Abführung positiver Ladung oder Zuführung negativer Ladung = Aufnahme von e– Erweiterung des Begriffs auf kovalente Verbindungen 65 Ändert sich die Ladung des S im SO2 (polarisierte Atombindung)? Nicht so recht! Daher Einführung der formalen Oxidationsstufe – hat nichts zu tun mit restlichen Ladungen, ist ein Hilfsmittel, um Redoxreaktionen einfach zu überblicken. Man spaltet dabei die Verbindung formal in Ionen auf, wobei die elektronegativen Atome die negativen Ladungen und umgekehrt bekommen. Regeln: Wasserstoff –1 sonst in Hybriden +1 Sauerstoff –1 sonst in Peroxiden –2 Metalle positiv entsprechend der Ionenladung Elemente Null Σ entspricht Ladung des Moleküls (Jetzt oben in Beispiel 3 formale Oxidationsstufen drüberschreiben) Beispiele +1 –1 Na Cl +1 –2 –2 (Unterschied S und S2–) Na2 S +1 +6–2 Na2 S O4 +1 +5 –2 H NO3 –3 +1 N H3 +1 +7 –2 K Mn O4 +1 –1 H2 O2 +1 +3 –1 Na Al H4 +1 -1/3 Na N3 Natriumalanat, Natriumaluminiumhydrid Natriumazid Berechnung der Koeffizienten einer Redoxgleichung mit Hilfe der formalen Oxidationsstufen an Beispielen der Chemie wässriger Lösungen: 66 Prinzip: Oxidations- und Reduktionsprozess einzeln hinschreiben, kleinstes gemeinsames Vielfaches suchen, Teilgleichungen addieren, Atomzahlen und Ladungen links und rechts ausgleichen, gegebenenfalls H2O, H+ oder OH– ergänzen (in Wasser immer vorhanden). Reduktion von Fe3+ mit SO32– (sog. schweflige Säur) d.h. 1) Fe3+ + SO32– → Fe2+ + SO42– Zerlegung in 2 Reaktionen: +3 3+ +2 – Fe + 1 e → Fe2+ +4 +6 2– SO3 + H2O → SO42– + 2 e– + 2 H+ kleinstes gemeinsames Vielfaches: 2 Fe3+ + 2 e– → 2 Fe2+ SO32– +H2O → SO42– + 2e– + 2 H+ Addition 2 Fe3+ + SO32– + H2O → 2 Fe2+ + SO42– + 2 H+ Nachprüfen: Atomzahlen, Elektroneutralität 2) Auflösung von Kupfer in ½ konz. HNO3 Cu + HNO3 → 0 NO + Cu(NO3)2 +2 Cu → Cu2+ + 2 e–, addiert: +5 +2 – HNO3 + 3 e → NO (ist noch nicht vollständig bezüglich H und O). oben x 3 unten x 2 3 Cu + 2 HNO3 → 3 Cu2+ + 2 NO (Cu2+ → Cu(NO3)2) 3 Cu + 2 HNO3 → 3 Cu(NO3)2 + 2 NO N? stimmt nicht, ausgleichen: 3 Cu + 8 HNO3 →3 Cu(NO3)2 + 2NO O? stimmt nicht, ausgleichen: Bei den hier behandelten Redox-Gleichungen in wässriger Lösung darf zum Ausgleich von O nur H+, OH- oder H2O ergänzt werden. Keine neuen Edukte oder Produkte erfinden! 3 Cu + 8 HNO3 →3 Cu(NO3)2 + 2NO + 4 H2O H? stimmt! Ladungen stimmen! Dasselbe in Ionenscheibweise: 0 +5 + +2 2+ +2 3 Cu + 2 HNO3 + 6 H → 4 H2O + 3 Cu + 2 NO Unbedingt Ladungen nachzählen! oder 67 0 +5 - +2 + +2 2+ 3 Cu + 2 NO3 + 8 H → 4 H2O + 3 Cu + 2 NO Wird anstelle von halbkonzentrierter Salpetersäure konzentrierte eingesetzt, entsteht NO2 (braunes Gas) anstelle von NO (farblos): 0 + +5 +2 2+ +4 2 H + Cu + 2 HNO3 → 2 H2O + Cu + 2 NO2 3. Permanganat-Reduktion +7 – –1 – ±0 +2 MnO4 + Cl → Cl2 + Mn2+ (5e) 2 Cl– → Cl2 +2 e+7 +2 Mn + 5 e → Mn 2 MnO4– + 10 Cl– → 5 Cl2 + 2 Mn2+ (+16 H+) kgV 10 | O-Korr. | Anionen-Korr. 2 MnO4– + 10 Cl– → 5 Cl2 + 2 Mn2+ + 8 H2O 2 MnO4– + 14 HCl → 5 Cl2 + 2 MnCl2 + 8 H2O | H-Korr. 2 NaMnO4 + 16 HCl → 5 Cl2 + 2 MnCl2+ 2 NaCl + 8 H2O oder 2 MnO4– + 16 HCl → 5 Cl2 + 2 MnCl2 + 2 Cl–+ 8 H2O 4.3. Stöchiometrie Bedeutung Prinzipielles Verfahren A+2B→3C → 1 mol A ergibt 3 mol C (oder Vielfache) oder in Massen umgerechnet mA = nA · MA nA = 1 mol mC = nC · MC nC = 3 mol oder mit Dreisatz, exemplarische Behandlung: 1) Welche Masse Sauerstoff wird benötigt, um 1 kg Ethan zu verbrennen? Welche Masse Kohlendioxid entsteht dabei? 2 C2H6 + 7 O2 → 4 CO2 + 6 H2O MC2H6 = 30,08 g · mol–1 MO2 = 32,00 g · mol–1 MCO2 = 44,01 g · mol–1 68 2 mol C2H6 = 60,16 g jeweils 60,16 g Ethan verbrauchen 7 mol O2 = 224 g 224 g Sauerstoff Dreisatz: mO2 = 1⋅ 224 kg = 3,723 kg Sauerstoff 60,16 Wieviel CO2 entsteht? 2 mol C2H6 = 60,16 g 4 mol CO2 = 176,04 g mCO2 = 1⋅ 176,04 kg = 2,926 kg CO2 60,16 2) Welche Masse Calciumcarbonat wird zur Herstellung von 1000 kg Normalglas benötigt? Normalglas hat etwa die Zusammensetzung Na2O · CaO · 6 SiO2 MNa2O = 2 · 22,90 + 16 = 61,80 g · mol–1 MCaO = 56,08 g · mol–1 MSiO2 = 60,09 g · mol–1 MCa = 40,08 g · mol–1 MCaCO3 = 100,09 g · mol–1 MNa2O · CaO · 6 SiO2 = 61,80 + 56,08 + 6 · 60,09 = 478,42 g · mol–1 angewendetes Verfahren hier etwas anders als im vorigen Beispiel Stoffmenge von 1000 kg Normalglas n= m 1000 kg = = 2090 mol M 478,42 g ⋅ mol -1 Reaktionsgleichung 6 SiO2 + Na2CO3 + CaCO3 → Na2O · CaO · 6 SiO2 + 2 CO2 d.h. 2090 mol CaCO3 werden benötigt. mCaCO3 = nCaCO3 · MCaCO3 = 2090 mol · 100,09 g · mol–1 = 2,09 · 105 g = 209 kg 3) Ausbeutebeutebegriff: % der bei 100 % Umsatz theoretisch möglichen Ausbeute 18 g 0,3 mol 18 g 0,4 mol 20 g 0,2 mol CH3COOH + HOC2H5 → CH3COOC2H5 + H2O 69 60,05 g/mol 46,07 g/mol 88,10 g/mol 0,2 ⋅ 100 = 67 % 0,3 4.4 Reaktionen aus der anorganischen Chemie Warum überhaupt: etwas Stoffkunde (organische Reaktionen verlangen spezielle Kenntnisse, s. Kap. 10) Weitere Einschränkung: nur Hauptgruppenelemente und davon nur die wichtigsten / Grund: Zeit! Vorgehen: Gruppenweise 1. Gruppe (Hauptgruppe) Li, Na, K, Rb, Cs, Fr Alkalimetalle – Elemente mit den stärksten metallischen Eigenschaften, in der Gruppe von oben nach unten zunehmend. Dazu Demonstration: Reaktion mit Wasser Li + H2O (auf dem Tisch) Diskussion 2 Li + 2 H2O → 2 LiOH + H2 entstehendes Gas = Wasserstoff – entzündet sich hier nicht (siehe später) Was ist LiOH? in Wasser „dissoziiert“ LiOH in Ionen: LiOH → Li+ + OH– LiOH ist im klassischen Sinn eine Base, d.h. LiOH gibt in wässriger Lösung OH– ab. Begriff der Dissoziation allgemein: Zerfall in mehrere Teilchen hier speziell: Zerfall in wässriger Lösung in Ionen sprachlich so üblich, aber eigentlich unsinnig, da bereits im Kristall in Ionen (sehr weitgehend) vorliegen, d.h. besser wäre Li+OH–sol. → Li+aq. + OH–aq. Diskussion der OH–-Ionen: Wasser enthält H+- und OH–-Ionen. Enthält eine Lösung mehr H+ als OH–: Lösung ist sauer. Enthält eine Lösung mehr OH– als H+: Lösung ist basisch (alkalisch). BaOH in Wasser ergibt daher eine basische Lösung. Für eine grobe Messung: Indikatorpapier 70 fest oder flüssig beschreiben, vorführen Nächstes Element: Na o Ggf. Experiment im Abzug, Indikator gleich zusetzen - heftigere Reaktion als bei Li, Na schmilzt - H2 entzündet sich manchmal - Warnung: Augen schützen! (verspritzendes, brennendes Na) - Hustenreiz durch NaOH-Nebel - Brennen verschiedener org. Flüssigkeiten im Abguss - Explosion von H2 in Abwasserleitung - Ordnungsgemäße Vernichtung mit Alkohol unter Rückfluss - wird oft in der organischen Chemie als Trockenmittel verwendet Beobachtung analog Li: NaOHsol. → Na+aq. + OH–aq. Nächstes Metall: Kalium Hier besteht schon mehr Gefahr: die Entzündung an Luft K mit H2O : sofortige Entzündung des H2 durch die hohe Temperatur der schnellen Reaktion Rb, Cs können nicht vorgeführt werden: Entzündung an Luft! Handhabung nur in Vakuum- oder Argonapparaturen. Wichtige Verbindungen der Alkalimetalle Hydroxide: NaOH (Natriumhydroxid) zeigen: Auflösung in H2O mit Thermometer Chloride: NaCl (Steinsalz, Kochsalz) farbloses Salz Nitrate: KNO3 wichtiges Reagenz zur Sauerstoffabgabe Carbonate: Na2CO3 (Natriumcarbonat, Soda) Früher Waschmittel 71 Zusammenfassung 1. Hauptgruppe: unedle Metalle, sehr reaktionsfähig gegen H2O und Nichtmetalle, bilden meist farblose Salze, typische Ionenverbindungen, wasserlöslich, 2. Gruppe Be, Mg, Ca, Sr, Ba, Ra Beryllium, relativ uninteressant, giftig Mg: wichtiger Legierungsbestandteil mit Al, Zn, usw. → Flugzeugbau, Felgen, Leichtmetallmotoren Oxidation: Ggf. Mg + O2 vorführen 2 Mg + O2 → 2 MgO heftig, stark „exotherm“ Anmerkung: exotherm = Wärmeabgabe endotherm = Wärmeaufnahme Mg + Trockeneis (!): 2 Mg + CO2 → 2 MgO + C (daneben auch O) „entreißt“ dem CO2 den Sauerstoff → d.h. starkes Reduktionsmittel „rostet“ Mg? Reaktion zu MgO verläuft ja sehr heftig. Nein! Mg + ½ O2 + H2O → Mg(OH2) (Magnesiumhydroxid) Mg(OH2) haftet fest auf der Oberfläche → keine weitere Reaktion Mg in H2O vorführen ≠ Alkalien: passiert nichts Säure dazu (HCl) Mg(OH2) + 2 HCl → Mg2+ + 2 Cl- + 2 H2O löst sich auf Mg + 2 HCl → MgCl2 + H2 Generell: Säuren lösen die starken Metalle (links im Periodensystem) unter Wasserstoffbildung auf. Ionenschreibweise: Mg + 2 H+ → Mg+ + H2 Höhere Elemente der 2. Hauptgruppe: Ca (Calcium), Sr (Strontium), Ba (Barium) Hydroxide in Wasser lösen → Basen - sind schwächere Basen als in 1. Hauptgruppe (ggf. Nachweis mit Universalindikatorlösung) 72 - Ba(OH)2-Lösung vorlegen, CO2 aus Flasche einleiten (oder Atemluft einblasen) Ba(OH)2 + CO2 → BaCO3↓ + H2O schwerlösliche Verbindung, fällt aus - BaCl2 vorlegen, H2SO4 dazu - „Molekülform“ - „Ionenform“ Ba2+ + SO42– → BaSO4↓ - Unterschied der Säurelöslichkeit von Ba2CO3 und BaSO4 vorführen - Röntgenkontrastmittel, Ba2+ extrem giftig BaCl2 + H2SO4 → BaSO4↓ + 2 HCl Sr: Verwendung – nichts besonderes, Feuerwerkskörper Ca: CaCO3 (Calciumcarbonat, Kalk) nördl. Kalkalpen, durch Fällung im Meer und Kalkskelette CaCO3 900 °C → CaO + CO2 CaO + H2O → Ca(OH)2 Calciumoxid, gebrannter Kalk Calciumhydroxid, gelöschter Kalk Ca(OH)2 + Sand Kalkmörtel (Luftmörtel) wirkt nur mechanisch wie beim Beton Abbinden: Ca(OH)2 + CO2 → CaCO3 + H2O trocken wohnen! CaSO4 Calciumsulfat – natürlich als Gips vorkommend → Kristallwasser CaSO4 · 2 H2O 120 °C CaSO4 · 2 H2O → 200 °C CaSO4·½ H2O + 1,5 H2O gebrannter Gips CaSO4·½ H2O → CaSO4 + ½ H2O Stuckgips / Anhydrit CaSO4 · ½ H2O + 1,5 H2O → CaSO4 · 2 H2O Das Abbinden von Gips führt zu einer geringem Volumenzunahme (Gipsabdruck/Gipsverband) CaCl (Calciumchlorid) – ähnlich CaCl2 + 6 H2O → CaCl2·6 H2O 73 CaCl2 ist ein Trockenmittel. Zusammenfassung 2. Hauptgruppe: Metalle, nicht reaktiv gegen H2O, ionische Verbindungen teilweise in H2O schwer löslich. 3. Gruppe B, Al, Ga, In, Tl (Gallium, Indium, Thallium) Bor: nichts Aluminium: als Metall bereits bekannt - wie Mg in Säuren löslich (ohne Vorführung) - z.B. 2 Al + 3 H2SO4 → Al(SO4)3 + 3 H2 / dagegen hier auch in Natronlauge - vorführen: 2 Al + 2 NaOH + 6 H2O → 2 Na[Al(OH)4] + 3 H2 oder Tetrahydroxoaluminat 2 Al + 6 H2O + 2 OH– → 2 [Al(OH)4]– + 3 H2 - Aluminium ist amphoter Weiterhin aus Al3+-Lösung mit NaOH Al(OH)3 ausfällen: Al3+ + 3 OH– → Al(OH)3↓ in Säure auflösen: Al(OH)3 + 3 H+ → Al3+ + 3 H2O in Lauge auflösen: (geht nur mit verdünnter HCl, nicht mit H2SO4!) Al(OH)3 + OH– → [Al(OH)4]– Oxidation kann nicht wie bei Mg mit Flamme gezündet werden: → Alufolie (Stanniolpapier) in Flamme halten. 2 Al + 3/2 O2 → Al2O3 ist trotzdem stark exotherm. - wird im „Thermit“-Verfahren angewendet - 2 Al + Fe2O3 → Al2O3 + Fe Darstellung von Fe o ggf. Thermitverfahren vorführen - dabei Zündverfahren erläutern: Mg-Band und BaO2 + Mg - Schweißen von Eisenbahnschienen Warnung vor Eigenversuchen! - normalerweise draußen - keine Reaktion - Mengen! - Vorführung sieht einfach aus 74 Die Darstellung vieler anderer Elemente ist analog möglich. Ga, In, Tl → nichts, da relativ unwichtig (mit Tl versuchen sich die Leute manchmal gegenseitig umzubringen (Salze bekannt als Rattengift), ist aber wenig empfehlenswert, da sehr leicht nachweisbar. Die Chemiker aus der organischen Chemie können da bessere Sachen empfehlen.) Zusammenfassung 3. Hauptgruppe: Bor: Nichtmetall, die anderen sind amphotere Metalle 4. Gruppe C, Si, Ge, Sn, Pb wichtige Gruppe mit Kohlenstoff (→ organische Chemie) und Silicium Kohlenstoff C 3 „Modifikationen“ des Kohlenstoffs Modifikation: unterschiedliche Anordnung der Atome oder Moleküle im Kristall 1. Modifikation des Kohlenstoffs: Graphit (= schwarze Stäbe in den Batterien) - Aufbau der Kristalle: Schichtengitter - schwarz, leicht spaltbar, gute elektrische Leitfähigkeit - Welche Hybrid-AO? sp2, d.h. jedes Kohlenstoffatom macht mit den 3 Nachbarn in der Schicht 3 σ-Bindungen mit den sp2-Hybriden. Übrig bleiben die pz-Orbitale, fähig zu π-Bindungen: Besser ist: gar kein molekulares Modell dieser Art, sondern Elektronendichte ober- und unterhalb der Ebene - leicht verschiebbar → elektrische Leitfähigkeit Schwarze Farbe ist schwerer zu erklären, hängt mit dem ausgedehnten π-Elektronensystem zusammen. - Reduktionsmittel im Hochofenprozess 75 Ferner Graphen (sprich Grafeen): nur eine Schicht Graphit → Nanotechnologie 2. Modifikation des Kohlenstoffs: Diamant Hybridisierung jetzt sp3, kleinerer Abstand der Ebenen. Extrem hart, ritzt Glas, Schleifpapier. 3. Modifikation des Kohlenstoffs: Fulleren ggf. “Nanoröhrchen bisher hauptsächlich theoretisch interessant, inzwischen werden Kohlenstoffnanoröhrchen zur Verbesserung der Leitfähigkeit Kunststoffen beigemischt (verhindert el. Aufladung von Autokarosserieteilen). Oxide des Kohlenstoffs CO – Kohlenmonoxid: giftig, geruchlos, farblos, brennbar (mit Unterstützung) Auspuff-Katalysator nötig CO2 – Kohlendioxid: geruchlos, farblos, erstickend Ggf. Experiment: Kohlenmonoxid aus Ameisensäure + H2SO4 herstellen HCOOH → CO + H2O Eingriff der Schwefelsäure, wasserentziehend CO + ½ O2 → CO2 brennt nur mit Unterstützung (blaue Flamme). CO ist „isoelektronisch“ mit N2, d.h. gleiche Elektronenstruktur, sehr ähnliches Verhalten, d.h. reaktionsträge, weitgehend „inert“. CO ist jedoch giftig Schmelzpunkt / K ⊕ |C ≡O| |N≡ N| 68 63 (sind „isoster“) M = 28 g · mol–1 76 Siedepunkt / K 82 77 Dichte der Flüssigkeit / g cm–3 0,793 0,796 CO2 entsteht durch Verbrennen fast aller organischer Substanzen, es unterhält die Verbrennung nicht. Experiment mit Kerze und Glas, Umgießen des CO2 MO2 = 32; MN2 = 28; MCO2 = 44 g · mol–1; MLuft ≈ 29 g · mol–1 Experiment: CO2 in Wasser einleiten, das Indikator enthält → es bildet sich eine schwache Säure → danach noch HCl zuschütten CO2 ist hauptsächlich, wie O2 und N2, als CO2 in Wasser gelöst, dissoziiert jedoch teilweise: CO2 + H2O → HCO3– + H+ (ein Teil) → CO32– + 2 H+ (noch weniger) - CO2-Problem: Treibhausgas, löst sich in Ozean → sauer (Korallen) - CO2 bildet 2 Reihen Salze: Carbonate und Hydrogencarbonate (genaue Nomenklatur siehe Phosphate), z.B.: NaHCO3 Natriumhydrogencarbonat, Na2CO3 Natriumcarbonat zerfallen leicht Backpulver-Experiment: NaHCO3 erhitzen, Gas in Ba(OH)2 einleiten Na2CO3 mit HCl versetzen, Gas in Ba(OH)2 einleiten 2 NaHCO3 → Na2CO3 + H2O + CO2 CO32– + 2 H+ → H2O + CO2 Carbonate der Metalle sind meist unlöslich (bis auf Alkalicarbonate). vorführen: teilweise basische Carbonate (Ca2+, Ni2+, Cu2+, Co2+) Si (Silicium) Zweithäufigstes Element in der Erdrinde, Zusammensetzung bis in 16 km Tiefe in Gew.-%: Sauerstoff 50,50 Silicium 27,50 Aluminium 7,30 Eisen 3,38 Calcium 2,79 Kalium 2,58 Natrium 2,19 96,24 77 Im Erdkern wird 90 % Fe und 10 % Ni vermutet (nicht (unmittelbare) Ursache des Magnetfelds der Erde, da zu heiß). Si = wichtigstes gesteinbildendes Element (Aluminiumsilikate) Si-Wafer: Material für Speicherchips, Solarzellen (Dotierung) Wichtigste Verbindung: Siliciumdioxid - als Mineral: Quarz, auch Bergkristall - unrein z.B. im Seesand vorliegend - wichtigstes Gefäßmaterial für die Chemie: hält hohe Temperaturen aus (Schmelzpunkt 700 °C), hält starke Temperatursprünge aus, beständig gegen fast alle Chemikalien Versuch: Glas glühend in H2O werfen / Quarz glühend in H2O wefen 5. Gruppe N, P, As, Sb, Bi N2 erhält die Verbrennung nicht → inertes Gas (inert = reaktionsträge) Wasserstoffverbindungen: 1) allgemein in den ersten Gruppen: sehr reaktionsfähige Verbindungen (Hydride), bei Bor und Aluminium stabiler, CH4 extrem stabil. 2) bei N: NH3 Ammoniak, Gas 2N2 + 3H2 ⇌2 NH3 → sp3 Hybrid mit einsamem Elektronenpaar Durchschwingungen möglich, Frequenz = 2,38 · 1010 Hz, extrem stabil Ammoniak-Uhr (Quarz-Uhr mit dieser Frequenz stabilisiert) basische Eigenschaften durch einsames Elektronenpaar NH3 + H2O → NH4+ + OH– Ammoniumhydroxid (wässrige Lösung) schwache Base - bildet Salze: z.B. NH4Cl – Ammoniumchlorid 78 - aus diesen Salzen kann NH3 wieder abgegeben werden durch Einwirkung starker Ba- sen. Experiment: NH4Cl + NaOH → NaCl + H2O + NH3 Nachweis mit feuchtem pH-Papier oder über Lösung mit Indikator leiten Nachweis der Salzbildung in der Gasphase Experiment: NH3 + HCl → NH4Cl bestes Verfahren: HCl-Schale und darüber mit obigem NH3-Entwickler NH3 leiten offene Schale mit konz. Lösung, darüber das Gas aus Flasche → weißer Nebel vom NH4Cl Wichtigste Oxide und Säuren NO Stickstoffmonoxid NO2 Stickstoffdioxid HNO3 Salpetersäure / konz. HNO3 = 70 %, rauchende HNO3 = 100 % 2 HNO3 → 2 NO2 + H2O + ½ O2 Vorführen: reine 100 % HNO3 an und für sich farblos, bei Raumtemperatur schnell gelb bis rot durch gelöstes NO2. Auflösung von Metallen Ggf. Experimente Zn + verd. HNO3 → H2 Cu + konz. HNO3 → NO2 Cu + ½ konz. HNO3 → NO + O2 → NO2 Al + konz. HNO3 → nichts (Al2O3) Vergleich mit HCl (keine oxidierenden Eigenschaften) Zn + HCl → H2 es gibt Metalle, die mit nicht-oxidierenden Cu + HCl → nichts Säuren H2 frei machen (unedel) und solche, Al + HCl → H2 die es nicht machen (edel) - letztere nur mit oxidierenden Säuren auflösbar Salze = Nitrate, Düngemittelindustrie KNO3 – wichtigstes Salz, Kaliumnitrat (Chilesalpeter) - wichtige Verbindung, die Sauerstoff abgeben kann - Schwarzpulver, Schießpulver: KNO3, C, S Experiment (keine geschl. Reaktionsgleichung) NO3– zerfällt, es entsteht N2, O2, macht CO2 und SO2, SO3 79 z.B. 2 KNO3 → N2 + K2CO3 +SO3 Brisanz ist klein im Vergleich zu moderneren Sprengstoffen. P - hier nicht sehr viel, relativ ähnlich dem Stickstoff / Oxide anders P2O5 sehr stabil 2P + 5/2 O2 → P2O5 stark exotherm Da wir gerade bei Sprengstoffen sind, hier noch ein weiteres Experiment: P + sauerstoffabgebende Mittel → Sprengstoff (nicht KNO3, besser KClO3 → KCl + 3/2 O2 Experiment vorführen → wichtig ist: geht hier mit Druck, ohne T Es entsteht P2O5: Phosphorpentoxid P2O5: Phosphorpentoxid – nimmt heftig Wasser auf (Trockenmittel) Experiment: P2O5 + 3 H2O → 2 H3PO4 stark exotherm Phosphorsäure Salze der Phosphorsäure = Phosphate, Düngemittelindustrie z.B. Na2HPO4 – Dinatriumhydrogenphosphat Über die restlichen Elemente nichts mehr Zusammenfassung 5. Hauptgruppe: Oxidationsstufen: –3; 0; +3; +5 (Oxidationsmittel) N-, P-haltige Salze: Düngemittel (Liebig) 6. Gruppe Chalkogene, Erzbildner O, S, Se, Te, Po O – Sauerstoff – zwar eines der wichtigsten Elemente, aber ein chemisch wenig interessantes S – wichtigste Wertigkeitsstufen: –2, 0, +4, +6 Wertigkeitsstufe –2: –2 in allen Sulfiden, Erinnerung an FeS in der ersten Vorlesungsstunde entsprechende Säure: H2S – Schwefelwasserstoff Experiment FeS + 2 HCl → FeCl2 + H2S↑ besser: FeS + 2 H+ → Fe2+ + H2S↑ Geruch, starkes Gift Experiment: löst sich in Wasser, dann Fällung mit Pb2+ Pb2+ + S2– → PbS↓ schwarz Geruch! 80 Wertigkeitsstufe +4 Experiment: Schwefel verbrennen → Flamme S + O2 → SO2 Verbrennung im Quarzrohr + Luft durchleiten → schweflige Säure (H2SO3), genau wie bei H2CO3 SO2 + H2O → HSO3– + H+ wahrscheinlich kaum ungelöste Säure, Nachweis durch pH. schwache Säure – nicht 100 %ig darstellbar, (wie HNO3) → Zerfall in SO2 + H2O +6 SO2 + ½ O2 → SO3 SO3 + H2O → H2SO4 geht so einfach nicht: „Katalysator“, Ostwald-Verfahren starke Säure 100 %ige H2SO4 nimmt begierig Wasser auf, bildet dabei Hydrate H2SO4 · H2O / H2SO4 · 2 H2O Experiment H2SO4 + H2O stark exotherm, mit T-Fühler vorführen Verdünnungsverfahren erläutern Experiment H2SO4 mit Toilettenpapier → färbt sich schnell schwarz H2SO4 mit Puderzucker → Kohlenhydrate Cm(H2O)2 + H2SO4 → C Zusammenfassung 6. Hauptgruppe: Chalkogene = Erzbildner Oxide und Sulfide haben meist Salzcharakter Oxidationszahlen O: –2, 0 / S: –2, 0, +2, +4, +6 (Oktettregel gilt für S nicht streng) Metallische Eigenschaften ändern sich in der Periode: O – Nichtmetall / Po – Metall 7. Gruppe F, Cl, Br, I, At (Astat) Fluor – stärkstes Nichtmetall, sehr gefährlich in fast allen Verbindungen, bis auf Fluoride z.B. KF. Wichtigste Verbindung: Flusssäure, HF, Darstellung aus Flussspat CaF2 + H2SO4 → 2 HF + CaSO4, (endotherm, trotzdem freiwillig), wirkt stark ätzend, schwer heilende Wunden, greift fast alle Materialien an, z.B. auch Glas 81 Experiment H2SO4 + NH4F + H2O wirkt wie HF 4 HF + SiO2 → SiF4↑ + 2 H2O → Glas wird matt Cl Darstellung des Chlors Experiment 2 MnO4– + 10 Cl– → 5 Cl2 + 2 Mn2+ 8 H2O + 16 H+ oder 2 MnO4– + 16 HCl → 5 Cl2 + 2 MnCl2 + 8 H2O + 2 Cl– - Cl2 ist ein gelbes Gas - reagiert heftig mit feinverteilten Metallen Experiment Cl2 + erhitztes Messing → ZnCl2 / CuCl2 – Wolken Cu, Zn-Legierung - Es entstehen Chloride. - sind die Salze des Chlorwasserstoffs - HCl = Chlorwasserstoff - Lösung in H2O = Salzsäure - entsprechende Verbindung gibt es auch bei den höheren Homologen. Cl2 + 2 Br– → 2 Cl– + Br2 Experiment Cl2 + Br– → Br2 Cl2 + I– → I2 ausschütteln mit CCl4 Oxide des Chlors und Wasserstoffsäuren: ClO, ClO2, ClO3 Oxidationsmittel (Bleichmittel) ClO3 explosiv HClO hypochlorige Säure (Chlorwasser: Cl2 + H2O → 2 H+ + Cl- + ClO- Disproportionierung), HClO2 (chlorige Säure, nur als Salz stabil), HClO3 (Chlorsäure), HClO4, (Perchlorsäure, sehr starke Säure) Hinweis auf Pseudohalogenidionen CN– (CN2) / SCN– / OCN– Zusammenfassung 7. Hauptgruppe (Halogene = Salzbildner) 82 Nichtmetalle, Elemente einander ähnlicher als in mittleren Gruppen, z.B. Bildung 2-atomiger Moleküle, Elektronegativität. 8. Hauptgruppe He, Ne, Ar, Kr, Xe, Rn Edelgase, nur wenige Verbindungen höherer Edelgase wie Kr, Xe Nebengruppenelemente - nur Metalle, d-Schalen - generell mehr Oxidationsstufen, z.B. Mangan 2 4s 3d5 Mn7+ Argon-Hülle MnO4– Permanganat – Oxidationsmittel +4 – MnO2 – Braunstein +2 – MnSO4 5. Gase 5.1 Ideales Gasgesetz (Gesetz für ideale Gase) Gasteilchen (Atome oder Moleküle) mögen sich in einem Gefäß ungeordnet bewegen. Die Folge sind Zusammenstöße der Teilchen (wobei sie Impulse übertragen, d.h ihre Richtung und Eigengeschwindigkeit ändern) aber auch Stöße gegen die Wand. Dabei werden Kräfte auf die Wand übertragen, welche als Druck (in der Einheit N/m2 = Pa) messbar sind, welcher eine adäquate Größe zur Beschreibung des Zustands ist. Das Ziel der nachfolgenden Betrachtung ist Angabe des Drucks als Funktion der anderen Zustandsvariablen Temperatur, Volumen und Stoffmenge [p = f(T,v,n)], auch thermische Zu- standsgleichung genannt. Um 1670 bereits fanden Boyle und Mariotte den Zusammenhang zwischen p und v bei konstanter Temperatur und Stoffmenge, der in nebenstehendem Diagramm 83 für zwei isotherme Prozess dargestellt ist: p ~ 1/v oder das Produkt aus Druck und Volumen ist konstant. Um 1802 untersuchte Gay-Lussac den Zusammenhang zwischen v und T. Das Ergebnis ist in obenstehendem Diagramm wiedergegeben. Gefunden wurde ein linearer Zusammenhang der Form v = v0 (1+αT/°C). Hierbei tritt der thermische Ausdehnungskoeffizient α als Steigung auf. Verlängert man die Gerade zu niedrigeren Temperaturen, so wird ein Schnittpunkt mit der Temperaturachse bei –273,15 °C erreicht. Dieser Schnittpunkt definiert den absoluten Nullpunkt und ermöglicht eine neue, ausschließlich positive Temperaturskala in der Einheit K (Kelvin). –273,15 °C = 0 K entsprechen v = 0, was für ein reales Gas wegen des Eigenvolumens seiner Teilchen nicht möglich ist. Es wurde deshalb die Vorstellung des idealen Gases entwickelt, dessen Teilchen nicht nur kein Eigenvolumen besitzen sondern auch keine Wechselwirkungen miteinander haben, d.h. sie üben weder Anziehungs- noch Abstoßungskräfte aufeinander aus. Die Zusammenfassung der Beobachtungen von Boyle und Mariotte (v ~ 1/p) sowie von GayLussac (v ~ T) ergibt v ~ T/p. Weiterhin ist natürlich v ~ n (nachzuvollziehen durch Vereinigung von zwei Systemen). Damit wird die thermische Zustandsgleichung pv = nRT (1-7), wobei die Proportionalitätskonstante R = 8,314 J mol–1 K–1 Gaskonstante genannt wird. In Gleichungen mit extensiven Größen ist die Boltzmann-Konstante kB = 1,3807 · 10-23 JK–1 zu verwenden, entsprechend der durch die Loschmidt-Zahl oder Avogadro-Konstante (L = NA = 6,022 1023 / mol) geteilten Gaskonstante. Beispiel: Welches Volumen nimmt 1 mol eines (idealen) Gases bei 0 °C und 1,013 bar ein (Normalbedingungen)? v= = n R T 1 · 8,314 · 273,15 mol J K = 1,013 · 105 mol K Pa p mol J K Nm = = m3 mol K Pa Nm − 2 8,314 · 273,15 dm 3 = 22,4 dm 3 → 1 Liter enthält 0,045 mol 2 1,013 · 10 Zahl merken! wichtig für viele Abschätzungen Avogadrosche Hypothese 2 Gase p1v1 = n1 RT1 T1 = T2 p2 v2 = n2 RT2 v1 = v2 →p1 = p2 84 → n1 = n2 → N1 = N2 oder umgekehrt: aus der Avogadroschen Hypothese folgt, dass es für alle Gase eine einheitliche Konstante R geben muss. Experimentelle Bestimmung von molaren Massen gasförmiger Verbindungen: pv = nRT ; pv = m mRT RT ; M = M pv → Messung von m, T, p und v → M Experiment vorführen oder skizzieren (Kolben leer und CO2-gasgefüllt wiegen: ∆m) Rechnung eines Beispiels Kolbeninhalt 2,14 l / 725,5 Torr (732,6) / ∆m = 3,8 g M CO 2 = 3,8 · 8,314 · 293,6 = 44,8 g/mol 725,5 · 133,3 · 2,14 ·10 −3 Was ist ideal im Gasgesetz? - gilt für ideale Gase - ideale Gase sind eine mathematische Abstraktion: - kein Eigenvolumen - keine Wechselwirkungskräfte (Anziehungskräfte), nur elastische Stöße Oder: ein Gas verhält sich ideal, wenn es pv = nRT befolgt. Idealität hängt von äußeren Parametern ab, je kleiner p, je höher T → desto idealer; je größer p, je kleiner T → desto weniger ideal. Eigenvolumen merklich Kräfte beginnen zu wirken Bei 1 bar, 25 °C sind viele Gase weitgehend ideal: H2, D2, N2, Luft. Dagegen bei 100 bar → schon merkliche Abweichungen. 5.2 Partialdruck Untersuchung von Gasmischungen 2 Gasarten 1 und 2: jede Gasart übt ihren eigenen Druck auf die Wand aus = Partialdruck p1, p2. Dieser Partialdruck ist gleich dem Druck, den das Gas ausüben würde, wenn es sich allein in dem Volumen befinden würden. 85 Also: p1 = n1 RT v p1 + p2 = p p2 = n2 RT v pi = Partialdruck der Gassorte i n1 + n2 = n (bei sich ideal verhaltenden Gasen) Das ideale Gasgesetz gilt sowohl für die Partialdrücke (entsprechend der Definition) als auch für den Gesamtdruck. Berechnung von Partialdrücken n1 RT p1 p1 n1 v = = = = x1 p p1 + p2 n1 RT + n2 RT n1 + n2 v v x1 bezeichnet den (Stoff-)Mengenanteil (Molenbruch) der Komponente 1 (Mengenanteile sind nützliche Konzentrationsmaße, da sie dimensionslos definiert sind). Raoultsches Gesetz p1 = x1 p 5.3 Reale Gase Ideal Real keine Kräfte Kräfte kein Eigenvolumen Eigenvolumen Abweichungen vom idealen Verhalten um so stärker, je kleiner die Abstände (p groß) und je geringer T Ideales Gesetz pv = nRT (intensive Form) pV = RT. ; v/n = V (molares Volumen)2 Jetzt Anbringung von Korrekturen für reale Gase: Verschiedene Möglichkeiten: hier die bekannteste Gleichung von van der Waals (p + pi) (V – b) = RT 2 In diesem Text werden extensive (von der Masse abhängige) Größen mit kleinen (v, n, m), , intensive (molare) Größen mit großen Buchstaben symbolisiert (V, M, R). Dies ist nicht konsistent durchzuhalten weil einige Größen, die immer intensiv sind, traditionell bezeichnet werden wie Temperatur T (auch um den Unterschied zur Zeit t zu machen), ebenso inkonsistent (weil allgemein üblich) sind die van-der-Waals-Konstanten a und b 86 Volumenkorrektur 4 3 32 3 πR = πr 3 3 für 1 Teilchen → 16 3 πr 3 für NA Teilchen NA 16 3 πr 3 4 b = 4 N A πr 3 = 4 mal Eigenvolumen eines Mols 3 Die experimentelle Bestimmung von b (aus Abweichungen von der Idealität) ist eine einfache Möglichkeit, Molekülvolumina und damit Molekülabmessungen (Querschnitte) in der Gasphase abzuschätzen, die z.B. erlauben auszurechnen, wie viele Moleküle eine Monolage auf einer Katalysatoroberfläche bilden (Kat darf nicht überladen sein). Druckkorrektur durch Kohäsionsdruck Teilchen üben Kräfte aufeinander aus: Dipol-Dipol, Dipol-induzierter Dipol, sogar auch völlig ungeladene Teilchen (fluktuierender Dipol – induzierter Dipol), z.B. wird auch He, wenn auch bei sehr tiefen T, flüssig. Die Kräfte zwischen den Teilchen sind bei Gasen i.a. Anziehungskräfte. Die Summe der Kräfte auf ein Teilchen mittelt sich heraus, d.h. keine Translation im Mittel. Aber diese Kräfte reduzieren die außen messbaren Kräfte, d.h. pges= p+ pi (p ist der gemessene Druck). pi muss für v → ∞ gegen Null gehen, da für v → ∞ das ideale Gasgesetz gilt. Ansatz mit Virialkoeffizienten: pi = c a d + 2 + 3 + ... (geht gegen Null für v → ∞) V V V Reihenentwicklung nach 2. Glied abbrechen → c a p + + 2 (V − b ) = RT V V Damit bei kleinen p und großen V (so dass b vernachlässigt werden kann) die ideale Gasgleichung herauskommt, muss c = 0 sein. Dies liefert die van-der Waals-Gleichung 87 a p + 2 (V − b ) = RT , die mit dem Experiment erheblich besser übereinstimmt als die ideaV le Gasgleichung. Werte für die Konstanten a und b können aus Tabellenwerken übernommen werden, z.B. NH3 a = 4,224 bar · dm6 · mol–2; b = 0,0371 dm3 · mol–1 CO2 a = 3,637 bar · dm6 · mol–2; b = 0,0427 dm3 · mol–1 N2 a = 1,408 bar · dm6 · mol–2; b = 0,0391 dm3 · mol–1 H2 a = 0,247 bar · dm6 · mol–2; b = 0,0266 dm3 · mol–1 He a = 0,0345 bar · dm6 · mol–2; b = 0,0237 dm3 · mol–1 Die Wechselwirkungen sind erwartungsgemäß um so größer, je polarer und größer das Molekül ist Wie groß sind die Korrekturen durch die van-der Waals-Gleichung? Gas unter Normalbedingungen (anders als Standardbedingungen in der Thermodynamik, dort wird meist auf 298 K bezogen)) 22,4 cm4 0 °C 1 mol mit idealer Gasgleichung 1,013 bar Korrektur durch b ≈ 2 ‰ durch a ≈7‰ V2 Rechnungen mit der van-der-Waals Gleichung sind teilweise schon etwas komplizierter, da Gleichung 3. Grades in V → hier nur Berechnung von p. Beispiel CO2 / 1 mol / 0 °C / 2,24 l (nicht 22,4 l) a p + 2 (V − b ) = RT V p+ a RT = 2 V V −b wegen Pascal! 3,6 ⋅ 10 5 ⋅ 10 6 8,314 ⋅ 273,2 Pa p = − + 2 −6 2,24 ⋅ 10 −3 − 0,043 ⋅ 10 −3 2,24 ⋅ 10 = 9,62 · 105 Pa = 9,62 bar (nicht 10,13 bar) p=? p=− a RT + 2 V V −b 88 a bedingt, d.h. äußerer Druck braucht nicht so hoch V2 Der Effekt ist im wesentlichen durch wie dem idealen Gasgesetz entsprechend zu sein, sondern wird teilweise durch Kohäsionsdruck aufgebracht. Bei sehr hohen Drücken stimmt auch die van-der-Waals-Gleichung nicht mehr: noch kompliziertere Gleichungen 5.4 Gasverflüssigung Druckerhöhung (zurückstellen für letzte DS) oder Abkühlung technisch einfacher geht bei vielen Gasen: Butan in Flaschen, Feuerzeuge Cl2 in Flaschen zeigen Butan in Campinggas-Kartusche unter Normaldruck bei Raumtemperatur gasförmig, hier flüssig. Geht aber bei einigen Gasen nicht: z.B. O2 und N2 – hießen daher früher permanente Gase. Genauere Untersuchungen haben gezeigt, dass es auch bei diesen Gasen unterhalb einer gewissen Temperatur, der kritischen Temperatur Tk, geht. Bei der kritischen Temperatur muss der kritische Druck überschritten werden, um die Verflüssigung zu erzielen. Bei niedrigen T benötigt man dann nur noch geringere Drücke. 2 Beispiele O2 N2 Tk / °C –118 –147 pk / bar 50 34 TS / °C –183 –196 Umgekehrt: um ein Gas durch Druckerhöhung zu verflüssigen, muss es mindestens bis zur kritischen Temperatur abgekühlt werden. Abkühlungsverfahren: Joule-Thomson-Effekt Erklärung: Fahrradpumpe – wird warm reales Gas – mikroskopisch erläutern 1) Zwischenmolekulare Anziehungskräfte Entspannung → Abkühlung (Bei Inversionstemperatur: Kompression → Erwärmung Joule-Thomson-Effekt 89 wechselt Vorzeichen) 2) Arbeit gegen Druck Entspannung → Erwärmung Kompression → Abkühlung Experiment: T-Sonde vor aufgedrehter N2-Flasche → Effekt reicht nicht aus, um bis –147 °C zu kommen. Technisches Verfahren Kompression, Erwärmung dabei, Abkühlung mit Kühlwasser, Expansion in einer Düse → Abkühlung, dann Gegenstromprinzip. erläutern Flüssige Gase sind heute ein wichtiges Industriegut. Firmen: Linde, Messer-Griesheim verflüssigte Gase: O2, N2, Luft, He nur in der Forschung, da sehr teuer (20,- /l) heute kaum noch Tiefkühlung, metallurgische Prozesse weiterhin CO2: fest („Trockeneis“) Einige Experimente dazu 1) N2 flüssig a) Leidenfrost-Phänomen b) mechanische Eigenschaften von Metallen c) mechanische Eigenschaften von Gummi, Blume d) Farbe von Schwefel 2) O2 flüssig a) blaue Farbe (nicht , sondern 2 ungepaarte Elektronen ; geht nicht mit unserem Modell) b) brennende Zigarette 3) CO2 fest CO2-Flasche mit Steigrohr und Sack Fp. –78,4 °C 6. Kinetik und Reaktionsmechanismus 6.1 Kinetik und Stabilität chemischer Verbindungen Experiment: H2 + Cl2 → 2 HCl Die Reaktion läuft erst nach einer Zündung durch Blitzlicht ab. 90 Wiederholung: Wann läuft eine Reaktion ab? Triebkraft ist in unserem Beispiel vorhanden. Beweise: nach der Zündung erfolgt eine explosionsartige Reaktion, d.h. es wird Wärme frei. Es liegt also eine kinetische Hemmung vor, wie sie auch für viele andere Beispiele bekannt ist, wir kennen bereits die Beispiele H2 + O2, auch Benzin an der Luft. Beide Reaktionen laufen erst nach Zündung ab. Wir müssen lernen, wie eine Reaktion mikroskopisch abläuft. Dazu benötigen wir folgende Begriffe: Reaktionsmechanismus - beschreibt mikroskopisches Geschehen Reaktionsgleichung - beschreibt makroskopisches Geschehen Kinetik - beschreibt zeitlichen Ablauf der Reaktion. Reaktionen laufen nicht immer unendlich schnell ab, wie es nach der Vorführung vieler Experimente aus der anorganischen Chemie vielleicht den Anschein hat. Insbesondere in der organischen Chemie dauern Reaktionen oft viele Stunden. In den seltensten Fällen gibt die Reaktionsgleichung auch den Reaktionsmechanismus wieder, der oft über viele Zwischenstufen verläuft. Der Mechanismus lässt sich aus der Kinetik bestimmen. Die wichtigste Größe der Kinetik ist die Reaktionsgeschwindigkeit. 6.2 Definition der Reaktionsgeschwindigkeit Beispiel: H2 + I2 → 2 HI in der Gasphase bei ca. 500 K Was passiert bei der Reaktion? Die Drücke von H2 und I2 nehmen ab, während der HI-Druck zunimmt. Die Geschwindigkeit dieser Vorgänge kann man beschreiben (p für Druck): ∆p (H2) / ∆t ... Vorzeichen: minus; Grenzübergang ∆ → d –dp (H2) / dt. Das nennt man Reaktionsgeschwindigkeit r. Es ist –dp (H2)/dt = –dp (I2)/dt aber nicht sondern dp (H2)/dt ≠ dp (HI)/dt (Vorzeichen, Stöchiometrie?) –2dp (H2)/dt = +dp (HI)/dt 91 Das Experiment liefert: Die Reaktionsgeschwindigkeit r ist somit die Ableitung des Drucks (der Teilchenzahldichte, der Konzentration, des Mengenanteils) einer Komponente nach der Zeit: r = –dp (H2)/dt = ½ dp (HI)/dt oder allgemein (mit den Koeffizienten der Reaktionsgleichung): r = 1/vj · dp (j)/dt, wobei r die jeweilige Steigung darstellt, die sich mit der Zeit ändert (s. Skizze), also nicht charakteristisch für die Reaktion ist. Was ist charakteristisch? 6.3 Reaktion 2. Ordnung Wir betrachten die in der Atmosphärenchemie (Luftverschmutzung) wichtige Reaktion NO + O3 (Ozon) → NO2 + O2 Über den Reaktionsmechanismus weiß man, dass er sehr einfach ist: NO und Ozon stoßen zusammen und bilden NO2 und O2. Dies nennt man eine bimolekulare Reaktion, deren Ablauf mit Hilfe eines Übergangszustandes (Skizze Mitte) formuliert werden kann: Selbst wenn nicht jeder Stoß erfolgreich ist, muss gelten: r ~ Zahl der Zusammenstöße, und daher r ~ p (NO) r ~ p (O3), (es muss von beiden Reaktionspartnern Druck vorhanden sein) also r ~ p (NO) · p (O3) (geht nicht anders). Jetzt fehlt nur noch die Proportionalitätskonstante r = k · p (NO) · p (O3) 92 k heißt Reaktionsgeschwindigkeitskonstante, sie ist charakteristisch für eine Reaktion. Die differentielle Form der Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung (Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz) lautet: –dp (NO)/dt = k · p(NO) · p(O3) Man nennt es ein Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz zweiter Ordnung, wenn die Reaktionsgeschwindigkeit von zwei Drücken (Konzentrationen, etc.) abhängt. Eine bimolekulare Reaktion kann nach der zweiten Ordnung ablaufen, muss aber nicht; z.B. erhält man bei großem Überschuss eines Reaktionspartners experimentell eine Kinetik erster Ordnung. Zur Bestimmung von k muss intergriert werden. Zur Vereinfachung der Integration lassen wir die Reaktion mit gleichen Ausgangsdrücken p0 (NO) und p0 (O3) starten; dann gilt (für diese Reaktion) immer: p (NO) = p (O3), und wir können p (O3) substituieren: –dp (NO)/dt = k · p2 (NO) Integration: –dp (NO)/ p2 (NO) = k · dt 1/p (NO) – 1/p0 (NO) = k · t 1/p (NO) = 1/p0 (NO) + k · t Geradengleichung, Steigung ist k Solche bimolekularen Reaktionen laufen auch in Lösung ab. Beispiel: CH3COOC2H5 + OH– → CH3COO– + C2H5OH Essigsäureethylester Acetat-Anion Ethanol Diese Reaktion läuft bei nicht zu verschiedenen Konzentrationen nach der 2. Ordnung ab. Der Druck p ist jetzt aber nicht das richtige Maß, sondern die Konzentration c. c = n/v (Molarität) In der Chemie ist die gebräuchliche Einheit [c] = mol/l (l oder L ist ein nicht SI-konformes Sonderzeichen für 1000 cm3 = 1 dm3). 93 Kürzel „0,1 m Lösung“ bedeutet: Die Molarität der Lösung ist 0,1 mol/l. (Herstellung einer 0,1 m NaCl beschreiben: 0,1 mol + 1 l Wasser ergibt etwas anderes → v in obiger Gleichung ist das Volumen der Lösung!) Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz für unsere Lösungsreaktion: –dc (Ester) / dt = dc (Ethanol) = k · c (Ester) · c (OH)– Allgemeiner für eine Reaktion A + B → C –dc (A) = k · c (A) · c (B) 6.4 Reaktion 1. Ordnung Monomolekulare Reaktionen – gibt es das? Ja, z.B. ein Molekül zerfällt, ohne dass andere Moleküle dazu notwendig sind. Klassisches Beispiel: radioaktiver Zerfall z.B. 238 234 −α U → Th 92 90 α = Heliumkern geht sehr langsam nach ≈ 109 Jahren nutzbarer Anteil verschwunden. Ansatz: jetzt nicht p sondern N (Teilchenanzahl)– d.h. 3. mögliches Konzentrationsmaß r=− dN = kN dt Reaktion 1. Ordnung (hängt nur von einer Teilchenzahl (Kon- zentration, Druck) einer Komponente ab) dN = −k d t N Integriert (unbestimmt): ln N = –kt + C Bei t = 0: N = N0 → C = ln N0 ln N = –kt + ln N0 (Geradengleichung! Auftragung...Steigung ist –k) oder ln N N = −kt ; = e −kt ; N0 N0 N = N 0 e − kt 94 Zu Vergleichszwecken für eine Gasphasenreaktion A→B NA = NA0 e–kt pA = pA0 p ~ N in konstantem Volumen –kt mit identischer Auftragung e cA = cA0 e–kt für Reaktion in Lösung Begriff der Halbwertszeit τ1/2: Zeit, nach der die Hälfte des radioaktiven Materials zerfallen ist. Bei 1. Ordnung sind 1., 2., 3., ... Halbwertszeit gleich. Beziehung zwischen k und τ1/2: dN = − kN dt N0 2 dN ∫0 N = −k N ln t =τ 1 / 2 ∫t t =0 N0 − ln N 0 = −kτ 1 / 2 2 ln N0 – ln 2 – ln N0 = –kτ1/2 τ1/ 2 = ln 2 k Die Halbwertszeit unterscheidet sich von dem kinetischen Begriff der Lebensdauer τ, die den Kehrwert der Geschwindigkeitskonstante τ = 1/k darstellt (Für 1. Ordnung). ggf.Experiment (früh beginnen): 2SO 2 HCOOH H → H 2 O + CO Gleichung erläutern - Wirkung der H2PO4 : wird nicht verbraucht - auf jeden Fall im Überschuss - Gerät erklären, mit Studenten ablaufen lassen - zu unserem Experiment HCOOH-Teilchenzahl oder –masse nicht bekannt, nur vCO bekannt NCO ~ vCO nach Avogadro-Hypothese. Bei vollständigem Ablauf gilt: 0 NHCOOH = ∞NCO NHCOOH = ∞NCO – NCO ~ ∞VCO – VCO ∞ vCO – vCO = ∆v = ∞vCO e–kt ln ∆vCO = ln ∞vCO – kt Woher ∞vCO? 95 1) Es gibt mathematische Verfahren – kompliziert! 2) ∞ - lange warten. Daher hier Auswertung nicht weiter. Betrachtung der Messwerte: 1) Asymptotische Annäherung an Endwert 2) Experimentelles Verhalten aus Differenzen Beispiel : Messung mit 2 Tropfen bei 60 °C in ½-vollem Kolben ∞ v = 16,4 – geschätzt t / min vCO / ml ∆v ln 0 0,7 15,7 2,75 0,5 3,7 12,7 2,54 1 6,2 10,2 2,32 1,5 8,3 8,1 2,09 2 10,0 6,4 1,86 3 12,1 4,3 1,46 4 13,5 2,9 1,07 5 14,3 2,1 0,74 6 15,0 1,4 0,34 7 15,4 1 0 8 15,6 0,8 –0,22 9 15,8 0,6 –0,51 10 16,0 0,4 –0,91 → gibt keine gute Korrelation, auch nicht bis 8´ 200 °C / 2 Tropfen 0 0,5 1 1,5 2 329 3 4 5 6 7 8 9 10 0,7 3,7 6,2 8,3 10,0 12,1 13,5 14,3 15,0 15,4 15,6 15,8 16,0 6.5 Reaktionsmechanismus Einblick in das mikroskopische Geschehen, dazu 2 Beispiele: 1) Knallgasreaktion (siehe 5.1) Eine Annahme wäre 96 Das würde genau H2 + Cl2 → 2 HCl entsprechen. Stimmt i.a. nicht. Nur in wenigen Fällen stimmt die Reaktionsgleichung mit dem mikroskopischen Geschehen, d.h. dem Reaktionsmechanismus, überein. Stimmt hier auch nicht. Wozu bei obiger Reaktion Lichtblitz? H2 macht mit Licht nichts: farblos. Cl2: grünes Gas, absorbiert Licht. hv Cl 2 + hv → 2 Cl Chlorradikal, sehr reaktionsfähig Cl + H2 → HCl + H Reaktionsmechanismus, Cl wird immer wieder H + Cl2 → HCl + Cl neu erzeugt Teilreaktionen laufen außerordentlich schnell, Explosion wegen Wärmeabgabe. Die Radikale H und Cl werden insbesondere an den Wänden des Gefäßes und durch H2O vernichtet. Teilschritte: Startreaktion, Kettenreaktion, Kettenabbruch. Theoretisch (!) reicht ein Cl aus. Makroskopische Beobachtung: H2 + Cl2 → 2 HCl Angabe von r? Schwierig wegen T-Änderung. 2) Thermischer Zerfall des Acetons Aceton bei höheren Temperaturen 2 CH3 –CO–CH3 → 2 CH4 + 2 CO + C2H4 Kinetische Untersuchung Schlussfolgerung: Zwischenschritt CH3–CO–CH3 → CH2=C=O + CH4 Keten, unbeständig 2 CH2=C=O → CH2=CH2 + 2 CO 97 Jede Einzelgleichung kann man nun durch eine Differentialgleichung beschreiben. Diese Differentialgleichungen zusammensetzen → kompliziertere Differentialgleichung, die dann das beobachtete Geschehen beschreibt. Eine Nutzanwendung der Kinetik: Ermittlung von Reaktionsmechanismen, deren Kenntnis die Beurteilung der Luftverschmutzung zulassen (Wunschvorstellung). Bei der Explosion im Verbrennungsmotor entsteht atomarer Sauerstoff, O, der Kohlenwasserstoffe angreift: O + RH → OH + R R + O2 → RO + O Nebenreaktion: O + N2 → NO + N (endothermer Schritt) NO + O2 → NO2 + O in Erdbodennähe: 0 – 10 km Höhe (Troposphäre) NO2 + hv → NO + O O + O2 + M → O3 (Ozon) Stoßpartner Dreierstoßreaktion erfordert hohe Luftdichte Ozon greift Doppelbindungen an, z.B. in pflanzlichem Material. in der Stratosphäre: 10-50 km Höhe (geringe Luftdichte, Dreierstöße unwahrscheinlich) befindet sich die Ozonschicht. Sie absorbiert (filtert) UV-Licht, ist daher lebenswichtig. Hier herrscht ein Gleichgewicht zwischen Auf- und Abbau des Ozons: O2 + hv → O + O O + O2 + M → O3 Aufbau O3 + hv → O2 + O O+ O3 → 2 O2 Abbau Bei Verschmutzung durch Stickstoffoxide (z. B. durch Stratosphären-Flugverkehr) NO + O3 → NO2 + O2 NO2 + O → NO + O2 (vgl. 6.3) 98 d.h. Abbau der Ozonschicht. Bei Verschmutzung der Stratosphäre durch Halogenkohlenwasserstoffe, Frigene (Frigen: CF2Cl2 reaktionsträge, wird in tiefen Luftschichten nicht abgebaut), wird Analoges beobachtet: CF2Cl2 + hv → CF2Cl + Cl Cl + O3 → ClO + O2 ClO + O → O2 + Cl Abbau der Ozonschicht Um Verschmutzungen richtig einschätzen zu können müssen kinetische Daten für alle Teilreaktionen bekannt sein (gemessen oder berechnet werden). 99 6.6 T-Abhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeitskonstante Bimolekulare Reaktion: NO + O3 Energiediagramm (-profil): Annahmen: 2 Moleküle fliegen aufeinander zu, nicht jeder Stoß ist erfolgreich, nur diejenigen, bei denen die Moleküle mit soviel Energie aufeinander zufliegen, dass sie bis 3 kommen. Der Energieabstand 1 – 3 wird Aktivierungsenergie EA genannt. Die Theorie ergibt: Der Anteil der Stöße mit höherer Energie als EA ist: e − E A / RT Hierbei sind R = 8,314 J/K mol eine Konstante mit passender Dimension und T dieTemperatur in K (Kelvin = Celsiustemperatur + 273,15). Einsichtig ist, dass r ~ Stoßzahl · e − E A / RT r ~ pNO · pO3 · e − E A / RT und . Zusammengefasst: r = k∞ · pNO · pO3 · e − E A / RT k Die Temperaturabhängigkeit derGeschwindigkeitskonstante ist daher gegeben durch k = k∞ · e − E A / RT T → ∞ → k → k∞ (Arrhenius-Gleichung) 100 Nachweis: Auftragung ln k = ln k∞ – EA/RT ergibt Gerade (Arrhenius-Diagramm, d.h. man kann daraus den „Aktivierungsberg“ bestimmen). ((Beispiele für monomolekulare Reaktion: Stilben- Isonerisierung, Cyclopropan wird zu Propen)) Die Temperaturabhängigkeit von k ist i.a. beträchtlich: Faustregel: 10 °C T-Erhöhung ändert k um den Faktor 2! Reaktion können deshalb „durchgehen“: Reaktion zumeist exotherm → TErhöhung → schnellere Wärmeproduktion → noch höhere T usw. Dies stellt ein schwieriges verfahrenstechnisches Problem bei der Beherrschung der Temperaturen in großen Reaktionsvolumina dar. Erinnerung an 2Al + 2NaOH 6H2O → 2Na[Al[OH)4] + 3 H2 (geht meistens durch). Zu dieser starken Abhängigkeit ein Experiment (Animation auf homepage Wolff): Reduktion von Fe3 mit Thiosulfat S2O32– (SO42– mit 1 O → S) Reaktionsgleichung +3 +4 3+ 2– 2 Fe + 2 S2O3 → 2 Fe2+ + braun +2 +2,5 S4O62– farblos schwach grün farblos - läuft über tief gefärbte Komplexe (Reaktionsmechanismus - Zwischenprodukte sichtbar) - vorführen: 20:40:60 °C +3 Fe + 1 e1– → vielleicht wie k1:k1 = 1:10 +2 Fe |·2 +4 +2,5 2 S2O32– → S4O62– + 2 e– 6.7 Katalyse Zu Beginn ein Experiment: H2O2 vorlegen, MnO2 dazu → O2 entweicht, Nachweis mit glimmendem Filterpapier Quantitativ untersuchen: 2 H2O2 → O2 + 2 H2O, d.h. kein MnO2-Verbrauch MnO2 nimmt – von der Reaktionsgleichung her gesehen – nicht an der Reaktion teil (heterogene Katalyse). Das ist Katalyse: Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit ohne an der Reaktionsgleichung beteiligt zu sein. 101 Homogene Katalyse / heterogene Katalyse Reaktionsmechanismus? - hier kompliziert - einfacher bei früher diskutiertem Beispiel SO2 + ½ O2 → SO3 Aktivierungsenergie EA0 zu groß, geht praktisch nicht. Geht aber in Gegenwart von V2O5 gut SO2 + V2O5 → SO3 + V2O4 Zu diesem Schritt Aktivierungsenergie EA1 V2O4 + ½ O2 → V2O5 Zu diesem Schritt Aktivierungsenergie EA2 Σ: SO2 + ½ O2 → SO3 V2O5 ist nur der Sauerstoffüberträger. Katalyse liegt vor, wenn EA0 > EA1 + EA2; falls umgekehrt: Inhibierung, d.h. Verlangsamung einer Reaktion = negative Katalyse. Tritt oft bei Katalyse auf durch „Vergiftung“ des Katalysators. KI z.B. H2O2 → H2O + ½ O2 (homogene Katalyse) - in Gegenwart von Phosphorsäure passiert nichts - Phosphorsäure wirkt als Inhibitor - Wirkung der Phosphorsäure? braune Farbe? = I2 – + H+ H2O2 + 2 I + 2 H → I2 + 2 H2O d.h. in neutraler Lösung wirkt das Iodid als Katalysator für die H2O2-Zersetzung, in saurer Lösung wird es selbst zu I2 oxidiert. Eine geeignete Katalyse ermöglicht die Optimierung der Führung chemischer Verfahren in vielerlei Hinsicht: Effekte Vorteile Beschleunigung von Reaktionen durch Herabsetzung Zeitgewinn der Aktivierungsenergie oder Durchführung von Reaktionen bei niedrigerer Energieeinsparung Temperatur Steuerung von Reaktionen: Es wird bei mehreren Minimierung von Trennproblemen, Möglichkeiten die gewünschte Reaktion katalysiert, bessere Ausnutzung der eingesetzten dadurch wird die Bildung von Nebenprodukten unter- Chemikalien, drückt vermindertes Entsorgungsproblem 101 7. Thermodynamik 7.1 Gleichgewichtsreaktion und Massenwirkungsgesetz Wieder H2 + I2 → 2 HI (Hinreaktion) - geht so1 bei 500 K - ab etwa 700 K zerfällt HI wieder 2 HI → H2 + I2 (Rückreaktion) Es laufen dann Hin- und Rückreaktion gleichzeitig ab. In eine Gleichung geschrieben: H2 + I2 ⇌ 2 HI (Gleichgewichtsreaktion) Ausgehend von H2 + I2 → Bildung von HI → zerfällt wieder in H2 + I2 d.h. Reaktion läuft nicht zu Ende Darstellung in 2 Diagrammen → identischer Grenzwert, d.h. Gleichgewichtsdruck Gleichgewichtszustand: soviel H2, I2 und HI, dass Hin- und Rückreaktion in der Geschwindigkeit übereinstimmen und die experimentell beobachtbare Reaktionsgeschwindigkeit 0 wird. Daher: Gleichgewicht, Gleichgewichtsreaktion. Laufender Zerfall und Bildung, makroskopisch ist nichts zu sehen „Dynamisches Gleichgewicht“ (ist aber fast immer so), etwas genauer: r1 = k1 p(H2) · p(I2) r2 = k2 p(HI) · p(HI) = k2 p2(HI) im Gleichgewicht: r1 = r2 und die pi sind Gleichgewichtsdrücke, also feste Werte k1 p(H2) · p(I2) = k2 p2(HI) 2 pHI k = 1 =K pH 2 pI2 k 2 1 für die Reaktion H2 + I2 ⇌ 2 HI Kinetik soll nach neueren Untersuchungen über Zwischenstufen verlaufen, die hier nicht betrachtet werden 102 Gleichung heißt Massenwirkungsgesetz, MWG; K ist die Gleichgewichtskonstante, die nur von der Temperatur abhängt. Aufstellen des MWG: Drücke (Konzentrationen, etc.) der Produkte im Zähler multiplizieren, Drücke der Edukte im Nenner multiplizieren; stöchiometrische Koeffizienten als Potenz. Wie arbeitet das MWG? z.B. zu Anfang kein pHI, nur pH2 + pI2 → Bildung von HI bis Gleichgewicht erreicht ist, d.h. MWG gilt erst nach Gleichgewichtseinstellung. In jeder Probe, die H2, I2 und HI enthält, ändern sich die Drücke so lange, bis MWG bei dieser Temperatur erfüllt ist. Beispiele Für obige Reaktion gilt K = 54,8 bei 425 °C 1) In einem Gleichgewicht liegen 1000 Pa H2 und 1000 Pa I2 vor – Gleichgewichtsdruck HI? Definition: Pa = N2 (früher Atmosphäre: Druck, den eine Hg-Säule von 760 mm Länge bei 0 m °C auf die Unterlage ausübt); 1 atm = 101 300 Pa; 105 Pa = 1 bar, d.h. 1 atm = 1,013 bar = 760 Torr. Für Vergleiche: Normaldruck oder Standarddruck 1 bar 2 p HI Lösung: = 54,8 p HI = 54,8·1000·1000 = 7400 Pa 1000·1000 2) In ein Gefäß werden pH20 = 1000 Pa H2 und pI20 = 1000 Pa I2 bei 425 °C eingelassen. Welcher Gleichgewichtsdruck stellt sich ein? pH2 = pH20 – ½ pHI pI2 = pI20 – ½ pHI (p 0 H2 2 pHI = 54,8 − 1 / 2 pHI )( pI02 − 1 / 2 pHI ) Auch ohne 0pH2 = 0pI2 = 1000 Pa (p (p 2 pHI = 54,8 0 H2 − 1 / 2 pHI ) 0 H2 p HI = 7,40 − 1 / 2 p HI ) 2 pHI = 7,40 pH20 – 3,70 pHI p HI = 7,40 p H0 2 4,70 = 1574 Pa pH2= pH20 – 1/2 pHI = 213 = pI2 103 komplizierter für den Fall 0pH2 ≠ 0pI2 – bisher nur exemplarisch → jetzt allgemein: vAA + vBB + ... ⇌ vMM + vNN + ... pMvM · pNvN ... K = vA vB pA · pB ... Ableitung? - kinetische Ableitung wie hier beim HI-Beispiel, Schwierigkeiten damit (kein Beweis, Dimension) - thermodynamische Ableitung (MWG folgt direkt aus Hauptsätzen der Thermodynamik), siehe Lehrbücher Weitere Beispiele Haber-Bosch-Verfahren 3 H2 + N2 ⇌ 2 NH3 Katalysator, Wirkung des Katalysators auf Gleichgewichtslage K= 2 pNH 3 pH3 2 · pN 2 Druckerhöhung → bessere Ausbeute / kurz zur Technik Was ergibt Druckerhöhung bei H2 + I2 → 2 HI? Problem: K ist hier mit einer Einheit zu versehen (1/Pa2). Diese ist ein Folge der gegebenen kinetischen Ableitung. Da K häufig in logarithmischen Ausdrücken auftaucht, ist es zweckmäßig, die Gleichgewichtskonstante dimensionslos zu machen, indem jeder Druck (Konzentrationen, etc.) auf einen Standardwert der betreffendenden Einheit bezogen wird (1 mol/l, 1 Pa, 1 bar usw.) oder indem die Konzentration als Mengenanteil angegeben wird. Deacon-Verfahren 4 HCl + O2 ⇌ 2 H2O + 2 Cl2 104 K= pH2 2O · pCl2 2 4 pHCl · pO2 Einheit von K? Massenwirkungsgesetz für kondensierte Phasen (Lösungen)? → für die allgemeine Gleichung werden jetzt Konzentrationen eingesetzt (sind genau wie Drücke proportional zur Stoffmenge bzw. Teilchenzahl, daher sind die Verhältnisse gleich und es ergeben sich die gleichen Konstanten2) cMvM ·cNvN ... K = vA vB cA ·cB ... vAA + vBB + ... ⇌ vMM + vNN + ... d.h. ganz analoge Gleichung Beispiel in wässriger Lösung: Dissoziation der Essigsäure Essigsäure = schwache Säure – was heißt das eigentlich? Eine schwache Säure ist eine Säure, die in wässriger Lösung schwach dissoziiert. CH3COOH ⇌CH3COO– + H+ (H+ ist hydratisiert) HAc ⇌ Ac– + H+ (in Kurzform) (Acetat) K= cH + ·cAc − cHAc ⋅ c Θ cΘ: Standardkonzentration 1 mol/l, hohe Konzentration verschiebt nach links Beispiel K = 1·10−5 für Essigsäure 3 Fälle 1) Einwaagekonzentration cHac0 = 10–7 mol/l, d.h. stark verdünnt probieren, Annahme: fast alles (99 %) dissoziiert 10 −5 10 −7 ·10 −7 = 10 − 9 ⋅ 1 (10 −7 − 10 −9 )·(10 −7 − 10 −9 ) ≈ 10 −5 genau: −9 10 ⋅ 1 Annahme richtig, der Rest HAc mit 10–9 mol/l ist wenig (1 %) im Vergleich zu 10–7 mol/l, genau steht dort 10–7 – 10–9 2 Anders bei Umrechnung von Drücken in Konzentrationen in der Gasüphase, dort c = n/v = p/RT, also ggf. (RT)x-Multiplikanden 105 cH+ = cAc– = 10–7 mol/l; cHAc = 10–9 mol/l 2) cHAc0 = 2 · 10–5 mol/l Annahme: Hälfte ist dissoziiert 10 −5 = 10 −5 ·10 −5 10 −5 ⋅ 1 Annahme stimmt: cH+ = cAc– = cHAc = 10–5 mol/l 3) cHAc0 = 100 mol/l Gültigkeit des MWG? – Annahme: es gilt noch Annahme: sehr wenig dissoziiert: 10 −5 = 10 −2,5 ·10 −2 ,5 10 0 ⋅ 1 Annahme stimmt: cAc– = cH+ = 10–2,5 mol/l ; cHAc = 100 mol/l Folgerung: wie beim Druck in der Gasphase – Verdünnung begünstigt die Seite, auf der mehr Teilchen stehen. 7.2. Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtslage k ist stark T-abhängig. Erwartung: auch K wird T-abhängig sein. Beispiel: A + B ⇌ C + D Gasreaktion (wegen der Verwendung der Drücke) Energie (∆Rg), die bei der Reaktion frei wird Annahmen: r1 = k1 · p A · p B ; p C · p D k1 = =K pA · pB k 2 k∞1 e − EA1 / RT = =K − E / RT k∞ 2 e A2 r2 = k 2 · pC · p D 106 ∆E = A k ∞1 ( E A2 − EA1 / RT ) e = K = K ∞ e RT k∞ 2 Nun ist EA2 – EA1 hier im Beispiel positiv → wenn T steigt, wird K kleiner. Satz: Bei exergonischen Reaktionen (∆Rg negativ, bezogen auf die Hinreaktion) wird das Gleichgewicht mit steigender Temperatur nach links verschoben. endergonischen: umgekehrt 1. Experiment dazu: NO2-Ampulle in Eis + Heizung / Diskussion → exotherm 2 NO2 (braun) ⇌ N2O4 (farblos) 2. Experiment: komplizierter, aber viele Effekte: Reaktion H2 + S ⇌ H2S bei tiefen T: H 2 + S → H 2S bei hohen T: H 2 + S ← H 2S Knallgasprobe exotherm, aber sehr langsam Nachweis des H2S: Zerfall über 2. Brenner Abschrecken: → S-Film 7.3 Prinzip vom kleinsten Zwang - Numerische Aussagen – qualitative Aussagen → oft wichtig - 3 Effekte bisher bei chemischen Gleichgewichten: 1) T-Effekt – exotherm → T-Erhöhung schiebt nach links 2) Druck-Effekt – Molekülzahl rechts höher als links → p-Erhöhung schiebt nach links 3) Gleichionischer Zusatz – Zusatz einer Komponente schiebt Gleichgewicht auf andere Seite Zusammenfassung: Prinzip vom kleinsten Zwang – auch Prinzip von Le Chatelier. Ein System reagiert auf einen äußeren Zwang so, dass es den Zwang zu vermindern sucht. 1) exotherme Reaktion – Zwang: T-Erhöhung 107 Gleichgewicht wird sich so verschieben, dass Wärme verbraucht wird, d.h. endotherme Reaktion abläuft, d.h. nach links. 2) Molekülzahl rechts höher als links – Zwang: p-Erhöhung Gleichgewicht wird sich so verschieben, dass Moleküle verschwinden, d.h. die Gleichgewichtslage verschiebt sich nach links. 3) Zwang: c-Erhöhung einer Komponente Gleichgewicht verschiebt sich auf die andere Seite, um Konzentration zu vermindern Keine Beschränkung auf Gleichgewichte dieses Typs: 4) Ein bislang nicht behandeltes Phänomen – Wasser ist dichter als Eis. Wie ändert sich der Schmelzpunkt bei p-Erhöhung? Zwang: p-Erhöhung Reaktion (!) wird so ablaufen, dass sich v vermindert, d.h. es entsteht Wasser. Schmelzpunkt muss also offensichtlich tiefer liegen → Prinzip des Schlittschuhlaufs. Sehr allgemeines Prinzip in der Naturwissenschaft – ganz wenige Ausnahmen, die sich bei schärferer Fassung beseitigen lassen. 7.4 Löslichkeitsprodukt verschiedene Phasen: Lösung und Feststoff Beispiel 1: ABfest↓ ⇌ ABgelöst ⇌ A+ + B– Bodenkörper K= c A + ·c B− c ABgelöst cABgelöst ist konstant, wenn die Lösung in Kontakt mit Bodenkörper steht (und nur dann!), so dass man schreiben kann K · cABgelöst = L1 = cA+ · cB– 108 mol 2 L1 = Löslichkeitsprodukt; [ L1 ] = 2 l Nötigenfalls kann die Einheit wieder durch Bezug auf Standardwerte beseitigt werden. Beispiel 2 2 A+ + B2– ⇌ A2Bgelöst ⇌ A2Bfest 2 A+ L2 = c ·c B− mol 3 l3 mol3 [ L2 ] = 3 l ; Berechnung der Konzentrationen im Gleichgewicht mit einem Bodensatz (gesättigte Lösung) Beispiel 1: cB– = cA+ cA2 + = L1 ; cA+ = L1 Beispiel 2: cB– = ½ cA+ ½ cA3 + = L2 ; cA + = 3 2 L 7.5 Thermochemie ggf. Kalorimeter-Experiment starten Teilgebiet der Thermodynamik statistisch phänomenologisch Eigenschaften der Aus der Erfahrung: 3-4 Hauptsätze, Moleküle: Quantenmechanik daraus Rest mit strenger Ableitung Viele Moleküle: Statistik zu kompliziert → hier im Wesentlichen nur Thermochemie 7.5.1 Einige Begriffe a) Temperatur: Definition sehr schwer / ursprünglich: 109 menschliches Unterscheidungsvermögen warm – kalt, dann Messverfahren / Fixpunkte → Physik später: T ~ Energieinhalt eines Systems, z.B. Summe der kinetischen Energien der Teilchen eines 1-atomigen Gases b) Wärme: T-Erhöhung durch verschiedene Arten der Zufuhr von Wärme 1) Wärmezufuhr durch Kontakt mit wärmerem Körper 2) Mechanische Arbeit an dem Körper leisten 3) Elektrische Energie dem Körper zuführen Wärme, mechanische Arbeit und elektrische Energie sind besondere Erscheinungsformen der Energie. Sie lassen sich (ganz oder teilweise) ineinander umwandeln und werden in Einheiten gemessen, deren Zahlenwerte gleich sind: 1 Nm = 1 J = 1 Ws 7.5.2 Messverfahren für Wärmemengen Kalorimeter Experiment: NaOH + H2SO4 Reaktion hier: OH– + H+ → H2O (1 mol NaOH + ½ mol H2SO4) Es gilt q ~ ∆T (q = Wärmemenge) q = K · ∆T Woher K? Hier Abschätzung: ≈ 2,5 l H2O (+ Glas) 1 g H2O (flüssig) nimmt 4,18 J/K auf (Wärmekapazität des Wassers, früher = 1 cal) 2,5 l H2O nehmen 2500 · 4,18 J/K auf K= q = 2500 · 4,18 J/K ∆T Experiment: ∆T = 5,9 °C q = 2500 · 4,18 J/K·5,9 K = 61,7 kJ/mol ∆T = 5,9 °C Berechnung: 1 mol NaOH + ½ mol H2SO4 OH– + H+ → H2O 110 jeweils 1 mol → ergibt xJ → theoretischer Wert 55,9 kJ Vernachlässigt: Wärmeaufnahme der Glaswand, Lösungswärme, Rührarbeit Genaueres Verfahren für K Einbau einer elektrischen Heizvorrichtung Q=U·I·t t = Zeit Q = K ·∆T K= U ·I ·t ∆T T = Temperatur gleich in Ws ≡ J! Unterscheidung: endotherm / exotherm Wärme, die das System abgibt: wird negativ gewertet Wärme, die das System aufnimmt: wird positiv gewertet d.h. exotherme Reaktionen haben eine negative Reaktionswärme endotherme Reaktionen haben eine positive Reaktionswärme früher OH– + H+ → H2O + 55,9 kJ. Das ist heute ganz schlecht → heute mit Vorzeichen und nicht an die Reaktionsgleichung schreiben – Buchhalter für das System Auf welche Menge beziehen wir nun die Reaktionswärme? Relativ gut ist der Bezug auf 1 mol. z.B. für obige Gleichung Einheit J · mol–1 oder kJ · mol–1 In allen Fällen ist der Bezug auf 1 mol aber nicht gut. BaCl2 + 2 AgNO3 → 2 AgCl + Ba(NO3)2 in Wasser; Bezug auf 1 mol BaCl2 oder 1 mol AgNO3? → daher Einführung des Formelumsatzes Unter einem Formelumsatz bei der Reaktion vAA + vBB +... → .... versteht man die Reaktion von vA mol A mit vB mol B zu den Produkten. Reaktionswärme: die Wärmemenge, die pro Formelumsatz aufgenommen (+) oder abgegeben (–) wird. Noch eine Schwierigkeit: die Reaktionswärme hängt noch von den Versuchsbedingungen ab. z.B. eine Reaktion A → B + C in der Gasphase kann bei konstantem Volumen oder bei konstantem Druck durchgeführt werden. 111 1) v = const. 2) p = const. Im 2. Fall ist die umgesetzte Wärme größer, da (Volumen-)Arbeit geleistet wird (Argumentation über den obigen 2 Stufen-Prozess). Man muss also 2 Wärmen unterscheiden: qv und qp – haben auch Namen bekommen: Reaktionsenergie (bei v = const.): ∆u = qv Reaktionsenthalpie (bei p = const.): ∆h = qp (wichtigerer Fall). Einheiten wie q Wiederholung Vorzeichen: – bei exotherm / + bei endotherm Bezugsmenge: auf 1 mol oder 1 Formelumsatz3 äußere Bedingungen: p = const. → Reaktionsenthalpie ∆H v = const. → Reaktionsenergie ∆U (in J/mol oder J/FU) d.h. H+ + OH– → H2O , ∆H = –56 kJ/mol (nicht: H+ + OH– → H2O ± 58 kJ) 7.5.3 Reaktionsenthalpie ∆RH Wozu nun das Ganze? Kenntnis der Reaktionswärme ist für den Chemiker im Labor und insbesondere für den Verfahrenstechniker in der Industrie wichtig, um Reaktionsgefäße und –apparaturen richtig auszulegen. Ein mögliches Verfahren: Reaktionswärme aller Reaktionen messen – viel Arbeit, schlecht darstellbar, geht auch teilweise nicht! 3 Kleinbuchstaben (h, u, q) symbolisieren extensive Größen, die von der Masse des Systems abhängen; Großbuchstaben (H, U, Q) stehen für intensive Größen, die auf die Masse (Stoffmenge, FU, o.ä.) bezogen sind und deshalb nicht mehr davon abhängen 112 z.B. 2 Cfest + O2 → 2 CO führt immer zu Gemisch CO + CO2, d.h. man kann die Reakti- onswärme nicht im Kalorimeter messen. Wie ermittelt man in solchen Fällen die Reaktionswärme? Bei allen untersuchten Reaktionen zeigte sich, dass die gesamte Reaktionswärme sich nicht unterscheidet, wenn die Reaktion über I oder II läuft. Das sagt der Heßsche Satz aus (Spezialfall des 1. Hautsatzes der Thermodynamik). Die Reaktionswärme (-energie ∆u, -enthalpie ∆h) einer chemischen Reaktion ist unabhängig vom Weg, auf dem die Reaktion durchgeführt wird (u und h sind sog. Zustandsgrößen). Steckt ein tieferer Sinn dahinter? → Antwort aus der phänomenologischen Thermodynamik. Annahme qII < qI ; I sei umkehrbar und beides sei exotherm: Dann könnte man nach q = qII – qI < 0 bei jedem Zyklus Energie gewinnen → perpetuum mobile 1. Art (geht natürlich nicht. Wenn Sie ein solches System finden, ist Ihnen der Nobelpreis im nächsten Jahr sicher.) Anwendung auf voriges Beispiel: 2 Cfest + O2 Cfest + O2 2CO + O2 1 → 2 → ∆RH1 = ? 2 CO CO2 3 → 2 CO2 Weg I 2 Cfest + 2 O2 → 2 CO2 bekannt ∆RH2 = –393,5 kJ/mol bekannt ∆RH3 = –565,3 kJ/F.U. 2∆RH2 2 Cfest + O2 → 2 CO ∆RH1 ∆RH1 + ∆RH3 Weg II 2 CO + O2 → 2 CO2 Σ Weg II ∆RH3 2 C + 2 O2 → 2 CO2 ∆RH1 + ∆RH3 = 2 ∆RH2 ∆RH1 = 2 ∆RH2 – ∆RH3 = 2 (–393,5) –(–565,3) = –221,7 kJ/FU Dieses Verfahren ist ein Beispiel für ein ganz allgemein gültiges Verfahren, die Reaktionsenthalpien (oder -energien) aus Verbrennungsenthalpien (oder -energien) zu bestimmen. Werte sind vielfach tabelliert oder leicht zu bestimmen 113 Bildungsenthalpien ∆BH (für Bildung von Verbindungen aus Elementen) Noch viel einfacher wäre es, wenn die Reaktionsenthalpien bekannt wären, die bei der Bildung der entsprechenden Verbindungen aus den Elementen auftreten, z.B.: Cfest + 2H2 → CH4 ∆ R H = ∆ B H CH 4 Chemisch so natürlich nicht ohne weiteres möglich, aber ∆BH kann aus Verbrennungsenthalpien berechnet werden: Cfest + O2 → CO2 ∆RH1 = –393,5 kJ/mol 2 H2 + O2 → 2 H2Ofl. ∆RH2 = –571,6 kJ/FU (2) CH4 + 2 O2 → CO2 + 2 H2Ofl. ∆RH3 = –885,5 kJ/FU (3) (1) Jetzt müssen wir uns die beiden Wege ausdenken: ∆ B H CH 4 = ∆RH1 + ∆RH2 –∆RH3 = [–393,5–571,6 +885,5 = -79,6] kJ/mol Genau solche Werte sind nun in Nachschlagswerken erfasst unter sog. StandardBedingungen: 25 °C, 1 bar, 1 mol der stabilen Verbindung (z.B. H2O flüssig), Elemente in der unter den Bedingungen stabilen Form (z.B. H2, nicht H) → Name: Bildungsenthalpien ∆BH Damit kann man nun sehr einfach Reaktionsenthalpien berechnen. Reaktion (unten stehen links und rechts die gleichen Elemente → Reaktionsgleichung!) vA ∆ B H A für vA mol von A usw. 114 →∆RH = vC ∆ B H C + vD ∆ B H D − vA ∆ B H A − v B ∆ B H B oder ∆ R H = ∑ vi ∆ B H i mit Vorzeichen! Beispiel Fe2O3 + 3 CO → 2 Fe + 3 CO2 (eine der Hochofenreaktionen) –822,5 –110,5 0 –393,5 kJ/mol Element ∆BH = 0! ∆RH = –3 · 393,5–(–822,5–3 · 110,5) = –26,5 kJ Bisheriges Ziel erreicht: Bildungsenthalpien – zumeist aus Verbrennungsenthalpien bestimmt – sind in Nachschlagswerken erfasst → daraus ist die Berechnung von Reaktionsenthalpien möglich. 7.5.4 Triebkraft von Reaktionen Das bisher Gesagte lässt vermuten, dass für eine Reaktion umso mehr Triebkraft vorhanden ist, je exothermer sie bzw. je negativer ∆RH ist. Es gibt jedoch wie oben erwähnt auch Reaktionen, bei welchen es in der Umgebung kälter wird, die also Wärmeenergie verbrauchen und trotzdem spontan und freiwillig ablaufen (siehe oben). Vor allem Reaktionen, bei denen große Mengen gasförmiger Produkte aus Flüssigkeiten oder Festkörpern entstehen, laufen auch dann spontan ab, wenn offensichtlich Energie der Umgebung entzogen wird, wie an einer entsprechenden Abkühlung dieser Umgebung zu erkennen ist. Ein schon bekanntes Beispiel hierfür: 6 SOCl2 (flüssig) + CoCl2·6H2O (fest) → 12 HCl (gasf.) + 6 SO2 (gasf.) + CoCl2 (fest) ein weiteres Beispiel ist das Verfahren zur Herstellung von Fluorwasserstoff HF aus dem Mineral Flussspat CaF2: CaF2 (fest)+ H2SO4 (fl.)→ 2 HF (gas) + CaSO4 (fest) Offenbar gibt es sowohl exotherme Reaktionen, bei denen Wärme frei wird, als auch endotherme, bei denen Wärme verbraucht wird. Es stellt sich deshalb die Frage nach der Triebkraft von solchen Reaktionen, die nicht mit dem Freiwerden von Wärme einhergehen. Offensichtlich wird beim Übergang vom Feststoff zur Flüssigkeit und weiter zum Gas die Unordnung vermehrt. Betrachtet man die oben genannten endothermen Reaktion daraufhin, so stellt man eine solche Vermehrung der Unordnung fest. Diese kommt daher neben dem Freiwerden von Wärme als Triebkraft für eine chemische Reaktion in Betracht. Ein Maß für die Unordnung ist die Entropie s, die mit der Unordnung ansteigt. Sie wird i.a. in J/K angegeben (bzw. die molare Entropie S in J mol–1K–1 ). Ein starres Festkörpergitter bei 0 K hat die Entropie 0. 115 Die folgende Tabelle gibt molare Standard-Entropien S⊝ für einige Substanzen an. Ein Standardzustand liegt in der Thermodynamik bei p = 1 bar vor4 und wird meist für T = 298 K und n = 1 mol für die unter diesen Bedingungen stabile Modifikation (reine Phase) tabelliert. Substanz S⊝/J mol–1 K–1 H2O (gasf.) 189,1 H2O (fl) 70,1 C CO2 CO O2 CaCO3 CaO H2 5,7 214,1 198,1 206,3 92,9 39,8 130,7 Beide Komponenten der Triebkraft lassen sich zu der Größe „freie (Reaktions-)Enthalpie“ ∆RG⊝ zusammenfassen (Gibbs-Energie, englisch: free energy) ∆RG⊝ = ∆RH⊝ – T ∆RS⊝, die mit zweimaliger Hilfe des Heßschen Satzes aus Enthalpie- und Entropiedaten zu berechnen ist. Ist ∆RG⊝ negativ5, so läuft die Reaktion spontan ab. Die Gleichung gilt für konstanten Druck (z.B. Atmosphärendruck) und konstante Temperatur (z.B. Siedetemperatur eines Reaktionsgemisches). Bei anderen äußeren Bedingungen kann einfacher mit anderen Zustandsfunktionen gerechnet werden: [∆H für p und S konstant; ∆F für V und T konstant (sog. Helmholtz-Energie); ∆U für V und S konstant; vgl. Lehrbücher]. Beispiel CaF2 + H2SO4 → 2 HF + CaSO4 Aus Tabellen: ∆BH⊝(CaF2) = -1228,0 kJ/mol; ∆BH⊝(H2SO4) = -814,0 kJ/mol; ∆BH⊝(HF) = -273,3 kJ/mol; ∆BH⊝(CaSO4) = -1434,5 kJ/mol ∆BS⊝(CaF2) = 68,5 J/mol K; ∆BS⊝(H2SO4) = 156,9 J/mol K; ∆BS⊝(HF) = 173,8 J/mol K; ∆BS⊝(CaSO4) = 106,5J/mol K ∆RH⊝ = [(2 -273,3 – 1434,5) – (-1228,0 –814,0) = 60,9] kJ/mol ∆RS⊝ = [(2 · 173,8 + 106,5) – (68,5 + 156,9) = 227,7] J/mol K ∆RG⊝ = ∆RH⊝ – T ∆RS⊝ = (60,9 – 298 · 0,2277 = -6,95) kJ/mol läuft freiwillig ab trotz Wärmeverbrauch in ∆RH⊝. 4 In Lehrbüchern wird manchmal p⊝ = 1 atm = 1,013 bar gesetzt, was zu kleinen Abweichungen in Tabellenwerten führt. 5 In manchen Lehrbüchern findet man die Größe Affinität AR⊝ = –∆RG⊝, im allgemeinen als intensive Größe. 116 Bezug zu Gleichgewichtskonstanten K (im Gleichgewicht gibt es keine Triebkraft mehr): ∆RG⊝ = - RT ln K 8. Elektrochemie Hier nur als Hilfswissenschaft für wässrige Lösungen. 8.1 Elektrolyse, elektrische Leitfähigkeit Gedankenexperiment: wässrige CuCl2-Lösung → Dissoziation in Ionen, Ionen wandern im elektrischen Feld, Wanderungsgeschwindigkeit sehr langsam (Größenordnung 10-4 bis 10-3 m/s bei Feldstärke 10000 V/m). Schließlich kommen die Anionen an die Anode und umgedreht. Dort finden Entladungsvorgänge statt: Cu2+ + 2 e → Cu Kupfer wird niedergeschlagen, Cl– → ½ Cl2 + 1 e Chlorgas entweicht. Die spezifische Leitfähigkeit κ ist gegeben als Kehrwert des spezifischen Widerstands ρ: κ = 1 / ρ = l / (RF) = lI / (FU) (R: Ohmscher Widerstand, F: Elektrodenfläche, I: Stromstärke, l: Elektrodenabstand) Die Leitfähigkeit ist um so größer, je kleiner die wandernden Ionen (effektiver Radius) und je geringer die Viskosität des Lösemittels ist. Dazu kommt eine Konzentrationsabhängigkeit, die folgendes Diagramm der molaren Leitfähigkeit κ/c als Funktion von c illustriert: Die Interpretation dieses Effekts bei starken und schwachen Elektrolyten - führte zu großen Kontroversen in der Literatur bis etwa 1920 - Frage: MWG oder anderer Effekt - Lösung von Debye und Hückel: Debye-Hückelsche Theorie 117 - Betrifft alle Phänomene mit Ionen: Leitfähigkeit, Gefrierpunktserniedrigung Die Lösung kann vielleicht in Analogie zu Gasphaseneffekten verstanden werden. ideales Verhalten: keine Kräfte nicht ideales Verhalten. Wechselwirkungen Jetzt kommen aber Ionen mit Coulomb-Kräften ins Spiel: Diese fallen mit r–2 ab, alle anderen Kräfte viel steiler: r–4 bis r–6 - Konzentration und Abstand, Kräfte - ideales Gas - ideal verdünnte Ionenlösung → verdünnte/konzentrierte Lösung → reales Gas Debye-Hückel-Theorie In allen Gesetzen c durch a = fc ersetzen; a = Aktivität, f = Aktivitätskoeffizient (DebyeHückel-Theorie). f = 1 für c → 0; f ≠ 1 für c ≠ 0, und zwar größer oder (meistens) kleiner 0. Thermodnamisch sauber: a dimensionslos6, d.h. Dimension von f hier: [f] = l/mol. 8.2 EMK EMK = Elektromotorische Kraft (nicht gut gewählt) = Spannung einer Zelle wie der nebenstehenden ohne Stromfluss (Voltmeter trennt; gestrichelte Linie: teildurchlässige Wand, lässt Ladungsausgleich zu, verhindert Durchmischung) Zellreaktion, d.h. Reaktion, die ablaufen möchte, aber wegen Unterbrechung der elektrischen Verbindung (hochohmiges Messgerät) nicht ablaufen kann: Zn + Cu2+ → Zn2+ + Cu Anderes Beispiel: Ni + 2Ag+ → Ni2+ + 2Ag Allgemein: v2Me1 + v1Me2v2+ → v2Me1v1+ + v1Me2 Theorie zeigt v RT c1 2 EMK = ∆E0 − ln zFF c2 v1 Abhängigkeit Nernst-Gleichung c-Abhängigkeit (Abscheidungs-/Auflösungs-Tendenz) von Art der Metalle 6 in Lehrbüchern oft (und thermodynamisch falsch) [a] = mol/l, dann f dimensionslos 118 ci = Konzentration der beteiligten Ionen (besser Aktivitäten ai, s.o.) vi = stöchiometrische Koeffizienten der zugehörigen Zell-Reaktionsgleichung n = Zahl der übergehenden Elektronen FF = 96 485 C = 96485 As, Ladung eines Mols Elektronen (Elementarladungen), FaradayKonstante E0 = EMK, wenn alle ai = 1 (Normal- oder Standard-Potenzial aus tabellierter “Spannungsreihe“, s.u.) Der ln c (ln a) Term wird größer mit c (oder a) wegen Abscheidungs-/Auflösungstendenz. EMK entspricht der Triebkraft einer elektrochemischen Reaktion. EMK = − ∆ R G ⋅ 1 1 = ⋅ ( ∆ R H − T∆ R S ) zFF zFF Im allgemeinen bringt der Term mit ln nicht viel, wichtiger ist der Term mit E0 – hängt von der Art der Metalle (beider!) – ab. E0 kann man messen, aber nicht als Absolutwert sondern immer nur Differenzen, daher willkürliche Festlegung: Alle Werte in der „Spannungsreihe“ werden auf die NormalwasserstoffElektrode bezogen (Platin-Elektrode, umspült von H2-Gas bei 1 bar), die damit die Halbzellenspannung 0 bekommt. Jetzt Messung der anderen Elemente gegen die Normalwasserstoffelektrode (bei Standardbedingungen: p = 1 bar, T = 298 K) bei gleichen Aktivitäten links und rechts unedel Metall Eu / V Li/Li+ –3,0 Na/Na+ –2,7 Mg/Mg2+ –2,4 Zn/Zn2+ –0,76 Fe/Fe2+ –0,44 H2/H+ 0 (willkürlich) Cu/Cu edel 2+ +0,34 Fe2+/Fe3+/Pt +0,782 Ag/Ag+ +0,798 Au/Au3+ +1,42 119 Diese beiden Halbzellen (Cu/Cu2+ und Zn/Zn2+) gegeneinander : ∆E0 = 0,34 – (–0,76) = 1,1 V Als Folge der Spannungsreihe löst sich ein Zn-Stab in Kupferlösung auf → Zn2+ + Cu↓ d.h. das edle Element scheidet sich ab, das unedle wird aufgelöst. Weitere Konsequenz z.B. Korrosion von unedlen Metallen in Gegenwart von Wasser bzw. Sauerstoff. Rezept zum Aufstellen der Nernstschen Gleichung7: - Reaktionsgleichung: hinschreiben entsprechend den Vorgängen, die ablaufen wollen - ∆E0 (Differenz der Spannungen in der „Spannungsreihe“) positiv einsetzen, - Konzentration der Ionen des Elements mit dem höherem Normalpotential in den Nenner des ln-Terms (und dann Minus-Zeichen vorm ln-Term), Potenzen wie beim Massenwirkungsgesetz8 7 Einige Lehrbücher leiten nicht EMK sondern eine „Gleichgewichts-Zellspannung“ Uz ab, die den negativen Wert der EMK aufweist: EMK = - Uz 8 im ln steht eigentlich das Massenwirkungsgesetz, die Aktivität der Metalle in der Reaktionsgleichung ist jeweils = 1 (reiner Stoff, folgt aus Thermodynamik); nicht: „c wird 1 gesetzt“! 120 9. Organische Chemie 9.1 Nomenklatur, funktionelle Gruppen Trotz vielfacher Bemühungen um eine systematische Benennung organischer Moleküle haben sich eine Reihe von „Trivialnamen“ bis heute gehalten (Benzol, Naphthalin, Essigsäure, Harnstoff, Furan u.v.a.), teils aus Gewohnheit, teils weil die Trivialnamen erheblich kürzer sind. Weiterhin sind vielfach (selbst in amtlichen Vorschriften) Abkürzungen im Gebrauch (DDT), auch für ganze Stoffklassen (PAK). Eine weitgehend akzeptierte Systematik der Benennungen organischer Verbindungen ist die „IUPAC-Nomenklatur für organische Verbindungen“1, deren Benutzung auch von einschlägigen Journalen bei wissenschaftlichen Publikationen verlangt wird. In der Vorlesung werden nur verhältnismäßig einfache Verbindungen benannt, zunächst einfache Kohlenwasserstoffe. (Erinnern an kovalente Bindung, Hybridisierung, Mehrfachbindung, Kap. 3) 9.1.1 Alkane, Alkene, Alkine Lineare Alkane (Methan, Ethan, Propan, Butan, Pentan, Hexan, Heptan, …griechisch weiterzählen); heißen auch „gesättigte“ Kohlenwasserstoffe, die nur Einfachbindungen zu C-Atomen enthalten Lineare Alkene: n-Alkane, die eine oder mehrere Doppelbindungen (πBindungen) enthalten (ungesättigte Verbindungen, mit nicht-konjugierten Doppelbindungen, s.u., heißen sie Olefine) Lineare Alkine: Alkane, die eine oder mehrere Dreifachbindungen enthalten (auch ungesättigt) Gruppenname Name (Beispiel) Alkane Methan n-Hexan 1-Buten 1,3-Butadien, Buta-1,3-dien 2-Pentin Alkene Alkine Valenzstrich- Summenformel(n) Formel, Hs weggelassen CH4 H3C(CH2)4CH3, C6H8 C4H8 C4H6 C5H8 Cyclische Alkane, Alkene, Alkine Beispiel Cyclopropan, Cyclohexan Valenzstrichformel, Hs Summenformel weggelassen C3H6, C6H12 Cyclopenten, 1,4-Cyclohexadien C5H8, C6H8 Cyclohexin C6H8 1 Bemerkung Summenformel nicht eindeutig: C6H8 gibt es zweimal Die Abkürzung steht für International Union of Pure and Applied Chemistry. Die IUPAC-Regeln sind über verschiedene web-Seiten zugänglich, z.B <http://www.acdlabs.com/iupac/nomenclature/> 121 Verzweigte Alkane, Alkene, Alkine. Substituenten (substituieren ein H-Atom) erhalten die Endsilbe -yl Beispiel Valenzstrichformel, Summenformel Bemerkung Hs weggelassen 2-Methylpropan C3H10 (Isobutan) 3-Methyl-5C12H26 Längste Kette ethylnonan gibt Namen, Nummerierung der Substituenten an der niedrigsten Nummer beginnen 3-Ethylhept-3-en C6H18 (auch 3-Methylhepten-3) 9.1.2 Aromaten Aromaten: Cylische Kohlenwasserstoffe mit (4n+2) π-Elektronen, die (formal) alternierende Einfach- und Doppelbindungen enthalten (π-Elektronen delokalisiert). Viele haben Trivialnamen. Heteroaromaten sind Aromaten mit Heteroatomen (N, O, S, P, etc, anstelle von C); typisch: Rußbildung bei der Verbrennung. Beispiel Valenzstrichformel, Summenformel Bemerkung Hs weggelassen Benzen oder C6H6 Benzol Anthracen C14H10 Phenanthren C14H10 Pyren C16H10 Heteroaromaten C5H5N Pyridin Summenformel nicht eindeutig: C14H10 gibt es zweimal gehört zu PAK (polyaromatische Kohlenwasserstoffe) reagiert basisch N Furan C4H4O O Cyclohepatrien, Cylopentadien nicht Aromaten: C7H8, C5H6 Zwei, drei, 4 gleiche Substituenten: Vorsilben di-, tri-, tetra- Ein freies Elektronenpaar am O gehört zum aromatischen πElektronen.System 122 1,3,5-Trimethylbenzen (triv. Mesitylen) 9.1.3 Funktionelle Gruppen Unter dem Begriff versteht man bestimmte Substituenten an Kohlenwasserstoffen, die zumeist Heteroatome enthalten und die die Reaktivität der Verbindung bedingen oder beeinflussen. Dazu gehören hauptsächlich –OH-Gruppen → Verbindungen heißen dann Alkohole, gekennzeichnet durch die OH OH OH Ethanol, Endsilbe -ol; Cyclobutanol, Phenol (triv.). –NH2-Gruppen → Verbindungen heißen dann Amine; die Aminogruppe kann selbst N NH2 substituiert sein; Propyl-1-amin (1-Aminopropan), Triethylamin. –NO2-Gruppen → Verbindungen heißen dann Nitroverbindungen, Vorsilbe Nitro-: NO2 Nitrobenzol –Halogen → Verbindungen heißen dann Halogen(haltige)-Verbindungen, Vorsilben Cl OH Fluor- Chlor-, Brom-, Iod-: 1-Chlor-cyclopentan-3-ol, oft heißt es auch auch z.B. H3CCl Methylchlorid (ist aber kein Salz, nicht ionisch!). –COOH-Gruppen (Carboxylgruppen, org. Säuren) → siehe Carbonylverbindungen im Kap. 9.2.5. Verbindungen mit R–CH2–O–CH2–R-Gruppen heißen Ether, zum Beispiel das (heute nur noch in Krimis benutzte) Betäubungsmittel Diethylether (H3C–CH2–O–CH2– CH3). Mit –R werden irgendwelche „Reste“ am Molekül bezeichnet (abgekürzt), die man nicht explizit nennen will, weil es verschiedene sein können oder weil sie in der jeweiligen Betrachtung keine Rolle spielen. Feinheiten wie die Reihenfolge der Aufzählung von Substituenten oder welcher Substituent den Namen gibt sollen müssen in dieser Lehrveranstaltung nicht genau HN OH beachtet werden ( 2 4-Aminobutan-1-ol, weil OH schwerer ist als NH2). Die Positionsangaben müssen jedoch eindeutig sein. 9.2 Einfache Reaktionsmechanismen (Anders als in der anorganischen Chemie ersetzen aus Platzgründen oft Reaktionsschemata die stöchiometrisch ausgeglichenen Gleichungen) Die Ladungsverteilung (in polarisierten kovalenten Bindungen, s. Kap. 3) entscheidet über die Reaktivität der Verbindung und über die Stelle im Molekül, an welcher die Reaktion stattfindet. Reaktanden haben 3 Grundtypen des Angriffs auf andere Moleküle zur Verfügung: - radikalisch – greift nicht (stark) polarisierte Bindungen wie R-H an - elektrophil – greift elektronen(dichte)reiche Positionen im Molekül an - nucleophil – greift elektronenarme Positionen im Molekül an. 123 Die letzten beiden Reaktionstypen werden durch I- und M-Effekte (Induktionseffekte, Meosomerieeffekte) begünstigt. Der Induktionseffekt verstärkt die Polarisierung einer kovalenten Bindung zum benachbarten C-Atom. Man unterscheidet den -I-Effekt, der Elektronendichte vom benachbarten C-Atom wegzieht (läuft im PS wie die Elektronenaffinität, d.h. C<N<O<F, bzw. I<Br<Cl<F) und den +I-Effekt, der Elektronendichte zum benachbarten C-Atom hindrückt, also negative Ladungen, Teilladungen oder freie Elektronenpaare. -I-Effekt +I-Effekt O CH3 R N OR < + N R < R C CH3 H2 methyl- ethyl- R R < R N_ F < Aminogr. < Ethergr. R: Rest, z.B. Alkyl- < < Halogen neg. geladen < CH3 CH3 C < H CH 3 2-propyl- CH3 CH3 isobutyl- –I<–Br<–Cl (aber gleichzeitig –I-Effekt der HalogenSubstituenten) + R O R R R R < Vinyl-gr R < Phenyl-gr R < N N R Alkinyl-gr. N < R Amino-gr. Schiff-Base Nitrilo-gr Bestimmte Zusätze zum Reaktionsgemisch verstärken den –I-Effekt, z.B. Verbindungen mit einer Elektronenpaarlücke, sog. Lewis-Säuren wie AlCl3 Cl C Cl Al Cl Cl δ++ δ− δ− starke positive Teilladung am C Mesomerie-Effekte Voraussetzung für das Auftreten eines Mesomerie-Effekts ist das Vorliegen sogenannter konjugierter Doppelbindungen (abwechselnd Doppelbindung und Einfachbindung, ggf. unter Einbeziehung von einsamen Elektronenpaaren). In diesen Fällen lassen sich mesomere Grenzstrukturen finden, die mögliche Ladungsverschiebungen entlang des konjugierten Doppelbindungssytems zulassen Beispiel: H2C=CH–CH=O ↔ H2C+–CH=CH–O–. Die Verbindung wird in keiner der beiden Grenzstrukturen gemeinhin vorliegen sondern die aktuelle Situation wird irgendwo in der Mitte liegen (in polaren Lösemittel mehr rechts, in unpolaren mehr links). Der Doppelpfeil soll also weder ein Reaktionspfeil sein noch ein Gleichgewicht symbolisieren. Die Moleküle können 124 jedoch zur Reaktion (z.B. während des Übergangszustands auf dem Gipfel des Aktivierungsbergs, die jeweils geeignetere Form annehmen. Der mesomere Effekt kann nun eine Verschiebung der Ladungsverteilung nicht nur im Bereich einer Bindung (wie beim induktiven Effekt) sondern über das ganze konjugierte Doppelbindungssystem zur Folge haben, z. B. H2C C Cl H H2C C H H2C C C C Cl H H H + Cl oder CH2 C C C H H H + Cl . Hier wird der +MEffekt des Chlor-Substituenten beschrieben: die CH2-Gruppe erhält eine negative Teilladung und kann so einen nucleophilen Angriff unternehmen oder elektrophil angegriffen werden. -M-Effekt N R +M-Effekt < + R O < R + R N R _ O R < O R R < C N R < F O < O R < N R R R < I < N Br < Cl < F (aber auch –I-Effekt) 9.2.1 Radikalische Substitution Typische Kettenreaktionen; Beispiel Photochlorierung Kettenstart Cl-Cl → 2 Cl· (mit UV-Licht; Punkt: einzelnes Elektron) Kettenfortpflanzung R-H + Cl· → R· + HCl R· + Cl-Cl → R-Cl + Cl· R-H + Cl· → R· + HCl R· + Cl-Cl → R-Cl + Cl· usw. Die Kettenreaktion kann durch zwei Abbruchreaktionen beendet werden R· + R· → R-R Cl· + Cl· → Cl-Cl In dem Fall muss neu gestartet werden, d.h. während der Photochlorierung brennt die UV-Lampe. Photochlorierung zum Beispiel von Toluol (Toluen) CH3 + hν H2 C Cl Cl2 - Cl . (Reaktionsschema, keine Gleichung) werden in großem Umfang industriell durchgeführt. Chlor ist eine Grundchemikalie, mit welcher Chlorsubstituenten in Kohlenwasserstoffe eingebracht werden, die dann durch verschiedene Reaktionen weiter modifiziert werden können zur Herstellung von Alkoholen, Aminen, Nitrilen, Ethern und ungesättigten Verbindungen (s. Kap. 9.2.2, 9.2.3). 125 9.2.2 Nukleophile Substitution Zwei Mechanismen, SN1 und SN2 SN1-Reaktion 1. Schritt: Dissoziation von Halogenalkylverbindungen (z.B. hergestellt nach 9,2,1) in Ionen, die in polaren Lösemitteln (z.B. Methanol) begünstigt wird R1 R2 R3 R1 R2 + R3 langsam X schnell + X _ X = Cl (oder Br, OH, OCH3, CN, usw., Gruppierungen, die als Anionen relativ stabil sind, d.h. abgeschlossene Schalen an der Bruchstelle haben). R1 + Das entstehende planare2 Carbokation R2 R3 ist nicht stabil (wie z.B. Na+-Ionen in Wasser), deshalb erfolgt eine schnelle Rückreaktion mit X-, wenn nicht alternativ ein anders nukleophiles Reagens Y- angeboten wird. Dann wird das gewünschte Produkt gebildet: R1 R2 + R3 + Y R1 R2 R3 _ Y . SN2-Reaktion Diese läuft nicht über ionische Zwischenstufen Y _ R1 R1 + R2 R3 Y C _ R1 X X Y R2 R3 R2 R3 + X _ Nach der Reaktion ist die Reihenfolge der Substituenten –R1-3 vertauscht (Walden Umkehr). Nukelophile Reagenzien müssen nicht anionisch sein, freie Elektronenpaare (Wasser, Akohole) sind ebenso zum nukleophilen Angriff befähigt. Die Nukleophilie (Grad der Fähigkeit zum nukleophilen Angriff) von gängigen Reagenzien für SN2-Reaktionen steigt in folgender Reihenfolge3: F- < H2O << Cl- < PhO- < Br- < OH- , OR- < NH3, NR3 < I- < CN- < S29.2.3 Eliminierung mit Bildung von Doppelbindungen. Viele Verbindungen, die nach 9.2.1 oder 9.2.2 hergestellt worden sind, können durch Eliminierung in ungesättigte Verbindungen (Olefine) überführt werden. Mechanismus: _ H C C + Y H C C X H C C+ + X Y _ _ + Y 2 C C + HY Hybridisierung sp2, übriges p-Orbital leer für die hiervon verschiedene Reihung des Einflusses von X (nukleofuge Abgangsgruppe) siehe Lehrbücher. 3 126 Eliminiert werden immer trans(gegenüber)-ständige Atome. In cyclischen KW entsehen ggf. stereochemisch eindeutige Produkte: H H H H X H H H H nach hinten nach vorn Wichtige Eliminierungsreaktionen: X = –Halogen: Abspaltung von Halogenwasserstoff (HCl, etc.), X = –OH: Abspaltung von Wasser; X = –OR: Abspaltung von Alkohol aus Ethern. Technisch benötigt werden Verbindungen mit Doppelbindungen als Monomere für Polymerisationen, z.B. Butadien aus 1,3-Butandiol). Analog kann aus Dihalogenverbindungen das Halogenmolekül abgespalten werden: X X C C X C C+ X + + X + X _ _ C C + X2 9.2.4 Elektrophile Addition an Doppelbindungen Die Addition an Doppelbindungen ist praktisch die Umkehrung der Eliminierung. Mechanismus: H H C C H H H H HH _ H H + H H H + H H H + H+ + Cl H Cl H H Also auch trans-Addition (ist dem Produkt wegen der frei drehbaren Doppelbindung nicht anzusehen). Klar erkennbar bei cyclischen Verbindungen: + Br2 H H AlCl3 Br + _ H H Br + Br Br der Ringebene. Nochmal anders gezeichnet: H H 1 Brom oberhalb, 1 Brom unterhalb 127 AlCl3 dient zur Polarisierung des Brommoleküls, wodurch die Anlagerung von Br+ and die Doppelbindung möglich ist: Cl Br Br Cl Al Cl Cl δ+ δ− Br+ + Br _ Al Cl Cl + (wobei freie Br -Ionen und AlCl3Br--Ionen nicht vorkommen sondern nur intermediär in dem Prozess gebildet werden. Aus AlCl3Br- wird dann Br- zur Komplettierung der Reaktion wieder abgegeben). In Umkehrung der Eliminierungsreaktionen können an Doppelbindungen addiert werden: Halogenwasserstoff (HCl, etc.), Wasser; Alkohole. Technisch wichtige Produkte von solchen Additionsreaktionen sind z.B. Ethanol, Propanol, usw. auch längerkettige Alkylsulfate (Olefin + verd. Schwefelsäure; Waschmittel). 9.2.5 Elektrophile Substitution an Aromaten Wegen der Delokalisierung der π-Elektronen gibt es im Aromaten zunächst keine (oder kaum) bevorzugten Reaktionsstellen, weshalb sie vergleichsweise reaktionsträge sind. Die erste Funktionalisierung des Aromaten, die dann dessen weitere Reaktionen steuert, ist deshalb meist die elektrophile Substitution eines H-Atoms, wobei die gesamten π-Elektronen dem elektrophilen Angriff zugänglich sind. Dieser Reaktionsmechanismus verläuft nachweislich über drei Stufen. Zunächst tritt das elektrophile Reagens X+ mit dem gesamten πSystem in Wechselwirkung (πKomplex). Sodann bildet sich daraus der s-Komplex (d.h. ein C-Atoms ist jetzt sp3-hybridisiert), aus welchem dann mit Hilfe einer Base (freies Elektronenpaar) das zugehörige Proton abgespalten wird (Schritt III). Technisch wichtig sind vor allem die Nitrierung und die Sulfonierung von Benzol (Ar–H): Ar–H + HNO3 → Ar–NO2 + H2O Das elektrophile Reagens ist hierbei das NO2+-Ion, welches sich in hinreichend konzentrierter HNO3 selbst gebildet vorliegt HNO3 + H+ ⇌ NO2+ + H2O (Gleichgewicht wird meist durch wasserentziehende konzentrierte Schwefelsäure nach rechts verschoben).4 Zur Sulfonierung Ar–H + H2SO4 → Ar-SO3 + H2O wird SO3 als elektrophiles Reagens benötigt, das in hochkonzentrierter Schwefelsäure (sog. Oleum) enthalten ist. SO3 ist am Schwefelatom positiv polarisiert, vgl. Elektronegativität (Diagramm in Kap. 3.3), dabei 3 mal O. Entsprechend lassen sich Halogensubstituenten (nach Polarisierung mit AlCl3, FeCl3, u.ä., siehe Addition an Doppelbindungen) einführen sowie unter Berücksich-tigung weiterer Einzelheiten (s. Lehrbücher) auch Alkylsubstituenten und weitere. 4 Empfehlung: Einzelschritte der Nitrierung formulieren! 128 Sobald ein solcher Substituent am Aromaten eingeführt ist, beeinflusst dieser die weitere Reaktivität des Aromaten, die durch I- und M-Effekte der Erstsubstituenten erhöht oder erniedrigt sein kann. Zudem können Zweitsubstituenten in bestimmte Positionen am Aromaten dirigiert werden. +I- und +M-Effekte erhöhen die Reaktivität (mehr Elektronendichte im aromatischen π-System) z.B. Erstsubstituent Effekt Alkyl +I –OH < –NH2 < –NHR < –NR2 +M > -I (!) – –O +M und +I Erniedrigt wird die Reaktivität durch elektronenziehende Substituenten Erstsubstituent –COR < –COOH < COOR < CN < NO2 -M, -I (3/5 Carbonylverbindungen, s. nächstes Kapitel) Halogen -I > +M + NR3 Bei Zweifachsubstitution unterscheidet man ortho- meta- und para-Stellungen (o-, m-, Y Y Y X X X p-) der Substituenten ortho meta para (Y: Erst-, X: Zweitsubstituent). Wenn Y einen +I- oder +M-Effekt aufweist, wird X in die Ortho- oder (überwiegend) in die para-Stellung dirigiert. Erklärt wird das durch die mögliche Formulierung mesomerer Grenzstukturen für den σ-Komplex, , wobei ein +I-Erstsubstituent helfen kann, die positive Ladung (zum Teil) zu kompensieren, wenn er in otho- oder paraStellung ist: 129 Schwieriger ist es, den Zweitsubstituenten in die meta-Stellung einzuführen. Hierhin dirigieren –I und –M-Effekte der Erstsubstituenten, weil sie die C-Atome in orthound para-Stellung mit positiver Teilladung versehen, wie wieder die entsprechenden _ δ_ Y _ Y Y + δ+ δ+ δ+ . mesomeren Grenzstrukturen deutlich machen: + + An den „positivierten“ C-Atomen wird das elektrophile X jetzt nicht angreifen, sondern an den meta-Positionen. Insgesamt aber ist - wie oben gesagt - die Reaktivität für die Zweitsubstitution schlechter (d.h. längere Reaktionszeiten, höhere Reaktionstemperatur, meist mehr Nebenprodukte, usw.). Beispiele: 1) Zweitsubstitution von Phenol (OH-Gruppe +M < -I) H H H H O O O O H X + X+ + + H X + H+ X 2) Zweitsubstitution von Nitrobenzol (Stickstoff ist bereits durch die zwei O positiv teilgeladen; die durch X+ eingebrachte weitere positive Ladung wäre im σ-Komplex bei o-/p-Substitution direkt neben dem Stickstoff, s.o.) δ_ δ_ O O N δ+ + X+ O O N δ+ O O N δ+ + X + δ_ δ_ O O N δ+ + X H H O N X H O H+ + X In Technik und Industrie werden substituierte Aromaten als Bausteine für Farbstoffe und Polymere, einschließlich bestimmter Polyamide (Trevira) gebraucht. 9.2.5 Reaktionen von Carbonylverbindungen Unter dem Begriff Carbonylgruppe versteht man die C=O- Doppelbindung, Carbonylverbindungen enthalten solche Gruppen und werden als O R O O H Ketone Aldehyde, R R2 R1 und OH Carbonsäuren bezeichnet. Auch Verbindungen, die auf Carbonsäuren zurückzuführen sind (Derivate) gehören hierher wie z.B.: O O R Cl R O NH2, NHR, NR2 R OR Carbonsäurechloride, Carbonsäureamide und Carbonsäureester . C O δ+ δ_ 130 Die spezielle Reaktivität der Carbonylgruppe ergibt sich aus der vergleichsweise starken Polarisierung durch den –I-Effekt des Sauerstoffs. Das Carbonyl-C-Atom trägt eine positive Teilladung und kann deshalb nucleophiles Reagenz HB| angegriffen werden: _ HB + C O H B C O _ + . Dieser Reaktionsschritt kann durch Säuren katalysiert werden: Solche Verbindungen zerfallen gern wieder in die Ausgangsstoffe, wenn nicht eine Stabilisierung durch anschließende weitere Reaktionen möglich ist. Eine Möglichkeit im gegebenen sauren Milieu ist die Abspaltung der OH-Gruppe (als Wasser): IV muss – wie vorn gelernt – durch Abspaltung eines Protons oder Anlagerung einer Base (eines Anions) ein neutrales Moleküle gebildet werden. Konkrete Beispiele sind: - Bildung von Schiff-Basen - Bildung von Enaminen - Reaktionen von Carbonsäurechloriden, die zu Amiden und Estern führen 131 Polyamide und Polyester entstehen, wenn bifunktionelle Ausgangsstoffe eingesetzt werden: O N H O O O N H NH2 Cl Cl O Cl Cl O NH2 + N H N H O - H2O O Cl 2) 3) NH2 + HN 2 Cl O O Cl O Cl 1) O H N Cl O O H N Cl O O + HN 2 - H2O NH2 usw. Eine wichtige Methode zur Verknüpfung von C–Atomen ist die sog. AldolKondensation, wobei CH-azide Verbindungen zur Reaktion gebracht werden. Solche sind Carbonylverbindungen, die an dem der Carbonylgruppe benachbarten C-Atom (mindestens) ein H-Atom tragen, welches durch Mesomerie azide (sauer) wird und deshalb in Gegenwart einer Base B- abdissoziieren kann: Danach ist die C-H-azide Verbindung ein Anion, also ein nucleophiles Reagenz, das mit einer Carbonylverbindung wie folgt reagieren kann: Durch die hier erfolgte Verknüpfung von zwei C-Atomen sind zwei organische Moleküle zu einer Verbindung geworden. Auf diese Weise können größere Moleküle in prinzipiell beliebiger Weise zusammengefügt werden (tägliches Brot des organischen Chemikers).